Matheklausur zur Kopfpauschale

Neue Frage »

Zellerli Auf diesen Beitrag antworten »
Matheklausur zur Kopfpauschale
Puuuh ich habe mir heute früh diese Pressekonferenz gegeben. Natürlich kenne ich auch das Programm der FDP zur Gesundheitspolitik und diverse Aussagen zu ihren Vorhaben.
Hat mich tierisch aufgeregt, dass man mich und alle Deutschen für so dumm hält. Daher hab ich ein bisschen gemalt und ein paar Aufgaben dazu geschrieben. Dachte das passt vielleicht hier rein. Mal wieder ein bisschen Politik ins Board bringen...

Wenn da nicht das blöde Allgemeinwissen wäre, das man zum Thema braucht, könnte das von rein mathematischer Seite auch ein Grundschüler lösen. Die Klausur ist gleichzeitig ein Indikator dafür, ob man mehr als zwei Gehirnzellen hat (was die Sprecher von schwarz-gelb für unwahrscheinlich halten).


[attach]11630[/attach]
1. Die Grafik zeigt einen Überblick über die absoluten Kassenbeiträge der Beitragszahler in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Deutschland.

a) Entwerfen sie auf Grundlage des vorliegenden Diagramms ein neues Diagramm für die Beiträge in einem GKV-System mit Kopfpauschale.
Berücksichtigen Sie dabei folgende Aussagen:
i) "Kopfpauschale" bedeutet, jeder Beitragszahler zahlt den selben absolute Beitrag.
ii) "Kein Versicherter wird mehr zahlen müssen."

b) Was bedeutet die grün markierte Fläche? Beschreiben Sie qualitativ wie sich die Fläche in dem von Ihnen erarbeiteten vom gegebenen Diagramm unterscheidet.


[attach]11631[/attach]
2. Die Grafik zeigt den Bedarf an Geldern zur Finanzierung der Kassenleistungen. Der grüne Bereich spiegelt die Kassenbeiträge (vergleiche Aufgabe 1) wider. Der rote Bereich entspricht den Steuergeldern, die über den Gesundheitsfonds zugeschossen werden müssen, um alle Kosten zu decken.
Passen Sie die Grafik qualitativ so an, dass sie den Ergebnissen aus Aufgabe 1 entspricht und folgende Aussagen berücksichtigt:
i) "Die Versicherten können mit den selben Leistungen wie im alten System rechnen."
ii) Apotheken und Ärzte begrüßen die Kopfpauschale. Nehmen Sie deshalb der Einfachheit halber an, dass keine weiteren Faktoren hinzukommen, die das Preis/Leistungsverhältnis ändern.

Zusatzaufgaben:

3. Nehmen Sie an, die volle Leistungsbreite aus Aufgabe 2 müsste mit einer Kopfpauschale gedeckt werden (der Steueranteil würde komplett entfallen).
a) Entwerfen Sie ein entsprechendes Diagramm.
b) Was bedeutet diese Anpassung für den relativen Kassenbeitrag in Abhängigkeit vom Einkommen eines Beitragszahlers? (Fallunterscheidung!)

4. (ein bisschen Spaß muss sein) Erklären Sie, warum die Kopfpauschale ein unerlässlicher Bestandteil einer Gesundheitsreform hin zu einer kapitalgedeckten GKV ist.


Selbstverständlich ist die Aufgabe 4 unlösbar.


Guido, Angela und Horst meinen, die Mehrheit der Deutschen sei unfähig diese Klausur zu bestehen. Denn aus welchem anderen Grund würden sie sonst dermaßen einseitige, verzerrte und größtenteils erlogene Aussagen von sich geben?

