Trassierung: Krümmungsruckfrei?

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Co-Sinus Auf diesen Beitrag antworten »
Trassierung: Krümmungsruckfrei?
Guten Abend,

ich habe eine Frage zur Trassierung, also Verbindung von vorher unverbundenden Strecken, Kurven etc. durch eine Funktion.
Dazu habe ich ein Arbeitsblatt, welches Verbingunsmöglichkeiten und -kriterien enthält, die wie folgt lauten:

1. Nahtloser Übergang; die Ausgangsfunktion f(x) und die Verbindungsfunktion g(x) haben am Verbindungswert a den selben Funktionswert, f(a) = g(a).
2. Glatter Übergang; die Ausgangsfunktion f(x) und die Verbindungsfunktion g(x) haben am Verbindungswert a die selbe Steigung, f'(a) = g'(a).
3. Krümmungsruckfreier Übergang; die Ausgangsfunktion f(x) und die Verbindungsfunktion g(x) haben am Verbindungswert a die selbe Krümmung, f''(a) = g''(a).

Nun leuchtet mir allerdings der Sinn des krümmungsruckfreien Übergangs nicht ganz ein. Erklärt wird, dass dadruch gewährleistet wird, dass die Verbindungsfunktion nicht auf einmal stark steigt, sodass beispielsweise ein Zug eine scharfe Kurve fahren müsste.
Aber tatsächlich gibt diese Bedingung doch nur eine Aussage am Wert a, wie der Verlauf der Funktion im Weiteren ist, ist dadurch überhaupt nicht bestimmt.
Welchen Sinn hat also die Bedingung krümmungsruckfrei?


Als Beispiel zur Veranschaulichung meiner Verständnisschwierigkeit kann auch folgende Modellierungsaufgabe einer Skischanze gelten.

Das geschwungene Zwischenstück zwischen Anlauf und Schanzenzisch soll durch eine Funktion modelliert werden, wobei der Anlauf bis zu der betreffenden Stelle, sowie der Schanzentisch als Geraden aufgefasst werden sollen.
Ich würde dieses Zwischenstück als Funktion 3ten Grades modellieren, da meiner Meinung nach hier glatte Übergänge, also selbe Steigungen an den Verbindungsstücken, entscheidend sind. Allerdings wird hier zusätzlich ein krümmungsruckfreier Übergang erwartet und ich verstehe nicht, welchen Einfluss das genau haben soll. Die Krümmung bleibt so oder so eine Linkskrümmung und besonders wenn der Übergang von einer Geraden zu einer Kurve stattfindet, ist doch die Krümmung unwesentlich.

Worin besteht mein Denkfehler?

[attach]16178[/attach]
mYthos Auf diesen Beitrag antworten »

Auf Grund der Definition der Krümmung ist diese an den Übergangsstellen (a) zu den Geraden gleich Null (2. Ableitung der Geradenfunktion = 0, die Wurzel im Nenner ändert daran nichts mehr). Somit muss bei einem Polynom 3. Grades dessen zweite Ableitung an der Stelle a verschwinden.

mY+
Co-Sinus Auf diesen Beitrag antworten »

Der Rechenweg ist mir völlig klar, darin liegt ja nicht mein Problem.
Mein Problem ist viel mehr: Welche Bedeutung hat ein krümmungsruckfreier Übergang bei der Trassierung? Welchen Unterschied macht er aus, sodass ein solcher Übergang notwendig wird?

Die Aufgabe mit der Skisprungschanze soll nur zur Anschauung dienen, da meiner Meinung nach für die Verbindungsfunktion Grad 3 ausreicht und somit der krümmungsruckfreie Übergang irrelevant ist. Denn, egal ob 3. Grad oder 5. Grad, die Verbindungsfunktion hat so oder so eine Linkskrümmung, und da die Anschlussfunktionen sowieso Geraden sind, mit f''(a) = 0, ist die Krümmung, wie gesagt, irrelevant.
Die erwartete Lösung zu dieser Aufgabe aber ist eine Funktion mindestens 5. Grades. Und im Rückbezug zu meinem eigentlichen Problem stellt sich mir die Frage: Warum?
mYthos Auf diesen Beitrag antworten »

Die Krümmung ist eben nicht irrelevant, das ist ein Irrtum. Die Forderung nach einem krümmungssprungfreien Übergang bringt ausser den gleichen Steigungen noch als zusätzliche Bedingungen mit sich, dass die zweite Ableitung in den Übergangsstellen zu Null wird. Mit anderen Worten, es werden die Anschlusspunkte Wendepunkte der Verbindungskurve sein.

