Kapillarrohr

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Kapillarrohr
Hallo,

ich soll für ein Seminar in Gewöhnliche Differentialgleichungen einen Vortrag zum Thema: Anstieg von Flüssigkeit in einem Kapillarrohr mit Kreisquerschnitt durcharbeiten. Die meiste Literatur dazu ist auf Englisch, und da muss ich mich noch in Ruhe durchbeißen. Ich habe aber trotzdem ein paar Fragen, und hoffe, dass sich jemand dieser annehmen kann.

Es gilt ja zunächst mal folgendes:



Dabei seien Konstanten und die gesuchte Funktion. sei der Radius des Kreisrohres. Nun aber die Frage? Was genau ist ??? Mein Prof hats leider nicht genau bezeichnet.

Später haben wir folgendes:



Was darauf hin kommt ist das das Ableitungszeichen links wegfällt und rechts integriert wird nach r. Was soll das für eine Notation sein? Hab ich noch nicht gesehen. Integrieren als auf beiden Seiten???

Wir erhalten dann irgendwann die allgemeine Lösung



Nach dem umstellen in eine Kreisgleichung der Form



wird geschrieben: C bestimmen durch

.

Was ist das für eine Formel??? Woher kommt die auf einmal? Scheint ja was mit Volumen zu tun zu haben, jedoch weiß ich dann nicht genau, woher das r kommen sollte, selbst wenn er den Flächeninhalt oder so berechnen will???

Das solls erstmal gewesen sein.
Es wäre sehr lieb, wenn da jemand drüber liest und mir helfen könnte. Würde auch noch mehr Informationen liefern.
Tomtomtomtom Auf diesen Beitrag antworten »

Ohne Gewähr, aber wenn du dir mal eine stehende Flüssigkeit in einem senkrechten kreisförmigen Rohr vorstellst, ist anschaulich einigermaßen klar, daß der Flüssigkeitsstand (das ist denke ich mal die Funktion u) rotationssymmetrisch ist, die Symmetrieachse läuft genau senkrecht durch den Mittelpunkt des kreisförmigen Querschnittes. r wird dann wahrscheinlich der Abstand von dieser Achse sein, die Bezeichnung suggeriert ja schon so etwas wie einen Radius.

Die letzte Gleichung für V ist die Nebenbedingung, die sich durch die gegebene Füllmenge V ergibt.

Hab grad keine Zeit, ich schreib nachher eventuell noch was, falls die paar Bemerkungen nicht schon reichen.
Tomtomtomtom Auf diesen Beitrag antworten »

So hier noch ein etwas ausführlicher Beitrag mit ein paar grundsätzlichen Sachen.

Stell dir erstmal eine zylindrisches Rohr mit einer vorgegebenen Menge V an Wasser vor. Die Höhe des Wasserspiegels über dem Boden am Punkt (x,y) sei mit u(x,y) bezeichnet, die Grundfläche des Rohres sei einem Menge G aus dem IR^2.

Unsere Erfahrung sagt uns jetzt, daß der Wasserspiegel flach ist, d.h. u(x,y)=const.
Die Frage ist nun erstmal, warum?

Ein grundsätzliches Prinzip/Naturgesetz ist, daß die Natur immer versucht, bestimmte Energien zu minimieren. In diesem Fall ergibt sich ein erstes einfaches Modell aus der Annahme, daß die potentielle Energie des Wassers minimiert wird. Die Formel für die potentielle Energie ist mgh, also ist die potentielle Energie einer Wassersäule der Höhe h_max sowas wie und das Problem, die gesamte potentielle Energie zu minimieren läßt sich schreiben als



(wobei hier einfach alle Konstanten weggelassen sind, die spielen ja bei der Minimierung keine Rolle).

Dabei haben wir noch die Gesamtmenge V vorgegeben, also sind nur solche u(x,y) zugelassen, die die Nebenbedingung erfüllen.

Mit der Lösung solcher Probleme befasst sich die Variationsrechnung. Es gibt eine notwendige Bedingung dafür, daß eine Funktion u dieses Minimierungsproblem löst, die sogenannte Euler-Lagrange-Gleichung. Dies ist eine partielle Differentialgleichung, die eine Lösung u erfüllen muß. (analog zu der Minimalstelle einer Funktion auf IR: dort ist eine notwendige Bedingung für ein Minimum in x_0, daß dort die Ableitung verschwindet)

Der genaue Formalismus ist hier nicht wichtig, heraus kommt jedenfalls, daß u(x,y)=const. Lösung der zum Problem gehörigen Euler-Lagrange-Gleichung ist, und damit einziger Kandidat für ein Extremum.

