Was heißt "bis auf Isomorphie gleich"?

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Midna Auf diesen Beitrag antworten »
Was heißt "bis auf Isomorphie gleich"?
Hallo,

wenn zwei Gruppen einander isomorph sind, dann steht in einem Lehrbuch, dass sie "bis auf Isomorphie" gleich sind. Warum man sie als "gleich" ansehen könnte, verstehe ich ja aufgrund der Bijektion zwischen den Gruppen, aber was meint man mit dem Ausdruck "bis auf Isomorphie gleich"? Ich verstehe das Deutsch dahinter nicht so.
Bernhard1 Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Midna
bis auf Isomorphie" gleich

Hallo Midna,

Isomorphie bedeutet übersetzt "die gleiche Gestalt besitzend". Man kann also die eine Gruppe (EDIT: veranschaulichend) in die Andere verformen und umgekehrt.

Verschiedene Darstellungen einer Gruppe verdeutlichen das. Wenn man die Elemente zweier Gruppen vergleicht, können die Elemente völlig verschieden aussehen. Trotzdem gibt es eine eineindeutige Beziehung zwischen diesen Elementen.

Es gibt da interessante Beispiele aus der Physik, wie z.B. die SO(3,1) und die SL(2,C). Man nennt das in diesem Fall dann die Lorentz- und die Spinordarstellung eines Teiles der Lorentz-Gruppe.
Midna Auf diesen Beitrag antworten »

Danke sehr, Bernhard1! Auch für die Beispiele aus der Physik, die für mich als Physikstudenten bestimmt auch von Interesse sein werden.
Stephan Kulla Auf diesen Beitrag antworten »

Der Begriff "Homomorphismus" bedeutet soviel wie "strukturerhaltend". Isomorphismen sind damit strukturerhaltende Bijektionen. Wenn du also einen Grupenisomorphismus hast, dann weißt du, dass die Gruppen und in ihrer Gruppenstruktur identisch sind. Wenn also eine bestimmte Gruppenstruktureigenschaft hat, dann hat auch diese Eigenschaft und umgekehrt.

Dies ist unter anderem deswegen interessant: Stell dir vor, du willst ein Problem über die Gruppenstruktur von lösen. Dann kannst du das Problem mit Hilfe von in ein Problem von umformulieren und in lösen. Die Lösung lässt sich mit zurück nach übersetzen.

Die Strukturgleichheit gilt aber nur für die Struktur, die du betrachtest. So ist ein Gruppenisomorphismus ( ist die imaginäre Einheit). Die reelle Achse mit der Addition ist eine Gruppe, die in ihrer Gruppenstruktur gleich zur Grupper der imaginären Achse ist. ist aber kein Körperisomorphismus. Damit sind die beiden Mengen und bezüglich der Körperstruktur nicht gleich ( ist nämlich kein Körper mit der normalen Multiplikation von komplexen Zahlen).

Der Begriff "Isomorphismus" ist also abhängig von der zu untersuchenden Struktur. Diese ist aber meistens aus dem Kontext ersichtlich (in der linearen Algebra geht es um Vektorräume, in der Algebra um Gruppen und später um Ringer oder Körper usw.)
Che Netzer Auf diesen Beitrag antworten »

Ein wenig scheint mir hier der Sinn der "Gleichheit bis auf Isomorphie" unbeleuchtet zu bleiben. Im Grunde geht es jedenfalls daraum, wann man zwei Dinge als gleich ansieht. In der Definition einer Menge hört man oft von "wohl unterscheidbaren Objekten".
Und diese Formulierung passt wunderbar auch in andere Kategorien. Es bleibt dann die Frage, welche Mittel wir zur Verfügung haben, um zwei Objekte zu unterscheiden.

Man betrachte z.B.

und

mit jeweils der üblichen Gruppen- bzw. Ringstruktur (wie man möchte). Rein mengentheoretisch könnte man sagen, dass diese beiden Gruppen/Ringe verschieden sind. Immerhin sind die Elemente von ja schwarz und die Elemente von sind rot. Das ist allerdings für die Algebra völlig irrelevant und überhaupt eine lächerliche Verschiedenheit. Wieso sollten wir dies als Unterschied ansehen?
Wenn man die roten und schwarzen Zahlen also nicht ohnehin schon als "mengentheoretisch gleich" also als "wirklich gleich" ansieht, dann doch wohl zumindest in der Algebra bzw. "gleich bis auf Isomorphie". Die Struktur beider Gruppen/Ringe ist identisch; wir haben kein algebraisches Mittel, welches einen Unterschied feststellen würde.
Obwohl es mengentheoretisch möglich wäre: Wenn ich das Element , kann ich sofort sagen, zu welcher der beiden Mengen es gehört und es von unterscheiden. [und ganz nebenbei: besteht ja aus völlig anderen Pixeln als !]