Somit kommen zu den bereits 4 vorgegebenen Bedingungen für die Übergangsfunktion
- Punkt 1 liegt auf der Kurve
- Punkt 2 liegt auf der Kurve
- Steigung in Punkt 1 ist Steigung der Geraden 1
- Steigung in Punkt 2 ist Steigung der Geraden 2
noch die folgenden 2 Bedingungen hinzu:
- Punkt 1 ist Wendepunkt (zumindest die 2. Abl. ist dort Null)
- Punkt 2 ist Wendepunkt (zumindest die 2. Abl. ist dort Null)

Mit diesen 6 unabhängigen Aussagen kann/muss daher eine Kurve 5. Grades modelliert werden, da diese mittels 6 Parametern darstellbar ist.

mY+

Sh. dazu auch Polynomrekonstruktion
Co-Sinus Auf diesen Beitrag antworten »

Ich glaub, wir schreiben ein wenig an einander vorbei. ^^

Zitat:
Original von mYthos
[...] Die Forderung nach einem krümmungssprungfreien Übergang [...]


Wo steht denn, dass ein krümmungsruckfreier Übergang gefordert ist? Bei meinem Anschauungsbeispiel wird lediglich nach einer Funktion gefragt, welche den Übergang darstellt, und gefragt ist dann natürlich (so war es zumindest bei uns) die Funktion mit dem niedrigsten Grad.
Wenn die Aufgabe lautet, geben sie die Funktion einens krümmungsruckfreien Übergangs dar, wie es beispielsweise in dem Verweis der Fall ist, dann habe ich damit kein Problem. Wie gesagt, am Rechnerischen liegt es nicht.

Mein Problem liegt mehr im grundsätzlichen Verständnis, darin, dass ich an einer Aufgabe zur Trassierung nicht erkenne, dass ein krümmungsruckfreier Übergang gefordert ist und nicht nur ein glatter Übergang.
Also: Wann und wieso wird ein krümmungsruckfreier Übergang benötigt? Wieso genügt ein glatter Übergang nicht? Als Erklärung reicht mir nicht, dass ein Krümmungssprung verhindert werden soll, da ich nicht erkenne, welche ungewünschten Folgen ein Krümmungsprung hätte.

Auf das Anschauungsbeispiel bezogen würde meine Frage lauten: Welchen Unterschied spürt der Skifahrer nur bei dem krümmungsruckfreien Übergängen, der bei den glatten Übergängen fehlt? Ich sehe das nämlich so, dass, egal welcher der beiden Übergangsarten stattfinden, so oder so fährt der Skifahrer auf einer Funktion mit Linkskrümmung.
Ein Gedankenexperiment hierbei wäre z.B. dass der Anlauf der Schanze zunächst nicht eine Gerade ist, sondern eine Funktion mit Rechtskrümmung, die aber den selben Anschlusspunkt a und die selbe Steigung im Punkt a wie die Gerade hat. Wieso sollte dies irgendeinen Unterschied für die Übergangsfunktion bzw. das Fahrgefühl des Skifahrer haben, wenn man es bei der selben Übergangsfunktion wie vorher belässt? Es ist doch nur entscheidend, dass der Übergang glatt verläuft.
mYthos Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Co-Sinus
...
Wieso sollte dies irgendeinen Unterschied für die Übergangsfunktion bzw. das Fahrgefühl des Skifahrer haben, wenn man es bei der selben Übergangsfunktion wie vorher belässt? Es ist doch nur entscheidend, dass der Übergang glatt verläuft.

