Studium, Zweifel, Ängste

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zweifler Auf diesen Beitrag antworten »
Studium, Zweifel, Ängste
Guten Abend liebe Leute!

Ich habe im Internet viele Beiträge von verzweifelten (Mathe-)Studenten gelesen, die keinen Sinn in ihrem Studium sehen, überfordert sind etc.. Dennoch möchte ich einmal meine Situation schildern und einfach mal die Meinungen, Erfahrungen oder Vorschläge von euch lesen.

Also... ich studiere Mathematik und befinde mich am Ende des 5-ten Semesters. Zu dem Studium habe ich mich damals innerhalb von 2 Tagen kurz vor Ende der Bewerbungsfrist spontan entschieden, weil die Schulzeit so schnell vorbei war, und ich nicht wusste was ich danach machen sollte. Ich wollte, dass es erstmal so "ähnlich" weitergeht, um großen Veränderungen aus dem Weg zu gehen. Die Wahl auf das Fach Mathematik fiel einfach dadurch, dass es in der Schule mein bestes Fach war (war darin trotzdem kein Überflieger, Noten im 3er-Bereich) und ich sowieso kein Fach studieren könnte, dass eine Zulassungsbeschränkung hat, da meine Abiturnote grauenvoll war.

In den ersten beiden Semestern habe ich mich sehr angestrengt, einfach aus Angst zu scheitern und mein Umfeld zu enttäuschen. Ich habe sogar zu den Allerbesten gehört (Noten fast durchweg im 1.0 Bereich). Dabei hat mir Mathematik nicht wirklich Spaß gemacht, besonderes Interesse hatte ich eigentlich gar nicht. Ich empfand und empfinde es eher als anstrengend, besonders wenn es ins Detail geht. Für eine Prüfung lernte ich einfach alles auswendig, und "kotzte" es dann aus. Viel hängen blieb da nicht.

Da ich in den ersten beiden Semestern alles hinbekommen habe, habe ich natürlich weiter studiert. Man hörte vermehrt, dass alle die das erste Jahr schaffen, auch den Rest des Studiums zu schaffen. Die folgenden Vorlesungen im 3-ten und 4-ten Semester gingen natürlich tiefer auf bestimmte Teilgebiete der Mathematik ein. Ich fand immer weniger Gefallen daran. Je tiefer es ging, desto weniger habe ich Lust dazu gehabt. Dabei rutschten meine Noten zunächst in den 2er-Bereich, danach in den 3er-bereich runter. Meine einzige Motivation war die Angst zu scheitern. Nur dadurch bin ich weiter gekommen.

Trotzdem bin ich immer mehr und mehr ausgelaugt durch das Studium. Ich habe das Gefühl dass jedes neue Semester belastender wird als das vorherige. Ich habe einfach gar keinen Spaß daran! Meine Familie und Freunde erwarten aber den Erfolg von mir, nur deswegen bin ich noch dabei. Außerdem ist jetzt noch der Faktor der verlorenen Zeit dabei, man will ja nicht einfach so 2,5 Jahre seines Lebens vergeudet haben.

Ich bräuchte noch mindestens 2 weitere Semester, um das Bachelor-Studium zu Ende zu führen. Mein Notendurchschnitt wird von Semester zu Semester schlechter. Einen Master will ich sicher nicht machen (Zulassung könnte auch zum Problem werden, die Noten der ersten Semester zählen da nur wenig). Ein Berufswunsch habe ich auch nicht. Eigentlich habe ich gar keine Ahnung was ich wirklich erreichen möchte. Jedenfalls macht mir die ewige Lernerei von immer komplizierter werdender Mathematik keinen Spaß.

Im Moment plane ich das (Bachelor-)Studium trotzdem durchzuziehen, egal wie die Noten werden, einfach um einen Abschluss zu haben. Schulden wegen BAföG-Beanspruchung führen auch noch dazu, dass ich mein Studium jetzt besser nicht schmeißen sollte, auch wenn die Erleichterung im ersten Moment groß wäre.

