Erwartungswert de luxe

Neue Frage »

Zahlenschubser Auf diesen Beitrag antworten »
Erwartungswert de luxe
Hallo zusammen!

Ist es ja hinlänglich bekannt, dass der Erwartungswert einer stetigen Verteilung durch Integrieren ermittelt werden kann. Im stetigen Fall ist dies in der Stichprobe mit dem arithmetischen Mittel vergleichbar.

Gibt es sowas aber auch für das geometrische und harmonische Mittel? Also, wie kann ich aus einer gegebenen Verteilungsfunktion (hier: Lognormalverteilung) das theoretische geometrische und harmonische Mittel herleiten?

Vielen Dank im voraus!
Dual Space Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Erwartungswert de luxe
Gleich vorweg: Keine Ahnung ob und wie das gehen könnte.

Aber ich war vor einiger Zeit auch auf der Suche nach einer "stetigen Version" des geometrsichen Mittels (leider erfolglos), da ich mich zu dieser Zeit mit der Analysis von Asiatischen Optionen beschäftigte und auch den - von Hull so beliebten - geometrischen Fall abhandeln wollte.
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

Eine wirkliche Ahnung von der Sache habe ich auch nicht. Durch Analogiebildung bin ich aber auf das Folgende gekommen. Ich will es zunächst an einem Beispiel erläutern.

Die Zufallsgröße habe die Werte 1,2,3 mit den Wahrscheinlichkeiten 0,2; 0,5; 0,3. Man kann die Situation modellieren durch eine Urne mit 10 Kugeln, 2 davon mit "1", 5 mit "2" und 3 mit "3" beschriftet. Beim arithmetischen Mittel sollen nun die 10 Kugeln mit unterschiedlicher Beschriftung durch 10 Kugeln mit gleicher Beschriftung ersetzt werden, so daß die Summe aller Beschriftungen gleich bleibt (das ist ja genau der Sinn der Nivellierung durch das arithmetische Mittel):







Das motiviert für den allgemeinen Fall einer diskreten Zufallsgröße mit den Werten die bekannte Definition:



Das kontinuierliche Analogon ist, wenn die Dichte besitzt:



Beim geometrischen Mittel soll die Nivellierung so erfolgen, daß Produktgleichheit besteht. Ersetzt man im obigen Ansatz die Pluszeichen durch Malzeichen, bekommt man schließlich



Das rechtfertigt im allgemeinen Fall einer diskreten Zufallsgröße die Definition



Logarithmieren liefert:



Außer der Positivität von muß man im unendlichen Fall die Konvergenz der Reihe fordern.

Für eine nur positiver Werte fähige Zufallsgröße mit der Dichte wäre die Entsprechung





Für sind geeignete Voraussetzungen zu machen, damit das Integral konvergiert.

Zur Anwendung der Formel nehmen wir die Dreiecksverteilung mit der Dichte für und gleich sonst. Man berechnet





So erscheint mir das sinnvoll. Ob das letztlich in der Wahrscheinlichkeitsrechnung so gemacht wird und wie es gegebenenfalls Anwendung findet, weiß ich allerdings nicht. Vielleicht kann ja Arthur mehr dazu sagen.
mylittlehelper Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Leopold
Das kontinuierliche Analogon ist, wenn die Dichte besitzt:




Diese "Annahme" kann ich bestätigen. Da das arthmetische Mittel ja nichts anderes als ein gleichgewichteter Erwartungswert ist, kann man entsprechend auch die stetige Formel dafür anwenden.

Alles weitere ist zwar schlüssig, eine "offizielle" Bestätigung kann ich allerdings auch nicht geben.
Zahlenschubser Auf diesen Beitrag antworten »

Also, erstmal vielen Dank für eure Beiträge. Ich habe mir in der Zwischenzeit auch ein paar Gedanken gemacht.

Seien lognormalverteilt mit Parametern und der Dichte (damit wir auch alle dieselbe Definition verwenden):

.

Dann ist der Erwartungswert . (Die Varianz lasse ich erstmal unter den Tisch fallen, weil genau darum handelt sich mein Problem.)

Und behandeln wir das geometrische Mittel, .

Wohlbekannt ist, dass normalverteilt mit Parametern ist und somit normalverteilt mit Parametern .

Jetzt gibt es m. E. 2 unterschiedliche (richtige) Ansätze, aber mit einem unterschiedlichen Ergebnis (womit ein Ansatz wohl offensichtlich falsch ist).

