p(X1 oder X2 oder X3) = was?

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gondi Auf diesen Beitrag antworten »
p(X1 oder X2 oder X3) = was?
Liebe Leute, die ihr was von Mathe versteht,

p(A oder B oder C) = p(A) + p(B) + p(C) - p(A und B) - p(A und C) - p(B und C) + p(A und B und C)

Ich glaube, die Gleichung heißt Sylvestergleichung.

p(A oder B oder C) <= p(A) + p(B) + p(C)

Und die Boole Inequality oder so.

Eine Versuchsperson soll auf drei Reize A, V und T in der gleichen Weise reagieren, so schnell sie kann auf einen Knopf drücken. Wenn sie die drei Reize voneinander unabhängig verarbeitet wie in der angehängten Grafik (ganz links), dann würde man z.B. folgendes vorhersagen:

A=auditiver Reiz, V=visueller Reiz, T=Tastreiz
schnelle Reaktion z.B. unter 200 ms

p(schnelle Reaktion auf A) = 0.10
Ich kürze das mit p(A) ab.
p(V) = 0.08
p(T) = 0.12

Gibt man alle drei Reize:

p(AVT) = p(A oder V oder T), das kann man dann ausrechnen wie oben.

Wenn sie aber schneller ist, also p(AVT) > 0.10+0.08+0.12, dann kann man davon ausgehen, dass
die Informationen aus den Sinnessystemen nicht parallel verarbeitet werden, sondern irgendwie
integriert werden.

Hierfür sind nun unterschiedliche Modelle denkbar, vgl. Attachment. Ich würde gerne ein paar
Vorhersagen daraus ableiten. Soweit bin ich schon:

1. von links
p(AVT) <= p(A) + p(V) +p(T)

2. von links
p(AVT) <= p(AT) + p(V)

3. von links
p(AVT) <= p(AT) + p(VT) - p(T)
[hier gibt es ein Problem, "- p(T)" sollte ich schon genauer beweisen]

4. von links
p(AVT) <= p(AT) + p(VT) + (AV) - p(A) - p(V) - p(T) + p(A und V und T)
[hier gibt es gleich mehrere Probleme]

Ich antworte mir gleich selbst und beginne mit den "Beweisen", so gut das ein Psychologe
halt hinbekommt, hoehoe.

Vielen Dank für das Interesse,

Matthias



[Modell 1 ganz links]

Also,

das Modell 1 besagt ja nur, dass zu einem Zeitpunkt t genau dann eine Reaktion "R" ausgelöst wird,
wenn sie entweder vom A, V, oder T-Kanal ausgelöst wird.

Wenn also alle drei Kanäle gleichzeitig stimuliert werden, dann sollte gelten:

p(RT < t | AVT) <= p(RT < t | A) + p(RT < t | V) + p(RT < t | T)

Oder in Kurzfassung:

p(AVT) <= p(A) + p(V) + p(T)

genauer (n = Schnittmenge):

p(AVT) = p(A) + p(V) + p(T) - p(A n V) - p(A n T) - p(V n T) + p(A n V n T)

Richtig?



[Modell 2, zweites von links]

In der zweiten Grafik laufen die Informationen aus A und V zusammen, dadurch gibt es schnellere Antworten. Der schnellere von "AV" und "T" löst dann die Reaktion aus:

p(AVT) = p(AV oder T) = p(AV) + p(T) - p(AV und T)

mir reicht erstmal:

p(AVT) <= p(AV) + p(T)

Ich glaube, bis hier hin funktioniert es noch ganz gut. Probleme gibt es mit dem nächsten Modell.



[Modell 3, drittes von links]

p(AVT) = p(AT oder VT) = p(AT) + p(VT) - p(AT n VT)

p(AVT) <= p(AT) + p(VT) - p(T), wenn man zeigen kann, dass p(T) <= p(AT n VT)

Ich versuche das mal:
1. Reagiert eine Person auf T innerhalb von 200 ms, dann kann man davon ausgehen, dass sie
auch innerhalb von 200 ms auf AT reagiert: T ist also "Teilmenge" von AT
2. T ist also Teilmenge von AT
3. T ist Teilmenge von VT
4. dann auch: (T n T) ist Teilmenge von (AT n VT)
5. T n T = T, daher: T ist Teilmenge von (AT n VT)
6. p(T) <= p(AT n VT)

Funktioniert das so? Über den Kommentar eines Gelehrten würde ich mich arg freuen.



