Differenziale in der Physik (Nichtstandardanalysis?)

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Pavel Auf diesen Beitrag antworten »
Differenziale in der Physik (Nichtstandardanalysis?)
Hallo!
Etwas motiviert von diesem Thread und meinem monumentalen Unverständnis gegenüber den Rechnungen bei Lösungen von physikalischen Fragestellungen suche ich hier nun ein wenig Unterstützung.

Ich habe gerade das erste Semester meines Bachelor-Studiums Mathematik mit Nebenfach Physik hinter mir und muss gestehen, dass ich so einige Probleme mit dem Physikteil des Studiums habe.
Es wird sowohl in den Vorlesungen wie auch in den Übungen ständig von infinitesimalen Größen (wie z.B. dem "unendlich kleinen" Wegstück dx) geredet, plötzlich tauchen überall irgendwelche d's vor Variablen (bzw. Funktionen, da wird in der Physik scheinbar oft nicht so exakt unterschieden) auf und es wird wie selbstverständlich mit ihnen rumgerechnet, wie mit normalen reellen Zahlen.
Für einen angehenden Mathematiker, der Ana 1 gehört hat und seine Analysis schön auf der exakten Grundlage der Epsilontik aufgebaut hat, stellt sich da natürlich einfach die Frage: Was zum Teufel geht hier ab?

Da mir das mathematische Teilgebiet der Nichtstandardanalysis (NSA), welches sich mit dem exakten Aufbau einer (der auf Epsilontik aufbauenden Analysis äquivalenten) Form der Differential- und Integralrechnung mittels infinitesimaler Größen (aus der Menge der hyperreellen Zahlen) beschäftigt, schon bekannt war, habe ich am Anfang noch gelegentlich mit den Physikstudenten (wenn ich mal gefragt habe, warum man denn hier so beliebig mit solchen infinitesimalen Größen herumrechnen könne, und die Antwort erhielt, dass das halt einfach so ginge, weil man das ständig so machen würde, besonders in der Vorlesung "Rechenmethoden für Physiker") gewitzelt, dass ich nunmal keine Nichtstandardanalysis betreibe.
Was damals noch als Witz von mir gemeint war, kommt mir heute aber gar nicht mehr so witzig vor.
Kann es sein, dass die Physiker wirklich stillschweigend NSA betreiben? Am Anfang des Studiums dachte ich wohl noch unterbewusst: das kann ja gar nicht sein, denn dann müssten wir ja auch eine Vorlesung zur NSA hören, sonst wäre das ja völliger Quatsch. Demnach wartete ich natürlich auf entsprechende Definitionen und Sätze in der Analysis 1, die mir sagen, was Differentiale aus exakter mathematischer Sicht denn nun sind und warum man mit ihnen Bruchrechnung etc. betreiben kann, ohne dass etwas schiefgeht.
Tja, falsch gedacht.
Aus Sicht der "Standardanalysis" ist d/dx wohl einfach nur eine Schreibweise, bzw. der Name eines Differentialoperators (d.h. einer Abbildung, die einer Funktion ihre Ableitung zuordnet) und mehr nicht. Keine Erklärung, was denn "dx" nun eigentlich ist, geschweige denn, was man damit guten Gewissens machen kann.

Da ich einfach nicht ohne Skrupel mit irgendwelchen Dingen rumrechnen kann, von denen ich nichtmal weiß, was sie sind, habe ich natürlich versucht, im Internet ein paar Erläuterungen zu finden und zumindest herauszufinden, wie ich mit den "d-Größen" rechnen kann. Obwohl es auch hier im Board einige wenige Threads dazu gibt, sind diese auch recht alt und waren irgendwie unbefriedigend. In einem der Threads fiel aber auch der Begriff der NSA.

