Latein in der Schule

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Gualtiero Auf diesen Beitrag antworten »
Latein in der Schule
Ausgehend von diesem Beitrag im Wut-Thread hat sich eine kleine Diskussion über die Frage Latein: Ja oder Nein entwickelt, die jetzt hier fortsetzen möchte.
Ich antworte auf diesen Beitrag Iridiums.

Zitat:
Original von Iridium
Aber dein Argument gilt so auch für Altgriechisch . . . .

Was meine Wertschätzung des Altgriechischen angeht, steht es, obwohl ich es nicht hatte, auf einer Stufe mit Latein und wird ja soviel ich weiß weiterhin auf den Gymnasien angeboten.
Die anderen angeführten Sprachen halte ich an sich genauso für studierenswert, doch keine von ihnen hat auch nur eine ähnlich wichtige Rolle für die Geschichte des Abendlandes gespielt wie die beiden anderen.

Ich gebe Dir darin Recht, dass die Römer nicht die Kulturnation in dem Sinn waren, dass sie auf allen Gebieten große Leistungen erbracht hätten, doch eine Kulturleistung von ihnen wird gerne übersehen: Sie waren Kulturbewahrer, indem sie vornehmlich die griechischen Kulturleistungen wie ein kostbares Erbe betrachteten und pflegten. Die Hauslehrer bei den Römern waren Griechen, schon deswegen, weil sie Griechisch beherrschten. Die Griechische Kultur wurde also in der Renaissance nicht zum ersten Mal entdeckt.

Aber als ein in allem nachahmenswertes Beispiel taugt meiner Meinung nach keine "Kulturnation", das scheint ein menschliches Grundübel zu sein. Denn kein Volk ist nur durch eine friedliche Grundhaltung groß geworden, alle hatten äußere und innere Feinde, und gerade da ist die Geschichte des großen Vorbildes der Römer interessant:
gegen die Perser, einen Feind mit Riesenmacht, konnten sich die Griechen erfolgreich zur Wehr setzen, aber den Peloponnesischen Krieg - sozusagen Athen gegen Sparta um die Vorherrschaft - konnten sie genauso wenig vermeiden wie die daran anschließenden inneren Kämpfe und Zwistigkeiten, bis sie schließlich dem - bis dahin - machtpolitisch unbedeutenden Volk der Mazedonier nichts mehr entgegenzusetzen hatten.

Die Bedeutung einer Sprache liegt nicht darin, wie weise oder unweise das Volk dieser Sprache dabei vorgegangen ist, sich seinen Lebensraum zu sichern, sondern über welchen Zeitraum sie gesprochen wurde. Und da gibt es zu Altgriechisch und Latein nichts Vergleichbares.

Zitat:
Im übrigen bin ich der Ansicht, daß Karthago...ähm...daß es einen Grund hatte, warum das Römische Reich untergegangen ist. Wer so eine Sprache erfindet, verdient es nicht besser!

Big Laugh Big Laugh Big Laugh

Böse, böse Römer!
Die haben Latein sicher nur deshalb erfunden, dass zwei Jahrtausende später Schüler und Studenten sich damit abquälen müssen.

Man kann auch wie Obelix sagen: "Die spinnen, die Römer!"
Iridium Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Latein in der Schule
Zitat:
Original von Gualtiero
Was meine Wertschätzung des Altgriechischen angeht, steht es, obwohl ich es nicht hatte, auf einer Stufe mit Latein und wird ja soviel ich weiß weiterhin auf den Gymnasien angeboten.


Wird es, aber meiner Einschätzung nach, und im Vergleich zu Latein, eher stiefmütterlich.

Zitat:
Original von Gualtiero
Die anderen angeführten Sprachen halte ich an sich genauso für studierenswert, doch keine von ihnen hat auch nur eine ähnlich wichtige Rolle für die Geschichte des Abendlandes gespielt wie die beiden anderen.


Das ist eine Art selbsterfüllende Prophezeiung...weil Latein die Sprache der Römer war, haben es die Leute im Frühmittelalter übernommen, weil die es übernommen haben, war es im Mittelalter hip, weil es im Mittelalter hip war, wurde es die allgemeine Sprache der Eliten danach usw. Und heute rechtfertigt man die Bedeutung natürlich mit Rückgriff auf früher. Das ist aber alles Geschmackssache. So viele Sprecher/Schreiber hatte Latein über alle Zeiten, verglichen mit den jeweiligen Mundarten und Volkssprachen sicher nicht. Und Französisch war ja auch mal ne hippe Sprache, Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts.

Zitat:
Original von Gualtiero
Ich gebe Dir darin Recht, dass die Römer nicht die Kulturnation in dem Sinn waren, dass sie auf allen Gebieten große Leistungen erbracht hätten, doch eine Kulturleistung von ihnen wird gerne übersehen: Sie waren Kulturbewahrer, indem sie vornehmlich die griechischen Kulturleistungen wie ein kostbares Erbe betrachteten und pflegten. Die Hauslehrer bei den Römern waren Griechen, schon deswegen, weil sie Griechisch beherrschten. Die Griechische Kultur wurde also in der Renaissance nicht zum ersten Mal entdeckt.


Ok, das stimmt für die Griechen. Andere Kulturen (Germanen, Kelten) sind nicht gerade durch die Römer bewahrt worden, eher ausgerottet. Ich finde die Kulturleistung der Römer trotzdem ziemlich dürftig, wenn man bedenkt wie groß das Reich und wie lange die Herrschaft war. Waren in gewissem Sinne halt sehr pragmatisch...

Zitat:
Original von Gualtiero
Aber als ein in allem nachahmenswertes Beispiel taugt meiner Meinung nach keine "Kulturnation", das scheint ein menschliches Grundübel zu sein. Denn kein Volk ist nur durch eine friedliche Grundhaltung groß geworden, alle hatten äußere und innere Feinde, und gerade da ist die Geschichte des großen Vorbildes der Römer interessant:
gegen die Perser, einen Feind mit Riesenmacht, konnten sich die Griechen erfolgreich zur Wehr setzen, aber den Peloponnesischen Krieg - sozusagen Athen gegen Sparta um die Vorherrschaft - konnten sie genauso wenig vermeiden wie die daran anschließenden inneren Kämpfe und Zwistigkeiten, bis sie schließlich dem - bis dahin - machtpolitisch unbedeutenden Volk der Mazedonier nichts mehr entgegenzusetzen hatten.


Ja, insgesamt geb ich dir Recht. Es gibt da einen Ausspruch, ich glaube ein Filmzitat, wonach Italien unter den Borgias 30 Jahre lang von Mord und Totschlag und politischen Streitereien geprägt war, in der gleichen Zeit jedoch eine unglaubliche kulturelle Blüte erlebte, wohingegen in der Schweiz 400 Jahre Friede herrschte und sonst nichts zustande gebracht wurde.

Zitat:
Original von Gualtiero
Die Bedeutung einer Sprache liegt nicht darin, wie weise oder unweise das Volk dieser Sprache dabei vorgegangen ist, sich seinen Lebensraum zu sichern, sondern über welchen Zeitraum sie gesprochen wurde. Und da gibt es zu Altgriechisch und Latein nichts Vergleichbares.


Du meinst im christlichen Abendland. Vielleicht ist dem so. Aber worum geht es vorrangig beim Sprachen lernen? Soll ich eine Sprache lernen, die mir praktisch nützt? Soll ich eine Sprache lernen, nur weil sie früher einmal in unserem Kulturkreis gesprochen wurde? Soll ich eine Sprache lernen, von der eine kleine Gruppe der Gesellschaft (vor allem Lateinlehrer) glaubt, sie gehöre unbedingt in jeden Bildungskanon? Warum nicht Germanisch? Mittelhochdeutsch? Oder eben Sanskrit. Die Inder bzw. die damaligen Bewohner des Landstriches waren ja auch eine Zeit lang führend in der Mathematik. Könnte man dann alles im Original lesen. Oder anders gefragt...ist Ovid wichtiger als Brahmagupta?

