Zusammenhang Menge, Metrik, Topologie

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zwergnase Auf diesen Beitrag antworten »
Zusammenhang Menge, Metrik, Topologie
Hallo,

ich habe Problem den Zusammenhang zwischen Menge, Metrik und Topologie zu verstehen, ich hoffe ihr könnte mir das etwas anschaulich erklären. Ich versuche es mal zu formulieren.

Also ich habe eine beliebige Menge . Und die Metrik darauf definiert für zwei beliebige Elemente meiner Menge eine Abstand (z.B. der absolut Betrag).
Damit habe ich einen metrischen Raum gegeben. Aber jeder metrische Raum ist ein topologischer Raum mit der Topologie, die durch die Metrik induziert wird. Da durch die Metrik eine offene Umgebung für alle Elemente definiert ist, und diese offene Umgebungen erfüllen die Eigenschaften einer Topologie. Was bedeutet in diesem Zusammenhang "die durch die Metrik induziert wird"?
Aber nicht jeder toplogische Raum ist auch ein metrischer Raum? Gibt es dafür ein ganz anschaulich und einfach Beispiel?


Gruß Wink
Urza Auf diesen Beitrag antworten »

Eine Topologie bzw. ein Topologischer Raum ist etwas sehr Allgemeines. Der Begriff bedeutet nicht mehr, als dass eine Menge von Teilmengen zu einer gegebenen Menge erklärt ist, die eben diese 3 definierenden Eigenschaften erfüllt. Und mehr sollte man sich auch nicht darunter vorstellen.

Die Definition einer Metrik kennst du ja. Man kann zu jeder Metrik eine Topologie definieren, indem man festlegt, dass die offenen Mengen diejenigen sein sollen, bei denen zu jedem enthaltenen Punkt auch noch eine -Umgebung um den Punkt als Teilmenge in der Menge liegt. Was eine -Umgebung um einen Punkt ist, kann man ja rein mit Hilfe der Metrik definieren. Man kann sich überlegen, dass die so definierten offenen Mengen die Axiome einer Topologie erfüllen. Diese Topologie heißt dann die von der Metrik induzierte Topologie.
Man kann auch andersherum vorgehen und einen topologischen Raum betrachten und sich fragen, ob er "metrisierbar" ist, d.h. ob es eine Metrik gibt bzw. geben kann, sodass die vorgegebene Topologie dann gerade die von der Metrik induzierte Topologie ist.

Nicht jeder topologische Raum ist ein metrischer Raum (d.h. metrisierbar mit einer passenden Metrik), bei weitem nicht. Bei einem metrischen Raum misst du Abstände mit Hilfe reeller Zahlen. Dass du überhaupt so etwas wie Abstände oder Größen hast, ist bei allgemeinen topologischen Räumen nicht gegeben.
Ein einfaches Beispiel: Betrachte als Menge die natürlichen Zahlen und definiere den Begriff 'offene Menge' durch : Eine Teilmenge der natürlichen Zahlen soll (hier) offen genannt werden, wenn sie entweder leer, gleich , gleich der Menge der geraden natürlichen Zahlen oder gleich der Menge der ungeraden natürlichen Zahlen ist. Es gibt also insgesamt 4 offene Mengen. Du kannst dich davon überzeugen, dass dieses Mengensystem die Axiome einer Topologie erfüllt. Allerdings ist der Raum nicht metrisierbar, denn sonst müssten bezüglich dieser Metrik z.B. 1 und 2 sozusagen unendlichen Abstand voneinander haben (sonst könnte man ja eine entsprechende -Umgebung um 1 finden, in der auch 2 liegt; es gibt aber keine offene Menge, in der 1 und 2 liegen), was aber nach Definition einer Metrik nicht möglich ist.
zwergnase Auf diesen Beitrag antworten »

Vielen Dank Urza, dass du mir so ausführlich und auch verständlich geantwortet hast.

Zitat:
Original von Urza
[...] Freude
Also bis hier her habe ich alles verstanden!