Klar ist das etwas dramatisiert. Ich nehme schon an, dass die Kapitalisten-BWLer der FDP an einigen Rädchen schrauben und Kosten einsparen können durch Bürokratieabbau und eventuell eine Reform der Leistungsvergütung. Aber das wird unmöglich so sehr ins Gewicht fallen, dass (bei weniger Beiträgen wohlbemerkt) die Einnahmen sogar so groß sind, dass man sich eine Kapitaldeckung aufbauen kann.
Außerdem sollen die Kosten von den Steuern entkoppelt werden, aber auf der anderen Seite sollen die, die eine solche Pauschale relativ gesehen zu sehr belastet durch Steuergelder unterstützt werden (das ist nämlich die Form, in der sie dafür sorgen wollen, dass keiner mehr zahlen muss).
Aufgabe 4 spiegelt hier das wider, was ich einfach nicht verstehe. Man argumentiert für das Gesamtpaket Kopfpauschale, indem man sagt: dadurch (und eben nur dadurch!) werden künftige Generationen entlastet. Jetzt fragen sich meine drei Gehirnzellen, warum das nur mit einer Kopfpauschale und nicht mit einer solidarischen Beitragsstruktur möglich ist. Die Beitragsstruktur ist meiner Meinung nach unabhängig von sonstigen Reformen im System. Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren...


Puh ich seh schon... Wenn ich mir den kritischen Geist nicht wegoperieren lasse, wird das nicht lange gut gehen im bayerischen Schuldienst Augenzwinkern

edit: Hmmm jetzt werden die Dateianhänge nicht mehr angezeigt...
Abakus Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Matheklausur zur Kopfpauschale
Zitat:
Original von Zellerli
Aufgabe 4 spiegelt hier das wider, was ich einfach nicht verstehe. Man argumentiert für das Gesamtpaket Kopfpauschale, indem man sagt: dadurch (und eben nur dadurch!) werden künftige Generationen entlastet. Jetzt fragen sich meine drei Gehirnzellen, warum das nur mit einer Kopfpauschale und nicht mit einer solidarischen Beitragsstruktur möglich ist. Die Beitragsstruktur ist meiner Meinung nach unabhängig von sonstigen Reformen im System. Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren...


Insgesamt ist das ein schwieriges und vielschichtiges Thema, was sich sicher nicht nur mit Blick auf die Beiträge so darstellt.

Das Problem der jetzigen Beitragsbemessung in der gesetzlichen KV ist doch, dass der Beitrag i.A. gerade nicht vom Einkommen des Versicherten abhängig ist. Zur näheren Erläuterung hier einmal typische Situationen:

1. der Versicherte ist pflichtversichert und arbeitet angestellt, d.h. er hat Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit. Dann ist nur sein Bruttogehalt die Bemessungsgrundlage für seinen KV-Beitrag, während alle anderen Einkunftsarten ignoriert werden.
Im Extremfall (passiert öfter) zahlt derjenige den minimalen Beitrag, während er durchaus aus Vermietung, Kapitaleinkünfte, sonst. Einkünfte, Gewerbe, usw. jeweils Millioneneinkünfte beziehen kann. Im Durchschnitt ist die Situation ähnlich: alle Pflichtversicherten zahlen unterproportional zu ihren steuerlichen Einkünften (solange sie nur Einkünfte aus anderen Einkunftsarten haben).

2. ein freiwillig Versicherter zahlt seinen Beitrag nach der Summe aller seiner Einkunftsarten. Dabei gilt die Besonderheit, dass ein Ausgleich negativer Einkünfte aus einer Einkunftsart nicht möglich ist, es werden also nur die positiven Einnahmen zusammengezählt.
Im Extremfall (der gar nicht so selten ist) gibt es Versicherte, die ein zu versteuerndes Einkommen von unter Null haben (also Verluste schreiben), während sie dennoch den KV-Höchstbeitrag bezahlen (weil ihre Verluste einfach ignoriert werden).

3. ein Existenzgründer, der in der Anfangsphase zumeist nichts verdient und sogar Verluste macht, wird sobald er sein Gewerbe angibt, auf mindestens(!) die Hälfte der Beitragsbemessungsgrenze gesetzt. D.h. ihm wird fiktiv ein Einkommen berechnet, was überhaupt nicht da ist. Das ist ein Grund mit für die geringe Anzahl von Gründern in Deutschland unglücklich .

Diese Aufzählung ließe sich lang fortführen. Ich denke mal, es ist so schon erkennbar, dass die Beitragsbemessung im jetzigen System in keinster Weise gerecht ist böse .


Eine Kopfpauschale führt dagegen zB dazu, dass zunächst jeder (der das kann), einen Grundbeitrag bezahlt und alle restlichen Kosten des Gesundheitssystems durch Steuern aufgebracht werden. Die Steuern werden wesentlich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben, so dass Vielverdiener hier auch wirklich viel zur KV beitragen und Wenigverdiener eben wenig oder nichts beitragen. Das Ergebnis erscheint insgesamt deutlich gerechter.