Normalerweise hört und liest man oft, dass manche Mathestudenten zu Beginn eher schlecht sind und dann in den folgenden Jahren nach und nach besser werden. Bei mir ist es nun genau umgekehrt, daher habe ich diesen Beitrag überhaupt verfasst. Wie bereits vielleicht deutlich wurde, möchte ich der Mathematik so bald wie möglich den Rücken kehren (jedenfalls dem theoretischen Teil, eine Arbeit die gewissermaßen Mathematik verwendet könnte ich mir vorstellen, da ich ja durchaus ein gewisses Maß an Verständnis mitbringe).

Nun, ich habe mich jetzt genug hier ausgeheult... ich weiß ehrlich gesagt gar nicht welche Antworten ich jetzt erwarten soll. Vielleicht kann mich jemand überraschen?

Jedenfalls danke für's Lesen!
Iridium Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Studium, Zweifel, Ängste
Hi,

Du hast das Entscheidende schon selbst geschrieben...

Zitat:
Original von zweifler
Dabei hat mir Mathematik nicht wirklich Spaß gemacht, besonderes Interesse hatte ich eigentlich gar nicht.


...und ziehst daraus auch die meiner Meinung nach notwendige Konsequenz, zumindest gedanklich hast Du Dein Studium schon geschmissen, selbst wenn man nachvollziehen kann, daß Du noch den Bachelor anstrebst, um einen Abschluß zu haben.

Persönlich halte ich Interesse am Fach (oder zumindest bestimmten Gebieten davon) für die einzige Vorraussetzung, die wirklich unabdingbar für ein Studium ist. Fehlendes Wissen kann man irgendwie nachholen, ausgleichen, überbrücken...fehlendes Interesse und damit fehlende Begeisterung (nicht dauernd, aber punktuell, was einen für viele schwierige Phasen entschädigt)...das ist kaum zu machen, finde ich.

Einschränkend kann man sagen, daß es tatsächlich oft so ist, daß gerade die ersten Semester schwierig sind. Die Grundlagen sind oft wirklich sehr dröge und oft auch nicht das, was einen am Fach begeistert. Manches versteht man auch erst im Rückblick nach einigen Jahren. Es ist sicher auch nicht falsch, daß, wer diese erste Hürde erfolgreich meistert, dann später gute Aussichten darauf hat, es bis zum Berufsabschluß durchzuziehen. Man hat sich irgendwann auch mal an Dinge gewöhnt und wie oben schon erwähnt, wird das Fachliche mit der Zeit auch oft interessanter, weil tiefgründiger, weil aktueller, weil näher am Gipfel des Wissens oder (wem das wichtig ist) näher an der Praxis.

Aber, da sich bei Dir das Interesse auch mit der Zeit nicht einstellen mag, würde ich Dir zustimmen, daß es doch nicht das richtige Studienfach für Dich ist, zumal Du schreibst...

Zitat:
Original von zweifler
Ein Berufswunsch habe ich auch nicht. Eigentlich habe ich gar keine Ahnung was ich wirklich erreichen möchte.


...was nochmal eine tiefere Stufe des Problems ist.

Was kann man jetzt machen?

Die Selbsterkenntnis ist ja schon mal gut. Du denkst offenbar sehr viel darüber nach und bist Dir über vieles schon klar geworden. Das ist absolut wesentlich. Es gibt so viele Leute, die noch viel planloser an den Unis herumlaufen und noch nicht einmal diesen ersten Schritt schaffen, überhaupt zu bemerken, daß es ihnen keinen Spaß macht!

Daß Du Mathematik am Ende Deiner Schulzeit mal gewählt hast, obwohl Du von den Noten "nur" im 3er-Bereich lagst (Leistungskurs?) mag man rückblickend als Fehlentscheidung interpretieren, aber sich dem tatsächlich zu stellen, halte ich schon für ganz schön mutig. Auch das ist eine gute Voraussetzung, sein Leben zu ändern!

Was heißt das konkret? Ich schreibe nur mal, was ich denke...

1) Aus dem ersten Impuls heraus, hätte ich gesagt, such Dir sofort etwas, das Dir mehr Spaß macht. Es hat wenig Sinn, Dinge fortzusetzen, die einen so belasten und auf Dauer runterziehen und bei denen so wenig Perspektive erkennbar ist.

