Projektive Geometrie

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Mönchen Auf diesen Beitrag antworten »
Projektive Geometrie
Hallo ihr,
ich habe mich in der letzten Woche mit dem Thema "Projektive Geometrie" beschäftigt und bin dann bei wikipedia.de auf etwas getroffen, was ich nicht ganz verstehe.
Hier der Ausschnitt (es geht um die Gesetze des bekannten projektieven Raums):
(1) Sind P und Q zwei verschiedene Punkte, so gibt es genau eine Gerade, die mit P und Q inzidiert.
(2) Sind A,B,C und D vier Punkte, so dass AB und CD mit einem gemeinsamen Punkt inzidieren, so inzidieren auch AC und BD mit einem gemeinsamen Punkt.
(3) Jede Gerade inzidiert mit mindestens drei Punkten.
(4) Es gibt mindestens zwei verschiedene Geraden.

Mit dem ersten Punkt habe ich noch überhaupt kein Problem und es ist noch alles verständlich. Aber ich komme mit den anderen drei Punkten nicht klar.
Wie können sich AC und BD denn schneiden, wenn sich AB und CD auch schneiden? Und ist es nicht logisch, dass eine Gerade mindestens mit drei Punkten inzidiert? Sie muss das ja schließlich tun sonst wäre es ja keine Gerade. Sie inzidiert ja auch mit mindestens zb. 10 Punkten, oder? Und ist der letzte Punkt auch eine Ebene bezogen?

unglücklich Ich komm voll nicht mehr klar. Bitte um Hilfe Erstaunt1
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »
Projektive Geometrie
Geometrie bedeutet, man hat "Punkte" und "Geraden" und dafür gelten die Axiome. Je nachdem, wie man die Axiome wählt, ergibt sich eine entsprechende Geometrie (Euklidische G., Affine G., Projektive G., Riemannsche G., Elliptische G., Hyperbolische G., etc., ...)
Bitte glaube nicht, Du wüsstest, was eine "Gerade" oder ein "Punkt" sei. Diese Begriffe gelten nur im Kontext der jeweiligen Geometrie, und die Dinge sehen immer wieder anders aus. Sonst wär's doch heute noch genau so langweilig wie in der Zeit von Euklid (lange her) bis Gauß (1777-1855).
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Projektive Geometrie
Nachtrag zu meiner Antwort. Auf Wikipedia findest Du ein Bild der Fano-Ebene. Dsa ist die kleinstmögliche projektive Ebene, sie hat 7 "Punkte" und 7 "Geraden", und dafür gelten die Axiome 1-4. Natürlich gibt es beliebig viele (grössere) Beispiele, also projektive Räume mit vielen oder unendlich vielen "Punkten" und "Geraden".
Ein Standardbeispiel für projektive Geometrie : Man nehme einen Vektorraum, "Punkte" sind die eindimensionalen Untervektorräume, "Geraden" sind die zweidimensionalen Untervektorräume.
Und da es gigantisch viele interessante Vektorräume gibt, gibt es mindestens gigantisch viele interessante projektive Geometrien. Trotzdem alles ganz einfach, denn alles was in einer projektiven Geometrie wahr ist (also aus den Axiomen folgt), gilt in allen projektiven Geometrien.
Mönchen Auf diesen Beitrag antworten »

Mein Problem ist, dass ich die letztens drei Axiome schon nicht verstehe...
system-agent Auf diesen Beitrag antworten »

Vielleicht noch eine weitere Erklärung zu Elvis Beiträgen:

Du gehst in deiner Vorstellung von dem aus was du kennst und genau da liegt das Problem:
Stell dir eine beliebige Menge vor [irgendeine Menge, es könnte auch die Menge von Autos oder sonstwas sein] und von dieser Menge nimmt man eine Menge von Teilmengen . Man tauft dann alle Elemente von als "Punkte" und alle Elemente von als "Geraden".
Genau dann heisst mit der soeben festgelegten Menge von "Punkten" und "Geraden" eine Projektive Geometrie, wenn die vier Axiome gelten.

Nun zu den Axiomen selbst:
(1) "(Geradenaxiom) Sind P und Q zwei verschiedene Punkte, so gibt es genau eine Gerade, die mit P und Q inzidiert."

Das bedeutet, dass zu den zwei verschiedenen Punkten und eine Gerade aus [beachte: ist eine Menge von Teilmengen !!] gibt so, dass .

(2) "(Veblen-Young-Axiom) Sind A, B, C, D vier Punkte, so dass AB und CD mit einem gemeinsamen Punkt inzidieren, so inzidieren auch AC und BD mit einem gemeinsamen Punkt."

Das bedeutet, falls die Gerade und die Gerade sich in einem Punkt treffen [=inzidieren], dann treffen sich auch die Geraden und in einem Punkt.