Nun erinnerte ich mich, dass ich doch irgendwo noch ein Buch über NSA rumliegen hatte Augenzwinkern und schaute mal nach.
"Lectures on the Hyperreals, An Introduction to Nonstandard Analysis" von Robert Goldblatt ist das Buch und ich skippte ein wenig durch die Kapitel. Sofort merkte ich, dass hier stets von infinitesimalen Größen die Rede ist, alles schön exakt definiert und bewiesen wird, und im Kapitel über Differenziation fand ich dann auch eine exakte Definition des Differentials df einer Funktion f. Dass dort dann durch eine infinitesimale Größe geteilt wird, ist eben auch gerechtfertigt, weil beim Aufbau der hyperreellen Zahlen auch eine Division durch infinitesimale Größen definiert wurde. Alles erscheint plötzlich logisch und sinnvoll.

Somit sieht für mich ein Verständnis der NSA unweigerlich notwendig für ein Verständnis der Physik aus, und dies würde all meine Probleme lösen.
Leider erscheint mir die Konstruktion der Menge der hyperreellen Zahlen alles andere als leicht verständlich und wäre daher ein sehr großer Aufwand.
Ich stelle mir natürlich auch die Frage: Warum können die ganzen Physiker und Physikstudenten NSA betreiben, ohne zu wissen, dass sie es tun? Warum geht da nichts in die Hose und warum kann ich das nicht?

Hat vielleicht jemand von euch ein paar Anmerkungen, Links oder Buchempfehlungen auf Lager, die mir helfen könnten, zu verstehen, wie ich praktisch mit den Differentialen rechnen kann, welche Umformungen erlaubt sind, wann ich Differentiale kürzen, erweitern, integrieren kann etc.?
Es gibt ja sicher noch andere Physiker und Mathematiker hier, die vor demselben Problem standen wie ich, daher freue ich mich sehr auf eure Antworten!

Gruß,
Pavel
MokLok Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Differenziale in der Physik (Nichtstandardanalysis?)
hallo,

"Hat vielleicht jemand von euch ein paar Anmerkungen, Links oder Buchempfehlungen auf Lager, die mir helfen könnten, zu verstehen, wie ich praktisch mit den Differentialen rechnen kann, welche Umformungen erlaubt sind, wann ich Differentiale kürzen, erweitern, integrieren kann etc.?"

also ich hab auch nur eine unbefriegende antwort fuer dich... um wirklich zu verstehen, wie man mit den differentialen rechnet, musst du wohl oder übel die nicht standardanalysis verstehen. ich hab das auch angefangen, aber auch recht schnell aufgegeben, weil man da doch ein wenig mehr hirnschmalz reinstecken muss. und die belohnung fuer den hirnschmalz ist, dass man alles so machen kann, wie vorher... man sieht also ein, dass man die variablen mit einem d davor genauso behandeln kann wie jede andere variable auch...

das problem ist, dass die idee der infinitesimalen zahlen bereits zu newtons und leibniz zeiten hatte. zwar hat diese intuitiv einsichtige vorgehensweise sehr gut "funktioniert", aber hat man sehr lange dafuer gebraucht, um das auch formal richtig festzuhalten. erst in den 1960'er hat man es mit der nicht standardanalysis geschafft, das ganze mathematisch sauber zu unterbauen. dieses wissen setzt sich irgendwie nicht durch, weil keiner lust hat alles "neu" zu lernen, nur um dieselben ergebnisse erzielen zu koennen wie vorher... ich glaub, es brauch noch eine wichtige mathematische theorie, die sich nur mit dieser neuen analysis aufbauen laesst, so dass alle gezwungen sind, diese neue art der rechnung lernen zu muessen...

aber mehr dazu vielleicht hier

http://www.onlinemathe.de/forum/Schreibweise-Integral


lg
gonnabphd Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Ich stelle mir natürlich auch die Frage: Warum können die ganzen Physiker und Physikstudenten NSA betreiben, ohne zu wissen, dass sie es tun? Warum geht da nichts in die Hose und warum kann ich das nicht?


Ja, ja, die lieben Physiker...

Wie sie das können? Sie können's nicht - tun es aber einfach. So einfach ist das. Ich denke, das könnte etwas damit zu tun haben, dass sie Experimente haben, welche ihnen sagen, was richtig und was falsch ist. D.h. wenn's mal mathematisch in die Hose geht, dann merken sie das, weil am Ende etwas - physikalisch gesehen - unsinniges rauskommt.