Nummer 1:

Nummer 2:

Da schon die Erwartungswerte unterschiedlich sind, habe ich die Varianzen weggelassen. Nur, was ist richtig und warum ist das andere falsch?
AD Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Zahlenschubser
Nummer 1:


verwirrt

Zunächst mal meinst du sicher



oder? Dazu kann man nur sagen: Für nichtlineare Funktionen gilt i.a. nicht die Gleichheit - hier im Fall eben auch nicht.

EDIT: Dieses ist konvex, also kann man in diesem Fall gemäß Jensenscher Ungleichung allenfalls



folgern. Sieht man dem Ergebnis dann auch an.
 
 
Zahlenschubser Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo Arthur,

Jensen's Ungleichung ist in diesem Fall dasselbe wie Cramer's Ungleichung: .

Nummer 1 war schon richtig so. Die Idee dahinter war, dass ich den Erwartungswert von kenne, nämlich . Außerdem ist mir bekannt, dass dies ist, also habe gemacht.

Nummer 2 scheint aber "richtigerer" zu sein, da ja offensichtlich der Normalverteilung gehorcht und durch Exponenzieren damit einer Lognormalverteilung.

Ich verstehe aber nicht, wie sich dadurch der Wert ändert? Mir geht es nämlich nicht nur um eine Ungleichung, sondern um eine quantitative Aussage zwischen arithmetischen Mittel und geometrischen Mittel bei der Lognormalverteilung.
AD Auf diesen Beitrag antworten »

Irgendwie reden wir aneinander vorbei:

Ich verstehe nicht, wie du erwarten kannst, dass bei 1. und 2. dasselbe rauskommt. Erwartungswert und Exponentialfunktion sind nun mal i.a. nicht vertauschbar (es sei denn, es geht um konstante, also deterministische Zufallsgrößen, was hier nicht der Fall ist).

Vielleicht geht es dir auch um was ganz anderes, dann hast du dich aber im bisherigen Verlauf des Threads sehr undeutlich ausgedrückt. So, wie du definiert hast, ist 1. falsch und 2. richtig - ohne wenn und aber, "richtiger" oder "falscher". Augenzwinkern


P.S. (hier auf Zufallsgrößenebene) drückt schon was anderes aus als das, was ich oben mit der Jensenschen Ungleichung (bzgl. der Erwartungswerte, also nichtzufällig) geschrieben habe!
Zahlenschubser Auf diesen Beitrag antworten »

Ok, also versuche ich es nochmal klarzustellen.

Ich habe ein Zufallsvariable , die lognormalverteilt sei mit Parametern . Mich interessiert nun, wie sich theoretisch das arithmetische und geometrische Mittel entwickeln.

arithmetisch: , hierzu möchte ich die Brücke zu schlagen

geometrisch: , die Brücke hier ist

Dda normalverteilt ist, ist auch normalverteilt. Also wäre wiederum lognormalverteilt mit Parametern . Dann wäre aber der Erwartungswert , was offensichtlich nicht das gleiche ist wie . Aber welche von diesen beiden Varianten ist richtig?

Mir ist schon klar, dass ich und nicht vertauschen darf. Aber was davon ist richtig, wenn ich den Erwartungswert des geometrischen Mittels bei der Lognormalverteilung suche?
Zahlenschubser Auf diesen Beitrag antworten »

Ok, noch ein Nachtrag. Ich sehe inzwischen ein, dass wohl Nummer 2 richtig ist, weil dies den Erwartungswert des geometrischen Mittels liefert und nicht den entlogarithmierten Erwartungswert des logarithmierten geometrischen Mittels. Auch wenn ich noch nicht ganz dahinter komme, warum...

Aber nochmal zu der Rechtfertigung von Nummer 1: ist normalverteilt, das heißt ich kann ein Konfidenzintervall hiermit berechnen. Und wenn ich dann dieses , müsste ich doch die korrekte Größe haben?
AD Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Zahlenschubser
Mir ist schon klar, dass ich und nicht vertauschen darf.

Nein, es ist dir offensichtlich nicht klar: Denn wieso folgerst du aus dem richtigen das falsche

.

----------------------------------

Vielleicht mal ein anderer Aspekt: Betrachte doch ganz einfach mal den Fall . Da sollte ja herauskommen - schließlich ist da , oder etwa nicht? Jetzt betrachte mal die drei Werte







für unter diesem Gesichtspunkt...
Zahlenschubser Auf diesen Beitrag antworten »

Danke, Arthur. Vor allem der Fall ist eindrucksvoll!