Zitat:
Original von GualtieroBöse, böse Römer!
Die haben Latein sicher nur deshalb erfunden, dass zwei Jahrtausende später Schüler und Studenten sich damit abquälen müssen.


Ich traue das den Römern zu. Als Rache an den Germanen, die nachher doch über Rom hergefallen sind. Und heute werden abertausende kleine germanische Schüler damit getriezt. Sehr effektive psychologische Kriegsführung über Jahrhunderte hinweg. Man könnte fast Respekt vor den Römern bekommen :-).

Wie gesagt...ubi est Cornelia?
Gualtiero Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Latein in der Schule
Vorerst muss ich einen Punkt in meinem ersten Beitrag korrigieren:
Zitat:
Original von Gualtiero
Latein ist die direkte Vorläufer-Sprache von vier lebenden Fremdsprachen . . .

Das ist natürlich falsch, ich berichtige es gemäß meinem Wissensstand: Italienisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Rumänisch und mindestens zwei rätoromanische Varianten: Ladinisch in Südtirol und Romantsch in Graubünden; ich erhebe natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.


Zitat:
Original von Iridium
...weil Latein die Sprache der Römer war, haben es die Leute im Frühmittelalter übernommen, weil die es übernommen haben, war es im Mittelalter hip, weil es im Mittelalter hip war, wurde es die allgemeine Sprache der Eliten danach usw. Und heute rechtfertigt man die Bedeutung natürlich mit Rückgriff auf früher.

Das möchte ich schon etwas genauer sehen und einmal zwischen gesprochener und geschriebener Sprache unterscheiden. Und Sprache überträgt sich ja nicht von einer Epoche auf die andere, sondern von einer Gereration auf die nächste.
So sind eben aus dem Alltags-Latein die Nachfolgesprachen entstanden, aber daneben hat sich Latein fast unverändert erhalten, indem es schriftlich weitergegeben wurde.
Und darin liegt meiner Meinung nach der Grund, dass Latein für die Geistesgeschichte Europas so wichtig geworden ist. Denn in welcher Sprache hätte denn ein mittelalterlicher Denker seine Abhandlungen schreiben sollen? In Latein gab es ja schon einen Wortschatz für die ganzen abstrakten Begriffe in Philosophie und Theologie, weil sich der schon viel früher in dieser Sprache angesammelt hatte.
Und jeder, der die Gelegenheit zu schreiben hatte, hat sich natürlich der lateinischen Sprache bedient, weil es ja nichts Geeigneteres gab, und so ist eine Tradition entstanden. Es war also keine oberflächliche Denkmalpflege, sondern hatte einen ganz praktischen Sinn. In jeder Tradition steckt ja ein Sinn, und wie lange sie sich hält, ist eine andere Frage.
Jedenfalls war Latein die ideale Verständigungsmöglichkeit der Humanisten, die so unabhängig von ihrer jeweiligen Muttersprache miteinander kommunizieren konnten, das muss man ganz klar hervorheben. Soviel ich weiß, hat Kopernikus noch alle Abhandlungen in Latein geschrieben; ob es nicht auch für Keppler gilt. verwirrt

Zitat:
Original von Iridium
Ok, das stimmt für die Griechen. Andere Kulturen (Germanen, Kelten) sind nicht gerade durch die Römer bewahrt worden, eher ausgerottet.

Das gilt sicher für die Kelten, denn die ehemals keltischen Siedlungsgebiete in Gallien und am Nordostabhang des Appennin (Ager Gallicus) wurden ja von Rom geschluckt. Zuvor hatten aber die Kelten unter Brennus den Römern eine schändliche Niederlage zugefügt und versucht, Rom den Garaus zu machen. Das Unglück konnte nur durch hohe Lösegeldzahlung abgewendet werden, was sicher auch ein Motiv für die späteren römischen Eroberungsmaßnahmen war.
Man könnte auch die Etrusker anführen, die am Anfang ähnlich den Griechen die großen Lehrer der Römer waren, dann aber in langen, harten Kämpfen besiegt und zumindest kulturell ausgelöscht worden waren. Die etruskische Hauptstadt Veij wurde zerstört und nie mehr aufgebaut, die etruskische Sprache wurde unterdrückt und ist so ausgestorben - ewig schade.
Aber noch einmal: dieses ewige Hickhack in der Geschichte der Völker, Kulturen und Staaten kann kein Kriterium sein für die Bedeutung einer Sprache.

Zitat:
Original von Iridium
Es gibt da einen Ausspruch, ich glaube ein Filmzitat, wonach Italien unter den Borgias 30 Jahre lang von Mord und Totschlag und politischen Streitereien geprägt war, in der gleichen Zeit jedoch eine unglaubliche kulturelle Blüte erlebte, wohingegen in der Schweiz 400 Jahre Friede herrschte und sonst nichts zustande gebracht wurde.

Bekannte Szene aus "Der dritte Mann" mit Orson Welles als Harry Lime, der diesen Vergleich bringt. Er redet ganz respektlos von der "Kuckucksuhr", die das einzige kulturelle Erzeugnis der Schweiz sei.

Zitat:
Soll ich eine Sprache lernen, die mir praktisch nützt? Soll ich eine Sprache lernen, nur weil sie früher einmal in unserem Kulturkreis gesprochen wurde? Soll ich eine Sprache lernen, von der eine kleine Gruppe der Gesellschaft (vor allem Lateinlehrer) glaubt, sie gehöre unbedingt in jeden Bildungskanon? Warum nicht Germanisch? Mittelhochdeutsch? Oder eben Sanskrit. Die Inder bzw. die damaligen Bewohner des Landstriches waren ja auch eine Zeit lang führend in der Mathematik. Könnte man dann alles im Original lesen. Oder anders gefragt...ist Ovid wichtiger als Brahmagupta?

Jede Sprache ist an und für sich gleich viel wert, das möchte ich nochmal ganz klar festhalten. Wenn ich mich für Latein einsetze, will ich damit nichts gegen irgendeine andere Sprache in diesem Sinn sagen.
Aber die Bewertung von Latein als Nummer eins unter den "toten" Sprachen geschieht ja auch auf zwei anderen Ebenen:
- Auf die Bedeutung in der abendländischen Geistesgeschichte habe ich so gut ich konnte hingewiesen.
- Daher kann man Latein aus den Lehrplänen der Gymnasien und Mittelschulen - also allgeimein höher bildenden Schulen - nicht ganz verbannen; hier spielen aber auch ganz nüchterne, praktische Überlegungen eine Rolle: von mehreren Optionen werde ich mich einmal für das Nächstliegende entscheiden, und dann erst für das andere (hier bin ich aber Laie und würde mich gerne eines Besseren belehren lassen).
Man könnte es ja probieren und zu Latein die Alternative Sanskrit (oder Altpersisch, Chinesisch, Japanisch?) anbieten; das würde man - wir reden ja immer von Europa - wahrscheinlich an die Bedingung knüpfen, eine lebende, romanische Sprache dazuzunehmen, während der Lateiner andere Kombinationsmöglichkeiten hätte . . usw.; man würde wahrscheinlich noch mehr schmerzliche Kompromisse schaffen, als es ohnehin schon gibt, wie z. B. hier:
Zitat:
Original von sulo
Wer denkt sich einen solchen Mist aus, dass man Fächer, in denen man gut ist, die man mag und die einem leicht fallen, nicht miteinander kombinieren darf?