Andererseits habe ich auch gemerkt, dass man häufig die fraglichen Physikerargumente in Beweise verwandeln könnte, die auch einen Mathematiker zufriedenstellen würden (z.B. kann man manchmal die infinitesimalen ersetzen durch endlich grosse und erst am Schluss dann den Grenzübergang vollziehen. Damit kann man das unschöne Teilen von infinitesimalen Zahlen und Multiplizieren etc. umgehen; Weshalb sie diese Dinge nicht einfach anständig behandeln, statt dieser schlampigen Rumrechnerei - sogar in den Fällen wo beide Möglichkeiten gleich aufwändig sind - bleibt mir ein Rätsel. Ich vermute jedoch, dass sie's schlichtweg nicht können/vielleicht sogar den Unterschied nicht wirklich sehen).

Ich denke nicht, dass es sich wirklich lohnt NSA zu lernen, nur wegen der Physik...
tmo Auf diesen Beitrag antworten »

Ich habe auch Physik als Nebenfach (was ich mittlerweile bereue, aber nungut, da muss man jetzt durch) und habe mir schon ähnliches gedacht.

Mein Motto: Alles, was am Ende zielführend ist, darf man in der Physik machen.

Ich erinnere mich noch an eine Aufgabe, bei der man (ohne, dass irgendwo das Wort lineare Approximation aufgetaucht wäre) die Näherung benutzen musste. Und das auch noch obwohl es keinerlei Grund zur Annahme gab, dass das Argument in der Exponentialfunktion denn wirklich "klein" sei (In der Tat hing das Argument propotional von der Zeit ab, d.h. man muss nur lange genug warten, dann wird die Näherung immer sinnloser Big Laugh ). Aber es hat zum gewünschten Ergebnis geführt, also macht man es einfach mal...
jester. Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von tmo
Ich habe auch Physik als Nebenfach (was ich mittlerweile bereue, aber nungut, da muss man jetzt durch)


Geht mir genauso. Theoretische Physik, die ja angeblich mathematischer sein soll, setzt dem Ganzen dann noch die Krone auf. Die Sätze von Gauß und Stokes werden dort verwendet, ohne auch nur einen Gedanken an dieVoraussetzungen zu verschwenden. Stokes wird auch gerne auf unbeschränkte Mengen angewandt, diese sind dann "im Unendlichen berandet"...
Das mit den Tensoren ist auch so eine tolle Sache, denn wie ich in Theoretischer Physik II lernen durfte ist ein Tensor das, was sich wie ein Tensor transformiert. Auf die Frage, wie man denn einen Tensor mit Hilfe eines Tensors definieren könne, gab es nur ein lapidares "Das ist die Definition" zurück. verwirrt
Mein persönliches Highlight war der Versuch, -Matrizen mit -Vektoren zu multiplizieren. Auf die Frage, wie das denn gehe, antwortete der Professor: "Einfach so, indem ich es hinschreibe." Eine erneute Nachfrage brachte dann noch den Kommentar "Die Physiker machen das seit 80 Jahren so" (es ging um Quantenmechanik). Die vergleichsweise einfache Interpretation des fraglichen Ausdrucks als Linearkombination im Schiefvektorraum über den Hamilton-Quaternionen musste von einem der anwesenden Mathematiker gefunden werden. Interessiert hat sie aber auch nur die anwesenden Mathematiker...

Jedenfalls verfluche ich den Tag, an dem ich Physik als Nebenfach gewählt habe. Big Laugh
Dummy-Cool Auf diesen Beitrag antworten »

Was ihr hier so über Physik schreibt, gibt mir ein mulmiges Gefühl. Ich studiere zur Zeit Mathematik. Im dritten Semester müssen wir unsere Nebenfächer wählen. Da wollte ich natürlich gerne Physik wählen, weil es mich neben Mathe richtig faszniert hat.
Aber was ihr über Physik redet, da will man als Mathematiker gar nicht mehr zuhören. Ohne Sinn und Verstand rechnen und das Ergebnis zurechtbiegen wie man es will.
Dann weiß ich gar nicht, ob ich dieses Fach noch nehmen möchte, da man in der Mathematik alles streng und exakt nimmt.

