Stil in mathematischen Arbeiten

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stef123 Auf diesen Beitrag antworten »
Stil in mathematischen Arbeiten
Hey,
ich schreibe gerade an meiner Diplomarbeit. Jetzt kam es gestern dazu, dass ein bekannter Bekannter (Geisteswissenschaftler) meine Arbeit in den Händen bekam. Er hat einige Passagen durchgelesen und sich gewundert, dass ich häufig "wir" schreibe.

Ich habe ihm dann erklärt, dass der "Wir"-Stil eigentlich Standard unter Mathematikern ist. Er meinte, dass es doch passender sei "Ich" zu schreiben, da ich ja alleine die Arbeit verfasst hätte.

Ich muss dazu sagen, dass ich den Stil auch nicht mit meinem Betreuer abgestimmt habe. Aber ich gehe doch richtig in meiner Annahme, dass "Wir" unter Mathematikern üblich ist. Oder gibt es Mathematiker, die das "wir" überhaupt nicht in einer mathematischen Arbeit sehen wollen?
mYthos Auf diesen Beitrag antworten »

Unter "wir" sind der Autor UND die Leser mit eingeschlossen. Deshalb ist das "wir" dann angebracht, wenn es um Dinge geht, die gemeinsam eingesehen werden können. Anders ist es, wenn du etwas ansprichst, was du persönlich eingebracht hast oder wenn es um persönliche Statements geht. Z.B. " .. ich zitiere .." oder " ich möchte nun zeigen, dass ..." oder " .. der Beweis ist einfach, wie ich finde."

mY+
stef123 Auf diesen Beitrag antworten »

Dass man das "Ich" für selbsteingebrachte Dinge verwenden sollte ist mir neu. Ich habe in diesen Situationen auch das "wir" verwendet und durch einen Kommentar deutlich gemacht, dass der Beweis eine Eigenleistung enthält. Z. B. "Wir zeigen eine Allgemeinerung von ...."
mYthos Auf diesen Beitrag antworten »

In diesem Falle finde ich das "Ich" eher angebracht, wenn dieser Satz in einer eigenen Arbeit geschrieben wird. Aber das ist nur eine Meinung, sehen wir mal, was die anderen dazu sagen ...

mY+
Dual Space Auf diesen Beitrag antworten »

Ich schreibe alles konsequent in der "wir"-Form. Im Gegensatz zu den Geisteswissenschaftlern, legen wir (Mathematiker) ja auch mehr Wert auf den Inhalt und müssen dabei nicht zwingend an jeder Stelle hervorheben, dass "ich" dieses oder jenes Resultat allein erzielt habe. Augenzwinkern
AD Auf diesen Beitrag antworten »

Ich kenne es so: Üblich sind die zwei Varianten "wir" bzw. unpersönlich "man". Allerdings sollte man (!) einmal gewählt konseqent bei einer der beiden Varianten bleiben, wechselndes "wir" und "man" in ein- und denselben Text werden nicht gerade als guter Stil angesehen. Wobei sich sicher genug Beispiele hier im Board finden lassen, wo ich genau diesen Stilfehler begehe... Hammer
 
 
Jayk Auf diesen Beitrag antworten »

Also ich finde ja "wir wollen nun zeigen" besser, ", wie ich finde" würde ich überhaupt nicht schreiben.

Zitat: http://www.informatik.uni-oldenburg.de/studium/azwa/node6.html#SECTION00063010000000000000
,,Ich``, ,,wir`` oder ,,man``?




Anders als in englischsprachigen wissenschaftlichen Texten, in denen die wir-Form üblich ist, hat man im Deutschen die Wahl zwischen verschiedenen Formen: die ich-Form (oder die wir-Form für eine Gruppe), die für ,,der Autor und der Leser`` stehende wir-Form, die man-Form und die passive Form (,,Es wird gezeigt, daß ...``). Deininger et al. [3, S. 48 f.] stellen gegenüber, welche Form wann angemessen sein kann, ohne eine Form für den Haupttext zu bevorzugen. Beutelspacher [1, S. 70 f.] gibt die Regeln, ,,man`` sei zwar nicht schön, aber auch nicht falsch, ,,ich`` sei nur für persönliche Aussagen des Autors zu verwenden und bevorzugt die wir-Form für den Haupttext.
AD Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Dual Space
Im Gegensatz zu den Geisteswissenschaftlern, legen wir (Mathematiker) ja auch mehr Wert auf den Inhalt und müssen dabei nicht zwingend an jeder Stelle hervorheben, dass "ich" dieses oder jenes Resultat allein erzielt habe. Augenzwinkern

Genau: Pluralis modestiae , wie ich gerade gelesen habe.
42 Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo,
persönlich bevorzuge ich für Ausarbeiten die passive Form.

Ich finde es hört sich oft komisch in ich oder wir Form an.

Also statt 'Wie wir bereits gezeigt haben'/'Wie ich bereits gezeigt haben' würde ich schreiben 'Wie bereits gezeigt wurde, ...'