Die neuen Ideen mit Kopfpauschale haben - richtig umgesetzt - also durchaus Charme, aber natürlich ist das nicht das einzige mögliche System.

Vergleichen wir einmal mit anderen Ländern:

- die Niederlande haben einen Festsatz kombiniert mit einem einkommensabhängigen Satz, was ziemlich ähnlich zur Kopfpauschale ist.

- die Schweiz hat einen - verglichen zu uns - eher niedrigen Beitragssatz, dafür aber keine Beitragsbemessungsgrenze.

Es sind demnach durchaus andere Systeme denkbar; und bei uns besteht absolut Reformbedarf.

Grüße Abakus smile
Zellerli Auf diesen Beitrag antworten »

Hui cool, ein Beitrag Augenzwinkern

Abakus:
Zitat:
und alle restlichen Kosten des Gesundheitssystems durch Steuern aufgebracht werden


Angeblich soll genau das verhindert werden. Das Gesundheitssystem solle sich explizit durch "seine" Einnahmen finanzieren.

Du hast schon Recht mit der unnachvollziehbaren Anrechnung von Ausgaben und Einnahmen beim Versicherungsbeitrag. Das ist leider das Ergebnis, wenn zwei Parteien, "Lager", Ideologien jahrzehntelang abwechselnd (bzw. durch Bundesratsentscheidungen und zuletzt durch die große Koalition auch gemeinsam) am Gesundheitssystem rumschrauben und keiner seine Idee voll umsetzen kann, sondern ein fauler Kompromiss entsteht.

Ich verstehe nur auch hier nicht, warum die Beitragsbemessung nicht mal sauber als Problem erkannt, genannt und reformiert wird, sondern man wieder mal diese Missstände als Grund für eine Gesamtreform (mit all ihren immensen sozialen Folgen) vorschiebt, die eigentlich nicht im vollen Umfang nötig ist, um die Probleme in den Beiträgen zu beheben.

Wie gesagt: Das Beitragssystem kann unabhängig von inhaltlichen Eingriffen reformiert werden.

Allein die Existenz einer Beitragsbemessungsgrenze ist eine riesen Sauerei. Starke Schultern (meist sind diejenigen, die finanziell stark sind, auch gesundheitlich stark und daher optimale Verischerte) dürfen sich auch noch ausklinken aus dem Solidarsystem. Und wenn sie sich erbarmen, in der GKV zu bleiben, zahlen sie relativ gesehen deutlich weniger (wenn es "normale" Angestellte sind) oder deutlich mehr (oft Selbstständige, siehe Abakus' Beitrag).

Die jetzt geplante Reform lässt die Anzahl der Klassen nach oben hin offen. Sicher wird mehr Freiheit den Wettbewerb zwischen den Kassen stärken und Bürokratie abbauen. Aber wer seine Phantasie benutzt, kann sich ausmalen, wie das dann zukünftig aussieht, wenn solche teuren Beschleuniger wie jetzt in Heidelberg in Serie gehen und zwei Menschen mit vergleichbarer Erkrankung auf Behandlung warten.
Es wäre beschönigend (angesichts der jetzt schon herrschenden Missstände wie Wartezeitunterschiede, freie Wahl der Therapiewahl und Ärztewahl), wenn man behauptete in einem freieren Gesundheitssystem gäbe es dann nur Ärzte, die ignorieren, dass einer der Menschen nur den Basistarif zahlt, während die Ultra-Deluxe Kasse des anderen ein 5 oder 10faches für die Behandlung bietet (weil ihre Kunden auch ein 5 oder 10faches zahlen). Eher gehen dann die Streberärzte ohne Herz in einen exklusives Verband der Privatärzte für die oberen 2% der Bevölkerung, während die Streberärzte mit Herz ein ihren Fähigkeiten wohl unangemessenes Dasein fristen.
Die FDP steuert gerne alles über die Gier also das Geld. Das ist auf den ersten Blick ja eine nicht verwerfliche Möglichkeit den Staat auszurichten. Zu Recht hat das absichtliche wie dieser Ausrichtung und die Art der Lücken darin (was auch sehr absichtlich erscheint) ihr genau den Ruf eingebracht, den sie hat.