2) Ich verstehe aber auch, daß Du bis zum Bachelor durchhalten willst, weil Du schon fast Dreiviertel des Weges gegangen bist. Aber dann wäre es wichtig, sich nicht einfach mit der Gesamtsituation zu arrangieren, sondern im Rahmen der Möglichkeiten vielleicht dann doch auf die Dinge zu fokussieren, die noch am meisten Spaß und Aussicht auf Erfolg bringen. Ich hab keine Ahnung, ob das vom Studienplan her bei Dir möglich ist? Wenn ja, würde das bedeuten, daß man Module etc. die man absehbar nicht mag, vermeidet und andere, bei denen man sich etwas mehr begeistern kann, belegt. Evtl. sogar mit Blick auf die Zeit danach und was man davon noch sinnvoll weiter nutzen kann.

3)
Zitat:
Original von zweifler
In den ersten beiden Semestern habe ich mich sehr angestrengt, einfach aus Angst zu scheitern und mein Umfeld zu enttäuschen. [...] Meine Familie und Freunde erwarten aber den Erfolg von mir, nur deswegen bin ich noch dabei.


Hör damit auf! Es ist absolut verständlich, daß man niemanden enttäuschen will, aber die Leute für die Du das tust, kennen Deine Situation nicht wirklich. Sie können es nicht nachvollziehen, wenn Du Schwierigkeiten hast und übrigens auch genausowenig Deinen Erfolg. Wer es selber nicht erlebt, hat keinen blassen Schimmer, was in einem Studium abläuft. Und insofern kann man da die Erwartungen der Außenstehenden nicht zu seinem absoluten Maßstab machen. Im Hinterkopf haben, ok, aber nicht als Anreiz für den eigenen Erfolg oder Strafe, wenn es nicht klappt. Das ist DEIN Leben und DEIN Studium. Niemand, außer Dir selbst, hat das Recht, irgendetwas von Dir zu "erwarten". Ein Studium ist auch nicht einfach nur eine "Ausbildung" mit der Garantie, daß man nach drei oder soundsoviel Jahren einen Zettel bekommt, auf dem der Abschluß steht. Es wird zwar heute der Eindruck erweckt, man könne so planvoll studieren, aber ein Studium ist so nicht, auch kein Bachelor-Studium. Da geht es noch um ganz andere Dinge der Persönlichkeits- und Charakterentwicklung.

4)
Zitat:
Original von zweifler
Je tiefer es ging, desto weniger habe ich Lust dazu gehabt.


Ein Argument mehr, den Ausstieg zu suchen.

5)
Zitat:
Original von zweifler
Meine einzige Motivation war die Angst zu scheitern. [...] Trotzdem bin ich immer mehr und mehr ausgelaugt durch das Studium. [...] Ich habe einfach gar keinen Spaß daran!


Und noch eins mehr, und noch eins, und noch eins. Was nur zeigt, daß Du alle paar Sätze zum selben Schluß zurückkommst...und diesen relativ definiert formulierst...in den Abschnitten dazwischen aber wieder Gründe suchst, Dir das selber nicht ganz einzugestehen.

6)
Zitat:
Original von zweifler
Ein Berufswunsch habe ich auch nicht. Eigentlich habe ich gar keine Ahnung was ich wirklich erreichen möchte.


Nochmal dieses Zitat von Dir. Das scheint mir das Grundproblem zu sein. Leider auch das, wozu man als Außenstehender außer guten (und meist unzutreffenden) Ratschlägen kaum etwas zu sagen kann.

Einfach und falsch gesagt, "mußt" Du Dir darüber klarwerden. Aber wie? Nachdenken und Zweifeln ist gut, die Meinung von Anderen einholen auch nicht schlecht...aber im Zweifel führt es trotzdem zu nicht mehr Klarheit. Übrigens kann so eine Phase der Sinnfragen auch nach erfolgreichem Studium noch auftreten ;-)...und auch dann unbeantwortet bleiben, leider.

