Topologische Äquivalenz von Polygonzügen

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Tapezierer Auf diesen Beitrag antworten »
Topologische Äquivalenz von Polygonzügen
Hallo liebe Mathematiker,

ich bin aus einer ganz anderen Disziplin und auf dem Gebiet der Topologie leider völlig unbedarft, aber willig, mir Gedanken zu machen. Mein Problem ist, dass ich die topologische Äquivalenz zweier Polygonzüge "beweisen" will.

Ich schildere mal die Situation. Gegeben sei ein See in einer ansonsten leeren Landschaft. Auf der einen Seite sei ein Startpunkt, und gegenüber das Ziel. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, vom Start zum Ziel zu kommen, aber sie lassen sich in zwei Klassen unterteilen: links um den See, oder rechts um den See. Im Bild gehören grün und blau zu links, rot zu rechts.

[attach]36395[/attach]

Soweit die Situation, ich hoffe, bis hier ist alles noch richtig.

Jetzt gehe ich davon aus, dass mir aus beiden Klassen jeweils ein Vertreter vorliegt. Ich möchte jetzt gerne von einem weiteren Pfad feststellen, ob er zur einen oder zur anderen Klasse gehört.

Dazu habe ich gelesen, dass zwischen zwei topologisch äquivalenten Räumen ein Homöomorphismus existieren muss. Das ist eine Abbildung f von einem Raum auf den anderen, die einige Eigenschaften aufweist: bijektiv, stetig, stetige Umkehrfunktion. Diese Informationen versuche ich jetzt, auf mein Problem anzuwenden und würde mich über Hilfe freuen.

Zuerst: Was ist in meinem Beispiel ein "Topologischer Raum"? Stellt einer der Pfade einen kompletten topologischen Raum dar? So würde ich das verstehen und suche jetzt eine Funktion f, die einen Pfad auf den anderen abbildet.

Dann: Meine Pfade sind durch Polygonzüge angehähert, sagen wir durch 3 Punkte zu je zwei Parametern (x und y) (damit man sie ausschreiben kann). Bildet meine Funktion jetzt ab? Also Pfad 1: (x0, x1, x2), Pfad 2: (x3, x4, x5), gesucht: f, sodass f(x0, x1 ,x2) = x3, x4, x5?

Wenn bis hier alles okay ist, fürchte ich, dass die Approximation durch die Polygone zum Problem werden kann. Ich stelle mir die gesuchte Abbildung so vor, dass sie die oben genannte Landschaft komplett nutzen darf, außer den See. Im Bild also die graue Fläche. Jetzt kann ich mir vorstellen, dass sich die einzelnen Punkte aufeinander verschieben lassen, nur unter Nutzung der grauen Fläche. Aber eine weitere Bedingung ist ja, dass auch jeweils die Verbindungslinie zwischen zwei Punkten komplett im grauen Bereich befindet.

Soweit mein Verständnis. Ich freue mich auf hilfreiche Anmerkungen und Kommentare.

Viele Grüße
Philipp
Guppi12 Auf diesen Beitrag antworten »

Guten Abend,

ich versuche, alles so einfach wie möglich zu halten, aber Topologie ist ein abstraktes Gebiet, da kann ich leider nicht rein anschaulich erklären. Du wirst wahrscheinlich auch nicht darum herum kommen, den ein oder anderen Begriff nachzuschlagen.

Zunächst mal müssen wir klären, was für dich topologische Äquivalenz bedeutet. Das ist soweit ich weiß in diesem Kontext kein feststehender Begriff. Ich nehme mal an, du meinst, dass zwei Wege topoligisch äquivalent sind, wenn sie ineinander überführbar sind, d.h. mit vielen einzelnen jeweils kleinen Änderungen des Weges der eine Weg aus dem anderen entsteht? Wobei zusätzlich noch die Endpunkte jeweils festgehalten werden sollen, während der eine Weg in den anderen überführt wird.

Falls das gerade ist, was du meinst, so geht es hier um den Begriff der Homotopie der Wege relativ ihrer Endpunkte.

Zitat:
aber sie lassen sich in zwei Klassen unterteilen: links um den See, oder rechts um den See. Im Bild gehören grün und blau zu links, rot zu rechts.


Das ist nicht ganz richtig. Man kann auch noch einmal oder mehrfach um den See herumlaufen und das gegen oder mit dem Uhrzeigersinn. Im obigen Sinne bilden diese noch mal andere sogenannte Homotopieklassen als die Wege, die du eingezeichnet hast.


Zitat:
Zuerst: Was ist in meinem Beispiel ein "Topologischer Raum"? Stellt einer der Pfade einen kompletten topologischen Raum dar?