Jetzt zum eigentlich interessanten Teil mit den Kapillarflächen. Im Prinzip ist das obige Modell nur eine Näherung in dem Sinne, daß viele weitere Energien eine Rolle spielen, zum Beispiel die Oberflächenspannung der Flüssigkeit oder Kohäsionskräfte (ihr "innerer Zusammenhalt") oder Adhäsionskräfte ("Klebekräfte" zwischen verschiedenen Medien). Ist der Querschnitt des Rohres groß, so sind diese vernachlässigbar klein im Vergleich zur potentiellen Energie. Wird dieser aber sehr klein, so kann man sie nicht mehr vernachlässigen, sondern muß letztendlich die Summe all dieser Energien minimieren.

Dies führt zu einem Problem der Form



wobei zusätzlich wieder eine Nebenbedingung durch die vorgegebene Gesamtmenge der Flüssigkeit gegeben ist.

Hat man einen Zylinder mit kreisförmigen Querschnitt vom Radius a gegeben, so kann man sich noch überlegen, daß alle Lösungen u rotationssymmetrisch sein müssen, wobei das Symmetriezentrum im Kreismittelpunkt liegt. (die Stelle ist aber imho heikler als es auf den ersten Blick aussieht). Im Prinzip ist das ein Übergang zu Polarkoordinaten u(r,phi), mit der zusätzlichen Überlegung, daß u dann gar nicht mehr von phi abhängt. In diesem Fall läßt sich das Problem also schreiben als



mit ebenfalls wieder einer Nebenbedingung. Eine Lösung u dieses Variationsproblems muß nun als notwendiger Bedingung wieder einer Euler-Lagrange-Gleichung genügen, die diesmal nur eine gewöhnliche Differentialgleichung für eine Funktion u(r) ist, das ist die erste deiner Gleichungen. Zusätzlich gibt es in der Variationsrechnung noch sogenannte freie Randbedingungen, die sich daraus ergeben, daß auch auf dem Rand des Zylinders wieder eine DGL erfüllt sein muß, das ist dann deine zweite Gleichung. Einzelheiten würden hier aber zu weit führen.

Wie genau das physikalische Modell des Problems aussieht (d.h. welche Energien beachtet werden), so daß letztendlich genau deine Differentialgleichungen rauskommen, da bin ich überfragt. Falls das wikrlich mit Thema des Vortrages ist, steht das bestimmt irgendwo in der Literatur. Jedenfalls ist das der grobe Weg, wie man auf die Gleichungen kommt.

Wie man diese dann löst, weiß ich so spontan auch nicht, die Schreibweise in deiner dritten Formel ist schon ziemlich komisch. Nehmen wir mal an, die Lösung für u stimmt, so kannst du mit der letzten Formel für V dann die Konstante C ausrechnen.

Die Formel für V ist einfach wieder die Nebenbedingung, daß dir die Gesamtmenge der Flüssigkeit vorgegeben ist. In kartesischen Koordinaten wäre das



und die angegebene Formel entsteht dann durch Übergang zu Polarkoordinaten und Annahme der Rotationssymmetrie von u.



Das zusätzliche r ist einfach die Funktionaldeterminante der Koordinatentransformation.
vektorraum Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo,

danke für die ausführliche Antwort. Das hat mir erstmal sehr geholfen.

Mit dem r. Wir haben den Abstand von der y-Achse zum Kreiszylinder mit a bezeichnet. Woher das r kommt weiß ich jetzt nicht genau. Zumindest schicken wir ja r gegen a. Könnte a die Ausdehnung der Flüssigkeit sein zum Rand hin?

Wir haben im ersten diskutierten Fall g=0, d.h. Schwerkraft 0 besprochen. Dabei wurde ausgehend von obiger erster Gleichung das Problem im Kreiszylinder diskutiert und dann soll auch noch das Randwertproblem besprochen werden, d.h.