Jeder Mensch in Deutschland muss die gleichen gesundheitlichen Ansprüche geltend machen können.

Das ist nur eine These. Sie beinhaltet, dass es ein Niveau der Versorgung geben muss, das jeder genießen aber auch bezahlen kann. Außerdem beinhaltet sie, dass es keinen Menschen geben darf, der Maßnahmen erhält, die (nur) unterhalb oder oberhalb dieses Niveaus liegen. Weil durch Geld alles nach oben offen ist, braucht man also einen staatlichen Eingriff, vielleicht sogar eine Art Monopol (soweit ich weiß, darf auch nicht jeder studierter Kasinobetreiber ein Privatkasino aufmachen).
Kann aber auch sein, dass sich am Begriff der "Versicherung" in den letzten Jahrzehnten was geändert hat. Bin kein BWLer oder Versicherungsmathematiker. Vielleicht ist Versicherung mittlerweile im Wesentlichen eine Anlageform, in der sich Kapital mehren soll und die Risiken schon im Voraus durch Einschränkung der Leistungen und Kunden enorm minimiert werden sollen.
Vielleicht gibt es den Begriff des "Ausgleichs" garnichtmehr und das Bild vom Topf, in den alle gemäß ihres Einkommens ein klein wenig einzahlen, damit den Einzelnen im Zweifel eine Krankheit nicht in den finanziellen Ruin treibt, ist längst überholt.

Ich hab einfach keinen Bock darauf, dass ein "normaler" Krebs-Patient (man muss die gleiche Art Krebs voraussetzen) alle 3-6 Monate in die CT kommt und Deluxepatient einmal im Monat. Nicht weil er selbst die komplette Behandlung finanziert, aber seine Kasse. In die zahlt er relativ vielleicht sogar weniger ein als ein Standardkunde.
Dass ein Deluxepatient eine teure Hyposensibilisierung bezahlt bekommt und ein Standardpatient seine Allergie symptomatisch behandeln muss.
Dass sich ein Deluxepatient über seine Kasse den erfahrensten Arzt kaufen kann, während das "erste Mal" einer bestimmten OP eines Chirurgen grundsätzlich an Standardpatienten ausgeführt wird.
Hinweise auf solche Zustände haben wir ja bereits bei Sehhilfen und mittlerweile auch im großen Stil bei den Beißerchen.
Abakus Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Zellerli
Du hast schon Recht mit der unnachvollziehbaren Anrechnung von Ausgaben und Einnahmen beim Versicherungsbeitrag. Das ist leider das Ergebnis, wenn zwei Parteien, "Lager", Ideologien jahrzehntelang abwechselnd (bzw. durch Bundesratsentscheidungen und zuletzt durch die große Koalition auch gemeinsam) am Gesundheitssystem rumschrauben und keiner seine Idee voll umsetzen kann, sondern ein fauler Kompromiss entsteht.


Zeit war wohl genug da, das abzuändern. Es ist wohl eher so, dass bestimmte Interessengruppen, die stark von diesen Ungleichheiten profitieren, Änderungen verhindern. Welche Gruppierungen das sind, ist leicht auszumachen.

Zitat:
Ich verstehe nur auch hier nicht, warum die Beitragsbemessung nicht mal sauber als Problem erkannt, genannt und reformiert wird, sondern man wieder mal diese Missstände als Grund für eine Gesamtreform (mit all ihren immensen sozialen Folgen) vorschiebt, die eigentlich nicht im vollen Umfang nötig ist, um die Probleme in den Beiträgen zu beheben.


Das Problem ist durch etliche Petitionen und Klageversuche bis zum Bundessozialgericht mehr als bekannt. Diese Missstände sind jedoch nicht der Grund für eine grundlegende Reform. Der Grund sind die extremen Kostensteigerungen, deren weitere Fortsetzung aufgrund demografischer Trends das gesamte System kurz über lang zusammenkrachen lassen würden.


Zitat:
Wie gesagt: Das Beitragssystem kann unabhängig von inhaltlichen Eingriffen reformiert werden.


Einverstanden, ja. Bloß daran besteht wenig Interesse und was der Kernpunkt ist: die Strukturprobleme im Gesundheitswesen würden alleine dadurch nicht gelöst.