wobei ich das wie sulo sehe, aber nicht ausschließen kann, dass es doch gute Gründe für so eine Bestimmung gibt.
Iridium Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Latein in der Schule
Zitat:
Original von Gualtiero
Das möchte ich schon etwas genauer sehen und einmal zwischen gesprochener und geschriebener Sprache unterscheiden. Und Sprache überträgt sich ja nicht von einer Epoche auf die andere, sondern von einer Gereration auf die nächste.
So sind eben aus dem Alltags-Latein die Nachfolgesprachen entstanden, aber daneben hat sich Latein fast unverändert erhalten, indem es schriftlich weitergegeben wurde.
Und darin liegt meiner Meinung nach der Grund, dass Latein für die Geistesgeschichte Europas so wichtig geworden ist. Denn in welcher Sprache hätte denn ein mittelalterlicher Denker seine Abhandlungen schreiben sollen? In Latein gab es ja schon einen Wortschatz für die ganzen abstrakten Begriffe in Philosophie und Theologie, weil sich der schon viel früher in dieser Sprache angesammelt hatte.


Na ja, den notwendigen Wortschatz muß es aber auch schon in den jeweiligen Muttersprachen gegeben haben, denn bevor die Leute eine Erkenntnis niedergeschrieben haben, haben sie sicher selbst lange darüber nachgedacht bzw. sich mit Kollegen vor Ort ausgetauscht. Wie sehr es da üblich war, auch in Latein zu sprechen, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber selbst wenn es üblich war, war es dann immer üblich, oder situationsabhängig?

Zitat:
Original von Gualtiero
Und jeder, der die Gelegenheit zu schreiben hatte, hat sich natürlich der lateinischen Sprache bedient, weil es ja nichts Geeigneteres gab, und so ist eine Tradition entstanden.


Ob es etwas geeigneteres gab, sei mal dahingestellt. Viele dürften keine große Wahl gehabt haben, weil es nicht nur Tradition allein gewesen sein dürfte, sondern auch Verpflichtung in Latein zu schreiben. Z.B. bei Dissertationen, wo ja auch z.T. heute noch die Prüfungsordnung die Abfassung in einer bestimmten Sprache vorschreibt. Der kopierende Mönch wird ebenfalls nicht frei entschieden haben. Für mich ist Latein deshalb vor allem eine Tradition der Eliten, die sich bewusst vom allgemeinen Volk abgrenzen wollten und deshalb nicht nur eine allgemeine Verständigung im Sinn hatten, sondern auch eine Form von Obskurantismus. Man denke an das Revolutionäre von Luthers Bibelübersetzung ins Deutsche, welche eine fortschrittliche Entwicklung befördert hat, oder an die Sprache der Alchemisten, welche aus demselben Grund des Obskurantismus, einen Fortschritt behinderte.

Zitat:
Original von Gualtiero
Es war also keine oberflächliche Denkmalpflege, sondern hatte einen ganz praktischen Sinn. In jeder Tradition steckt ja ein Sinn, und wie lange sie sich hält, ist eine andere Frage.
Jedenfalls war Latein die ideale Verständigungsmöglichkeit der Humanisten, die so unabhängig von ihrer jeweiligen Muttersprache miteinander kommunizieren konnten, das muss man ganz klar hervorheben. Soviel ich weiß, hat Kopernikus noch alle Abhandlungen in Latein geschrieben; ob es nicht auch für Keppler gilt. verwirrt


Denke schon, im Grunde bis weit ins 18., 19. Jh. Gauß hat in Latein veröffentlicht.

Mit Traditionen habe ich generell so meine Probleme, zumindest wenn man sie als Wertmaßstab versteht und nicht als historische Tatsache. Der langjährige, wiederholte Gebrauch von irgendwas bewirkt ja automatisch eine Traditionsbildung. Ich finde, man sieht das gut bei Dorffesten. Irgendjemand kommt auf die Idee irgendwas zu feiern. Ohne besonderen Grund gibt es beim ersten Mal Bier und Bratwurst. Beim zweiten Mal zufällig auch. Beim dritten Mal, weil es schon Tradition ist *g*. Das sagt natürlich überhaupt nichts über den Wert oder den Sinn dieser Tradition aus.

Das eine Sprache, die unabhängig von der eigenen Nationalität allgemein verstanden wird, nützlich und sinnvoll ist, ist unbenommen. Latein HATTE diesen Stellenwert ohne Zweifel mehrere Jahrhundert lang. Latein HAT ihn aber heute nicht mehr annähernd. Will man also nicht nur sinnlos Historie pflegen, fällt diese Begründung schon mal weg.

Zitat:
Original von Gualtiero
Das gilt sicher für die Kelten, denn die ehemals keltischen Siedlungsgebiete in Gallien und am Nordostabhang des Appennin (Ager Gallicus) wurden ja von Rom geschluckt. Zuvor hatten aber die Kelten unter Brennus den Römern eine schändliche Niederlage zugefügt und versucht, Rom den Garaus zu machen. Das Unglück konnte nur durch hohe Lösegeldzahlung abgewendet werden, was sicher auch ein Motiv für die späteren römischen Eroberungsmaßnahmen war.
Man könnte auch die Etrusker anführen, die am Anfang ähnlich den Griechen die großen Lehrer der Römer waren, dann aber in langen, harten Kämpfen besiegt und zumindest kulturell ausgelöscht worden waren. Die etruskische Hauptstadt Veij wurde zerstört und nie mehr aufgebaut, die etruskische Sprache wurde unterdrückt und ist so ausgestorben - ewig schade.
Aber noch einmal: dieses ewige Hickhack in der Geschichte der Völker, Kulturen und Staaten kann kein Kriterium sein für die Bedeutung einer Sprache.


Natürlich will ich nicht behaupten, die Römer wären anders oder schlechter gewesen, als andere Völker zu dieser Zeit. Mir ist jedoch nicht ganz klar, woran man die Bedeutung einer Sprache wirklich messen soll? An der Anzahl der aktuellen Sprecher? Die Sprache könnte sehr primitiv sein, und trotzdem von einer großen Zahl an Individuen gesprochen werden. An der Bedeutung der Nationen, die diese Sprache sprechen? Ist für mich kein sinnvolles Argument. An der ausgefeilten Grammatik? Wenn sie nicht zweckmäßig ist, weshalb? Vielleicht am ehesten an dem Inhalt, den sie auszudrücken imstande ist...man denke nur an Orwells Neusprech.

Zitat:
Original von Gualtiero
Bekannte Szene aus "Der dritte Mann" mit Orson Welles als Harry Lime, der diesen Vergleich bringt. Er redet ganz respektlos von der "Kuckucksuhr", die das einzige kulturelle Erzeugnis der Schweiz sei.


Ok, muß ich wohl mal wieder schauen. Ich kann Orson Welles zwar nicht 100% zustimmen, aber sympathisch ist mir der Standpunkt schon.

Zitat:
Original von Gualtiero
Jede Sprache ist an und für sich gleich viel wert, das möchte ich nochmal ganz klar festhalten.


