Verständnisproblem bei Bose-Einstein-Statistik/Geometrische Verteilung

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Mihilist Auf diesen Beitrag antworten »
Verständnisproblem bei Bose-Einstein-Statistik/Geometrische Verteilung
Guten Abend!

Ich hätte mal eine Verständnisfrage. Die Aufgabe ist gelöst, und auch richtig (wir tragen sie morgen wor und die Übungsleiterin war heute mit unserer Lösung einverstanden *g*), aber auf dem Heimweg ist mir dann ein verblüffendes Detail am Ergebnis aufgefallen...

Also, erstmal: Die Aufgabe:

Gegeben n Zustände (im Folgenden anschaulicher als "Schachteln" bezeichnet) und r(n) Teilchen (im Folgenden "Kugeln"). Nun verteile ich Kugeln auf Schachteln gemäß der BOSE-EINSTEIN-Statistik, soll heißen die Kugeln sind nicht unterscheidbar und die Schachteln können mehrfach belegt werden (open end); jede Verteilung sei gleich wahrscheinlich.

Weiter lassen wir nun n gegen Unendlich laufen mit r(n) / n —> rho aus ]0; oo[

i) Es sei X(i) ZufVariable, die die Anzahl der Kugeln in der i-ten Schachtel angibt; i = 1, ..., k (k aus |N fest).
Zeige für n–> oo: P(X(1)=x(1), ..., X(k)=x(k)) = (1/(1+rho))^k*{(rho/(1+rho))^x(1)*...(rho/(1+rho))^x(k)}

ii) Sei nun n = 1000 und r(n) = 5000. Berechne den Erwartungswert der ersten nichtleeren Schachtel und deren erwarteten Inhalt.
Also in Formeln: Sei N := "Index der ersten nichtleeren Menge"; berechne EN und EX(N).
--------------------------------------------------------------------------------
Wie gesagt haben wir die Aufgabe gelöst, die Identität in i) haben wir nachgewiesen und die Erwartungswerte haben wir rausbekommen, nämlich:

EN = (rho + 1)/rho; EX(N) = rho+1 [Herleitung über geometrische Verteilung]

In Fall ii) also: erwarteter Index der erste nichtleere Schachtel wäre 6/5 und deren Inhalt dann 6.

Aaaaaaaaaaber...

Warum?

Nehme ich nun statt dessen gleich viele Kugeln und Schachteln, so sagt mir die Formel, dass ich erst in der zweiten Schachtel was erwarten kann, dort aber gleich zwei Kugeln...?

Das widerspricht nun aber doch sehr meiner anschaulichen Erwartung, muss ich sagen... Wenn ich gleich viele Kugeln und Teile hab, die Laplace verteilt sind, dann erwarte ich "im Durchschnitt" eigentlich, dass überall eine Kugel liegt... Ist da ein Denkfehler, den jemand auf Anhieb durchschaut, oder erzählt mir die Stochastik in dem Fall einfach Müll...? ;o)

PS: Sorry wegen der Verhunzten Formel... Ich bin leiter des LaTeX nicht mächtig, und der Formeleditor war mir zu unkomfortabel... ;o)
AD Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Mihilist
Nehme ich nun statt dessen gleich viele Kugeln und Schachteln, so sagt mir die Formel, dass ich erst in der zweiten Schachtel was erwarten kann, dort aber gleich zwei Kugeln...?

Das widerspricht nun aber doch sehr meiner anschaulichen Erwartung, muss ich sagen...

Es ist ein vielfach verbreiteter Denkfehler, Erwartungswert/Durchschnitt plötzlich als Determinismus aufzufassen, oder auch nur als "wahrscheinlichste" Variante. Dass die Determinismus-Auffassung falsch ist, leuchtet den meisten noch ein, bei der zweiten Sache gibt es bei den meisten aber erhebliche Verständnisprobleme.

Deshalb mal ein viel, viel einfacheres Beispiel:

Nimm die diskrete Zufallsgröße X, die nur die Werte 0, 4 und 5 annimmt, zu jeweils gleicher Wahrscheinlichkeit:



Den Erwartungswert kann man leicht berechnen: .

Der Wert 3 wird aber gar nicht von der Zufallsgröße angenommen. Muss er aber auch gar nicht! Und darüber solltest du mal nachdenken.

---------------

Oder ein anderes, nicht so theoretisches Beispiel: Verteile mal vier Kugeln, jede einzeln gleichberechtigt auf zwei unnumerierte Schachteln und betrachte dann die möglichen Anzahlpaare mit .