Ein einfaches Beispiel: Betrachte als Menge die natürlichen Zahlen und definiere den Begriff 'offene Menge' durch:

Mit dem Begriff offen, im topologischen Sinne, habe ich noch sehr Probleme. Also in Sinne der Analysis ist es mir klar. Aber es heißen alle Teilmengen meiner Menge die zur Topologie gehören offen, auch wenn sie im Sinne der Analysis nicht offen sind. Aber wie soll ich sie mir dann "offen" vorstellen. Am besten einfach so hin nehmen, oder?

Irgendwie verstehe ich das folgende noch nicht ganz.

Eine Teilmenge der natürlichen Zahlen soll (hier) offen genannt werden, wenn sie entweder leer, gleich , gleich der Menge der geraden natürlichen Zahlen oder gleich der Menge der ungeraden natürlichen Zahlen ist. Es gibt also insgesamt 4 offene Mengen.
Freude
Du kannst dich davon überzeugen, dass dieses Mengensystem die Axiome einer Topologie erfüllt.
Freude
Allerdings ist der Raum nicht metrisierbar, denn sonst müssten bezüglich dieser Metrik z.B. 1 und 2 sozusagen unendlichen Abstand voneinander haben (sonst könnte man ja eine entsprechende -Umgebung um 1 finden, in der auch 2 liegt; es gibt aber keine offene Menge, in der 1 und 2 liegen) Warum müssen 1 und 2 in der gleichen offenen Menge liegen? Dieser letzte Schritt ist mir noch klar, könntest du ihn noch mal bitte etwas mehr ausführen!, was aber nach Definition einer Metrik nicht möglich ist. Dein letzten Schluss verstehe ich wieder.

Urza Auf diesen Beitrag antworten »

Also, wenn du eine Topologie definierst, heißt das gerade, dass du irgendwelche Mengen einfach offen nennst, also einfach definierst, dass sie offen heißen sollen, ohne dass du damit irgendwelche Sachverhalte, die für offene Mengen im Sinne der Analysis gelten, implizieren willst bzw. musst. Das tue ich in dem Beispiel ja auch so. Das System der offenen Mengen muss eben nur die Axiome einer Topologie erfüllen. "Offene Menge" ist im Zusammenhang mit allgemeinen topologischen Räumen nur ein anderes Wort für "Menge die in der Topologie(dem Mengensystem) enthalten ist". D.h. so allgemein ist es nicht sinnvoll, mit diesen offenen Mengen irgendeine besondere Anschauung zu verknüpfen (außer eben, dass es Mengen sind, die untereinander unter Vereinigungsbildung und endlichen Durchschnittsbildung abgeschlossen sind - also nur eine sehr abstrakte Anschauung).
Zu dem Beispiel : Es tut mir Leid, was ich sagte ist auch noch kein vollständiger Beweis dafür, dass der Raum nicht metrisierbar ist. Ich hatte eine Sache übersehen.
Nochmal mit einem anderen Argument, diesmal vollständig und richtig: Nehmen wir eine belieibige Metrik d auf den natürlichen Zahlen und die davon induzierte Topologie T. Diese Metrik ordnet auch 1 und 3 eine positive reelle Zahl a als Abstand zu. Nun sind in der Topologie auf jeden Fall für jedes alle -Umgebungen um jede natürliche Zahl als offene Mengen enthalten (*). Also z.B. auch die a/2-Umgebungen um 1 und 3. Diese beiden Mengen müssen also bezüglich der von der Metrik induzierten Topologie offen sein. Sie sind außerdem disjunkt, denn wäre eine natürliche Zahl in beiden Umgebungen enthalten, dann hätte sie Abstand <a/2 zu 1 und zu 3 und damit wäre der Abstand zwischen 1 und 3 nach Dreiecksungleichung kleiner als a. Es muss also, egal wie man die Metrik wählt, zwei offene Mengen A und B in der induzierten Topologie geben, sodass und gilt. Das ist aber in der angegebenen Topologie nicht der Fall, folglich kann es keine von einer Metrik induzierte Topologie sein.
Übrigens nennt man einen topologischen Raum, in dem man wie hier für je zwei Punkte und immer offene Mengen und finden kann, sodass x in A liegt, y in B liegt und beide Mengen A und B keine gemeinsamen Punkte haben, auch Hausdorffsch. Wie wir am Beispiel gesehen haben (die gleiche Argumentation kann man ja für beliebige metrische Räume und beliebige 2 Elemente darin durchführen) sind metrische Räume immer Hausdorffsch und der Beispielraum mit der angegebenen Topologie ist es nicht.