Das weiß ich eben nicht. Was nützt einem z.B. die Beherrschung einer Sprache, ohne das man sie spricht? Sprache ist doch kein Selbstzweck (für mich jedenfalls nicht), anhand der Sprache soll man kommunizieren, Ideen festhalten und vermitteln, sich eine Meinung bilden und vertreten. Ich würde außerdem auch technische Bewertungen vornehmen. Welche Sprache ist effektiv in der Informationsvermittlung, welche nicht? Frei nach Ockhams Razor...wozu ein grammatikalisches Konstrukt (z.B. einen Fall) mehr als unbedingt nötig verwenden. Welche Sprache funktioniert mit einem Minimum an formalen Regeln und ist trotzdem praktikabel. Ich hab dazu mal einen interessanten Beitrag gelesen...über die Anzahl der Schriftzeichen in einem Alphabet. Man will sicher nicht wie der Chinese jedem Detail ein neues Schriftzeichen zuordnen, nachher noch mit verschiedenen Ausprachen, völlig unpraktisch. Andererseits sind zuwenig Schriftzeichen auch nicht praktisch, weil man dann alle möglichen Konstruktionen und Kombinationen braucht, um effektiv Information zu kodieren. Das lateinische Alphabet liegt interessanterweise irgendwo dazwischen.

Zitat:
Original von Gualtiero
Wenn ich mich für Latein einsetze, will ich damit nichts gegen irgendeine andere Sprache in diesem Sinn sagen.
Aber die Bewertung von Latein als Nummer eins unter den "toten" Sprachen geschieht ja auch auf zwei anderen Ebenen:
- Auf die Bedeutung in der abendländischen Geistesgeschichte habe ich so gut ich konnte hingewiesen.
- Daher kann man Latein aus den Lehrplänen der Gymnasien und Mittelschulen - also allgeimein höher bildenden Schulen - nicht ganz verbannen; hier spielen aber auch ganz nüchterne, praktische Überlegungen eine Rolle: von mehreren Optionen werde ich mich einmal für das Nächstliegende entscheiden, und dann erst für das andere (hier bin ich aber Laie und würde mich gerne eines Besseren belehren lassen).
Man könnte es ja probieren und zu Latein die Alternative Sanskrit (oder Altpersisch, Chinesisch, Japanisch?) anbieten; das würde man - wir reden ja immer von Europa - wahrscheinlich an die Bedingung knüpfen, eine lebende, romanische Sprache dazuzunehmen, während der Lateiner andere Kombinationsmöglichkeiten hätte . . usw.; man würde wahrscheinlich noch mehr schmerzliche Kompromisse schaffen, als es ohnehin schon gibt, wie z. B. hier:
Zitat:
Original von sulo
Wer denkt sich einen solchen Mist aus, dass man Fächer, in denen man gut ist, die man mag und die einem leicht fallen, nicht miteinander kombinieren darf?

wobei ich das wie sulo sehe, aber nicht ausschließen kann, dass es doch gute Gründe für so eine Bestimmung gibt.


Ich weiß nicht, wird die abendländische Vergangenheit nicht im Sinne eines falschen Patriotismus/Nationalismus überbewertet? Ich verstehe schon, und sehe es auch als notwendig an, daß man in einem Mindestmaß Bescheid über die eigene Herkunft weiß. Nur, dient Latein wirklich diesem Zweck? Wieviele Schüler lesen nachher wirklich einen anderen Text, als den, den sie lesen müssen? Im Gegenteil, wieviele Leute schreckt man auf immer ab? Ich fände es durchaus interessant, statt einer Sprache, so etwas wie Sprachwissenschaft ganz allgemein zu lehren. Vergleichene Sprachdarstellung. Was kann Latein besser als Englisch, und worin unterscheidet sich Deutsch von Holländisch (in nichttrivialer Weise). Vielleicht würde da z.B. dasselbe Argument gelten, das bei Latein angeführt wird, daß man später allgemein Vorteile beim Sprachenerlernen hat. Wieviel interessantes entgeht einem, weil man zum x-ten Male "de bello gallico" übersetzt? (später fand ich z.B. eine Doku über die Entschlüsselung der Mayasprache aus den wenigen Codizes, die erhalten geblieben sind, faszinierend. Oder das Beispiel Rosetta Stein...wäre vielleicht sehr instruktiv für Schüler. Letztendlich könnte man sogar den genetischen Code besprechen....eine "Sprache" die keiner wirklich spricht, die jedoch absolut fundamentale Bedeutung hat.)

Aber vermutlich ist das für die Schule zu komplex in der Umsetzung. Lateinlehrer sind leichter auszubilden weil etabliert.

Das mit den Kombinationen sehe ich ein, wenn man ein "Feld-Wald-Wiesen"-Abitur mit Musik und Kunst und anderen "weichen" Fächern verhindern will. Warum man aber z.B. Sprachen und Naturwissenschaften gegeneinander ausspielt (kenne ich noch aus eigener Erfahrung), oder bestimmte Fächer vor anderen praktisch bevorzugt (Religion vor Ethik, weil man Ethik auf den Nachmittag legt) , den Sinn erkenne ich nicht.

Abschließend ein Wort zur Motivation...der Wut Thread war in meinem Fall wirklich gerechtfertigt, weil ich es sehr bereue, Latein gewählt zu haben. Ich habe später eigentlich keine wirkliche Gelegenheit oder Notwendigkeit gehabt, Latein zu können (außer, daß man vielleicht alte Inschriften an Gebäuden lesen kann, aber selbst das ist oft alles andere als trivial), aber das Fehlen von Französisch hat sich schon mehrfach gerächt (ok, ich sollte weniger jammern, und es jetzt lernen *g*). Aber die ganzen Argumente für Latein...sprachhistorisch, fürs Medizinstudium, für allgemein gute Grammatikfähigkeiten, fürs Lernen anderer romanischer Sprachen...sind für mich alles Propaganda. Durch nichts gerechtfertigt. Und deshalb reizt mich das Thema, und ich sage jedem, der es nicht hören will, "bloß kein Latein!" :-)
Zellerli Auf diesen Beitrag antworten »

Also ich hätte auch gerne Französisch (zusätzlich) gehabt, aber Latein bereue ich nicht.
Fast alle meiner Abikollegen, die kein Latein hatten, sprechen heute kaum noch ein Wort französisch.

Iridium:
Zitat:
Das eine Sprache, die unabhängig von der eigenen Nationalität allgemein verstanden wird, nützlich und sinnvoll ist, ist unbenommen. Latein HATTE diesen Stellenwert ohne Zweifel mehrere Jahrhundert lang. Latein HAT ihn aber heute nicht mehr annähernd. Will man also nicht nur sinnlos Historie pflegen, fällt diese Begründung schon mal weg.


Sag diesen Satz mal zu jemanden, dessen Ausbildung in den Bereich "Medizin" fällt.

Ich finde die aktuelle Entwicklung, dass die "modernen" Fachbegriffe immer mehr aus den modernen Sprachen, allen voran Englisch, kommen in sofern bedenklich, als dass ein lateinisches Fachwort durch sehr viele moderne Sprachen leicht erklärbar war (weil es in dieser Sprache ein ähnliches oder nahezu identisches Wort bereits gibt). Während beim Englischen oft die germanischen Worte zum Tragen kommen, die fast kein Mensch in seiner Muttersprache hat.
Selbstverständlich hat es den Vorteil, dass wohl so ziemlich jeder Akademiker auch Englisch beherrscht (wobei Fachwort-Englisch auch selten sein dürfte und erlernt werden muss).
Nochmal kurz und knapp: Weil Latein viele moderne Sprachen wesentlich geprägt hat, sind lateinische Fachbegriffe durch diese Sprachen leicht(er) zu entschlüsseln.