Was ist wahrscheinlicher, die Variante (2,2) oder (1,3) ?

Eine kurze Rechnung ergibt

. smile

Also ist die "asymmetrische" Variante (1,3) wahrscheinlicher!



Zitat:
Original von Mihilist
Wenn ich gleich viele Kugeln und Teile hab, die Laplace verteilt sind, dann erwarte ich "im Durchschnitt" eigentlich, dass überall eine Kugel liegt...

Die durchnittliche Anzahl der Kugeln in der zweiten Schachtel ist tatsächlich 1. Aber das ist eine andere Frage!!! Bei dir geht es um die durchschnittliche Anzahl der Kugeln in der ersten nichtleeren Schachtel.
Mihilist Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Arthur Dent
Es ist ein vielfach verbreiteter Denkfehler, Erwartungswert/Durchschnitt plötzlich als Determinismus aufzufassen, oder auch nur als "wahrscheinlichste" Variante. Dass die Determinismus-Auffassung falsch ist, leuchtet den meisten noch ein, bei der zweiten Sache gibt es bei den meisten aber erhebliche Verständnisprobleme.


Der Erwartungswert ist als Durchschnitt definiert, wenn man das Gesetz großer Zahlen dazunimmt:



Wobei h_k die relative Häufigkeit sei (Gleichheit gilt natürlich nur "im Grenzfall", wenn sich h_k wirklich P(k) annähert). Naja, und meine Variable k sei nun mal strikt positiv und natürliche Zahlen, und so (sonst ergibtdas ja keinen Sinn *g*)

Daher würde ich das nicht als Denkfehler bezeichnen, sondern als Veranschauung einer Def...


Zitat:
Original von Arthur Dent
Die durchnittliche Anzahl der Kugeln in der zweiten Schachtel ist tatsächlich 1. Aber das ist eine andere Frage!!! Bei dir geht es um die durchschnittliche Anzahl der Kugeln in der ersten nichtleeren Schachtel.


Man kann - im Grenzfall n = oo die ersten beiden Schachteln ignorieren (bleiben ja immer noch unendlich viele übrig) und kommt so iterativ zu der Anschauung, dass tatsächlich in jeder zweiten Schachtel zwei Kugeln erwartet werden. Also gleich viele Schachteln und Kugeln, aber im Mittel jede zweite leer und die übrigen doppelt besetzt.

Dass ich logischerweise Zwei pro Schachtel hab, unter der Bedingung, dass die Hälfte der Schachteln leer bleibt ist mir ja auch klar - aber mir ist nicht so klar, warum eben der Erwartungswert behauptet, dass die Hälfte überhaupt leer bleibt.
AD Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Mihilist
Sei N := "Index der ersten nichtleeren Menge"; berechne EN und EX(N).
--------------------------------------------------------------------------------
Wie gesagt haben wir die Aufgabe gelöst, die Identität in i) haben wir nachgewiesen und die Erwartungswerte haben wir rausbekommen, nämlich:

EN = (rho + 1)/rho; EX(N) = rho+1 [Herleitung über geometrische Verteilung]

Kann ich mal erfahren, wie du darauf gekommen bist? Ich hab da nämlich was anderes raus, zumindest erstmal für EN.
Mihilist Auf diesen Beitrag antworten »

Als Verteilung für N folgt aus der Überlegung zu (i):



Daher (Erwartung der geometrischen Verteilung)

Ohne die Überlegung zur (i) muss man bisschen umformen:



Es kommt aber das gleiche Ergebnis heraus. Wäre ja doof sonst Augenzwinkern
Die Gleichheit zu 1 - P(X_1 = 0) ergibt sich aus der Gleichverteilung der X_i.
AD Auf diesen Beitrag antworten »

Tja, auch für die Verteilung in (i) komme ich auf was völlig anderes, hier meine Herleitung:

Es werden Kugeln gleichberechtigt auf Schachteln verteilt. Jetzt betrachte ich mal nur die ersten Schachteln sowie eine virtuelle -te Schachtel, die die restlichen Kugeln, d.h., die der ursprünglichen Schachteln bis aufnimmt.

Dann gilt mit der Abkürzung gemäß Multinomialverteilung:



Jetzt der Übergang :



Für ist das die Poisson-Verteilung, so wie es sich gehört.