Zitat:
Allein die Existenz einer Beitragsbemessungsgrenze ist eine riesen Sauerei. Starke Schultern (meist sind diejenigen, die finanziell stark sind, auch gesundheitlich stark und daher optimale Verischerte) dürfen sich auch noch ausklinken aus dem Solidarsystem. Und wenn sie sich erbarmen, in der GKV zu bleiben, zahlen sie relativ gesehen deutlich weniger (wenn es "normale" Angestellte sind) oder deutlich mehr (oft Selbstständige, siehe Abakus' Beitrag).


Wie gesagt: die beitragspflichtigen Einnahmen haben mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen bzw. seinem zu versteuernden Einkommen nicht sehr viel zu tun (s.o.). Die BBG ist gegenüben diesen Verzerrungen eher sekundär.


Zitat:
Die jetzt geplante Reform lässt die Anzahl der Klassen nach oben hin offen. Sicher wird mehr Freiheit den Wettbewerb zwischen den Kassen stärken und Bürokratie abbauen.


Es gibt sicher Menschen, die viele Leistungen durch ihre KV haben wollen und solche, die eher weniger Leistungen haben wollen. Wieso sollte also jeder in dieselbe Versicherungsklasse gezwungen werden? Eine gewisse Wahlfreiheit ist hier Trumph.


Zitat:
Jeder Mensch in Deutschland muss die gleichen gesundheitlichen Ansprüche geltend machen können.


Nicht jeder will eine Kur, komische Massagen, Akupunktur, oder sowas. Wieso sollte er es also bezahlen müssen?

Zitat:
Kann aber auch sein, dass sich am Begriff der "Versicherung" in den letzten Jahrzehnten was geändert hat. Bin kein BWLer oder Versicherungsmathematiker. Vielleicht ist Versicherung mittlerweile im Wesentlichen eine Anlageform, in der sich Kapital mehren soll und die Risiken schon im Voraus durch Einschränkung der Leistungen und Kunden enorm minimiert werden sollen.


Die gesetzliche KV funktioniert derzeit im Umlageverfahren, alles was eingenommen wird, wird als Leistung auch wieder ausgegeben. An Kapitalansammlung ist nicht gedacht, es mag jedoch temporär Ungleichgewichte geben, ja.

Zitat:
... und das Bild vom Topf, in den alle gemäß ihres Einkommens ein klein wenig einzahlen, damit den Einzelnen im Zweifel eine Krankheit nicht in den finanziellen Ruin treibt, ist längst überholt.


Was ist denn bei dir ein "klein wenig"? Mehr als 15% des Bruttoeinkommens und derzeit mehr als 2 Nettokaltmieten in der Spitze? Nicht wirklich, oder wieso sollte eine KV mehr als doppelt so teuer sein wie eine Wohnung? (wie oft brauchst du deine Wohnung und wie oft einen Arzt im Monat, vergleiche mal)

Zitat:
Ich hab einfach keinen Bock darauf, dass ein "normaler" Krebs-Patient (man muss die gleiche Art Krebs voraussetzen) alle 3-6 Monate in die CT kommt und Deluxepatient einmal im Monat. Nicht weil er selbst die komplette Behandlung finanziert, aber seine Kasse. In die zahlt er relativ vielleicht sogar weniger ein als ein Standardkunde.


Darauf habe ich auch keine Lust, nein. Das ist das Problem von der Leistungsseite aus gesehen.

Grüße Abakus smile
Zellerli Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Es gibt sicher Menschen, die viele Leistungen durch ihre KV haben wollen und solche, die eher weniger Leistungen haben wollen. Wieso sollte also jeder in dieselbe Versicherungsklasse gezwungen werden? Eine gewisse Wahlfreiheit ist hier Trumph.


Die Wahlfreiheit kann ich nur unterschreiben, wenn man das "gewisse" betont.
Es gibt doch im wesentlichen zwei Gruppen in der Gesellschaft: Die chronisch Kranken und die nicht chronisch Kranken.
Das klingt platt und hart, aber ich will es mal ausführen:
Ob ein Mensch Sehhilfe, Hörhilfe, Gehhilfe, Zahnersatz, Krankengymnastik/Massagen, etc. braucht hängt vor allem vom Alter und von seinen Genen ab und vom Glück/Pech sich bisher schwere Erkrankungen eingefangen zu haben.
Ich finde dafür kann der Mensch nichts und man sollte ihn bei vorhandener Erkrankung nicht relativ gesehen höher belasten als denjenigen, der eben Glück hatte und mit guten Genen auf die Welt kam oder im Alter bei gleichem Lebenswandel noch fitter ist.