Ah und zum Latein an der Schule
Latein wurde bei uns an der Schule nicht bevorzugt, obwohl ich deine Aussage über den Ethikunterricht hier im katholischen Bayern fast von jeder Schule her kenne.
An einer wurde das soweit vorangetrieben, dass kein Ethik Grundkurs in der Kollegstufe angeboten wurde.
Liegt aber auch am Führerprinzip in deutschen Schulen. Wenn der selten krasse Ansichten hat, hat die Ansichten auch das Kollegium zu vertreten. Schweigen aus Angst. Der Lehrer der das Maul aufgemacht hat, ist heute noch Studienrat.
Gualtiero Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Iridium
Na ja, den notwendigen Wortschatz muß es aber auch schon in den jeweiligen Muttersprachen gegeben haben, denn bevor die Leute eine Erkenntnis niedergeschrieben haben, haben sie sicher selbst lange darüber nachgedacht bzw. sich mit Kollegen vor Ort ausgetauscht.

Das glaube ich eben nicht. Ganz grob gesagt, die geistigen Konstrukte der klassischen griechischen Philosophen war deren Errungenschaft; so hat zu dieser Zeit - zumindest am Ausgang der Antike - niemand aus einem "barbarischen" (nicht abwertend) Kulturkreis gedacht, zumindest gibt es keine schriftlichen Aufzeichnungen.
Die Begriffe fanden über die lateinischen Bezeichnungen Eingang in das Denken der neuen Kulturträger, erst dann entstanden auch in der eigenen Sprache die entsprechenden Wörter. Ich weiß leider nicht mehr, wo ich es gelesen habe, aber z. B. die Ausdrücke, die auf "-heit" und "-keit" enden, gibt es im Deutschen erst ab der Neuzeit.

Zitat:
Original von Iridium
Viele dürften keine große Wahl gehabt haben, weil es nicht nur Tradition allein gewesen sein dürfte, sondern auch Verpflichtung in Latein zu schreiben. Z.B. bei Dissertationen, wo ja auch z.T. heute noch die Prüfungsordnung die Abfassung in einer bestimmten Sprache vorschreibt. Der kopierende Mönch wird ebenfalls nicht frei entschieden haben. Für mich ist Latein deshalb vor allem eine Tradition der Eliten, die sich bewusst vom allgemeinen Volk abgrenzen wollten und deshalb nicht nur eine allgemeine Verständigung im Sinn hatten, sondern auch eine Form von Obskurantismus. Man denke an das Revolutionäre von Luthers Bibelübersetzung ins Deutsche, welche eine fortschrittliche Entwicklung befördert hat, . . .

Ich halte wie gesagt praktische Gründe für maßgeblich. Wenn ich die Wahl habe, entweder ein altes, bewährtes Werkzeug zu verwenden oder mir in einem langwierigen Prozess ein neues, vorerst um nichts besseres zu schaffen, werde ich doch zumindest eine lange Zeit beim alten bleiben.
Was die Abgrenzung der geistigen Elite in früherer Zeiten betrifft, würde ich das anders sehen. Den einzelnen Mönch dürfte es schon mit Stolz erfüllt haben, etwas zu beherrschen, was nur die wenigsten konnten. Aber Stolz, Überheblichkeit usw. waren ja als Laster ausgewiesen, und dann war er ja gemäß der Ordensregel zu Gehorsam verpflichtet, sodass man da die Verantwortlichkeit auf höherer Ebene suchen sollte.

Meiner Meinung nach liegt sie in grundsätzlichen Anschauungen der römisch katholischen Kirche. Da gibt es den
- Unterschied zwischen geweihtem Priester und gewöhnlichem Gläubigen,
- das alleinige Recht, die heiligen Schriften zu lesen und auszulegen, und
- die Kontrolle über alles, was von Menschen erdacht worden ist.
Diesen Einfluss hat die Kirche ja nach und nach verloren, manche sagen, noch immer nicht ganz.
Man hört auch oft das Argument, die große Masse der Menschen wurde deshalb von Kenntnissen wie Lesen und Schreiben und weiterer Bildung ferngehalten, weil ungebildete Untertanen leichter zu regieren seien. Ob diese Überlegung von Anfang an die einzige Rolle spielte oder nicht, den weltlichen Herren dürfte es ganz gut ins Konzept gepasst haben. Ich denke aber auch, dass man Bildung als kostbares Gut ansah, das sich nur Mitglieder entsprechend gut gestellter Kreise leisten konnten und das man niemandem ohne Gegenleistung zuteil werden ließ.
Aber diese Situation der scharfen Bildungsbeschränkung wäre ja noch kein Grund, heute noch immer Latein zu lehren. Ein Motiv ergibt sich aber aus der allgemeinen Frage, wie denn ein solcher unbefriedigender Zustand beendet werden kann. Da sehe ich ganz einfach zwei Wege:
- einer, der die alten Sprachen beherrscht, übersetzt für alle - wie Luther -,
- oder man schafft für alle die Möglichkeit, diese Sprachen zu lernen.
Im ersten Fall wären alle auf die eine Übersetzung angewiesen, was ich allgemein nicht gut finde - obwohl ich die Übersetzung von Luther nicht anzweifeln möchte -, der zweite Weg würde es einer beliebig großen Zahl an Interessierten ermöglichen, eine Übersetzung zu überprüfen.

Zitat:
Original von Iridium
Latein HATTE diesen Stellenwert ohne Zweifel mehrere Jahrhundert lang. Latein HAT ihn aber heute nicht mehr annähernd. Will man also nicht nur sinnlos Historie pflegen, fällt diese Begründung schon mal weg.

Natürlich sind heute schon längst alle antiken und späteren Autoren übersetzt und wahrscheinlich auch kommentiert, aber ich würde es auch für den einen oder anderen Naturwissenschafter als erstrebenswert halten, z.B. Kopernikus oder Keppler im Originaltext zu lesen, gar nicht zu reden von Germanisten, Philosophen, Altphilologen . . .

Zitat:
Original von Iridium
Mir ist jedoch nicht ganz klar, woran man die Bedeutung einer Sprache wirklich messen soll? An der Anzahl der aktuellen Sprecher? Die Sprache könnte sehr primitiv sein, und trotzdem von einer großen Zahl an Individuen gesprochen werden. An der Bedeutung der Nationen, die diese Sprache sprechen? Ist für mich kein sinnvolles Argument. An der ausgefeilten Grammatik? Wenn sie nicht zweckmäßig ist, weshalb? Vielleicht am ehesten an dem Inhalt, den sie auszudrücken imstande ist...man denke nur an Orwells Neusprech.

Die Antwort sollte aus dem oben Gesagten ergeben, daher fasse ich grob zusammen. In der abendländischen Geschichte ist es eine Tatsache, dass alles Wissen aus der Antike in lateinischen Texten überliefert ist, daher ist Latein für das Studium antiker Quellen unverzichtbar. Meiner Meinung nach sollten wir auch heute noch die Geisteshaltung der Renaissance überdenken, die die große Bedeutung der Antike entdeckt hat, und - wahrscheinlich - mit dieser Rückbesinnung einen enormen geistigen Entwicklungsschub ausgelöst hat.
Die lateinische Grammatik ist nicht kompliziert, auch wenn sie uns so vorkommt. Man kann das glaube ich erst beurteilen, wenn man eine andere Sprache und somit andere Ausdrucksmöglichkeiten beherrscht, zumindest meine ich diese Erfahrung gemacht zu haben: In Italienisch war ich so weit, dass ich mich einfach verständigen konnte und mäßig langsam Gesprochenes unserer Lehrerin verstanden habe. Von so einem übergeordneten Standpunkt (ja, klingt eingebildet) sieht man viele Einzelheiten klarer und man erkennt, dass das Deutsche ja auch nicht einfach ist.
Nur ist das vielen nicht bewusst, weil sie es von frühester Kindheit an gehört und gesprochen haben.

Es gäbe noch viel zu sagen, ich mache mal einen Einschnitt.