Nein, in deinem Fall wäre der topologische Raum sozusagen das Spielfeld, wo alles stattfindet, also die Karte mit See. Man könnte das ganze abstrahiert auffassen als eine Teilmenge des mit Loch. Man könnte zum Beispiel als Modell ohne die abgeschlossene Einheitskreisscheibe nehmen. Nennen wir unseren Raum , so haben wir also Als Toplogie wählen wir die Standardteilraumtopologie. Das bedeutet in diesem Fall (wenn wir das von mir vorgeschlagene Modell nehmen) gerade, dass eine Teilmenge unseres Raumes genau dann offen ist, wenn sie auch als Teilmenge von offen ist.

Als Endpunkte der Wege könnten wir dann beispielsweise und wählen.
Jetzt müssen wir noch beschreiben, was ein Weg von nach ist. Dies sind genau die stetigen Abbildungen für die gilt. Dabei gibt sozusagen an, wo man sich zum Zeitpunkt gerade befindet. Man nennt nun zwei solche Wege homotop relativ ihrer Endpunkte, wenn es eine stetige Abbildung gibt mit




jeweils für alle .

Eine solche Abbildung nennt man auch Homotopie.
Anschaulich gesprochen bedeutet das eben gerade, dass man den einen Weg stetig in den anderen deformieren kann, wobei stets die Endpunkte fest bleiben. Wenn du also ganz elementar arbeiten willst, kommst du nicht darum herum, zu zeigen, dass eine solche Homotopie zwischen den Wegen existiert. Das sind allerdings Sachen, wo auch wir Mathematiker gerne mal anschaulich argumentieren Augenzwinkern

So, ich hoffe das war nun nicht zu abstrakt und hilft dir zumindest ein wenig weiter.

Liebe Grüße,
Guppi12
Tapezierer Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo Guppi12,

super, das hat mir schon geholfen: jetzt habe ich ein Verständnis dafür, was in meinem Fall die Abbildung ist. Ich könnte die Wege z.B. durch Splines annähern und hätte dann genau das x(t) und y(t). Danke auch für dne richtigen Begriff: Ich brauche keine Homöomorphie, sondern die Homotopie ... im Wiki-Artikel ist auch genau mein Problem beschrieben, oder zumindest in ähnlicher Form.

Noch etwas Hintergrund, warum ich daran überhaupt interessiert bin: ich möchte diese Äquivalenz innerhalb eines Optimierungsproblems als Constraint benutzen. Also z.B. den grünen Weg (Bild) als Initialisierung wählen und dann den Optimierer starten, aber erzwingen, dass nicht rot dabei rauskommt, sondern blau. Ich habe zwar noch ein paar Werkzeuge und Heuristiken auf Lager, die das ganze auch numerisch handhabbarer machen, aber die stützen sich dann doch alle auf die Anschaulichkeit und ich würde das gerne einmal richtig durchdacht haben.

... und jetzt noch eine Anschlussfrage: du schreibst, "mit" und "gegen" den Uhrzeigersinn. Das hatte ich mir auch schon überlegt. Denkst du, es wäre statt der Abbildungssuche auch möglich zu zeigen, dass der grüne Weg den See im Uhrzeigersinn umrundet? Wäre der See ein Punkt (ich kann ja einen beliebigen rauspicken) dann hatte ich mir überlegt, die Wege in Polarkoordinaten aufzuzeichnen in der Hoffnung, dass man dann dort irgendwas sieht. Aber da ich mit grün auch bis fast zum Ziel laufen kann, dann wieder zurück und doch links rum denke ich, dass rot und grün auch in so einer Darstellung ähnlich sind. Wobei ich auch Winkelsummen bzw. -integrale bilden könnte ... das wäre vielleicht noch was, im einen Fall ist es immer positiv, im anderen negativ oder so.

Viele Grüße
Philipp
Guppi12 Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
... und jetzt noch eine Anschlussfrage: du schreibst, "mit" und "gegen" den Uhrzeigersinn. Das hatte ich mir auch schon überlegt. Denkst du, es wäre statt der Abbildungssuche auch möglich zu zeigen, dass der grüne Weg den See im Uhrzeigersinn umrundet?


Der grüne Weg umrundet den See aber doch garnicht verwirrt

Überprüfen, ob zwei Wege homotop relativ ihrer Endpunkte sind, wäre in diesem Fall Spezialfall garnicht mal so schwer.
Du müsstest dafür lediglich überprüfen, ob die komplexen Kurvenintegrale

und
gleich sind, wobei irgendein Punkt im See sein soll.

Wenn es aber nicht bei diesem Speziallfall bleiben soll, sondern beispielsweise auch mal 2 Seen oder Ähnliches auftauchen sollen, so funktioniert das so nicht mehr.
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