Außerdem:

Sei die erste nichtleere Schachtel. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die ersten Schachteln leer sind. Und die kann man so berechnen: Es gibt gleichwahrscheinliche geordnete Aufteilungsmöglichkeiten der Kugeln auf die Schachteln, wovon allerdings nur günstig sind für das zu betrachtende Ereignis:



Für den Erwartungswert gilt nun:



In deinem Beispielfall ist , da kommt ich dann auf


EDIT: Ach ja, ist wahrscheinlich ein Missverständnis von mir: Hammer

Du siehst alle ungeordneten Verteilungen der Kugeln als gleichwahrscheinlich an, ich hatte eher das "sequentielle" Modell vor Augen, d.h., dass alle Kugeln einzeln gleichwahrscheinlich auf die Schachteln verteilt werden.
 
 
Mihilist Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Arthur Dent
Dann gilt mit der Abkürzung gemäß Multinomialverteilung:




Wenn du alle n-k Schachteln zu einer zusammenfasst, und dann multinomial vetreilst permutierst du in der letzten Schachtel zu viel herum. Der Inhalt der letzten Schachtel müsste immer noch in n-k verschiedene Schachteln unterteilt werden - daher ist der Multinomialansatz nicht richtig.

Zitat:
Original von Arthur Dent
Außerdem:

Sei die erste nichtleere Schachtel. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die ersten Schachteln leer sind. Und die kann man so berechnen: Es gibt gleichwahrscheinliche geordnete Aufteilungsmöglichkeiten der Kugeln auf die Schachteln, wovon allerdings nur günstig sind für das zu betrachtende Ereignis:




Aber warum betrachtest du nun geordnete Tupel? Die Kugeln sind nicht unterscheidbar, daher gillt bei Bose-Einstein-Statistik die Formel Möglichkeiten, die Kugeln auf Schachteln zu verteilen. Die Anzahl günstiger Fälle für "N > k" ist dann . Hier gilt im Grenzfall die Formel aus der Aufgabe, und daher der von mir oben ausgeführte Ansatz.

Zitat:
Original von Arthur Dent
Du siehst alle ungeordneten Verteilungen der Kugeln als gleichwahrscheinlich an, ich hatte eher das "sequentielle" Modell vor Augen, d.h., dass alle Kugeln einzeln gleichwahrscheinlich auf die Schachteln verteilt werden.


Mein Modell war eines, das mir mein Lehrer mal gesagt hatte: "Verteile r_n Kugeln und n-1 Trennwände auf r_n + n - 1 Plätze", so kommt man auch anschaulich für n -> oo zu einer Bernoullikette und daher zu der geometrischen Verteilung (p^k(1-p)^(n-k), wenn p die Wahrscheinlichkeit ist, eine "Wand" zu "ziehen"...

Hilft mir immer noch nicht dabei weiter, warum Erwartungsgemäß nur jede zweite Schachtel besetzt ist... unglücklich
AD Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Mihilist
Wenn du alle n-k Schachteln zu einer zusammenfasst, und dann multinomial vetreilst permutierst du in der letzten Schachtel zu viel herum.

Irrtum, für mein Modell ist das schon richtig. Wie ich in meinem letzten Edit geschrieben habe, betrachtest du tatsächlich ein vollkommen anderes Modell - ich hatte das "Bose-Einstein" irgendwie ignoriert. Augenzwinkern

Irritiert hat mich vor allem dein

Zitat:
Original von Mihilist
jede Verteilung sei gleich wahrscheinlich.

Das hatte ich auf die "Verteilung" der Kugeln auf die Schachteln bezogen - eine nach der anderen - was letztendlich auf das von mir angeführte Multinomialmodell führt. Das ist ein Laplace-Modell mit Zuständen. Unterscheidbar sind die Kugeln hier auch nicht, aber die Art der Verteilung ist eine andere als bei Bose-Einstein.

Was du aber gemeint hast ist, dass alle Anzahltupel (d.h. mit nichtnegative ganze Zahlen mit ) gleichwahrscheinlich sind. Das ist auch ein Laplace-Modell, jedoch eins mit Zuständen.

--------------------------------------------

Ok, haben wir uns also auf dein Modell geeinigt. Aus dem dann richtigen



kann übrigens unmittelbar
gefolgert werden und dann durch



auf die Unabhängigkeit von geschlossen werden. Obwohl diese Unabhängigkeit also für endliche nicht gilt, ist sie dann doch im Grenzübergang erfüllt.

Was den Erwartungswert betrifft: Die Rechnung ergibt eben einfach

für ,

was gibt's da - insbesondere in Verbindung mit der Unabhängigkeit - noch zu zweifeln an der Aussage, dass im Mittel jede zweite Schachtel leer ist?
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