Nur zum letzten Satz:
Zitat:
Original von Iridium
. . . und ich sage jedem, der es nicht hören will, "bloß kein Latein!"

Ist schon klar, ich will ja niemanden bekehren, sondern lege nur die Gründe für meine Ansicht dar.
 
 
Abakus Auf diesen Beitrag antworten »

Immerhin gibt es ja ein lateinisches Wiki, da lässt sich sogar was über Mathematik finden, vielleicht macht es euch ja Vergnügen:

Mathematica (Wiki)

Natürlich gibt es auch sowas wie Esperanto (hat auch ein Wiki, ist derzeit sogar etwas größer), was ja vielleicht mal die erste (künstliche) Weltsprache wird.

Grüße Abakus smile
Mystic Auf diesen Beitrag antworten »

Ich sag euch nur eines, Leute, vita brevis est - das Leben ist kurz (eigentlich wollte ich ja schreiben kurz und besch.. wie ein Kinderhemd, aber da bin ich schon mit meinem Latein am Ende!), man sollte nicht zu viel Zeit an unnütze Dinge verschwenden...

Was Latein in der Schule betrifft, so teile ich eigentlich mehr Iridiums Standpunkt, dass es im großen und ganzen nicht der Bringer ist, allerdings gilt das auch für soviele andere Dinge auch, mit denen wir an der Schule drangsaliert wurden, was dann doch wieder alles sehr relativiert... Big Laugh
Iridium Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Zellerli
Also ich hätte auch gerne Französisch (zusätzlich) gehabt, aber Latein bereue ich nicht.
Fast alle meiner Abikollegen, die kein Latein hatten, sprechen heute kaum noch ein Wort französisch.


Das dumme in meinem konkreten Fall ist ja, ich weiß nicht, ob ich heute mehr könnte, wenn ich Französisch genommen hätte. Die Möglichkeit besteht, vielleicht mit hoher Wahrscheinlichkeit, daß ich heute trotzdem kein Französisch könnte. Aber würde ich dann andersrum bedauern, kein Latein zu können?

Zitat:
Original von Zellerli
Sag diesen Satz mal zu jemanden, dessen Ausbildung in den Bereich "Medizin" fällt.


Ok, man braucht Latein als Zugangsvoraussetzung für ein Medizinstudium (ist doch noch so, oder?), aber braucht der Mediziner wirklich in der Praxis Latein? Die medizinischen Fachbegriffe setzen sich doch vor allem aus einer Handvoll (ok, vielleicht hundert) Vor- und Nachsilben zusammen (hypo, tachy, brady, kardio, myo, enzephalo, erythro, xantho, stehen alle im Pschyrembel), die in anderer Kombination wieder auftauchen...dazu muß man aber nur die Bedeutung dieser Silben auswendig lernen, aber keine Grammatik können und nie Caesar übersetzt haben.

Zitat:
Original von Zellerli
Ich finde die aktuelle Entwicklung, dass die "modernen" Fachbegriffe immer mehr aus den modernen Sprachen, allen voran Englisch, kommen in sofern bedenklich, als dass ein lateinisches Fachwort durch sehr viele moderne Sprachen leicht erklärbar war (weil es in dieser Sprache ein ähnliches oder nahezu identisches Wort bereits gibt). Während beim Englischen oft die germanischen Worte zum Tragen kommen, die fast kein Mensch in seiner Muttersprache hat.


Na ja, Fachbegriffe muß man so oder so lernen. Und die besten Fachbegriffe sind eigentlich die, die keine Assoziationen mit Alltagsworten wecken. Lernen funktioniert ja unterschiedlich...einerseits lernt es sich leichter, wenn man Bezüge zu Bekanntem herstellen kann...andererseits behält man Dinge besser, die gerade sehr stark von Bekanntem abweichen und speziell sind.

Zitat:
Original von Abakus
Immerhin gibt es ja ein lateinisches Wiki...


Ja, an sich interessant und heute, da man es selbst nicht mehr übersetzen muß, sogar vergnügsam zu sehen, womit sich manche Leute die Zeit vertreiben. Andererseits ein irgendwie sinnloses Unterfangen, eine Art babylonischer Sprachverwirrung, ließen sich dieselben Kräfte doch nutzen, um EINE Wikipedia fortzuschreiben. Inzwischen scheint es soviele Wikipedias zu Spezialthemen zu geben, daß die Frage nach einer universellen Enzyklopädie wieder neu gestellt werden muß, aber nicht weil es keine gäbe, sondern weil es inzwischen zu viele gibt (nationalsprachliche Unterschiede allein seien mal davon ausgenommen).

Esperanto ist übrigens eine geniale Idee...leider glaube ich nicht daran, daß sich Esperanto jemals durchsetzt. Eher wird es zu einer Vermischung des Englischen mit allen möglichen anderen Sprachen kommen, so wie das in der Wissenschaft ja schon üblich ist (BSE = bad simple english).

Zitat:
Original von Gualtiero
Ich halte wie gesagt praktische Gründe für maßgeblich. Wenn ich die Wahl habe, entweder ein altes, bewährtes Werkzeug zu verwenden oder mir in einem langwierigen Prozess ein neues, vorerst um nichts besseres zu schaffen, werde ich doch zumindest eine lange Zeit beim alten bleiben.


Sicher richtig. Ich meinte aber die sowieso von jedem gesprochene Muttersprache. Newton wird sich ja unter Kollegen auch zuerst auf Englisch unterhalten haben, und erst schriftlich in Latein veröffentlicht. Schade, daß man dazu einen Historiker befragen müsste, wie es üblich war.

Zitat:
Original von Gualtiero
Man hört auch oft das Argument, die große Masse der Menschen wurde deshalb von Kenntnissen wie Lesen und Schreiben und weiterer Bildung ferngehalten, weil ungebildete Untertanen leichter zu regieren seien. [...] Ich denke aber auch, dass man Bildung als kostbares Gut ansah, das sich nur Mitglieder entsprechend gut gestellter Kreise leisten konnten und das man niemandem ohne Gegenleistung zuteil werden ließ.


Bildung war meiner Meinung nach schon der Kontrolle des Staates unterworfen, denn über Bildung kann man Autorität begründen. Nicht umsonst waren Lehrer, Pfarrer und Arzt früher DIE Autoritäten auf dem Dorf (evtl. auch noch der Bürgermeister und sonstige Beamte). Indem man die Ausbildung dieser Autoritäten kontrolliert und reglementiert, gewinnt man Kontrolle bis in die kleinsten Einheiten der Gesellschaft. Bildung war deshalb einerseits ein kostbares Gut, andererseits aber auch ein künstlich verknapptes und begrenztes.

Zitat:
Original von Gualtiero
Natürlich sind heute schon längst alle antiken und späteren Autoren übersetzt und wahrscheinlich auch kommentiert, aber ich würde es auch für den einen oder anderen Naturwissenschafter als erstrebenswert halten, z.B. Kopernikus oder Kepler im Originaltext zu lesen,...


Ja und nein. Fachlich kann Kepler kaum noch was bieten, denn die Erkenntnisse stehen besser aufbereitet und in einen weiteren Kontext gestellt in jedem Anfängerlehrbuch der Physik. Wenn man natürlich historisch interessiert ist, herausfinden möchte, wie jemand gedacht hat (das erkennt man ja an der Art und Weise der Formulierung im Ganzen) oder den Einflüßen anderer nachforschen möchte, dann kommt man an den Originalquellen nicht vorbei. Aber wie gesagt...der aktuelle praktische Nutzen liegt für den Naturwissenschaftler woanders...das unterscheidet uns ja von den Geisteswissenschaftlern...wir müssen keine ewig wiederkehrende Exegese von Originaltexten großer Denker betreiben, um so zu "neuen" Erkenntnissen zu kommen, sondern wir gehen ins Labor und erzeugen neue Daten oder Theorien.