Die 'Ich' Form finde ich persönlich relativ grausam bei solchen Ausarbeitungen (irgendwie hört sich 'Wie ich bereits gezeigt habe' hochtrabend/arrogant an).
Jayk Auf diesen Beitrag antworten »

Das stimmt, also "ich" ist da wirklich arrogant. "Wie bereits gezeigt wurde" klingt auch nicht schlecht, mir würde aber trotzdem "Wie wir bereits gezeigt haben" besser gefallen.
Jacques Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo,

Unabhängig von den wissenschaftlichen Traditionen:

Die Wir-Form klingt in meinen Ohren doch sehr altväterlich; in Wahrheit ist man ja nur selbst aktiv, aber der Leser wird gönnerhaft als Pseudo-Mitarbeiter einbezogen. In Lehrbüchern mag das aus didaktischen Gründen ganz sinnvoll sein, aber in einer Diplomarbeit finde ich es unpassend. Die Leser Deiner Arbeit brauchen nicht an die Hand genommen und zu den Erkenntnissen geführt zu werden.

Auf die Ich-Form würde ich ganz verzichten. Die klingt, wie ja schon mehrfach gesagt, sehr arrogant; und weil man vieles kaum ganz allein erarbeitet hat, schmückt man sich auch ein bisschen mit fremden Federn, wenn man ständig von sich redet.

Ich würde die Passiv- oder Man-Form nehmen -- der Text wirkt dann auf Dauer vielleicht ein bisschen steif und umständlich, aber zumindest sachlich. Außerdem kann man das lästige „werden“ ja auch häufig weglassen: „ ... , wie bereits gezeigt, ...“
Reksilat Auf diesen Beitrag antworten »

Ich bevorzuge grundsätzlich das "Wir" und finde nicht, dass es einen antiquierten oder bevormundenden Klang hat. Man will ja nicht mit Informationen hinter dem Berg halten und ein Satz wie: "Weiterhin kann ich zeigen, dass es auch für alle anderen Fälle gilt..." hört sich so an, als schätzte man die Fähigkeiten des Lesers, es dem Autor gleichzutun, als eher gering ein.

Die neutrale Schreibweise ist mir auf Dauer zu trocken, denn sprachlich vielfältiger ist der Pluralis modestiae, da man auch dort ohne Probleme ein "wie bereits gezeigt" einfügen kann. Die Verwendung des "Wir" steht imho für größtmögliche Offenheit im Text, der Leser soll ja alles selbst nachvollziehen können; er arbeitet bei der Lektüre mit, denn auch Verständnis ist Arbeit.
Dual Space Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Arthur Dent
Zitat:
Original von Dual Space
Im Gegensatz zu den Geisteswissenschaftlern, legen wir (Mathematiker) ja auch mehr Wert auf den Inhalt und müssen dabei nicht zwingend an jeder Stelle hervorheben, dass "ich" dieses oder jenes Resultat allein erzielt habe. Augenzwinkern

Genau: Pluralis modestiae , wie ich gerade gelesen habe.

Wieder was dazugelernt. Freude

Jetzt kann ich bei der nächst besten Gelegenheit bei den Kollegen mal wieder mit nem Fremdwort protzen. Big Laugh
Ben Sisko Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Arthur Dent
Ich kenne es so: Üblich sind die zwei Varianten "wir" bzw. unpersönlich "man". Allerdings sollte man (!) einmal gewählt konseqent bei einer der beiden Varianten bleiben, wechselndes "wir" und "man" in ein- und denselben Text werden nicht gerade als guter Stil angesehen. Wobei sich sicher genug Beispiele hier im Board finden lassen, wo ich genau diesen Stilfehler begehe... Hammer


Das kommt aber sicher auch auf die Länge des Textes an?!

Hab gerade mal meine Dipomarbeit durchsucht:
75 Mal "man"
14 Mal "wir"
2 Mal "ich" (in der Erklärung, dass ich's selbstständig nur mit den zitierten Quellen etc. gemacht habe Big Laugh )
Reksilat Auf diesen Beitrag antworten »

Ich hab' auch mal gezählt: Lesen1

In meiner Diplomarbeit (62 Seiten)
10x man
199x wir
2x ich (Danksagung und Selbständigkeitserklärung)

Eine alte Praktikumsarbeit habe ich auch noch gefunden (19 Seiten):
17x man
84x wir
0x ich

Bis auf ein, zwei Ausnahmen habe ich das "man" auch nur an Stellen eingesetzt, an denen meiner Meinung nach das "wir" nicht gepasst hätte, also Konjunktive und Verallgemeinerungen, die nichts direkt mit der aktuellen Berechnung hier und jetzt zu tun haben.
("man kann dann leicht nachprüfen, dass...", "Betrachtet man die beiden Tabellen, so erkennt man...", "Es wird beschrieben, wie man ... berechnen kann.")
Gualtiero Auf diesen Beitrag antworten »

Es freut mich - der ich sowohl von Mathematik als auch ganz allgemein von Literatur und Sprachen begeistert bin - außerordentlich, dass sich Mathematiker auch Gedanken zum Sprachstil machen und die auch noch so gut zum Ausdruck bringen.
Mir gefällt das "Wir" sehr gut, weil es die gemeinsame Gedankenarbeit des Autors als auch aller Lesenden voraussetzt. Ich würde aber keine starre Regel daraus ableiten und mich überhaupt nicht an gelegentlichen anderen Formulierungen (wie Reksilat und Ben Sisko zeigen) stoßen.

Wenn sich natürlich ein Professor da querlegt, ist das wieder ein eigenes Problem, das wahrscheinlich nur mit ihm gelöst werden kann.


Walter
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