Differenzierbarkeit auf abgeschlossenen Mengen

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rekauhl Auf diesen Beitrag antworten »
Differenzierbarkeit auf abgeschlossenen Mengen
Meine Frage:
Hallo Leute,

Ich bereite mich gerade auf eine mündliche Prüfung vor und hätte da eine Frage:
Die Differenzierbarkeit einer mehrdimensionalen Funktion ist auf einer offenen Menge definiert (Warum?). Nun hat ein Prof in einem Prüfungsprotokoll gefragt, ob man dies denn auch auf einer abgeschlossenen Menge definieren könnte. Der Prüfling antwortete nein, da es am Rand einer abgeschlossenen Menge nur ein Grenzwert gäbe. Kann mir das mal jemand erklären? Denn im eindimensionalen Fall kann man die Diffbarkeit auch auf abgeschlossenen Intervallen definieren, nur dass man dann an den Randpunkten jeweils nur den links- bzw. rechtsseitigen Grenzwert betrachtet und in den restlichen Punkten beide Grenzwerte.

Meine Ideen:
-
Huggy Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Differenzierbarkeit auf abgeschlossenen Mengen
Zitat:
Original von rekauhl
Denn im eindimensionalen Fall kann man die Diffbarkeit auch auf abgeschlossenen Intervallen definieren, nur dass man dann an den Randpunkten jeweils nur den links- bzw. rechtsseitigen Grenzwert betrachtet und in den restlichen Punkten beide Grenzwerte.

Dann hat man aber Rand des Intervalls eben keine Differenzierbarkeit, sondern nur die einseitige Differenzierbarkeit. Das ist nun mal nicht dasselbe.
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

Ich finde das eine interessante Frage und habe einmal ein paar Gedanken dazu aufgeschrieben.

Der moderne Funktionsbegriff verbindet die Funktionsvorschrift unmittelbar mit der Definitionsmenge. Man kann nun allen Schwierigkeiten von vorneherein aus dem Wege gehen, indem man Differenzierbarkeit nur für innere Punkte definiert. Gerade im Eindimensionalen ist es aber oft zweckmäßig, Differenzierbarkeit auch für Randpunkte eines Intervalls festzulegen. Nehmen wir ein Intervall und eine Funktion . Wir nennen differenzierbar an der Stelle , wenn



existiert. Sagen wir es ausführlich: Wenn es also ein gibt, so daß zu jedem ein existiert mit



Mit dieser Definition wäre etwa die Funktion mit



an der Stelle nicht differenzierbar, die durch Restriktion aus gebildete Funktion mit



dagegen schon. Für den Randpunkt fallen hier Differenzierbarkeit und rechtsseitige Differenzierbarkeit zusammen.

Man kann natürlich auch die ältere Vorstellung einer Funktion heranziehen, wie sie noch in der komplexen Analysis durchschimmert. Man sagt dort zum Beispiel: die Funktion , manchmal sogar: die Funktion . Hier ist von einer Definitionsmenge nicht die Rede, die Funktion wird mit ihrer Funktionsvorschrift identifiziert. Die Funktion führt ihren Definitionsbereich sozusagen implizit mit sich, und jedem, der fachmännisch komplexe Analysis betreibt, ist in einer stillschweigenden Übereinkunft klar, daß diese Funktion bei nicht definiert ist. In der modernen komplexen Analysis treffen der althergebrachte und der moderne Funktionsbegriff aufeinander, und manchmal ist es fast schon erheiternd, mit welchen Verrenkungen dort Konflikte zwischen den beiden Auffassungen ausgeräumt werden. Oder sagen wir es so: Mit hoher Kunstfertigkeit nimmt man in der komplexen Analysis gerade den Standpunkt ein, der für das vorliegende Problem am nützlichsten ist.

Ich habe mir einmal das folgende bekannte Beispiel herangezogen:



Diese Funktion taucht in der Topologie bei differenzierbaren Zerlegungen der Eins auf. Sie ist unendlich oft differenzierbar. Speziell gilt .

In natürlicher Weise kann auf fortgesetzt werden:



Den Realteil dieser Funktion fasse ich als Funktion auf. Es ist also , und für gilt



ist bei nicht stetig, geschweige denn differenzierbar. Es gilt zum Beispiel





Ich habe mich nun gefragt, wie man einschränken könnte, um Stetigkeit und Differenzierbarkeit bei zu erzwingen. Ich habe daher einmal den folgenden abgeschlossenen Winkelbereich der Weite genommen:



Die Restriktion von auf bezeichne ich mit , also:



Ich behaupte nun, daß im Winkelscheitel differenzierbar ist mit Ableitung 0. Dafür ist zu zeigen, daß beliebig klein wird, wenn beliebig klein wird (senkrechte Striche bezeichnen die euklidische Norm). Ich verwende Polarkoordinaten :



Der hintere Cosinusbetrag tanzt für zwar irr zwischen 0 und 1 umher, immerhin bleibt er aber beschränkt. Der vordere Teil geht aber gegen 0, weil das Argument der Exponentialfunktion auf jeden Fall gegen strebt. Und dagegen ist machtlos:



In der Tat gilt also .

Ich habe hier einmal Differenzierbarkeit auf einer abgeschlossenen Menge betrachtet, indem ich die übliche Forderung nach der Offenheit des Definitionsbereichs fallengelassen habe. Warum eigentlich nicht! Formal kann man das alles so machen. In der Regel will man sich bei der Untersuchung der Glattheit aber aus allen Richtungen der kritischen Stelle annähern können, also wird man zumindest im Mehrdimensionalen, wo es mehr als nur links und rechts gibt, die Offenheit des Definitionsbereichs verlangen. Dann bleibt die lokale Differenzierbarkeit in einem konkreten Punkt erhalten, auch wenn man die Funktion auf einen größeren Bereich fortsetzt. Im Beispiel oben geht dagegen die Differenzierbarkeit im Nullpunkt verloren, wenn man auf fortsetzt. Vielleicht ist das der tiefere Grund, warum man die Offenheit des Definitionsbereichs verlangt.

EDIT
Unklarheiten in den Bezeichnungen beseitigt.
rekauhl Auf diesen Beitrag antworten »

Hm, danke für den Beitrag. Aber so wirklich erleuchtet wurde ich noch nicht :/
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

Das verwundert nicht, denn es dauert Jahrhunderte, bevor man Analysis versteht. Ich schließe hier (durch unvollständige Induktion) von mir auf andere. Augenzwinkern
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