[Modell 4, viertes von links]

p(AVT)
= p(AV oder VT oder AT)
= p(AV) + p(VT) + p(AT) - p(AV n VT) - p(AV n AT) - p(AT n VT) + p(AT n VT n AV)

p(AVT)
<= p(AV) + p(VT) + p(AT) - p(V) - p(A) - p(T) + p(AT n VT n AV)

denn wie in Modell 3 bereits gezeigt:
1. p(V) <= p(AV n VT)
2. p(A) <= p(AV n AT)
3. p(T) <= p(AT n VT)

Jetzt müsste man noch zeigen, dass

p(AVT)
<= p(AV) + p(VT) + p(AT) - p(V) - p(A) - p(T) + p(A n V n T)

So sah es zumindest in einer Simulation aus. Auf den ersten Blick erscheint es mir eher, dass
p(AT n VT n AV) größer ist als p(A n V n T). Ich habe aber den Eindruck, dass dieser Unterschied
evtl. durch die Substitution von p(AV n VT) mit p(V) wieder wettgemacht würde.

Hat jemand Ahnung? Ich muss gestehen, dass ich zumindest den letzten Teil noch nicht so genau
untersucht habe, mir wäre schon geholfen, wenn die Gleichungen zu den Modellen 1-3 irgendwie beweisbar wären.

[Modell 5]

Macht keine Vorhersage. Wenn alles irgendwie integriert wird, kann natürlich alles und nichts rauskommen. Wenn die Vorhersagen der Modelle 1-4 verletzt werden, kann man Modell 5 annehmen.

Oh Jeh, ich hoffe, da meldet sich jemand auf den langen Post. Vielen Dank auf jeden Fall für das
Interesse.

Matthias
AD Auf diesen Beitrag antworten »

Wie ich im anderen Thread schon befürchtet habe: Ein Großteil deiner Probleme reultiert aus deiner wirren Symbolik.

Ich stelle mal dar, wie ich deine angegebenen Wahrscheinlichkeitswerte interpretiere, und zwar mit folgenden Ereignissen:

... Testperson wird auditivem Reiz ausgesetzt
... Testperson wird visuellem Reiz ausgesetzt
... Testperson wird Tastreiz ausgesetzt
... Testperson reagiert mit Reaktionszeit unter 200ms

Dann hast du meiner Ansicht nach folgende Werte vorliegen:





Und du interessierst dich nun für o.ä.

So wird meiner Meinung nach ein Schuh draus!



Und was du mit Unabhängigkeit o.ä. meinst, würde ich so modellieren: Erstmal noch ein paar weitere Ereignisse

... Testperson reagiert auf auditiven Reiz mit Reaktionszeit unter 200ms
... Testperson reagiert auf visuellen Reiz mit Reaktionszeit unter 200ms
... Testperson reagiert auf Tastreiz mit Reaktionszeit unter 200ms

Dabei soll



angenommen werden, d.h., die (Teil-)Reaktionszeit auf auditiven Reiz soll von den anderen Reizformen unabhängig sein. Analoges soll für und gelten.


Und "unabhängige Reaktion" auf die einzelnen Reize würde dann meines Erachtens einfach



bedeuten.
gondi Auf diesen Beitrag antworten »

Wegen der Symbole: Oh je, so schlimm?

Noch ein paar Anmerkungen: Es hat sich eingebürgert, Kontextfreiheit und Unabhängigkeit zu unterscheiden:

Kontextfrei: Reaktion auf A ist unabhängig davon, welcher Reiz (A, AV, oder TAV) dargeboten wird.
[würde z.B. verletzt, wenn ich in den ersten 5 Minuten nur A, in den nächsten 5 Minuten nur V, und
in den nächsten 5 Minuten nur AV darbieten würde.]

Unabhängig: Innerhalb einer Reaktion auf AV ist die Teilreaktionszeit auf A unabhängig von der
Teilreaktionszeit auf V.
[würde z.B. verletzt, wenn sich die Versuchsperson mal auf den auditiven, mal auf den visuellen Kanal
"konzentriert" -> negative Korrelation].

Ich gehe mal von Kontextfreiheit aus, das hast Du ja gewissermaßen schon rausgelesen.
Unabhängigkeit brauche ich erst einmal nicht...

Was Deine Schlußfolgerung betrifft: p(AVT) = p(A u V u T) ja, wenn Modell 1 angenommen wird.

Aber: Diese Vorhersage wird in der Regel verletzt, die Reizinformationen also irgendwie integriert.
Und hier kann man nun fragen, nach welchem Modell? 2, 3, 4 oder 5? Nach Modell 2 führt das
gemeinsame Darbieten von A und T zu einer schnelleren Reaktion. Daher lautet die Vorhersage
"der schnellere von [AT] und V löst als erstes die Reaktion aus". Wegen Kontextfreiheit (s.o.) kann
man die Reaktionszeit auf einen auditiv-taktilen Zweifachreiz heranziehen,

p(ATV) = p(AT u V)
p(ATV) <= p(AT) + p(V)

p(AT) darf hierbei durchaus größer sein als p(A) + p(T), die Vorhersage von Modell 2 ist also etwas
strenger als die von Modell 1. Sie kann aber durchaus verletzt werden, wenn die Vpn z.B. auch
von der simultanen Darbietung von V und T profitiert (wäre dann mit Modell 3 vereinbar).