Zitat:
Original von Mystic
Ich sag euch nur eines, Leute, vita brevis est - das Leben ist kurz (eigentlich wollte ich ja schreiben kurz und besch.. wie ein Kinderhemd, aber da bin ich schon mit meinem Latein am Ende!), man sollte nicht zu viel Zeit an unnütze Dinge verschwenden...

Was Latein in der Schule betrifft, so teile ich eigentlich mehr Iridiums Standpunkt, dass es im großen und ganzen nicht der Bringer ist, allerdings gilt das auch für soviele andere Dinge auch, mit denen wir an der Schule drangsaliert wurden, was dann doch wieder alles sehr relativiert...


Ja...was du sagst stimmt wohl. Manchmal denke ich auch, daß man die Schulzeit ohne Probleme radikal verkürzen könnte. Dann könnten die geeigneten Leute früher studieren. Andererseits ist es vielleicht auch gut, daß man Jugendlichen diese "nutzlose" Zeit gönnt. Wenn man neue Studien zur Nützlichkeit von Hausaufgaben (wissenschaftlich nicht nachweisbar) oder zur Aufnahmefähigkeit von Jugendlichen am Morgen (faktisch nicht vorhanden) betrachtet, sieht man eh, daß an der Schule, wie sonst auch im Leben, nichts aufgrund wissenschaftlich erwiesener Fakten abläuft, sondern reine Ideologie ist, gerade in der Pädagogik.

Insofern höre ich jetzt auch lieber auf zu schreiben und halte ich mich jetzt an einen anderen lateinischen Wahlspruch...carpe noctem...
Gualtiero Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Iridium
Mit Traditionen habe ich generell so meine Probleme, zumindest wenn man sie als Wertmaßstab versteht und nicht als historische Tatsache. Der langjährige, wiederholte Gebrauch von irgendwas bewirkt ja automatisch eine Traditionsbildung. Ich finde, man sieht das gut bei Dorffesten. Irgendjemand kommt auf die Idee irgendwas zu feiern. Ohne besonderen Grund gibt es beim ersten Mal Bier und Bratwurst. Beim zweiten Mal zufällig auch. Beim dritten Mal, weil es schon Tradition ist *g*. Das sagt natürlich überhaupt nichts über den Wert oder den Sinn dieser Tradition aus.

Ich bin zwar kein häufiger Festbesucher, habe aber kein Verständnisproblem damit. Und das mit Würstl und Bier braucht einem nicht einzufallen, das ist eine bereits bewährte Kombination und deshalb Tradition. Bratwürste sind schmackhaft, schnell und einfach zubereitet und passen wunderbar zu Bier und Brezen und lassen so die gute Laune an die Oberfläche steigen (man setzt sich ja nicht zusammen, um sich zu grämen oder gegenseitig anzuöden). Natürlich wird man sich das nicht Sonntag für Sonntag geben, aber ein Versuch mit Gemüseauflauf und Mineralwasser würde sich, denke ich, auch nicht durchsetzen.

Zitat:
Wenn sie nicht zweckmäßig ist, weshalb? Vielleicht am ehesten an dem Inhalt, den sie auszudrücken imstande ist...man denke nur an Orwells Neusprech.

Habe "1984" unlängst gelesen. Orwell war für mich ein sehr sensibler und scharfer Beobachter und hat am Beispiel von "Neusprech" politische Entwicklungen hin zu totalitären Systemen kritisiert, aber eine vollständige Sprache ist das noch lange nicht. Da begnügen sich diktatorische Regimes einfach mit Sprachregelungen, also mit Verordnungen, wie bestimmte Inhalte formuliert werden müssen.

Zitat:
Original von Iridium
Das weiß ich eben nicht. Was nützt einem z.B. die Beherrschung einer Sprache, ohne das man sie spricht? Sprache ist doch kein Selbstzweck (für mich jedenfalls nicht), anhand der Sprache soll man kommunizieren, Ideen festhalten und vermitteln, sich eine Meinung bilden und vertreten.

Latein als gesprochene Sprache hat meiner Meinung nach nur noch didaktische Zwecke. Das kann ich wiederum aus eigener Erfahrung bestätigen, dass freies Sprechen das Verständnis am wirksamsten fördert. Aber Latein als wirkliche Muttersprache kann es nicht geben, denn wie die Sprachgeschichte zeigt, haben sich aus dem Alltagslatein mehrere Sprachen entwickelt, und selbst wenn ein solches Experiment gelänge und eine genügend große Zahl an Menschen sich Latein aneignete, würde nach einer gewissen Zeit wieder eine Tendenz zu Veränderung der Sprache einsetzen und es würde nur zu einer neuen romanischen Sprache führen.

Zitat:
Original von Iridium
Ich würde außerdem auch technische Bewertungen vornehmen. Welche Sprache ist effektiv in der Informationsvermittlung, welche nicht? Frei nach Ockhams Razor...wozu ein grammatikalisches Konstrukt (z.B. einen Fall) mehr als unbedingt nötig verwenden. Welche Sprache funktioniert mit einem Minimum an formalen Regeln und ist trotzdem praktikabel. Ich hab dazu mal einen interessanten Beitrag gelesen...über die Anzahl der Schriftzeichen in einem Alphabet. Man will sicher nicht wie der Chinese jedem Detail ein neues Schriftzeichen zuordnen, nachher noch mit verschiedenen Ausprachen, völlig unpraktisch. Andererseits sind zuwenig Schriftzeichen auch nicht praktisch, weil man dann alle möglichen Konstruktionen und Kombinationen braucht, um effektiv Information zu kodieren. Das lateinische Alphabet liegt interessanterweise irgendwo dazwischen.

Das sind hochinteressante Fragen, ich würde sie aber an Gymnasien entweder direkt in den Sprachunterricht einbauen oder nur als ergänzendes Fach in Verbindung mit Sprachunterricht befürworten, niemals ohne Sprachpraxis; so nur an Hochschulen.
Sprache ist in so tiefen seelischen Bereichen verankert, dass eine Untersuchung allein nach rationalen, logischen Gesichtspunkten kein befriedigendes Gesamtergebnis bringt. Die Vielfalt an Sprachen zeigt, dass es nicht nur eine Lösung gibt, ein solch komplexes Verständigungssystem wie Sprache zu entwickeln. Und wie man am Beispiel der chinesischen Sprache sieht, ist das Motto 'kleiner Datensatz' nicht immer optimal. Bei derzeit über einer Milliarde Sprechern und einer langen Kulturgeschichte ist das ja beinahe ein Beweis.
Der praktische, nüchterne Sinn der Römer hat uns eben davor bewahrt, hunderte von Schriftzeichen lernen und verwenden zu müssen - es würde uns heute aber nicht stören, wenn es doch anders gekommen wäre. (Mögliches Szenario: die Hunnen wären nicht besiegt worden, wären weder abgezogen noch untergegangen, sondern hätten stattdessen auf dem Boden des römischen Reiches eine Herrschaft gegründet, ihre Verbindung zu China für kulturellen Austausch genutzt und so das Abendland mit östlicher Weisheit erfüllt.)

