Definition des Grenzwertes

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Mathespezialschüler Auf diesen Beitrag antworten »
Definition des Grenzwertes
Hi,
ich beschäftige mich grad mit Folgen und Reihen. Da habe ich folgende Definition gefunden:

Zitat:
Die Folge hat den Grenzwert g genau dann, wenn es zu jeder positiven Zahl eine natürliche Zahl gibt, sodass



für alle natürlichen Zahlen .


Irgendwie versteh ich nicht, warum und wie das den Grenzwert charakerisiert. Ich verstehe auch nicht, welche Zahlen und sind. Kann mir das jemand mal an nem Beispiel erklären?? Danke! :]
WebFritzi Auf diesen Beitrag antworten »

Kein Problem. Das hat Deakandy in seinem Workshop auch einfach so stehen, und ich verstehe nicht, wieso er das nicht ordentlich erklärt.

Erklärung: Was soll es bedeuten, dass gegen a konvergiert? Wir wissen z.B.: "Die Folge ist eine Nullfolge". Diese Folge konvergiert also gegen Null. Was bedeutet das? Der Wert 0 zieht die Folgenglieder in gewisser Weise an. Das heißt: Außerhalb eines jeden Intervalls liegen nur endlich viele Folgenglieder. Und das gilt für jedes (noch so kleine) . Anders ausgedrückt: Für jedes gibt es ein , so dass für alle . So. Bisher war der Grenzwert a = 0. Für einen beliebigen Grenzwert ist es klar, wie diese Definition umzumodeln ist:

Eine Folge heißt konvergent gegen einen Wert a, wenn es zu jedem ein gibt, so dass für alle .

So. Und ist gleichwertig mit . Und das ist wieder gleichwertig mit .

---------------------------------------------------

Beispiel 1:
=========
Zu zeigen: Die Folge mit konvergiert gegen 0.

Beweis: Sei irgendeine positive Zahl. Es ist , und ist gleichwertig mit . Wir können für N also die größte natürliche Zahl wählen, die kleiner als (oder gleich) ist.

---------------------------------------------------

Beispiel 2:
=========
Zu zeigen: Die Folge mit konvergiert gegen 1.

Beweis: Es sei beliebig gegeben. Wähle dann ein . Für gilt:

.
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

Und ich versuche es einmal etwas anschaulicher.

Ich teile eine Folge ein in einen Folgenkopf (das sind alle Glieder vor einer bestimmten Nummer) und einen Folgenschwanz (das sind alle Glieder ab dieser Nummer). Und diese Unterteilung kann man bei jedem Folgeglied vornehmen. Man erhält (ich beginne meine Folge mit dem Index 1)

bei der Nummer 1
als Folgenkopf: (gar nichts)
als Folgenschwanz: die ganze Folge a1,a2,a3,a4,a5,a6,a7,...

bei der Nummer 2
als Folgenkopf: a1
als Folgenschwanz: a2,a3,a4,a5,a6,a7,...

bei der Nummer 3
als Folgenkopf: a1,a2
als Folgenschwanz: a3,a4,a5,a6,a7,...

Jeder Folgenkopf hat nur endlich viele Folgenglieder, jeder Folgenschwanz unendlich viele - aber das reicht nicht! Entscheidend ist: der Folgenschwanz enthält alle Glieder ab einem bestimmten.

Und jetzt trägst du dir eine Folge in ein Koordinatensystem ein: auf der Abszissenachse die Indizes 1,2,3,..., auf der Ordinatenachse die Werte a1,a2,a3,... . Die Zahl g sei nun der Grenzwert dieser Folge (nimm als Beispiel etwa a_n=2+[(-1)^n]/n, hier vermutet man g=2). Lege eine Parallele zur Abszissenachse durch g hindurch. Und jetzt zu dieser Parallele zwei weitere Parallelen im Abstand epsilon (z.B. epsilon=1,5), eine nach oben und eine nach unten. So entsteht ein horizontaler epsilon-Streifen um g (der Breite 2·epsilon).

Und wenn nun g tatsächlich der Grenzwert ist, liegt ein ganzer Folgenschwanz in diesem epsilon-Streifen drinnen. Aber mehr noch! Auch bei Verkleinerung der Streifenbreite ist das der Fall: Immer liegt ein ganzer Folgenschwanz im epsilon-Streifen, egal, wie klein epsilon ist. Nimm dann eine andere Zahl h, die offensichtlich nicht der Grenzwert ist. Vielleicht gibt es dann auch noch gewisse epsilon-Streifen um h, die einen ganzen Folgenschwanz enthalten. Aber du wirst einen epsilon-Streifen finden können (einer genügt!), der vielleicht noch einzelne Glieder, aber keinen ganzen Folgenschwanz mehr enthält.

Und diese anschauliche Tatsache erhebt man jetzt zur Definition:

g heißt Grenzwert einer gegebenen Folge, wenn jeder noch so kleine epsilon-Streifen um g einen ganzen Folgenschwanz enthält.

Wann liegt nun eine Zahl x im epsilon-Streifen um g? Natürlich dann, wenn ihr Abstand zu g kleiner als epsilon ist. Abstände mißt man aber durch den Betrag der Differenz: |x-g|<epsilon.
Wann liegt also ein gewisses Folgenglied a_n im epsilon-Streifen? Klar, für |a_n-g|<epsilon.
Wann liegt nun aber ein ganzer Folgenschwanz, sagen wir mit der Startnummer n_0, im epsilon-Streifen: Klar, wenn |a_n-g|<epsilon für alle n>=n_0 gilt.
Die obige Definition verlangt nun, daß man zu jedem epsilon-Streifen einen Folgenschwanz, d.h. ein n_0, bestimmen kann.

Jetzt formalisieren wir alles und erhalten die folgende abstrakte Definition für den Grenzwert:

g heißt Grenzwert der Folge a1,a2,a3,..., wenn zu jedem epsilon>0 eine natürliche Zahl n_0 existiert, so daß |a_n-g|<epsilon ist für alle n>=n_0.

Voilá!


EDIT (21.7.2013) Schreibfehler ausgebessert
Mathespezialschüler Auf diesen Beitrag antworten »

Ok, danke Jungs!! Habt mir beide viel weiter geholfen. :] :] Habs jetzt verstanden, nur ohne Erklärung find ichs doch ziemlich schwer.
m00xi Auf diesen Beitrag antworten »

Eine erstklassige Erklärung Leopold, ich bin gerade schwer beeindruckt. Wirklich toll. *sprachlos*
Schön, dass man so jemanden hier im Forum hat.
Jochen Auf diesen Beitrag antworten »

Will mich da mal mooxi anschließen. Anschaulicher geht's kaum. Wenn damals mein Prof so argumentiert hätte *seufz* smile
 
 
Irrlicht Auf diesen Beitrag antworten »

Wenn dein Prof in der Uni so argumentiert hätte, wäre er ausgelacht worden und hätte die Vorlesung abgeben müssen.

Die Erklärung ist für die Schule wunderbar geeignet, für die Uni ist sie nicht angemessen - obwohl sie dem Studenten sicherlich auch verständlicher wäre. In der Uni wird erwartet - und darf erwartet werden - dass der Student sich seine Erklärungen selbst findet.

@Leopold Schick deinen Beitrag doch Deakandy für den Workshop. Das würde da wunderbar reinpassen.
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