Wirklichkeitsaussagen und rein logische Aussagen

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FS Auf diesen Beitrag antworten »
Wirklichkeitsaussagen und rein logische Aussagen
Liebes Forum! Ich fand folgendes Zitat:
Wirklichkeitsaussagen unterscheiden sich von rein logischen Aussagen. Daß die Falschheit eines in sich widerspruchvollen Satzes (Kontradiktion) aus logischen Gründen behauptet werden kann und daß die Kontradiktion somit a priori als falsch erwiesen werden kann, meinen sowohl Empiristen als auch Rationalisten. Ebenso akzeptieren beide Positionen die a priorische Wahrheit einer Tautologie. In Bezug auf analytische Urteile sind sich die gegenüberstehenden Positionen also einig.
http://www.fb12.uni-dortmund.de/archiv/wtheorie/JPEG/POPPER3.HTM
Sind Wirklichkeitsaussagen semantische Aussagen und rein logische Aussagen syntaktische Aussagen?
Ist es korrekt, bei rein logischen Aussagen von wahr und falsch zu reden?
Gruß FS
addor Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Wirklichkeitsaussagen und rein logische Aussagen
Das ist eine sehr interessante Frage, gehört aber eindeutig in die Philosophie und nicht in die Mathematik. Ich könnte mir vorstellen, dass Du hier kaum Antworten findest. Überhaupt kann Deine Frage wohl kaum abschliessend beantwortet werden können, denn es kommt auf den Standpunkt an. Popper, Kant, Aristoteles, Spinoza, etc. könnten wohl tagelang darüber streiten.

Mir scheint die Unterscheidung von Wirklichkeitsaussagen und logischen Aussagen nicht mehr zeitgemäss zu sein. Du weisst ja: jede Zeit hat ihre Fragen. In der Scholastik war es die Frage nach der Anzahl Engel, die auf einer Nadelspitze tanzen können, während sich die Leute in der Aufklärung für eine möglichst hohe Diche des Glücks interessierten und es heute vielleicht eher um den Messprozess (Kollaps der Psi-Funktion) oder um das Zustandekommen des Bewusstseins geht.

Auf Grund der Erkenntnisse, welche die Gehirnforschung heute ausweisen kann, muss der Empirismus seine Position überdenken. "Empirisch" heisst, Erkenntnisse aus der Erfahrung heraus zu gewinnen. Erfahrung hat etwas mit Wahrnehmung zu tun. Was wir aber wahrnehmen, hat offenbar wenig mit Wirklichkeit zu tun. Empirischen Aussagen haftet daher grösste Unsicherheit an.

Es bleiben logische Aussagen, die in der Tat "richtig" oder "falsch" sein können. Ich vermeide des Terminus "falsch" wenn möglich, eben, weil eine logisch inkorrekte Aussage nicht immer "falsch" sein muss, je nach Theorie, die man unterlegt. Die Aussage "" (mit -p für "nicht p") ist in der formalen, binären Aussagelogik "falsch", aber es ist leicht, im "richtigen Leben" Gegenbeispiele zu konstruieren (z.B. Senge-Archetyp "Fixes that Fail"), wobei wir uns hierzu der "ungenauen" Umgangssprache bedienen müssen und somit aus der formalen Aussagelogik heraus fallen. Also sage ich bei rein logischen Aussagen lieber "widerspsuchsfrei" und "widersprüchlich", anstatt "wahr" oder "falsch".

Die Beispiele im zitierten Text fordern denn auch schnell Kritik heraus. Warum (a+b)c=ac+bc eine analytische Aussage sein soll, (a+1)c=ac+c hingegen nicht, entbehrt jeder vernünftigen und wissenschaftlichen Grundlage. Der Autor ist bestimmt kein Mathematiker.
Mystic Auf diesen Beitrag antworten »

Irgendwie ist mir da sofort Einstein eingefallen mit seinem

"Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit."

Ich glaube. dass analytische Aussagen, die im strengen Sinne des Wortes wahr oder falsch (und nichts anderes sein können), nur in der Mathematik vorkommen und dann eigentlich immer in einem sehr weit gefaßten Sinn trivial sind...
addor Auf diesen Beitrag antworten »

Ah ja, das wollte ich noch sagen: Wahre mathematische, also logische Aussagen, sind Tautologien, da hast Du recht. Aber es verlangt zuweilen ein hohes Mass an Kreativität, um die Aequivalenz zweier Aussagen zu zeigen.

Und zum Thema: man kann sich fragen, weshalb unsere Beobachtung der Wirklichkeit oftmals durch (sichere) mathematische Aussagen beschrieben werden können, obwohl sich gemäss Einstein sichere Aussagen nicht auf die Wirklichkeit beziehen.

Beobachten wir bloss, was sich durch Mathematik beschreiben lässt? Oder mit anderen Worten: ist unsere Wahrnehmung, obwohl sie nicht im geringsten mathematisch funktioniert, ausschliesslich auf mathematische Zusammenhänge sensitiv?
addor Auf diesen Beitrag antworten »

Mich interessiert aber vielmehr, warum

(a+b) c = ac + bc eine analytisch Aussage ist ("es handelt sich um ein Axiom"), während (a+1)c = ac + c eine synthetische ist ("[es] handelt [sich] nicht um ein Axiom, sondern um eine Ableitung"), obwohl doch auch 1a = a analytisch ist ("es handelt sich um ein Axiom"), wie es in dem von Dir zitierten Artikel heisst.

Ich wundere mich doch etwas über die Argumentation des Autors. Nach ihm wären nur Axiome analytische Aussagen, während die Kombination von Axiomen bereits synthetische Aussagen sind.

Wenn ich mal "analytische Aussage" mit "logisch Aussage" und "synthetische Aussage" mit "empirische Aussage" (="Wirklichkeitsaussage") übersetze, dann wäre fast die gesamte Mathematik eine empirische Wissenschaft, denn alle mathematischen Sätze und Lemmata sind eine komplizierte Kombination von Kombinationen von Axiomen.
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