Allgemein bin ich für Idealismus in dieser Sache. Freunde, Eltern, Meinungen anderer, Geld etc. sind alle wichtig, aber nicht entscheidend. Selbst Geld nicht. Ist vermutlich das Dümmste, was man machen kann, im Sinne von Lebensglück, nur das zu tun, was Geld verspricht.

Ich würde an Deiner Stelle versuchen, herauszufinden, was Dir Spaß macht? Welche Tätigkeiten das sind? Welche Fähigkeiten Du speziell hast, die andere so nicht haben und die dabei eine Rolle spielen. Welche Situationen gibt es z.B., in denen Du die Zeit und die Welt um Dich herum vergessen kannst? Hast Du Momente, wo Du "im Flow" bist...d.h. in eine Tätigkeit vertieft (kann auch Denken o.ä. sein, muß nicht direkt was praktisches sein) und in diesem Moment mit Dir und der Welt zufrieden...ohne Druck von außen...ohne größere Anstrengung, aber trotzdem voll konzentriert und aufmerksam und fokussiert? Oder gibt es andere Dinge, von denen Außenstehende schon mal gesagt haben, daß sie denken, daß Du die gut kannst? Wie gesagt, man sollte nicht zu sehr auf Erwartungshaltungen reagieren, aber ab und zu gibt einem das Umfeld wie nebenbei ganz gute Hinweise. Die meisten davon registriert man aber nicht...weil man oft selber denkt, daß etwas, was man besonders gut kann, gar nichts Besonderes ist. Man ist ja selber daran gewöhnt, das zu können. Das kann alles mögliche sein...sicheres Auftreten vor Publikum, die Fähigkeit auf Menschen zu- bzw. einzugehen, alle Komponenten einer Persönlichkeit...körperlich, geistig. Evtl. kann man sich auch fragen, ob man etwas an Anderen bewundert, ob man das selbst gern können würde, ob man es vielleicht kann (und ausbauen kann), oder ob man es bewundert, weil man selbst bei sich ein Defizit genau in dem Bereich feststellt? Man kann ja auch z.B. Mathematik studieren wollen, weil man Mathematiker bewundert, aber wenn man sie bewundert, weil die etwas können, womit man selbst Probleme hat, und das nicht realisiert, dann führt eine diese Bewunderung vermutlich in weitere Probleme.

Tja...ob das hilft? Es gibt auf diesem Selbstfindungs"markt" noch jede Menge andere Dinge, irgendwelche Seminare etc., die vielleicht sogar manchem helfen. Aber letztendlich sind das auch nur Denkanstösse. Das Eigentliche kommt aus einem selbst, denke ich, eigentlich immer nur aus einem selbst. Das braucht Zeit...Ruhe zum Nachdenken...Freiräume...ohne Druck von außen...auch ohne den Druck, eine Fassade aufrecht erhalten zu müssen...eine Stimmung, die einem auch erlaubt, sehr diffuse, unterschwellige, kaum herausgebildete oder festzuhaltende Gefühle wahrzunehmen (das, was man vielleicht mit "Bauchgefühl" beschreibt, alternativ und vielleicht wichtiger als alle Vernunftabwägungen). Was bringt es schon, wenn man den "falschen", weil nicht aus derselben Erfahrung fundierten, "Erwartungen" anderer folgt? Ganz extrem formuliert, teilt kein einziger Mensch DEINE Erfahrungen...kann deshalb auch im Grunde keinen Einfluß auf DEINE Entscheidungen haben. Das ist vielleicht ein Fazit...:-)...

Auf jeden Fall, viel Glück für Dich...;-)

Grüße
Abakus Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Studium, Zweifel, Ängste
Zitat:
Original von zweifler
Eigentlich habe ich gar keine Ahnung was ich wirklich erreichen möchte.


Wer keine Ziele hat, kann auch nirgendwo ankommen. Eine andere Parallele ist "The Wizard of Oz", bei dem Dorothy und Toto alles mögliche tun, nur um am Ende den Wizard zu finden, und zu erkennen, dass er ihnen eigentlich nicht helfen kann.

Vielleicht helfen ja 2 Wochen Urlaub irgendwo in der Welt.

Abakus smile
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