Ich wollte nicht die obige Folgerung vollziehen, ok in dem Moment in dem ich frage, warum (1) und (2) nicht das gleiche sind schon. Aber vielmehr frage ich mich dann, was ist in diesem Kontext? (siehe hierzu meinen Nachtrag bzgl. des Konfidenzintervalls)
AD Auf diesen Beitrag antworten »

Ich kann nur folgendes vermuten:

Du willst in Analogie zu "arithmetisches Mittel - Erwartungswert" andere Mittel-Operatoren "erfinden". Nichts leichter als das. Betrachte dazu doch einfach dann den Wert für bestimmte bijektive Funktionen :

  • entspricht dem arithmetischen Mittel
  • entspricht dem geometrischen Mittel
  • entspricht dem harmonischen Mittel
  • entspricht dem quadratischen Mittel

usw. (die letzten drei sind natürlich nur für positive Zufallsgrößen sinnvoll). Zumindest erhält man für die diskrete Gleichverteilung für die erwarteten Resultate der so bezeichneten Mittel. Augenzwinkern

In dem Sinne gilt dann tatsächlich , aber ist dann eben nicht mehr der klassische Erwartungswertoperator - es fehlt ihm z.B. die wesentliche Eigenschaft der Linearität.
Zahlenschubser Auf diesen Beitrag antworten »

Ja, genauso habe ich es gemacht, nämlich auch für das harmonische Mittel. Tut mir leid, dass ich meine Frage nicht genau so stellen konnte, aber dass ich genau diese "nicht-linearen Erwartungswerte" bestimmen wollte, ist mir auch nicht so formal aufgefallen.

Demnach haben aber beide Ansätze (1) und (2) ihre Rechtfertigung, obwohl die Ergebnisse voneinander abweichen? Auch auf die Gefahr hin nervig zu werden, was macht denn mehr Sinn, wenn ich doch aus beiden eine Erwartung und ein Konfidenzintervall berechnen kann (und nicht mehr als das will)?
AD Auf diesen Beitrag antworten »

Das kommt auf die Situation an. Nichtlineare Transformationen verändern natürlich irgendwie die Bewertung - ein anderes Beispiel:

Regression für Exponentialansätze der Form führt man meist mittels Logarithmieren durch, d.h. und dann lineare Regression angewandt auf die Datenpaare . Die erhaltene Schätzung für ist eine andere als die direkte MKQ-Schätzung für das Modell , denn in der logarithmierten Variante werden Abweichungen bei kleinen y-Werten stärker berücksichtigt als gleichgroße Abweichungen bei großen y-Werten.

Ist diese Schätzung deswegen "schlechter"? Nun, sehr oft nicht, denn da wünscht man sich eher kleine relative statt kleine absolute Fehler.

Ähnlich sieht es vielleicht in deinem Fall aus - ich weiß ja nicht, was hinter diesen lognormalverteilten Größen steht. verwirrt
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Arthur Dent
  • entspricht dem geometrischen Mittel


Dann lag ich ja mit meinem naiven Ansatz gar nicht so schlecht. Tanzen
Zahlenschubser Auf diesen Beitrag antworten »

Sehr schön, nochmal vielen Dank, Arthur! (Ich merke immer mehr, ich hätte was "richtiges" studieren sollen...)

Hinter den Zahlen, die gemittelt werden sollen, stehen Verhältnismessziffern. Meine Argumentation ist, dass das arithmetische Mittel geeignet erscheint, da dies einen Erwartungswert unabhängig von der Varianz besitzt, während beim geometrischen Mittel eine negative Abhängigkeit von der Varianz existiert ( und sind ja nicht die Momente der Lognormalverteilung). Allerdings springt das geometrische Mittel ja eigentlich in's Auge, wenn es um Verhältnisse geht... Naja, das Thema ist in der wissenschaftlichen Literatur der letzten 100 Jahre nicht abschließend gelöst worden - zumindest in Bezug auf meine Fragestellung.
AD Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Zahlenschubser
(Ich merke immer mehr, ich hätte was "richtiges" studieren sollen...)

Diese Selbstkritik kann ich jetzt nicht ganz nachvollziehen: Deinen Antworten auf diverse Anfragen hier im Board nach zu urteilen, musst du dich mit deinen Kenntnissen (und auch der Fähigkeit, diese zu erklären) hinter keinem verstecken, der ein abgeschlossenes Mathematikstudium mit Schwerpunkt Stochastik hat. Augenzwinkern
Zahlenschubser Auf diesen Beitrag antworten »

Vielen Dank für die Blumen! Augenzwinkern

Aber wenn ich sehe, auf welchem Niveau ich echte Mathematik beherrsche und auf welchem Niveau ich diese brauchen könnte für meine Arbeit (anstelle von VWL und Ökonometrie)... Naja, ich arbeite dran! Freude
Neue Frage »
Antworten »



Verwandte Themen

Die Beliebtesten »
Die Größten »
Die Neuesten »