In diesem Zuge sollte man auch überlegen z.B. Rauchen, Alkohol, etc. tariflich zu bestrafen und z.B. Sport zu belohnen. Das sucht sich ein gesunder Mensch nämlich selbst aus. (Klar gibt es Suchtkranke die schlecht aufhören können oder schwer behinderte Menschen, die kaum Sport treiben können, aber ich rede vom Normalfall).

Und es lässt sich leicht sagen "den Tarif für eine Pflege im Falle einer körperlichen Beeinträchtigung zahle ich nicht. Ich brauche also keine komische Reha, komische Kur, komische Krankengymnastik, komische Haushaltshilfe, etc.", wenn man jung unabhängig und fit ist, eine große Familie "obendrüber" hat und womöglich genug Knete das im Zweifel selbst zu tragen.
Aber den Satz will ich nochmal hören von einem mittelmäßig verdienenden Familienvater mit homozygoten Faktor-V-Leiden Gen, der also ein 100fach erhöhtes Trombose- und damit HI und SA Risiko hat und vielleicht keine Eltern mehr (sie hatten das Gen ja auch und an ihn vererbt), die im Zweifel einspringen.
Hier muss die Solidargemeinschaft greifen.
Da gibt es natürlich die urverschiedenen Ansichten:
"Was kann ich für meine Gene, warum soll ich darunter leiden und anderer Krankheiten finanzieren?"
"Was kann ich für meine Gene, warum soll ich darunter leiden, weil ich mir die Krankheiten nicht leisten kann?"
Ich sage da gerne, dass die eine These sozial, die andere liberal ist. Ich finde ethisch kann man beide gleich gut/schlecht begründen, aber ich vertrete (kann kaum begründen warum) die zweite. Mir kommt das menschlicher vor, das andere darwinistischer.

Zitat:
Es gibt sicher Menschen, die viele Leistungen durch ihre KV haben wollen und solche, die eher weniger Leistungen haben wollen. Wieso sollte also jeder in dieselbe Versicherungsklasse gezwungen werden? Eine gewisse Wahlfreiheit ist hier Trumph.


Ja, das muss individueller werden. Falls du die Nummer von Volker Pispers kennst: Wäre ja schlimm für das idyllische Gesamtbild, wenn eine hart arbeitende Bäuerin auf der Alm im Alter noch ein volles Gebiss hätte.

Zitat:
wie oft brauchst du deine Wohnung und wie oft einen Arzt im Monat, vergleiche mal


Hmmm die Wohnung so ca. 30mal. Den Doc mindestens einmal im Monat zur Allergiespritze, deren Präparat allein pro Monat mehrere 100Eu kostet. Und was er für diese Behandlung der Kasse abknüpft, weiß ich nicht.
Denke ein Mensch ohne allergisches Asthma kann auf eine Versicherung, die eine komische Hyposensibilisierung oder ein komisches Antiasthmatikum bezahlt, verzichten. Der kauft sich lieber eine größere Wohnung und lacht den anderen aus, der eine teure Zusatzversicherung abschließen muss für seine Krankheit.
Das macht er aber nur solange, bis er sich nicht selbst sowas eingefangen hat. Oder vielleicht seine Kinder.
Wenn ich mir das Geld für eine Versicherung, die die Hypo trägt spare, dann sähe das mit den Chancen auf eine Verbeamtung auf Lebenszeit und die daraus resultierende fiinanzielle Absicherung mal nicht so toll aus wie ohne Allergie.
Das würde dann doch wieder in einer kleineren Wohnung enden...

Zitat:
Die gesetzliche KV funktioniert derzeit im Umlageverfahren, alles was eingenommen wird, wird als Leistung auch wieder ausgegeben. An Kapitalansammlung ist nicht gedacht, es mag jedoch temporär Ungleichgewichte geben, ja.