Problem: wir haben in DGL keine Randwertprobleme behandelt. Ich weiß zwar, dass es um bestimmte Punkte auf dem Rand geht, die diese DGL dann lösen sollen - aber kenne ich die Herangehensweise nicht. Hat da jemand Rat???

Die Frage bezüglich der Notation in der zweiten Gleichung ist auch noch da Augenzwinkern

Also danke für eure Hilfe Wink
Tomtomtomtom Auf diesen Beitrag antworten »

a ist der komplette Radius des Kreiszylinders in dem sich die Flüssigkeit befindet.

r ist die Variable die den Abstand von der Symmetrieachse beschreibt und läuft von 0 bis a.

u(r) ist die Höhe der Flüssigkeit auf einem Kreis vom Radius r um die Symmetrieachse.

(dabei wird wie gesagt angenommen, daß jede Lösung rotationssymmetrisch ist, was anschaulich irgendwie logisch erscheint, aber mathematisch wohl schwieriger ist, als man denkt)

Bei Schwerkraft = 0 spielen potentielle Energien auch erstmal keine Rolle, also vergiss mein obiges Beispiel ^^

Bei Randwertproblemen kann ich dir nicht helfen, aber hast du mal ausprobiert, ob man den Grenzwert für r gegen a für die Lösung, die du für die erste Gleichung hast, ausrechnen kann? Der Randkontaktwinkel gamma dürfte ohne Schwerkraft ausschließlich noch von den beiden Medien (also von ihren Konstanten) abhängen, imho dürfte selbst a keine Rolle mehr spielen. (aber das ohne Gewähr, ich habe auch nur oberflächliche Kenntnisse, weil der Professor gerne Beispiele aus diesem Gebiet in seinen Vorlesungen verwendet)

Ansonsten hilft dir wohl am meisten, das ganze nochmal in einem Buch zu suchen, Flüssigkeit in einem Kreizylinder ohne Gravitation ist in diesem Themenkomplex eigentlich eher ein Standardbeispiel und nichts total exotisches, müßte also zu finden sein. Oder den Prof selber fragen, was er meint, der reißt dir kein Bein aus. Im Gegenteil, mit Interesse am Thema erreichst du am Ende mehr als die Leute, die die riesigen Lücken in ihrem Vortrag irgendwie versuchen zu überspielen.

PS: Hier noch ein Artikel: http://www.math.uni-leipzig.de/preprint/2007/p2-2007.pdf

Das ist ein deutscher Übersichtsartikel zu vielen Phänomenen rund um Kapillarität. Am Anfang irgendwo steht auch dein Problem beschrieben, da könnte man noch ein paar Literaturhinweise rausziehen. Irgenwo muß das Problem ausführlich beschrieben sein, es ist schließlich eines der naheliegendsten, und geforscht wird auf diesem Gebiet seit mindestens 200 Jahren
Tomtomtomtom Auf diesen Beitrag antworten »

Mir ist noch etwas eingefallen, ich hoffe ein neuer Beitrag mit Inhalt wird nicht als Spam gewertet ^^

Zitat:
Später haben wir folgendes:



Was darauf hin kommt ist das das Ableitungszeichen links wegfällt und rechts integriert wird nach r. Was soll das für eine Notation sein? Hab ich noch nicht gesehen. Integrieren als auf beiden Seiten???



Ich denke der Strich mit dem 0 und dem r dran ist einfach irgendein Artefakt von der Tafel, eine spätere Bemerkung oder ähnliches. Wenn man sich das mal wegdenkt, macht es durchaus Sinn, es ist nämlich genau die erste Gleichung, ohne den ersten Term auf der rechten Seite. Und dieser Term ist genau der, der durch die potentielle Energie entsteht, daß kappa ist üblicherweise eine zusammengefasste Konstante, ein Produkt aus mehreren Konstanten, unter denen auch die Gravitationskonstante ist. Für g=0, also den Fall das keine Schwerkraft vorhanden ist, entfällt dieser Term also.

Dann werden beide Seiten nach r integriert, und es bleibt eine DGL für eine Funktion u(r) stehen.

Allerdings komme ich bei der anschließenden Lösung auf eine andere allgemeine Lösung. Ich weiß nicht, ob das ganze komplett vor/durchgerechnet wurde, aber da scheint es schon noch einige Hürden zu geben.