(*) Das ist eigentlich auch beweisbedürftig, wenn man "induzierte Topologie einer Metrik" so definiert, wie ich es oben angegeben habe. Man muss also zeigen, dass für jeden Punkt eines metrischen Raumes und jedes gilt : Zu jedem Punkt in der -Umgebung um existiert ein , sodass die -Umgebung um noch ganz in der -Umgebung von enthalten ist. Das ist erfüllt, weil man z.B. als wählen kann. Die Punkte in der -Umgebung um haben dann nach Dreiecksungleichung einen Abstand kleiner als von .
zwergnase Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Urza
Also, wenn du eine Topologie definierst, heißt das gerade, dass du irgendwelche Mengen einfach offen nennst, also einfach definierst, dass sie offen heißen sollen, ohne dass du damit irgendwelche Sachverhalte, die für offene Mengen im Sinne der Analysis gelten, implizieren willst bzw. musst. Das tue ich in dem Beispiel ja auch so. Das System der offenen Mengen muss eben nur die Axiome einer Topologie erfüllen. "Offene Menge" ist im Zusammenhang mit allgemeinen topologischen Räumen nur ein anderes Wort für "Menge die in der Topologie(dem Mengensystem) enthalten ist". D.h. so allgemein ist es nicht sinnvoll, mit diesen offenen Mengen irgendeine besondere Anschauung zu verknüpfen (außer eben, dass es Mengen sind, die untereinander unter Vereinigungsbildung und endlichen Durchschnittsbildung abgeschlossen sind - also nur eine sehr abstrakte Anschauung).
Danke, nun denke ich habe ich es endlich verstanden!

Mit deinem Beispiel komme ich wieder nicht so ganz zurecht. Wir möchten doch zeigen: Jeder metrische Raum ist ein topologischer, aber nicht jeder topologische Raum ist metrisch.
Und dass machst du indem du annimmst auf dem topologischen Raum ist eine Metrik definiert, aber du findest dann einen Widerspruch zur Dreiecksungleichung.


Zu dem Beispiel: Es tut mir Leid, was ich sagte ist auch noch kein vollständiger Beweis dafür, dass der Raum nicht metrisierbar ist. Ich hatte eine Sache übersehen.
Nochmal mit einem anderen Argument, diesmal vollständig und richtig: Nehmen wir eine belieibige Metrik d auf den natürlichen Zahlen und die davon induzierte Topologie T. Diese Metrik ordnet auch 1 und 3 eine positive reelle Zahl a als Abstand zu. Nun sind in der Topologie auf jeden Fall für jedes alle -Umgebungen um jede natürliche Zahl als offene Mengen enthalten (*). Also z.B. auch die a/2-Umgebungen um 1 und 3. Diese beiden Mengen müssen also bezüglich der von der Metrik induzierten Topologie offen sein. Sie sind außerdem disjunkt, denn wäre eine natürliche Zahl in beiden Umgebungen enthalten, dann hätte sie Abstand <a/2 zu 1 und zu 3 und damit wäre der Abstand zwischen 1 und 3 nach Dreiecksungleichung kleiner als a.

Die Dreiecksungleichung gilt doch auch für kleiner gleich!

Es muss also, egal wie man die Metrik wählt, zwei offene Mengen A und B in der induzierten Topologie geben, sodass und gilt. Das ist aber in der angegebenen Topologie nicht der Fall, folglich kann es keine von einer Metrik induzierte Topologie sein.
Übrigens nennt man einen topologischen Raum, in dem man wie hier für je zwei Punkte und immer offene Mengen und finden kann, sodass x in A liegt, y in B liegt und beide Mengen A und B keine gemeinsamen Punkte haben, auch Hausdorffsch. Wie wir am Beispiel gesehen haben (die gleiche Argumentation kann man ja für beliebige metrische Räume und beliebige 2 Elemente darin durchführen) sind metrische Räume immer Hausdorffsch und der Beispielraum mit der angegebenen Topologie ist es nicht.