Welches ähnliches Fach sollte ich denn nehmen? Informatik fällt weg.
 
 
jester. Auf diesen Beitrag antworten »

Warum fällt Informatik weg? Im Nachhinein hätte ich das auch gerne genommen. Ist zwar auch nicht der echte Kracher, nach dem was man hier so hört, aber definitiv besser als Physik.

Ich bin zwar sowieso kein Fan des Nebenfachs (Ich frage mich immer, was der Sinn des Nebenfachs ist. Und nein, nicht der angestrebte Sinn, dass man mal über den Tellerrand schaut, sondern der tatsächliche Sinn und Nutzen - vor Allem im Master. Dort sollte man sich m.E. eher mit sinnvollen Mathematikveranstaltungen beschäftigen.) aber Physik finde ich inzwischen als Nebenfach für Mathematiker wirklich ungeeignet. Im Studium bekommt man vom ersten Tag an beigebracht, jeden Rechen- und Umformungsschritt zu überdenken, zu hinterfragen und zu begründen. Und dann soll man im Nebenfach, wohlgemerkt ein offizieller Teil des Studiengangs, genau das Gegneteil tun. Man ist sogar richtiggehend aufgeschmissen, wenn man nur versucht, die Rechnungen aus der Physik zu begründen, weil entweder das Fachwissen oder schlicht die Zeit dafür nicht vorhanden sind.
Dummy-Cool Auf diesen Beitrag antworten »

Ich muss in den ersten beiden Semestern Algorithmische Mathematik belegen, dazu gehört auch das Programmieren in C.
Nun das Programmieren unter Zeitdruck macht mir keinen Spaß.
Ich habe vor dem Studium nie programmiert und musste mir das Programmieren während des Studiums selber aneignen und das verlangt viel Zeit. Es ist machbar und macht auch Spaß, wenn man viel Zeit hat. Hat man aber im Studium nicht, deshalb fällt Informatik auch bei mir weg.
Da jetzt Physik auch nicht so der "Burner" ist, weiß ich gerade gar nicht, was ich als Nebenfach nehmen soll. Sowas wie Psychologie oder Philosophie kommen nicht infrage.
Equester Auf diesen Beitrag antworten »

Darf ich mich als Physiker jetzt eigentlich beleidigt fühlen, was man hier im Thread so liest verwirrt .


Physiker beschränken sich halt auf das Wesentliche und damit Wichtige. Würden sich diese
auch noch um die mathematische Seite kümmern, wären die Mathematiker bald arbeitslos... .

Im Übrigen darf man Physiker nicht in einen Topf schmeißen. Abgesehen von Taylorn sind
wir in der theoretischen Physik sehr exakt!

@Dummy-Cool: Ob man sich Physik als Nebenfach zulegen sollte oder nicht, ist meiner
Ansicht nach einfach zu klären: Machts einen Spaß, sollte man es tun. Ist das nicht
der Fall, dann die Finger von lassen. Physik gehört gewiss nicht zu den einfachsten
Fächern die man sich wählen kann.
tmo Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Equester
Darf ich mich als Physiker jetzt eigentlich beleidigt fühlen, was man hier im Thread so liest verwirrt .


Nein. Wir wollten ja nicht sagen, dass Physiker blöd seien.

Sondern eher ausdrücken, dass Mathematikern der Zugang zur Physik doch nicht so leicht fällt, wie man glauben mag. Und Gründe dafür suchen. Und einer liegt sicher in dieser "Ungenauigkeit" (die ich zumindest auf dem Niveau beim Grundstudium immer wieder antreffe).
pseudo-nym Auf diesen Beitrag antworten »

@Dummy-Cool:

Ich hatte Informatik als Nebenfach und musste nur einmal etwa im Studium programmieren, nämlich in den Programmierungsvorlesungen der Mathematiker.
Dummy-Cool Auf diesen Beitrag antworten »