(3) "(1. Reichhaltigkeitaxiom) Jede Gerade inzidiert mit mindestens drei Punkten."

Das bedeutet, dass jede Gerade mindestens 3 Punkte enthält oder formaler: Für jede Gerade gilt .

(4) "(2. Reichhaltigkeitaxiom) Es gibt mindestens zwei verschiedene Geraden."

Das sollte ziemlich klar sein, aber formal heisst es einfach .

Man muss es immer wieder betonen: du musst dir erstmal klar machen, dass das hier nicht Geraden in dem Sinne und in der Gestalt sind wie du es dir vorstellst. Die Geraden sind einfach gewisse Teilmengen deiner Grundmenge !
Mönchen Auf diesen Beitrag antworten »

Gott

Hört sich zwar etwas blöd an, aber wenn ich mir das mit Autos und einer Menge von Teilmengen vorstelle, verstehe ich es auf einmal Big Laugh

Danke Freude
 
 
Mönchen Auf diesen Beitrag antworten »

Ist mit der Richtung in "eine Ferngerade ist die Richtung einer Ebene im Raum" der Richtungsvektor gemeint?
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »
projektive Geometrie, Ferngerade
Hallo, die Sache mit der "Ferngerade" kommt ebenso wie die allgemeine Vorstellung von "Gerade" aus einer jahrtausendealten Geschichte der Mathematik.
Lange Zeit gab es nichts als die gute alte "euklidische" Geometrie, und die meisten Menschen, Mathematiker und Philosophen haben geglaubt, dass unsere Welt, in der wir leben, so sei, wie es die euklidische Mathematik beschreibt. Ist aber nicht so: Albert Einstein, Relativitätstheorie, lehrt uns seit über hundert Jahren, daß wir in einer gekrümmten Raumzeit leben. Das ist ein hübsches Beispiel für "riemannsche" Geometrie, und die ist nicht "euklidisch".
Man hat versucht, aus der "euklidischen" Geometrie eine "projektive" Geometrie zu machen, indem man zur Menge der euklidischen Geraden einer euklidischen Ebene eine sogenannte "Ferngerade" dazunimmt, und das kann man sich so irgendwie als die Menge der "Richtungen" paralleler Geraden vorstellen. Wenn man das macht, "schneiden" sich parallele Geraden. Aber auch das ist nur ein Modell von unendlich vielen Modellen für "projektive" Geometrie. Diese Idee der "Ferngerade" kann man auch heute noch in der "projektiven" Geometrie benutzen, um die Anschauung zu unterstützen. Wenn man will, kann man irgendeine beliebige Gerade zur "Ferngerade" erklären, man sagt dann auch, sie sei "unendlich" weit weg, aber auch das ist nur eine Sprechweise.
Die moderne Auffassung von Mathematik ist seit David Hilbert (um 1900) etwas anders: Man geht immer von Axiomen aus, und entwickelt daraus durch logische Ableitungen (Beweise) die Theorien.
jester. Auf diesen Beitrag antworten »

Und hier ist etwas ganz anschauliches aus der sphärischen (nichteuklidischen) Geometrie:

[attach]10065[/attach]

Zitat:
On a sphere, the sum of the angles of a triangle is not equal to 180°. A sphere is not a Euclidean space, but locally the laws of the Euclidean geometry are good approximations. In a small triangle on the face of the earth, the sum of the angles is very nearly 180. The surface of a sphere can be represented by a collection of two dimensional maps. Therefore it is a two dimensional manifold.