Prinzipiell ist ja die erste Gleichung eine in den zweiten Ableitungen von u, d.h. es sind in einer allgemeinen Lösung auch zwei freie Parameter zu erwarten. Das deckt sich damit, daß man danach noch die zweite Gleichung zur Verfügung hat und außerdem noch eine Nebenbedingung für die Gesamtmenge. Damit kann man dann die 2 freien Parameter bestimmen.

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Also zusammengefasst, weil das jetzt vielleicht ziemlich vieles wirr durcheinander war.

1.) Ausgangspunkt ist die erste der beiden von dir angegebenen Gleichungen. Diese beschreibt das allgemeine Problem, welche Form die Oberfläche der Flüssigkeit annimmt, mit allem drum und dran, inklusive Gravitation.

2.) Jetzt wird der Spezialfall der Schwerelosigkeit betrachtet. Dadurch entfällt der erste Summand auf der rechten Seite. Anschließend kann man mit r multiplizieren, und beide Seiten nach r integrieren. (Beachte: Dabei entsteht schonmal ein erster freier Parameter wegen der Integrationskonstante beim integrieren).

3.) Was jetzt übrig bleibt ist eine Differentialgleichung für eine Funktion u(r). Mit ein bißchen umformen kann man das ganze nach u'(r) umstellen und nochmal integrieren. Es kommt dabei ein zweiter freier Parameter ins Spiel. Ergebnis ist die allgemeine Lösung für u(r) mit zwei freien Parametern.


4.) Jetzt geht es daran, die zwei Parameter zu bestimmen. Dazu hat man zur Verfügung:
* Die Nebenbedingung, die sich daraus ergibt, daß man die Gesamtmenge der Flüssigkeit vorgegeben hat (das ist deine letzte Gleichung mit dem V)

* Die zweite Gleichung mit dem Grenzwert auf dem Rand. Da kann man die allgemeine Lösung auf der rechten Seite einsetzen und den Grenzwert berechnen. Auf der linken Seite ist das gamma ein vorgegebener Parameter.

Zusammengenommen müßte man damit die beiden Parameter bestimmen können, und erhält die allgemeine Lösung für u.

Das ist der Fall ohne Schwerkraft. Mit Schwerkraft gibt es, soweit ich das gelesen habe, (bisher) keine geschlossene Lösung.
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Ich weiß nicht, ob es mit Aufgabe des Vortrages ist, zu diskutieren, wo die zweite Gleichung herkommt. Hier könnte man eventuell mit geometrischen Überlegungen zum Ziel kommen.

Wenn man sich jetzt eine beliebige Funktion u vorgibt, die an einen Rand stösst, müßte man sich irgendwie geometrisch überlegen können, daß der Randkontaktwinkel durch einen Ausdruck wie auf der linken Seite der zweiten Gleichung gegeben ist (der Ausdruck mit dem Grenzwert). Mit geometrisch meine ich sowas wie "Cosinus des Randwinkels=Ankathete/Hypotenuse" und dann versuchen diese Katheten und Hypotenusen in Termen der Funktion u darzustellen.

Um die Gleichung dann als Nebenbedingung zur Parameterbestimmung nutzen zu können, nutzt man aus, das der Randkontaktwinkel ja eigentlich keine Unbekannte ist, sondern eine Stoffkonstante, die irgenwer schonmal experimentell bestimmt hat, und die sich (zumindest in Schwerelosigkeit) immer einstellt, und nur von den beiden Medien abhängig ist (also zum Beispiel Wasser und Glas), ganz egal, ob das Glasröhrchen 1mm oder 5cm Durchmesser hat.




Tut mir leid, wenn das viele einzelne Schnipsel sind, und ich nur noch mehr Verwirrung stifte, ich hab leider immer ein paar Probleme, die Gedanken dann geordnet von Anfang bis Ende aufzuschreiben.
 
 
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RE: Kapillarrohr
Danke für deine vielen und ausführlichen Hinweise. Ich hab am Montag eh nochmal einen Termin bei ihm und da werde ich ihn nochmal löchern. Mir scheint auch so, dass er in seinem Skriptum einen Fehler gemacht hat, denn ich habe auch nachgerechnet und was anderes raus.

Falls noch Fragen auftauchen, stelle ich die nochmal rein. Also nochmals danke.
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