@pseudo-nym

Ich bezweifel, dass wir in einem Monat nur ein Mal programmieren müssen.
Also in algorithmischer Mathematik müssen wir jede Woche programmieren und das wird auf Dauer stressig, wenn man nur Anfänger in seiner Gruppe hat. Deshalb werde ich mir zum 2.Semester eine neue Gruppe suchen.
Aufgrunddessen werde ich sicherlich nicht Informatik nehmen, auch wenn spaßig ist.
Louis1991 Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Dummy-Cool
Ich muss in den ersten beiden Semestern Algorithmische Mathematik belegen, dazu gehört auch das Programmieren in C.
Nun das Programmieren unter Zeitdruck macht mir keinen Spaß.
Ich habe vor dem Studium nie programmiert und musste mir das Programmieren während des Studiums selber aneignen und das verlangt viel Zeit. Es ist machbar und macht auch Spaß, wenn man viel Zeit hat. Hat man aber im Studium nicht, deshalb fällt Informatik auch bei mir weg.
Da jetzt Physik auch nicht so der "Burner" ist, weiß ich gerade gar nicht, was ich als Nebenfach nehmen soll. Sowas wie Psychologie oder Philosophie kommen nicht infrage.


Sorry für off-topic: du scheinst ja auch mit mir in Bonn zu studieren (jedenfalls wüsste ich nicht, dass andere Unis in Deutschland AlMa in Sem 1+2 verlangen):

VWL hat einen sehr guten Ruf bei uns und soll auch (verglichen mit anderen Städten in Deutschland) sehr mathematisch geprägt sein. Das werde ich vermutlich als Nebenfach hören. Augenzwinkern

lg
MI Auf diesen Beitrag antworten »

Ja ja, die theoretische Physik...

Zitat:
Original von Pavel
Ich stelle mir natürlich auch die Frage: Warum können die ganzen Physiker und Physikstudenten NSA betreiben, ohne zu wissen, dass sie es tun? Warum geht da nichts in die Hose und warum kann ich das nicht?


Es gibt meiner Meinung nach zwei Hinweise, die von beiden Seiten (Mathematik <-> Physik) beleuchten, was Sache ist:

Zitat:
Orininal von gonnabephd
Wie sie das können? Sie können's nicht - tun es aber einfach. So einfach ist das. Ich denke, das könnte etwas damit zu tun haben, dass sie Experimente haben, welche ihnen sagen, was richtig und was falsch ist. D.h. wenn's mal mathematisch in die Hose geht, dann merken sie das, weil am Ende etwas - physikalisch gesehen - unsinniges rauskommt.


Zitat:
Original von Equester
Physiker beschränken sich halt auf das Wesentliche und damit Wichtige. Würden sich diese
auch noch um die mathematische Seite kümmern, wären die Mathematiker bald arbeitslos...

Nein, dann wären sie Mathematiker.

Der Punkt ist: Man kann alles mathematisch machen - dann betreibt man mathematische Physik (d.h.: Mathematik). Warum tut man's also nicht? Weil der Physiker das nicht kann - und er kann es auch nicht können und im Sinne von oben: Da er ein Experiment hat muss er es auch nicht zwangsläufig können.

Der Punkt ist einfach, dass mathematische Physik so verdammt schwierig ist und meistens doch rauskommt, dass man alles so machen, als ob es keine Unendlichkeiten gäbe (ich kann für die Schwierigkeit gerne ein längeres Beispiel geben, wenn's jemanden interessiert). Es gibt also zwei Möglichkeiten: Entweder, man macht alles exakt - dann braucht man ewig und viele interessante Dinge sind einfach nicht möglich (mathematisch exakt kann man einiges an Annahmen noch gar nicht begründen und z.B. das Standardmodell ist einfach noch nicht in eine mathematisch einwandfreie Theorie gefasst) - oder man macht alles ein bisschen Wischi-Waschi und kommt schneller voran, mit dem Problem, dass man manchmal halt Unsinn rechnet.
Was wäre denn die Alternative? Wenn man auf alle Stellen hinweist, wo es Probleme geben könnte, dann beginnt der Physiker an jeder Stelle zu fragen, ob das denn jetzt überhaupt gerechtfertigt ist - und das führt dazu, dass er immer weniger rechnet und immer langsamer vorankommt (ich kann das auch aus Erfahrung bestätigen Augenzwinkern ). Wenn man zum Beispiel gar nicht weiß, dass man Summationen nicht so einfach vertauschen darf, dann macht man sich halt auch keine Gedanken drüber.
Wenn ich also jetzt an jeder Stelle die Sätze zitiere, die mir erklären, warum ich als Physiker so rechnen darf, wie ich es tue, dann bin ich Stunden damit beschäftigt, nur Sätze an die Tafel zu schreiben - und wenn ich zumindest motivieren will, warum einiges davon gilt, dann bin ich weitere Stunden beschäftigt, weitere Sätze anzuschreiben - und wenn ich beweisen will, dann bin ich Jahre beschäftigt.

