Der (politische) Stammtisch

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tigerbine Auf diesen Beitrag antworten »
Der (politische) Stammtisch
In Anlehnung an eine gewisse Tradition, will ich Zellerli (und allen anderen) dann doch die Möglichkeit geben, sich über das politische Geschehen auszutauschen. Prost

Zitat:
Original von Zellerli
Ich weiß das hier ist der Fußballthread. Aber dass die Regierung gerade einen Haushalt mit geplanter Rekordneuverschuldung durchboxt, hängt auch mit der WM zusammen.
Will garnicht zu arg OT werden. Nur im Biergarten hamse die Tagesthemen durch Sauflieder übertönt, daher nochmal schnell gegooglet. Eben Sinnbild für die deutsche Demokratie. Mein Nebenmann hat mich beim Spiel gefragt (ernsthaft!), ob ich was vom Volksentscheid mitbekommen hab und wie der denn ausgegangen ist.
Hab zwei Wochen plakatiert und Infostände gemacht...



Wollten die nicht eigentlich systematisch weniger Schulden machen. So klang das im Morgenmagazin und ich dachte, die Demo vor dem Kanzleramt wäre wegen des Sparkurses...
Zellerli Auf diesen Beitrag antworten »

Ja, alles korrekt soweit.

Aber abgesehen davon, dass "intelligent sparen" für die meisten Deutschen bedeutet, dass man sich reinhängen muss und in die Details gehen muss (ineffektive Strukturen aufdecken), statt an ein paar Rädchen zu drehen "wir machen mal hier 2Mrd weniger und dort noch 3Mrd weniger" (was viel einfacher ist), ist es ziemlich verlogen erst schwarz-rot (die ja wirklich fast die 0-Neuverschuldung erzielt hatten) vorzuwerfen, dass sie einen miserablen Haushalt aufstellen und dann selbst einen noch grottigeren (natürlich taktisch klug in der WM-Zeit) auf den Weg zu bringen.

Mich nervt momentan auch das Totschlagargument: "Steuererhöhung ist nicht sparen.", mit der man jede Debatte um wirkliche Eigenverantwortung und Mündigkeit eines Bürgers (auch eines reicheren Bürgers) abwürgt.
Das geht oft Hand in Hand. Irgendwo ist jede Vergünstigung eine indirekte Investition. Und jede Steuer, die erhöht wird, kann andererseits dazu führen, dass wo anders nicht gespart werden muss.
Und jetzt zum sozialen Aspekt. Westerwelle will z.B. die Steuerfreiheit der Schichtzuschläge "einsparen" (betrifft überwiegend klassische "Schichtarbeiter" und Angestellte im Gesundheitssektor).
Einsparen will er natürlich nicht so sinnlose Steuervergünstigungen wie die der des Flugbenzins, des Finanzmarkts, der Zinseinnahmen, der Erbschaft, des Vermögens oder der Hotelbranche.
Außerdem sehe ich es ebenfalls als unnötige Vergünstigung, dass man sich in der Rentenkasse und der Krankenkasse eine Beitragsbemessungsgrenze erlaubt. Bei ersterer ist es wenigstens insofern nachvollziehbar, als dass auch der Rentenbetrag gedeckelt ist. Aber bei letzterer ist dieser Umstand (und die Tatsache, dass sich die, die über die B. kommen in die PKV ausklinken können) die offene Tür für ein katastrophales Finanzloch im Gesundheitssektor.