Das ist es eben offensichtlich nicht allein und es muss doch einen Unterschied geben. Dass zu einem glatten Übergang primär die gleiche Steigung erforderlich ist, ist ja ohne weitere Diskussion allen klar. Worüber noch nicht eine Aussage getroffen wurde, ist, dass auch auftretende Änderungen von Beschleunigungen und Fliehkräften möglichst sanft verlaufen sollten. Natürlich sind das physikalische Parameter, welche von der Kurvenform abhängig sind. Das ist ähnlich wie bei einer Achterbahn. Wie diese Abhängigkeit genau zu beschreiben ist, wird wohl zu den Aufgaben des Konstrukteurs der betreffenden Bahn gehören.

Im angegebenen Beispiel habe ich versucht, dir zu erklären, wie man mit den Angaben eine Kurve von minimalem Grad 5 ermitteln kann. Damit bist du nicht zufrieden bzw. auch nicht darauf eingegangen, oder es ist dir ohnehin sonnenklar.
Da dir die Berechnung keine Schwierigkeiten bereitet, ermittle doch einmal die beiden Kurven 3. bzw. 5. Ordnung, erstelle die Graphen und siehe dir dann die Unterschiede an.
Sorry, dass ich dazu nicht mehr sagen kann und will. Vielleicht kann dir ein Insider auf diesem Gebiet - welches m.E. nicht mehr zur Schulmathematik gehört - noch mehr Details verraten.

mY+
 
 
wolfram2 Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo,
bin kein Mathematiker sondern Ingenieur und beschränke mich daher auf die Bedeutung von krümmungsruckfreien Übergängen für die Technik/den Mensch.

Beispiel:
1. Du fährst auf der Straß geradeaus mit der Geschwindigkeit v.
2. Sie Straße macht eine 90 Grad -Kurve mit dem Radius r.
3. Dann fährst du wieder geradeaus.

So fühlt sich das für den Fahrer an:

1. Keine Beschleunigung Spürbar / bequeme Fahrt .

2. Beim Übergang von der Geraden auf die Kreisbahn -muss der notwendige Lenkradeinschlag innerhalb von 0,0 Sekunden erreicht werden (Stellkräfte die durch die Hände aufzubringen sind sind dabei undendlich hoch bzw. nicht erzielbar) -wirkt schlagartig eine Zintrifugalbeschleunigung a auf das Fahrzeug und die Insassen (a=v^2/r). Da die Beschleunigung plötzlich kam könnten die Insassen ihren Körper nicht darauf einstellen, sie hängen jetzt ziemlich schräg in den Gurten. Als Systemtheoretiker würde man die Form der Beschleunigung in diesem Fall mit einem Sprung von 0 auf a beschreiben. Dieser Sprung wirkt auf die Insassen, aber auch auf das Fahrzeug. Da das Fahrwerk nachgiebig ist, reagiert es auf einen solchen Sprung mit Schaukeln, das Auto wird vermutlich ausser Kontrolle geraden.

3.Beim Übergang von der Kreisbahn zur Geraden passiert das gleiche in die umgekehrte Richtung.

Aus diesem Grund verwendet man für Straßen und Schienen liebe krümmungsruckfreie Streckenführung, oft Klothoide:
siehe Wikipedia -> Klothoide

Fährt man auf einer Klothoiden, so nimmt die seitliche Beschleunigung langsam zu, erreicht einen Höhepunkt und nimmt wieder langsam ab. Insassen und Fahrzeug werden dann weniger gebeutelt.

War das in etwa die Antwort auf die Frage?
Francesco Auf diesen Beitrag antworten »

mYthos? Also, tut mir leid, aber ist bei der Trassierung nicht eine ganzrationale Funktion gesucht? Das bedeutet doch, dass die Funktion 5. Grades dann 3 Parameter beinhalte oder täusche ich mich da?

f(x) = ax^5 + bx³ + cx (+ d) -> d wird ja vernachlässigt, da man die ursprungssymmetrische Funktion ja in die Mitte setzt und somit der Ordinatenabschnitt automatisch 0 ist.

Somit wären deine 6 Aussagen ja nur 3 Bedingungen -> 3 Parameter.

Und da bei einem glatten Übergang nur 2 Bedingungen gefordert sind, nämlich f(x) = g(x) und f'(x) = g'(x), benötigt man nur eine ganzrationale Funktion 3. Grades -> f(x) = ax³ + bx ?!