(*) Das ist eigentlich auch beweisbedürftig, wenn man "induzierte Topologie einer Metrik" so definiert, wie ich es oben angegeben habe. Man muss also zeigen, dass für jeden Punkt eines metrischen Raumes und jedes gilt : Zu jedem Punkt in der -Umgebung um existiert ein , sodass die -Umgebung um noch ganz in der -Umgebung von enthalten ist. Das ist erfüllt, weil man z.B. als wählen kann. Die Punkte in der -Umgebung um haben dann nach Dreiecksungleichung einen Abstand kleiner als von .


Kann ich als Beispiel nicht einfach die Menge nehmen, darauf habe ich mit Sicherheit zwei Topologien, aber keine Metrik, da , als Menge auf der die Metrik definiert ist nicht zugelassen ist? Aber auf die Axiome, die für eine Topologie erfüllt sein müssen, nachzuweisen ist etwas komisch, da die leere Menge per Definition doch gar keine Teilmengen besitzt?!?

Gruß Wink
Urza Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Mit deinem Beispiel komme ich wieder nicht so ganz zurecht. Wir möchten doch zeigen: Jeder metrische Raum ist ein topologischer, aber nicht jeder topologische Raum ist metrisch.

Mit dem Beispiel beweise ich nur, dass nicht jeder topologische Raum metrisierbar ist. Dass jeder metrische Raum ein topologischer Raum ist (eben mit der induzierten Topologie), das setze ich schon voraus.

Zitat:
Und dass machst du indem du annimmst auf dem topologischen Raum ist eine Metrik definiert, aber du findest dann einen Widerspruch zur Dreiecksungleichung.

Nein, ich mache es so, dass ich eine beliebige auf dem Raum (als Menge) definierte Metrik mit der von dieser Metrik induzierten Topologie betrachte und dann zeige, dass diese induzierte Topologie nicht gleich der gegebenen Topologie ist. D.h. die gegebene Topologie kann nicht von einer Metrik kommen.

Eigentlich ist mein Beweis schon recht ausführlich gehalten. Am Besten, du siehst ihn dir nochmal von Anfang an durch.

Zitat:
Die Dreiecksungleichung gilt doch auch für kleiner gleich!

Wenn du einen Teil der Argumentation nicht richtig verstehst, so wie hier, dann schreibe dir den Schritt doch mal ausführlich auf : Eine natürliche Zahl sei in und in enthalten, d.h. es gelte und , wenn die Metrik ist, um die es geht. Jetzt stelle die Dreiecksungleichung mit auf und schätze dann ab.

Zu der Frage mit : Erstmal, die leere Menge hat nach Definition genau eine Teilmenge, nämlich sich selbst. Ob man die leere Menge (zusammen mit einer geeigneten Topologie) als topologischen Raum zulassen will, hängt von der Definition ab. Falls man das tut, gibt es nur eine Möglichkeit, eine Topologie zu wählen, nämlich die Menge, die nur die leere Menge enthält. erfüllt dann auch tatsächlich alle Axiome eines topologischen Raumes. Als Metrik kannst du auch die "leere Abbildung" wählen. Diese erfüllt, wenn du sie im Begriff "Metrik" zulässt (nicht extra ausschließt), auch alle Axiome einer Metrik auf der leere Menge. Die leere Menge kann also nicht als Gegenbeispiel dienen.
Davon abgesehen, dieser Fall ist eigentlich völlig uninteressant. Ich wollte ein Beispiel geben, was zumindest nicht ganz trivial ist, damit du vielleicht auch (einen) Grund siehst, warum ein topologischer Raum nicht metrisierbar sein muss (Hausdorffsch-Eigenschaft).
 
 
zwergnase Auf diesen Beitrag antworten »

Danke Urza, für deine Hilfe. Ich habe mir gestern nochmal was zu dem Thema durchgelesen und nun denke ich habe ich all deine Gedankengänge verstanden.

Gruß Wink
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