Grundlagen der Differentialgeometrie

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hotchili Auf diesen Beitrag antworten »
Grundlagen der Differentialgeometrie
Hi,
ich habe ein paar Startschwierigkeiten in diffgeo und hoffe mal, dass ihr mir mit meinem Verständnis ein bisschen mehr helfen könnt, als mein Skript und Wiki grade.

Die größten Probleme habe ich im Moment mit der Lie-Ableitung. Was genau soll ich mir darunter vorstellen?
Definiert haben wir diese wie folgt:

M ist eine diff'bare Mannigfaltigkeit,
X ein Vektorfeld auf M,




Soweit ich weiß, heißt das so viel, wie " f abgeleitet in Richtung X". Eben der Tangentialraum von f - in jedem Punkt aber nur in die Richtung betrachtet, in die X zeigt. Vorstellen kann ich mir das solange X konstant ist - schade nur, dass die wenigsten Vektorfelder komplett konstant sind.
Helfen würde mir hier eventuell schon ein ganz simples Beispiel (im Idealfall mit einem nicht ganz so simplen Vektorfeld), an dem man sich die Lie-Ableitung vorstellen und den Formalismus klar machen kann.
(also Richtungsableitungen wie in Analysis II kann ich mir noch vorstellen und ausrechnen, aber sobald das Vektorfeld durch komplexere Funktionen gegeben ist und der Fluss vom Vektorfeld eine (nicht lineare) Kurve durchläuft, scheiter ich sowohl an der bildlichen Vorstellung, als auch an der Berechnung.)


weiter gehts dann mit der Lie-Klammer...
Kommutatoren kenne ich bereits aus Algebra und inzwischen habe ich soweit mitbekommen, dass die Lie-Klammer in etwa das Gleiche liefern soll. Aus unserer Definition werde ich allerdings nicht schlau,
Für Vektorfelder X,Y auf M ist die Lie-Klammer:



Dafür haben wir nachgerechnet, dass dies eine Derivation ist und somit wieder mit einem Vektorfeld identifiziert werden kann.
Definiert haben wir Lie-Ableitungen allerdings nur wie oben mit einer Funktion f . Da das Argument für die Lie-Ableitung in der Lie-Klammer-Definition fehlt, heißt das anscheinend "gilt für alle f aus M".
Außerdem ist wohl

was mir wieder nicht klar ist (weil ich die Lie-Ableitung nicht verstanden habe)

Zum Rechnen für Vektorfelder auf dem haben wir inzwischen die Formel



Ich glaube um konkrete reelle Vektorfelder zu "multiplizieren" komm ich vorerst ganz gut damit zurecht, aber ich würde die Definition oben halt gerne verstehen...


Das nächste (und vorerst letzte) Problem ist dann das direkte Bild eines Vektorfeldes (bzw der "push-forward")

ist Diffeomorphismus zwischen Mannigfaltigkeiten M und N

Das direkte Bild für ein Vektorfeld X ist dann definiert als



und punktweise für Punkte p



Auch hier verstehe ich wieder nicht, was die Lie-Ableitung in der Definition zu suchen hat. Ansonsten ist hier relativ klar, dass das g durch nach M gezogen wird, und dort zusammen mit f als Funktion aus ausgewertet wird.
Die Definition für Punkte p ist dann ja nur noch unsere Definition der Lie-Ableitung (Eingeschränkt auf das Urbild von p), also wird X einfach mit Hilfe von f auf eine neue Mannigfaltigkeit projeziert.
Wie man den push-forward von X aber jetzt konkret ausrechnen kann, sehe ich wieder nicht.
Ein Ansatz, oder Rechenbeispiel wäre hier hilfreich.


Da ich ja offensichtlich noch nicht viel mehr hinbekommen habe, als die Definitionen zusammen zu schreiben, warte ich erstmal auf Erklärungen und versuche mich danach nocheinmal alleine an meinen Übungsaufgaben.
Fragen zu den konkreten Rechenbeispielen kann ich dann ja noch stellen, wenn ich überhaupt erstmal einen Ansatz habe.