Da geht momentan so einiges gewaltig schief. Und es würde (neben den Wählern der Opposition) sogar eine Menge Wähler der Union, ja sogar der FDP jucken, wäre da nicht das lebenswichtigste, titelseitenfüllende Thema der Fußball WM Augenzwinkern

Systematisch weniger Schulden sind natürlich schön eingeplant (Prognosen auf dem Gebiet hat noch keine Regierung halten können). Bin nur mal gespannt wie diese Art von Sparkurz unserem Volk zusetzt...
tigerbine Auf diesen Beitrag antworten »

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich immer politikverdrossener werde. Es folgt meine subjektive Wahrnehmung

Die Damen und Herren geben sich in Talkschows die Klinke in die Hand, und was kommt dabei rum: nichts. Wir haben eine Regierung gewählt und was macht sie? Streitet wie Kinder im Sandkasten anstatt ihre Arbeit zu machen. Die Probleme im Land sollten klar sein. Es ist nun die Frage, was wir wollen und wie wir das erreichen können. Ich finde das Bühnenprogramm von E. Pelzig: "Worte statt Taten" passend für das aktuelle Regieren.

Bezeichnend war für mich die Wahl des Bundespräsidenten. Der Einzige, der für mich souverän wirkte, war der Bundestagspräsident N. Lammert. Der Rest wirkte eher peinlich.

Da ist es mir doch eine willkommene Ablenkung, mal einen Monat über was bodenständiges diskutieren zu können. Hand, äh, Fußball. Augenzwinkern
AD Auf diesen Beitrag antworten »

Was soll denn schon für eine "Gesundheitsreform" (?!) herauskommen, wenn eine von Apotheker-, Pharmaindustrie- sowie Ärztebundlobbies kräftig geschmierte Partei sie auskungelt? Jedenfalls sollten sie jetzt mal ihren Slogan umändern in "Weniger Netto vom Brutto". böse

Ich kann es immer noch nicht fassen, dass vor Jahresfrist fast 15% der Wähler diesem Verein ihre Stimme gegeben haben. Finger1


P.S.: Welche kriminellen Folgen etwa die gegenüber Resteuropa deutlich überhöhten Arzneimittelpreise in Deutschland auch haben, zeigt der aktuelle Krebsmittel-Skandal:

http://www.daserste.de/plusminus/beitrag...izl367g3~cm.asp
sulo Auf diesen Beitrag antworten »

Zum Krebsmittelskandal:

Es ist immer das Gleiche: Diejenigen, die unbeirrt auf Missstände aufmerksam machen, müssen als erste und vermutlich auch am meisten dafür bezahlen.

Wo bleibt da der Aufschrei der Empörung? Wir brauchen solche Menschen, die sich trauen, den Mund aufzumachen, wenn etwas schief läuft.
Aber regelmäßig werden sie hart dafür bestraft, man erinnere sich an den Fall Margrit Herbst.

Einziger Trost: Es gibt den Whistleblower Preis, mit dem solche unerschrockenen Mitmenschen ausgezeichnet werden. Freude
lgrizu Auf diesen Beitrag antworten »

ich frage mich, was von einer regierung bürgerlicher parteien sonst zu erwarten ist, nach der wirtschafts und finanzkrise, mitten in der depression ist es nur eine frage der zeit, bis die lasten der krise auf den schultern der arbeiter abgeladen werden, der zeitpunkt ist nun da. ich frage mich, warum das so viel erstaunen hervorruft.
um allerdings die eigenschaft des kapitalismus, regelmäßig krisen hervorzururen zu bekämpfen bedarf es keiner reformationen sondern einer umwälzung der gesellschaftsform.

in deutschland sind mehr als hundert unternehmen ansässig mit einem gewinn von mehr als 5 mrd euro jährlich, was zusammen mehr als 500 mrd euro sind, es gibt 7 mio arbeitslose (darunter auch die geringverdiener, die, trotz einer vollzeitbeschäftigung häufig ihre miete nicht zahlen können und auf hilfen des arbeitsamtes/wohngeldamtes angewiesen sind).
mit einer senkung der arbeitszeit von 37,5 auf 30 stunden und einer beschäftigtenzahl von fast 40 mio werden 300 mio stunden frei, was bei einer 30 stundenwoche weitere 10 mio arbeitskräfte benötigt..
diese mit 10 euro stundenlohn netto bezahlt (etwa 17 euro brutto) wären im jahr 15840 mio euro, also ca. 16 mrd, was ungefähr dem jahresgewinn nach abzug aller steuern der autoindustrie deutschlands entspräche.
 