Naja und an Co-Sinus... ich glaube, dir geht es doch einfach nur um die Begriffsdefinition oder? Bzw. worin unterscheidet sich der glatte Übergang vom krümmungsruckfreien Übergang? Und zwar nicht im Modell sondern im Sachverhalt. Du willst also nicht hören "ja bei krümmungsruckfreien Übergang ist auch die 2. Ableitung gleich der von g"(x) ", sondern sowas wie "Ja, der krümmungsruckfreie Übergang bietet die verbesserte Möglichkeit, einen Übergang herzustellen, bei dem ein Zug etc. nicht entgleist" oder so? Ich denke, dass es sich hierbei nicht um die Veränderung der Krümmung handelt, sondern einfach ein "noch glatterer Übergang" gemeint ist, der krümmungsruckfreier Übergang GENANNT wird, weil man bei der 2. Ableitung einfach von der Krümmung spricht.
mYthos Auf diesen Beitrag antworten »

Da täuscht du dich!
Wie kommst du denn dazu, nur die ungeradzahligen Hochzahlen zuzulassen? Die ganzrationale Funktion 5. Grades hat im Allgemeinen 6 Parameter, wenn d = 0 ist, dann immer noch 5.

mY+
Lucas Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Trassierung: Krümmungsruckfrei?
Hallo Co-Sinus,

der Sinn besteht darin, zu verhindern, dass beim Übergang von einer geraden Strecke zu einer Kurve (denke nur mal an eine Bahntrasse) Fliehkräfte entstehen , die die Fahrgäste an dieser "Nahtstelle" des Schienenstranges als mehr oder weniger starken Ruck spüren würden (bis hin zur Katastrophe!). Ich glaube jeder kennt das. Der "Ruck" wirkt senkrecht zur Tangente der Trasse und ist um so größer, je kleiner der Krümmungsradius ist (wie du aus der Formel erkennst!). Der Grund dafür ist, dass eine Gerade mit Krümmungsradius die Fliehkraft hat und dann schlagartig mit einem Kurvenstück mit endlichem Radius und demzufolge "schlagartig" zusammentreffen würde.
Um das zu vermeiden müssen Gerade und Kurvenstück an der Übergangsstelle die o. g. Bedingungen erfüllen. Das erst gewährleistet, dass es einen allmählichen Übergang vom Krümmungsradius in einen endlichen, sich stetig veränderlichen Krümmungsradius gibt. Im Bereich der Strassen- und Eisenbahntrassierung werden hierfür Kurven benutzt, die man Klothoide nennt.
(Das Gesetz: sagt dir eigentlich alles).
L. G. Lucas
mYthos Auf diesen Beitrag antworten »

Eigentlich hat das alles Wolfram2 auch schon geschrieben ...

Zudem wird dies Co-Sinus wahrscheinlich nicht interessieren, denn er dürfte über das Thema eine eigene Ansicht haben, an der auch unsere Beratung nichts ändern wird.

mY+
Packo Auf diesen Beitrag antworten »

Um eine Kreisbahn zu beschreiben, muss auf einen Körper eine Zentripetalkraft einwirken.
Diese ist proportional der Krümmung.
Wenn man also von einer Geraden direkt in eine Kreisbahn einlenkt, so muss die Zentripetalkraft plötzlich von null auf einen bestimmten Wert ansteigen. Dies nimmt man als Ruck wahr.
Eine Klothoide ist nun eine Kurve, bei der die Krümmung über eine gewisse Strecke linear zu oder abnimmt. Sie wird daher im Straßen und Eisenbahnverkehr (und sicherlich auch bei Skischanzen) eingesetzt.
rocri Auf diesen Beitrag antworten »

... hatte gerade eine ähnliche Frage wie der Thread-Eröffner und hier sehr anschauliche Beispiele gefunden, danke dafür!
Dopap Auf diesen Beitrag antworten »

@packo: du auch mal am matheboard? Zu langweilig bei den Physikern?

darf man das Ganze so zusammenfassen:
die zweite Ableitung der "Fahrbahn" sollte stetig sein.
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