Vielen Dank schonmal Augenzwinkern
Ehos Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Grundlagen der Differentialgeometrie
Die Lie-Ableitung ist die Ableitung eine Vektorfeldes in eine ganz bestimmte Richtung.

Beispiel:
Auf der Erdoberfläche (=Kugelfläche) sei ein Vektorfeld definiert, z.B. an jedem Ort die tangentiale Windgeschwindigkeit W. Stell dir einen Wanderer vor, der zu einer bestimmte Zeit gerade mit dem Geschwindigkeitsvektor v in beliebige tangentiale Richtung wandert. (Hierbei kann man v als ein zweites tangentiales Vektorfeld interpretieren, wenn man sich vorstellt, dass überall Wanderer unterwegs sind - wie Ameisen.)

Die Lie-Ableitung des Windfeldes W in Richtung v ist nichts anderes als die Richtungsableitung des Windfeldes in Wanderrichtung v. Das ergibt ein neues Feld. Dieses ist ein Maß für die Änderung des Windfeldes in Richtung v.

Im Prinzip ist die Lie-Ableitung das Analogon zur Richtungsableitung bei Skalarfeldern: Dort hat man z.B. eine skalare Temperaturverteilung T auf der Erdoberfläche. Ein Wanderer wandert zu einem bestimmten Zeitpunkt gerade mit der Geschwindigkeitsvektor v. Die Richtungsableitung dieses skalaren Temperaturfeldes ist bekanntlich die Ableitung der Temperatur T in Wanderrichtung v.

Zur Lie-Klammer:

Wenn man die zweite Richtungsableitung in Koordinatenschreibweise bildet, treten lange Terme auf. Um dies zu vermeiden, hat man zur Abkürzung die Lie-Klammer eingeführt. Diese ist also eine reine Vereinfachung der Schreibweise - ohne dass irgendwelche neuen Erkenntnisse damit verbunden wären. Im Prinzip erreicht man damit eine koordinatenunabhängige Schreibweise.

Leider führen die Mathematiker immer viele neue Symbole ein, die es dem Anfänger schwer machen. Ein gutes Beispiel ist die Definition des einfachen Begriffes "Krümmung einer Fläche" in "moderenen" lehrbüchern. Gauß hat vor 200 jahren eine schöne anschauliche Definition dafür gegeben. In "modernen" Geometriebüchern, wird dieser Begriff rein formalistsich und ohne Bezug zur Anschauung definiert. Schade.

Wichtig ist, dass Du immer verstehst, was anschaulich gemeint ist.
hotchili Auf diesen Beitrag antworten »

vielen Dank - anschaulich ist das soweit klar.

wenn ich das richtig verstanden habe, bildest du in deinem Beispiel aber bereits die Lie-Klammer von zwei Vektorfeldern und nicht nur die Lie-Ableitung bzgl eines Vektorfeldes?

Die Lie-Ableitung von einer Funktion wäre dann in jedem Punkt die Funktionskomponente in Richtung W - also wenn ich den Weg eines Wanderers als Funktion in Abhängigkeit von t auffasse, würde die Lie-Ableitung bzgl W angeben, wieviel Rückenwind der Wanderer zum Zeitpunkt t hat?


Was die Lie Klammer angeht: Die "Multiplikation" von Vektorfeldern durch die Lie-Klammer ist ja nur ein Spezialfall - eigentlich benutzen wir die Lie-Klammern ja zur Konstruktion von Lie-Algebren.
Jedenfalls sollte die Lie Klammer zum einen als Kommutator angeben, wie stark die Vektorfelder X,Y kommutieren - zum anderen ergibt sie wieder ein Vektorfeld. Dieser Zusammenhang ist mir noch nicht klar: wie erkennt man an einem Vektorfeld die "Stärke" der Kommutation?

rein formal bekomm ich die Lie-Klammer von Vektorfeldern aber glaube ich ausgerechnet.
Aufgabe war

zu berechnen für





ich komme da auf



ich finde, das sieht einigermaßen korrekt aus, aber wenn jemand Lust hat, das einmal nachzurechnen und zu bestätigen würde ich mich auch freuen ^^
Im Prinzip hab ich halt nur unsere Formel von oben benutzt und ausgerechnet.