Vielleicht ein paar Tipps zum Rechnen als Physiker:
- Grundidee ist, dass fast alles so funktioniert, wie im endlichen/beschränkten. Mit Differentialen rechne ich also so, wie mit Zahlen, mit unbeschränkten Operatoren so wie mit endlichen Matrizen, Funktionen und Distributionen werden ziemlich ähnlich behandelt, etc.
- Definitionsbereiche sind fast immer irrelevant und Voraussetzungen, die meistens stimmen, d.h. meistens stimmen, wenn die Funktionen/Mannigfaltigkeiten/Ränder beliebig glatt sind, etc., werden nicht aufgeführt. Im Notfall kann man ja noch ein "hinreichend harmlos" hinzufügen.
- Wenn ein Term am Schluss zu kompliziert ist - Taylorentwickeln.

Natürlich kann man da auch besser oder schlechter rechnen. Zum Beispiel sollte eine Größe, in der ich Taylorentwickle, schon klein - und vor allen Dingen dimensionslos - sein. Die "guten Physiker" halten sich auch daran, aber das spricht sich halt nicht zu allen rum.

Gruß
MI
Abakus Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Differenziale in der Physik (Nichtstandardanalysis?)
Zitat:
Original von Pavel
Es wird sowohl in den Vorlesungen wie auch in den Übungen ständig von infinitesimalen Größen (wie z.B. dem "unendlich kleinen" Wegstück dx) geredet, plötzlich tauchen überall irgendwelche d's vor Variablen (bzw. Funktionen, da wird in der Physik scheinbar oft nicht so exakt unterschieden) auf und es wird wie selbstverständlich mit ihnen rumgerechnet, wie mit normalen reellen Zahlen.
Für einen angehenden Mathematiker, der Ana 1 gehört hat und seine Analysis schön auf der exakten Grundlage der Epsilontik aufgebaut hat, stellt sich da natürlich einfach die Frage: Was zum Teufel geht hier ab?


Mit NSA wirst du aus meiner Sicht nicht viel weiter kommen. Was Differentiale sind, erfährst du im dritten Semester in Analysis III mit etwas Glück.

Und mit Differentialen kann gerechnet werden, wieso denn nicht. Du musst nur genau auf die anzuwendenden Regeln gucken. Die Vorstellung von unendlich kleinen Größen stammt oft aus der Schule und ist so eher falsch.

Abakus smile
JonnyMaddox Auf diesen Beitrag antworten »

Also es ist vielleicht etwas banal, aber die Physik ist ja keine rein axiomatische Wissenschaft wie die Mathematik. Und ich denk einfach das die Natur eben macht was sie will, ob es uns gefällt oder nicht, und wir müssen das beste draus machen. Bei Physik geht es auch nicht hauptsächlich um Mathematik, also man versucht nicht durch Physik die Mathematik voranzubringen, sondern man guckt erstmal was die Natur macht, die Physik erforscht die Natur ! Hier verwechseln vielleicht einige etwas. Aber aus so einem Grund nicht mehr Physik studieren zu wollen nur weil es nicht exakt ist, dann hat man wohl schon von vorneherein ein falsches Bild von der Physik hm.... ich kanns ich nicht nachvollziehen.

Gruß
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