Holzhacken und Lehrerberuf

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Gualtiero Auf diesen Beitrag antworten »
Holzhacken und Lehrerberuf
Zitat:
Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht. [Albert Einstein]

Dieser Wahlspruch in der Signatur eines Users (Bert der Decodier-Experte) hat in mir eine Erinnerung an einen Lehrer in meiner Hauptschulzeit wachgerufen, der zwar gefürchtet war - Prügelstrafe war zwar offiziell verboten, aber das wusste niemand so sicher, und wir wurden schon gebeutelt und in Notfällen haben auch Ohrfeigen geklatscht -, dessen Worte und Ermahnungen mir aber immer wieder in den Sinn kommen, wenn ich etwas lese, das zu den Fächern gehört, in denen wir ihn hatten: Deutsch, Geschichte, Geographie.

Obwohl der Trend, alle Kinder in die Mittelschule, damals noch längst nicht so stark entwickelt war wie heute, hat dieser Lehrer doch schon für alle Schüler ein Bildungsideal vertreten, das für zukünftige Gymnasiasten durchaus als Vorbereitung dienen konnte. Sein Idealismus stieß aber besonders bei denjenigen oft auf Desinteresse, die nur die Pflichtschuljahre herunterbiegen wollten und sofort nach der Schule in einen Beruf strebten.
Das legte er wiederum als böswilligen Widerstand oder Faulheit aus, was er beides auf den Tod nicht leiden konnte, und wenn da das Maß nach seiner Überzeugung überschritten war, konnte sich sein Unmut darüber schon mal in einer grollenden Zornesrede entladen.

So einen Auftritt sehe ich vor meinem geistigen Auge, als ob es gestern geschehen wäre.

Es war wieder einmal so weit, dass wir mit unserer Haltung aus Gleichgültigkeit und Bequemlichkeit seine Bemühungen herb enttäuscht und sein Blut in Wallung gebracht hatten. Er ließ die Kreide noch ärgerlich auf das Ablegebrett an der Tafel fallen und begann in voller Lautstärke loszuschmettern:
"Ja Himmeldonnerwetter noch einmal! Wozu rede ich denn!? Da kann ich mich ja gleich zur Wand drehen und predigen, da kommt auch nicht weniger zurück!"
Seine Stimme konnte sich bei solcher Beanspruchung manchmal überschlagen, ging stellenweise beinahe in ein Krächzen über, sodass die Szene auch einen urkomischen Charakter gewann und man am liebsten laut und frei losgelacht hätte. Aber nichts wäre verkehrter gewesen, als jetzt auch nur im Mindesten diesem Drang nachzugeben - im Gegenteil war es höchst ratsam, Betroffenheit zu zeigen und ja nicht aufzufallen.

Er fuhr fort, indem er die Lage aus seiner Sicht darlegte, noch immer im starken Ton der strafenden Zurechtweisung:
"Wirklich wahr, 100 mal lieber würde ich in meinem Garten einen ganzen Nachmittag schuften und schinden, als mich mit Euch abplagen.
Denn im Garten weiß ich, wenn ich zwei Stunden arbeite, habe ich das und das Ergebnis," - bei jedem "das" schlug er mit dem Rücken der rechten in die offene Fläche der linken Hand - "aber was sehe ich bei Euch?! - Nichts!"
In das letzte Wort, das er mit einer kurzen, schleudernden Handbewegung unterstrich, legte er so viel Bitternis, dass wir schon einigermaßen vernichtet dasaßen.

Um wieder zum Unterricht zurückzukehren, aber die moralische Wirkung der soeben gesetzten Maßnahme nicht gleich zu verwässern, stellte er oft missmutig eine leichtere Frage, die sofort die Besseren zu beantworten versuchten. Das ließ er als Zeichen des guten Willens für die ganze Klasse gelten, und die Stimmung hellte sich langsam wieder auf.

Seine emotionale Beteiligung am Unterrichtserfolg konnte aber auch das Gegenteil von Ärger und Frust annehmen. Wenn einer, der sonst eher durch Faulheit und Unbelehrbarkeit auffiel, plötzlich mit einer guten Lernleistung überraschte, äußerte er zwar sparsam, aber eindeutig seine Zufriedenheit und Freude.

Trotz der harten Methode - damals gang und gäbe, heute eher fragwürdig - kann ich an diesen Mann nicht ohne Dankbarkeit zurückdenken.
Bakatan Auf diesen Beitrag antworten »

Auch wenn seine Methoden eventuell etwas fragwürdig sind, hat er zumindest die wichtigste Eigenschaft eines Lehrers nicht verloren: den Willen, wirklich etwas zu vermitteln. Es lag ihm etwas daran, dass die Schüler etwas lernen.
Bei vielen Lehrern über die ich schimpfe ist dies meines Erachtens nicht mehr der Fall, was äußerst bedauernswert ist.

Respekt, unter anderem vor Lehreren, ist in meiner Sicht wichtig. Gewalt ist allerdings nicht angebracht. So ist zumindest mein aktueller Stand zu dem Thema.
Zellerli Auf diesen Beitrag antworten »

Man erinnert sich immer an die strengen Lehrer.
sulo Auf diesen Beitrag antworten »

Ich denke, es war ein Lehrer, der mit sehr viel Leidenschaft seinen Beruf ausgeübt hat.
Seine Methoden mögen teilweise veraltet und pädagogisch falsch gewesen sein, aber diese Leidenschaft ist es, an die man sich erinnert.

Eine solche Leidenschaft findet man meist nur noch bei jungen Lehrern, aber auch ihnen wird die Begeisterung für ihren Beruf leider in der Regel mehr oder weniger schnell ausgetrieben.
Über die Problematik von Schule / Unterricht heute muss ich hier nicht viel sagen, das ist in anderen Threads schon ausführlich genug besprochen worden.

Die wenigen Lehrer mit pädagogischem Geschick, die es schaffen, ihre Leidenschaft über die Jahre hinweg zu retten, die auch nach 30 Berufsjahren in der Lage sind, Begeisterung auszustrahlen und bei den Schülern zu wecken, werden von diesen in der Regel dafür heiß und innig geliebt.
Leider sind solche Prachtexemplare die Ausnahme und eine Schule kann sich glücklich schätzen, wenn sie einen solchen Lehrer hat.
Zellerli Auf diesen Beitrag antworten »

Man machts ihnen ja auch nicht leicht mit einem Diktator zum Chef, einem starren Beurteilungssystem, einem genauso starren Lehrplan und einer Bezahlung die überragend gute oder schlechte Leistung weitestgehend ignoriert und obendrein auch noch unangemessen ist.
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