Zitat:
Original von Mystic
Was Latein in der Schule betrifft, so teile ich eigentlich mehr Iridiums Standpunkt, dass es im großen und ganzen nicht der Bringer ist, allerdings gilt das auch für soviele andere Dinge auch, mit denen wir an der Schule drangsaliert wurden, was dann doch wieder alles sehr relativiert... Big Laugh

Genau, es gibt kein Fach, das für alle der Bringer ist; das kann nur jeder für sich bewerten. Es gibt nur eine Stunde, die der Renner ist: die Freistunde.
Unter diesem Aspekt ist Latein nicht schlechter als alle anderen.
Iridium Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Gualtiero
Natürlich wird man sich das nicht Sonntag für Sonntag geben, aber ein Versuch mit Gemüseauflauf und Mineralwasser würde sich, denke ich, auch nicht durchsetzen.


Lass das erst mal drei mal mit Gemüseauflauf und Mineralwasser durchgehen, dann ist selbst das Tradition und hip. :-)

Zitat:
Original von Gualtiero
Orwell war für mich ein sehr sensibler und scharfer Beobachter und hat am Beispiel von "Neusprech" politische Entwicklungen hin zu totalitären Systemen kritisiert, aber eine vollständige Sprache ist das noch lange nicht. Da begnügen sich diktatorische Regimes einfach mit Sprachregelungen, also mit Verordnungen, wie bestimmte Inhalte formuliert werden müssen.


Ich finde das Buch an sich ehrlich gesagt gar nicht so gelungen...ist vielleicht am Ende einfach auch nur zu depressiv. Aber den kleinen Anhang zu Fragen des Neusprech finde ich genial. Diese Idee allein ist brilliant. Das geniale ist ja sogar, daß Neusprech gerade keine vollständige Sprache sein soll! Man will ja durch die Unvollständigkeit der Sprache garantieren, daß bestimmte Dinge, die nämlich der herrschenden Ideologie widersprechen, gar nicht erst gedacht werden können. Eine Isolation von äußeren Einflüssen vorausgesetzt bin ich mir nicht sicher, ob es nicht "erfolgreich" sein könnte. Komisch daß Kim Jong Ill in Nordkorea noch nicht drauf gekommen ist. Aber vermutlich lesen Diktatoren auch kein "1984". Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist auch LTI...lingua tertii imperii...von Klemperer...das bestätigt Orwells Beobachtungen ja in gewisser Weise...und ist im Titel auch schon wieder Latein.

Zitat:
Original von Gualtiero
Das sind hochinteressante Fragen, ich würde sie aber an Gymnasien entweder direkt in den Sprachunterricht einbauen oder nur als ergänzendes Fach in Verbindung mit Sprachunterricht befürworten, niemals ohne Sprachpraxis; so nur an Hochschulen.
Sprache ist in so tiefen seelischen Bereichen verankert, dass eine Untersuchung allein nach rationalen, logischen Gesichtspunkten kein befriedigendes Gesamtergebnis bringt. Die Vielfalt an Sprachen zeigt, dass es nicht nur eine Lösung gibt, ein solch komplexes Verständigungssystem wie Sprache zu entwickeln. Und wie man am Beispiel der chinesischen Sprache sieht, ist das Motto 'kleiner Datensatz' nicht immer optimal. Bei derzeit über einer Milliarde Sprechern und einer langen Kulturgeschichte ist das ja beinahe ein Beweis.
Der praktische, nüchterne Sinn der Römer hat uns eben davor bewahrt, hunderte von Schriftzeichen lernen und verwenden zu müssen - es würde uns heute aber nicht stören, wenn es doch anders gekommen wäre.


Klar, stören tut es nur die Nicht-Muttersprachler. Und es ist natürlich auch nicht political correct zu sagen, eine Sprache sei objektiv besser als die andere. Man sollte auch nicht den Hochschulunterricht ind Philologie auf die Schule übertragen, wäre für die meisten sicher auch nutzlos und langweilig. Aber als Fachlehrer immer so zu tun, als ob das eigene Fach der Nabel der Welt ist (du sollst keine fremden Götter neben mir haben!), das kann es ja auch nicht sein. Die intelligenten Schüler merken das eh von selbst. Ein paar anderen würde es aber bestimmt aha Erlebnisse verschaffen.

Zitat:
Original von Gualtiero
Genau, es gibt kein Fach, das für alle der Bringer ist; das kann nur jeder für sich bewerten. Es gibt nur eine Stunde, die der Renner ist: die Freistunde.


Selbst das kann man bezweifeln...ich hatte oft in der 6. und 7. ne Freistunde und danach noch eine Stunde was anderes. Das nervt auch.

Am Ende ist Schule vermutlich eh wegen all der Dinge am Rande interessant. Man trifft Freunde und Leidensgenossen, erlebt zusammen auch tolle Dinge...Latein (und das meiste andere) kann da dann eh nicht mithalten.
Gualtiero Auf diesen Beitrag antworten »

Mit meinen Argumenten für Latein wäre ich mal durch, und falls ich wo eine Frage zu beantworten vergessen habe, werde ich das möglichst nachholen.

Nachdem immer wieder auch eigene Erfahrungen aus dem Lateinunterricht vorgebracht werden, möchte ich der Vollständigkeit halber auch meine kurz schildern.
Im ersten Jahr ging es gut, im zweiten hatte ich mit Schule und auch persönlich einige Probleme und es stand zwischendurch mal ganz, ganz schlecht. Bis zum Schulschluss hatte ich mich aber erfangen, und ab dann ging es nur mehr bergauf bis zur Matura.
Es klingt vielleicht übertrieben, aber ich kann mich einfach nicht erinnern, dass ich beim Lernen von Vokabeln, Konjugationen, Deklinationen und anderer Grammatik oder beim Übersetzen irgendwo Schwierigkeiten gehabt habe. Da wird schon auch die verklärende Wirkung der Erinnerung im Spiel sein, die uns eine Blumenwiese vorgaukelt, wo in Wirklichkeit auch Disteln, Dornen und Unkraut zwischendurch eingesät waren.
Unvergessen bleiben mir jedenfalls die gemeinsamen Übersetzungsübungen in der Lateinstunde, als wir das Lehrbuch fertig hatten und mit Literatur begannen: Caesar, Cicero, Ovid. Jeder musste einen Satz vorlesen, analysieren, Konjugation etc. bestimmen, schließlich übersetzen. Da der Stoff ja neu war, half der Lehrer immer wieder.
Aber er unterbrach auch, wenn es ihm geboten schien, etwa zu einem Wort etwas zu erkären, z. B. auf Verwandtschaft zu anderen Sprachen wie Griechisch oder Deutsch hinzuweisen oder allgemeine sprachwissenschaftliche Überlegungen anzustellen.
Natürlich bot Caesar und Cicero genug Gelegenheit für Abschweife in die römische Geschichte und Philosophie, auch die Lebensumstände und politischen Verhältnisse von damals behandelte er und auch die antike Sagenwelt war immer eine Exkursion wert.
Jeder, der irgendein Fach so oder so ähnlich erlebt, wird es natürlich immer befürworten, deshalb möchte ich zu diesem Punkt aus der entgegengesetzten Sicht etwas sagen. Ich war in einigen Fächern zwischendurch elendiglich schlecht und habe genug negative Erfahrungen gemacht, aber ich würde trotzdem nie zu irgendjemandem sagen: vermeide Chemie, Physik, . . ., wo du nur kannst, denn du brauchst es nie wieder. Für mich trifft das für einige Fächer zu, dass ich sie nicht brauche, aber ich möchte auch nachträglich darauf nicht verzichten.

Zitat:
Original von Iridium
Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist auch LTI...lingua tertii imperii...von Klemperer...

Das klingt gut, genauso wie auch der Tipp zum Physikbuch von Richard Feynman (aus dem Grafe-Thread). Aber meine Liste der Bücher, die nach dem jetzigen drankommen, wird immer länger - ich sollte mehr lesen und weniger über Latein nachdenken. Augenzwinkern
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