Und da muss ich zugeben: Das derzeitige Ungleichgewicht haut schon gut rein Augenzwinkern
Aber: Ich weiß nicht, in wie weit die FDP ihre Pläne verwirklichen kann, aber die wollen ja hin zu einer größtenteils kapitalgedeckten Versicherung. Da ist Umlage dann ein unwesentlicher Teil und jeder zahlt im wesentlichen direkt für seine Leistungen ein. Steuerzuschüsse sind nicht geplant. Ist der eigene Pott + Umlagequote leer, kann man schauen wo man bleibt. Eben schön individuell. Unterschiede in Alter, Genen, Krankheiten oder finanzieller Lage kennt dieses System dann kaum noch.

Ich will mal die gewagte These aufstellen: Wenn man allen Menschen den selben relativen Tarif auf ihr Gesamteinkommen (sauber berechnet, siehe vorherige Beiträge) abnimmt, wenn man so Späße wie eine Beitragsbemessungsgrenze und eine PKV abstellt, indem man es auch den Ärzten, Psychologen, Physiotherapeuten, Apothekern, etc. schwer bis unmöglich außerhalb der GKV zu behandeln/verkaufen, hat man schon mal eine solide potentielle Einnahmequelle.
Und wenn man dann noch gleichmäßige Sparmaßnahmen, Bürokratieabbau, mehr Wettbewerb und evtl. Zu-/Abschläge bei individuell verantworteten Risikoerhöhungen/verringerungen verfolgt, kann man doch sicher die Belastungen runterschrauben und trotzdem ein menschlich gesehen faires System erhalten.
Die Kopfpauschale ist nur darwinistisch gesehen fair.
Abakus Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Aber: Ich weiß nicht, in wie weit die FDP ihre Pläne verwirklichen kann, aber die wollen ja hin zu einer größtenteils kapitalgedeckten Versicherung. Da ist Umlage dann ein unwesentlicher Teil und jeder zahlt im wesentlichen direkt für seine Leistungen ein. Steuerzuschüsse sind nicht geplant. Ist der eigene Pott + Umlagequote leer, kann man schauen wo man bleibt. Eben schön individuell. Unterschiede in Alter, Genen, Krankheiten oder finanzieller Lage kennt dieses System dann kaum noch.


Du bist hier stark auf der FDP und allgemein den BWLlern am rumhacken, wieso eigentlich? Bisher hatte ja mit Ursula Schmidt die SPD in den letzten 8 Jahren (!) das Bundesgesundheitsministerium.

In diesem Zeitraum hat sich schon gezeigt, ob hier ein langfristiges Konzept vorhanden war oder nicht: die Finanzsituation des Gesundheitssektors hat sich insgesamt verschlechtert, die Wartezeiten der Patienten haben sich erhöht, und der Entscheidungsspielraum der Bürger hat sich durch verstärkte soziale Bevormundung (Zwangs-KV, Gesundheitsfonds) verkleinert. Von derartigen Ungereimtheiten im Beitragsbereich - wie oben aufgezeigt - mal ganz zu schweigen.

Das, womit ich diese Ex-Ministerin identifiziere, ist ein geklauter Dienstwagen in Spanien, aber nicht mutige Reformen, die zukunftsweisend wären. Philip Rösler (der Neue) hat hier dagegen eine Reihe von Ideen und ein langfristiges Konzept, zudem ist er vom Fach.

Die Idee der von dir kritisierten Kapitaldeckung ist einfach die generationgerechte Verteilung der Lasten. Bisher ist es so, dass über die KV ein Transfer von Jung nach Alt stattfindet, denn die Älteren sind zumeist günstig pflichtversichert, während sie umgekehrt proportional die größten Kosten verursachen. Weiterhin haben die Älteren zu ihrer früheren Verdienstzeit aber vergleichsweise niedrige KV-Beiträge genossen. Das passt nicht zusammen.

Jüngere haben aber absolut ein Recht, ihr eigenes Leben selbstbestimmt aufzubauen, ohne von steigenden Beiträgen in allen Bereichen erdrückt zu werden.

Natürlich ist es auch ein bisschen so, dass detaillierte Vorlagen für die Änderungen noch gar nicht vorhanden sind. Da sollte man vielleicht abwarten und nicht vorher alles in der Luft zerreissen.

Grüße Abakus smile

PS: ich gehöre keiner Partei an, aber ich merke es schon, wer regiert und was geleistet wird.
 
 
Neue Frage »
Antworten »



Verwandte Themen

Die Beliebtesten »
Die Größten »
Die Neuesten »