Ich verstehe bzgl der Lie-Klammer halt noch nicht, warum gelten soll (und gilt für alle Vektorfelder??)


Die Berechnung der Lie-Klammer ist allerdings das einzige, was ich an dieser Aufgabe hinbekomme.

weitere Teile sind:

Berechne zu X,Y wie oben:



für





auf einem zweidimensionalen Torus


Bei der Berechnung des Push-forward habe ich versucht das Vektorfeld punktweise zu berechnen und lande dann bei der Definition von Tangentialräumen via einer Karte und einem Vektor, wo ich dann hängen bleibe, weil ich zum einen keine Karten vom Torus habe (die ließen sich im Notfall aber ja aufstellen) und zum anderen nicht wüsste, welche Karte ich für welchen Punkt nehmen muss - ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich damit wieder zurück auf eine allgemeine Schreibweise für ein neues Vektorfeld komme.

bei den Lie-Ableitungen bin ich völlig aufgeschmissen und hab keine Ahnung, wie ich da ran gehen soll.

Vielleicht könnt ihr mir mit dieser konkreten Problemstellung ja etwas besser helfen, als mit meinem ersten Post ^^
Ehos Auf diesen Beitrag antworten »

Ich erkläre die Begrieffe nochmals anhand eine 2-dimensionalen Mannigfaltigkeit, z.B. eine Kugeloberfläche, welche in den 3D-Raum eingebettet ist und somit durch einen 3D-Vektor beschrieben wird, der von 2 parametern abhängt. Si eine Kugeloberfläche kann man schreiben als parameterabhängiegn 3D-Vektor



Die Größen entsprechen dann den 3 kartesischen Koordinaten der Punkte auf der Fläche, und die Parameter entsprechen den Winkeln .

Die beiden Vektoren und sind bekanntlich die beiden Tangentialvektoren der Fläche, also die Basisvektoren im Tangentialraum. Auf der Fläche sei ein Vektorfeld gegeben, das durch die 2 Koordinaten festgelegt ist, die sich auf diese tangentialen Vektoren beziehen. Dieses Vektorfeld können wir z.B. als Windgeschwindigkeit an der Oberfläche interpretieren.

Wie ich in meinem vorherigen Beitrag erläutert habe, interessiert man sich mitunter für die Richtungsableitung dieses "Windfeldes" in eine ganz bestimmte Richtung, die durch ein 2.Vektorfeld mit den Koordinaten angegeben wird, welche sich wieder auf die tangentialen Basisvektoren beziehen. Diese Richtungsableitung des ersten Feldes ("Wind") in die Richtung des 2.Feldes wird ähnlich wie bei der skalaren Richtungsableitung definiert:



Man muss noch erwähnen, das diese Richtungsableitung selbst nicht notwendig innerhalb der Tangentialebene liegt. Weil oft nur die tangentialen Anteile interessieren, projiziert man diese Richtungsableitung mitunter noch auf den Tantentialraum. Das heißt, die Normalanteile werden einfach subtrahiert. Die übrigbleibende Projektion der Richtungsableitung wird mit dem folgenden Symbol bezeichnet



Die Lie-Klammer ist nun wie folgt definiert:



Man vertauscht also die beiden Vektorfelder und bildet die Differenz beider Richtungsableitungen. Die Lie-Klammer ist eine reine Schreibweise ohne irgendeinen tieferen Sinn. Sie wird u.a. bei der Definition des Krümmungstensors verwendet.

Meine persönliche Meinung ist, dass man auf diese Schreibweise verzeichten sollte. Zwar werden die Formeln damit kürzer, aber der "Nichteingeweihte" weiß nicht mehr, worum es geht.
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