 
Zellerli Auf diesen Beitrag antworten »

Rösler fordert:
Die Medikamentenpreise sollen drastisch gesenkt werden, das Preismonopol muss gebrochen werden. Notfalls mit staatlichem Druck.

Rösler handelt:
Er entlässt im Januar den engagierten Pharmaprüfer Sawicki, der bei Bedarf auch mal kompromisslos ein sinnloses Medikament aus dem Verkehr gezogen hat.

Das nehm ich ihm sehr übel. Hier hat er wirklich mal komplett dem Druck der Wirtschaft nachgegeben. Vielleicht kam das auch über die Partei.
Denn das einzige, was ich ihm zugestehen muss: Er verfolgt seine Pläne und treibt sie (oft zu Kompromissen) voran. Er ist an mancher Stelle für einen Liberalen äußerst konsequent.
Dass mir das in der Sache stinkt, steht auf einem anderen Blatt.

@Arthur:
Also dass die Ärztelobby (kenne ich ja von meinem HNO Big Laugh ) der FDP besonders Nahe steht, ist klar.
Aber wie bei der Tabak- und Energielobby, stehen alle vier Parteien (keine Ahnung in wiefern es bei der Linken inoffiziell so ist, offiziell nehmen sie keine Großspenden, denke mal die kriegen auch Geschenke und Sponsoring) auf der Spendenliste der Pharamalobby (besser: Zuwendungsliste).
Meistens ist das nicht direkt nachvollziehbar, denn es geht indirekt über Anzeigenschaltung, Sponsoring oder Geschenke. Habe neulich einen bösen Brief losgelassen, nachdem ich in unserem internen Propagandaorgan "Vorwärts" einen riesen Bericht über unsere ach so sauberen Kohlekraftwerke gelesen habe, gefolgt von einer Seite RWE und einer Seite Vattenfall. Zum Glück hab ich da ausnahmsweise mal reingeschaut. Das fällt wenigstens direkt jedem Mitglied auf. Die Grünen machen das klüger, sie lassen Bundesparteitage von Bayer & Co. sponsern. Das kann nur den Deligierten auffallen.
tigerbine Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
lgrizu
senkung der arbeitszeit von 37,5 auf 30 stunden


Dem steht die praktische Erfahrung gegenüber, dass Mitabreiter zwar keine Überstunden machen sollen, was aber nicht heißt, dass sie nicht gemacht werden. Man sticht nur vorher ab Idee! Wer nicht mitmacht, darf sich den Freuden des Mobbings ausgesetzt fühlen. Freude
lgrizu Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von tigerbine
Zitat:
lgrizu
senkung der arbeitszeit von 37,5 auf 30 stunden


Dem steht die praktische Erfahrung gegenüber, dass Mitabreiter zwar keine Überstunden machen sollen, was aber nicht heißt, dass sie nicht gemacht werden. Man sticht nur vorher ab Idee! Wer nicht mitmacht, darf sich den Freuden des Mobbings ausgesetzt fühlen. Freude


...als mittel der arbeitshetze und der produktivitätssteigerung, spaltung der solidarität der arbeiter und erhalt des ausbeuterprinzips....
der kapitalismus züchtet sich eine armee von arbeitslosen, damit diese sich im kampf um niedrigere löhne und den arbeitsplatz gegenseitig ausbooten, überstunden machen aus angst, den arbeitsplatz zu verlieren....


...und das schimpft sich demokratie.....

de facto ist das eine diktatur des finanzkapitals über die massen von arbeitern
tigerbine Auf diesen Beitrag antworten »

Kann man so sehen. Was macht man dagegen? Augenzwinkern
lgrizu Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von tigerbine
Kann man so sehen. Was macht man dagegen? Augenzwinkern


die schlussfolgerungen von marx und lenin endlich in die tat umsetzen.. Augenzwinkern
tigerbine Auf diesen Beitrag antworten »

Und ich dachte, du wolltest Feuerwehrmann werden....