Das war zugegebenermaßen etwas konstruiert.
Nun würde aber sicher jeder zustimmen, dass ein Unterring von ist. Wenn man ganz penibel wäre, wären die Elemente von aber Äquivalenzklassen von Zahlentupeln. Dennoch können wir auf "natürliche" (und übrigens auch eindeutige) Weise einen Unterring von zuordnen, der sich algebraisch nicht von unterscheiden lässt.
Über diesen Isomorphismus verstehen wir als Unterring von .

Noch lustiger wird es mit und . Ersteres ist bei entsprechender Definition vielleicht die Menge . Zweiteres hingegen ist eine Äquivalenzklasse von Cauchyfolgen von Äquivalenzklassen von Tupeln.

Und nun stellen wir uns mal vor, jemand gibt uns zwei Elemente und irgendeiner Gruppe. Unsere Aufgabe ist es, festzustellen, ob die beiden Elemente gleich sind.
Das ist wieder eine rein algebraische Überprüfung. Oben waren wir in derselben Situation, als wir überlegten, ob die Ringe und gleich sind. Hat man nur algebraische Mittel zur Verfügung, sehen wir keinen Unterschied. Auch wenn jemand anderes mit anderen (mengentheoretischen) Mitteln vielleicht einen finden könnte.

Als letztes Beispiel nehmen wir uns zwei Funktionen, nämlich

und

Auch wenn das nicht mehr viel mit Isomorphie zu tun hat, fragen wir uns nun, ob diese beiden Funktionen gleich sind. Wenn wir ganz albern sind, könnten wir Nein sagen, denn wir können ja die Buchstaben und voneinander unterscheiden.
Wir sagen aber, dass zwei Funktionen "gleich" sind, wenn Definitions- und Wertebereich "gleich" sind und ihre Werte "gleicher" Elemente auch stets "gleich sind".
Haben wir nun "das von " als Vervollständigung von bezüglich der Standardmetrik definiert, "das von " aber rein axiomatisch, könnte man wieder sagen, dass die Funktionen verschieden sind.

Die zentrale Botschaft: Es kommt immer darauf an, was man unter "gleich" oder "wohl unterscheidbar" versteht. Gleichheit von algebraischen Strukturen kann man so verstehen, dass die zugrundeliegenden Mengen mengentheoretisch gleich sind (was bei und aber auch unterschiedliche Meinungen hervorrufen könnte!), dass die Verknüpfungen als Abbildungen im obigen Sinne gleich sind und dass die ausgezeichneten Elemente mengentheoretisch gleich sind.
Das ist oftmals aber eine unpraktische Form von Gleichheit, die man gerne durch "Gleichheit bis auf Isomorphie" ersetzt – das ist die Art von Gleichheit, die im Kontext von Gruppen, Ringen etc. (meist) relevant ist.
In vielen Fällen ist eine solche Isomorphie auch völlig klar (wie bei und einem Unterring von ), so dass man nur noch von "Gleichheit" spricht.


Ich sehe einen Isomorphismus in vielen Fällen jedenfalls gerne als bloße Umbenennung an. Die Elemente isomorpher Objekte haben vielleicht andere Namen oder sehen anders aus, aber in Hinsicht auf die Kategorie, in der man sich gerade befindet, verhalten sie sich absolut gleich.



Zum Schluss noch eine Warnung:
Eine Gleichheit bis auf Isomorphie findet sich auch in .
Hier ist aber doch Vorsicht geboten. Zwar sind und auch isomorph, aber beide Räume liegen in einem größeren Raum. Durch diesen ist zusätzliche Struktur gegeben, mit der wir die beiden Dinge unterscheiden können.
Man sagt ja auch nicht (oder nur selten), ein zweidimensionaler Raum habe bis auf Isomorphie genau drei Unterräume.

Und auch zwei topologisch ununterscheidbare Punkte (zwei Punkte eines Raumes, die man nicht mithilfe der offenen Mengen unterscheiden kann) sieht man selten als wirklich gleich an.
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