Ich hoffe, damit wird die Motivation meiner Frage etwas klarer. Erst einmal übrigens vielen Dank
für die regen Zuschriften, ich bin ja schon fast etwas beschämt.

Viele Grüße,

Matthias
jovi Auf diesen Beitrag antworten »
RE: p(X1 oder X2 oder X3) = was?
Ich habe eine Frage:
ist der Plan erst die Modelle aufstellen und dann Versuche durchführen und nachschauen, welches Modell am besten passt ?

mir erscheinen deine Ungleichungen dafür etwas zu grob.
Und wenn Modell 1) nicht passt, was ja zu befürchten ist, dann musst du wohl schon generell davon ausgehen,
dass die Wahrscheinlichkeiten nicht unabhängig voneinander sind.
Am sinnvollsten scheint mir erstmal alle Wahrscheinlichkeiten
P(A), P(T), P(V), P(AT), P(AV), P(VT), P(AVT) exper. anzunähern
und dann zu überprüfen, welches Modell dazu am besten passt.
Ist so was in der Art geplant, oder kennst du die Wahrscheinlichkeiten schon ?
AD Auf diesen Beitrag antworten »

@gondi

Um deine Gleichungen überhaupt verstehen zu können, muss ich nochmal die Verbindung zu "ordentlichen" Wahrscheinlichkeiten ziehen:

Du betrachtest immer ,

wobei irgendein Ereignis, und das von mir oben genannte Ereignis ist. Stimmt das soweit?

Dann wäre einfach eine Ereignisfunktion, aber kein Wahrscheinlichkeitsmaß! Da muss man erstmal drauf kommen, eine solche zu Verwechslungen einladende Symbolik zu benutzen...
gondi Auf diesen Beitrag antworten »
RE: p(X1 oder X2 oder X3) = was?
Die Daten wurden bereits erhoben. Ich möchte nun halt wissen, welchem Modell sie genügen.
Einen Punkt sollte ich evtl. nochmals herausstellen: Wenn die Gleichung zu Modell 1 nicht eingehalten
wird, bedeutet das, dass das System an irgendeiner Stelle von der redundanten Information profitiert.
Mit "Unabhängigkeit" hat es eigentlich erst einmal nichts zu tun.

Die Wahrscheinlichkeiten habe ich ausgerechnet, sie genügen so im Großen und Ganzen Modell 4. Die
Frage ist natürlich, ob ich die Modellgleichungen richtig abgeleitet habe. Deswegen habe ich mich an
das Forum gewendet. Um es gleich vorweg zu nehmen: In der mathematisch-psychologischen
Literatur bin ich bisher nicht fündig geworden. Es gibt einen Artikel, in dem die Gleichung zu Modell 3
verwendet wird, ohne sie allerdings herzuleiten.
 
 
gondi Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Arthur Dent
@gondi

Um deine Gleichungen überhaupt verstehen zu können, muss ich nochmal die Verbindung zu "ordentlichen" Wahrscheinlichkeiten ziehen:

Du betrachtest immer ,

wobei irgendein Ereignis, und das von mir oben genannte Ereignis ist. Stimmt das soweit?

Ja. So meine ich es.
A := "Versuchsperson reagiert innerhalb von 200 ms auf auditiven Reiz"
p(A) := "Anteil der Reaktionen auf auditiven Reiz, die schneller als 200 ms sind."
p(AV) := "Anteil der Reaktionen auf auditiv-visuellen Doppelreiz, die schneller als 200 ms sind."
usw. Oh Jeh, tut mir echt leid, das sind so "Gepflogenheiten".

[Wobei 200 ms willkürlich ist, aber natürlich in allen Bedingungen gleich.]
jovi Auf diesen Beitrag antworten »
RE: p(X1 oder X2 oder X3) = was?
Jetzt bin ich mal etwas neugierig:
wie lauten denn die Daten, hast du alle Wahrscheinlichkeiten ?
Wie errechnet ? smile
gondi Auf diesen Beitrag antworten »
RE: p(X1 oder X2 oder X3) = was?
Ich habe jeweils 100 (weiß nicht mehr genau) Reaktionen auf die Reize A, V, T, AV, AT, VT, AVT
erhoben. Und dann einfach gezählt, wieviele unter 200 ms liegen, und durch 100 geteilt,
um p(A), p(V) usw. zu erhalten. Kein Hexenwerk. Man nimmt natürlich nicht nur 200 ms, sondern
teilt die Verteilung z.B. in bins von jeweils 10 ms, "kumulierte Häufigkeitsverteilung".

Man sollte da noch Ausreißerkontrollen machen und evtl. auch die sog. "kill-the-twin"-Prozedur
anwenden. Kontaktiere mich persönlich, dann kann ich Dir dazu Informationen schicken. Mir geht's
ja gerade eher um die Modelle, ich gehe mal davon aus, dass die Daten soweit "sauber" sind.

Viele Grüße,

Matthias
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