Aber wo hat das denn mit diesen Forderungen bislang gut geklappt?

Ist es nciht eher das Problem, dass wir unter das Problem nicht irgendwann ein qed setzen können sondern dass es eben ein dynamischen Modell ist... und vielleicht nähern wir uns gerade mal wieder einem Wendepunkt....
lgrizu Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von tigerbine
Und ich dachte, du wolltest Feuerwehrmann werden....

das ziel ist bereits erreicht.... Augenzwinkern


Zitat:
Original von tigerbine
Aber wo hat das denn mit diesen Forderungen bislang gut geklappt?


da ist die frage, wo es denn schon einmal versucht wurde, der ehemalige ostblock war ein kapitalismus neuen typs, ein bürokratischer "sozialimperialismus".
wenn ein land nach einem verlorenen krieg anderen ländern ihr politisches doktrin auferlegt, es wirtschaflich und militärisch unterdrückt, so ist das ganz nach definition imperialismus

Zitat:
Original von tigerbine
Ist es nciht eher das Problem, dass wir unter das Problem nicht irgendwann ein qed setzen können sondern dass es eben ein dynamischen Modell ist... und vielleicht nähern wir uns gerade mal wieder einem Wendepunkt....


jede gesellschaft sollte dynamisch sein und sich neuen herausforderungen stellen, das problem unseres gesellschaftssytems ist jedoch, das die mittel immer die gleichen sind, privatisierung der gewinne und sozialisierung der verluste (ist das dynamik...?), und das können viele familien schon lange nicht mehr tragen.
die einzige dynamik liegt in steter neuaufteilung der welt unter den imperialistischen ländern, dem konkurrenzkampf um märkte und noch billigere arbeitsplätze.
dynamik, die sich zwischen wirtschaftskrisen bewegt und die sich nur in der heftigkeit ihrer auswirkungen unterscheidet.
Zellerli Auf diesen Beitrag antworten »

@tigerbine:

Da würde ich aber mal sehr schnell mit dem Betriebsrat sprechen. Und wenn der gekauft ist, dann direkt mit der Gewerkschaft.
Da muss sich der Chef garnicht öffentlich verplappern. Es reicht ja, wenn die Gewerkschaft aufgrund von zwei, drei Meldungen mal die Gewerbeaufsicht einschaltet. Bei der kannst du übrigens auch direkt anonym Anzeige erstatten.

Und dass die die Kollegen dann auch nocht, statt die Ursache (den Chef) zu sehen, sich gegenseitig hacken, ist leider sehr üblich und sicher gut einkalkuliert vom Chef. Aber es ist trotzdem voll daneben.

Das ist das tolle in Behörden: Es gibt zwar extrem viel Mobbing (weil viele der Mitarbeiter zu viel Zeit haben), aber man ist bestens abgesichert und kann es sich sogar durchaus mal erlauben offen gegen einen Missstand vorzugehen, ohne dass einer das persönlich nimmt.
Reni Auf diesen Beitrag antworten »

Zur Gesundheitsreform:
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=6283
Zitat:
Im Klartext: Das im Gesundheitssystem erbrachte Leistungsspektrum orientiert sich primär - völlig zu Recht - an den wirtschaftlichen Überlebenschancen der Leistungserbringer und nicht an den Bedürfnissen der Leistungsnehmer.

Immer wieder schön zu lesen und wohl immer noch aktuell.

Ansonsten gab es vor kurzem zum Finanzmarkt eine sehr schöne Meldung einiger Eu-Abgeordneter. http://www.finance-watch.org/
Zitat:
Dennoch bedeutet das Ungleichgewicht aus unserer Sicht eine Gefahr für die Demokratie, denn es findet in einem Kontext statt, in dem die politische und Finanzelite sich sehr nahe stehen.
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