Quelle
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »
sphärische Geometrie
Ja nun, in der sphärischen Geometrie haben wir es aber doch immer noch mit euklidischer Geometrie zu tun. Die Kugel im 3-dimensionalen euklidischen Raum ist noch keine elliptische Geometrie. Kreise auf der Kugel sind Kreise in der Ebene, nämlich in einer euklidischen Ebene, die die Kugel schneidet. Auch Großkreise auf der Kugel, wie in diesem Beispiel der Äquator und zwei Längenkreise sind Kreise und keine Geraden im euklidischen Sinne.
In der euklidischen Geometrie ist die Winkelsumme im Dreieck gleich 2 rechte Winkel. Das sagt nichts über sphärische Dreiecke aus, bei denen die Winkel zwischen Großkreisen gemessen werden.
Zur elliptischen Geometrie kommt man von der sphärischen Geometrie dadurch, daß man die Großkreise als "elliptische Geraden" definiert UND Antipoden (das sind gegenüberliegende Punkte) identifiziert, d.h. als EINEN "Punkt" auffaßt. Ohne diese Antipodenidentifikation habe zwei Großkreise ZWEI Schnittpunkte, nach einem geometrischen Axiom schneiden sich zwei "Geraden" in EINEM "Punkt".
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »
Nachtrag zu "Ferngerade" in der projektive Geometrie
Hallo, ich möchte noch ein paar Anmerkungen zum Thema "Ferngerade" machen.
Zeichne bitte auf ein Blatt Papier eine Ellipse (z.B. einen Kreis), zeichne dann eine Gerade, die den Kreis nicht schneidet. Soweit ist das euklidische Geometrie in der Ebene. Jetzt nennen wir die Gerade "Ferngerade" oder auch "unendlich ferne Gerade". Dann ist die Ellipse auch eine Ellipse in der projektiven Geometrie.
Zeichne auf ein anderes Blatt Papier eine Ellipse, zeichne eine Gerade, die den Kreis in genau einem Punkt berührt (d.h. eine Tangente), das ist euklidisch. Wieder nennen wir die Gerade "unendlich ferne Gerade". Jetzt ist der Berührungspunkt kein "eigentlicher Punkt" sondern ein "unendlich ferner Punkt". Was in der euklidischen Geometrie wie eine Ellipse aussieht, ist in der projektiven Geometrie ein Parabel.
Zeichne auf einem weiteren Blatt Papier eine Ellipse, zeichne eine Gerade, die den Kreis (in zwei Punkten) schneidet, bis jetzt wieder alles euklidisch. Die Gerade nennen wir "unendlich ferne Gerade", plötzlich ist aus der euklidischen Ellipse ein Gebilde mit zwei Zweigen geworden, die gegen unendlich (nämlich gegen die unendlich ferne Gerade) streben, also ist das eine Hyperbel in der projektiven Geometrie.
jester. Auf diesen Beitrag antworten »
RE: sphärische Geometrie
Zitat:
Original von Elvis
Ja nun, in der sphärischen Geometrie haben wir es aber doch immer noch mit euklidischer Geometrie zu tun.


Wie jetzt? Das Dreieck auf der Kugel mit Innenwinkelsumme 230° ist euklidisch?! verwirrt
Huggy Auf diesen Beitrag antworten »
RE: sphärische Geometrie
Keine Panik!
Das ist eine Frage des Gesichtspunktes.

Wenn man die Oberfläche der Kugel als Teil des 3-dimensionalen euklidischen Raumes betrachtet, dann befindet man sich in der euklidischen Geometrie. Dann ist dein 'Dreieck' aber auch kein Dreieck, denn es wird ja von Kreisen berandet und nicht von Geraden.

Wenn man dagegen die Großkreise auf der Kugeloberfläche zu 'Geraden' definiert, dann hat man eine nichteuklidische Geometrie.

Und wenn du den Beitrag von Elvis noch mal liest, so findest du dort beide Gesichtspunkte aufgeführt.
jester. Auf diesen Beitrag antworten »

Verstehe (ein wenig). Big Laugh

Das ist echt nicht uninteressant. Wenn ich ein bisschen Zeit dafür finde, werde ich mich in dieses Thema mal reinlesen. Ich fand nur das Kugeldreieck sehr interessant und vor Allem hielt ich es in diesem Bild für ein sehr anschauliches Beispiel. smile

Edit: Kann jemand Literatur zu diesem Thema empfehlen? Welche Vorkenntnisse sind nötig?
Huggy Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von jester.
Ich fand nur das Kugeldreieck sehr interessant und vor Allem hielt ich es in diesem Bild für ein sehr anschauliches Beispiel. smile

Das ist es auch!
Die Kugeloberfläche, mit den Großkreisen als Geraden definiert, ist ein sehr instruktives und gleichzeitig anschauliches Beispiel für eine nichteuklidische Geometrie.

@Edit
Wenn du mehr an den Ideen als am Formalismus interessiert bist, empfehle ich:
Richard Trudeau: Die geometrische Revolution
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »
nichteuklidische Geometrie
Hallo, das Beispiel mit dem Kugeldreieck ist tatsächlich sehr wichtig und interessant. We ich schon geschrieben habe, kann man es auf (mindestens) zwei verschiedene Arten betrachten, und es kommt eben sehr genau darauf an, was man unter den Begriffen "Punkt", "Gerade", "Dreieck", "Winkel", "Kreis", "Ebene", etc. versteht.
Eines meiner liebsten Bücher zum Thema ist "Geometry of Surfaces" von John Stillwell, Universitext, Springer Verlag, ISBN 0-387-97743-0
Das Buch enthält sehr viel Wichtiges über euklidische, elliptische und hyperbolische Flächen. Es baut konsequent auf dem Begriff der "Isometrie" auf, das sind "abstandstreue" Selbstabbildungen. Isometrien bilden Gruppen (-->Algebra), das sind die Gruppen, die Felix Klein als grundlegend für die Geometrie erkannt hat.
Das einfachste Beispiel lernt man schon in der Schule kennen. In der euklidischen Geometrie untersucht man Translationen, Drehungen und Spiegelungen. Jede Isometrie der euklidischen Ebene lässt sich durch höchstens drei Spiegelungen darstellen.
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