Zwei Zugänge zum Dualraum, die ich nicht zusammen kriege

Neue Frage »

scitor Auf diesen Beitrag antworten »
Zwei Zugänge zum Dualraum, die ich nicht zusammen kriege
Meine Frage:
Hallo an alle Leser_innen,
ich brauche ein besseres Verständnis von Dualräumen. Ich habe auch schon einige Threads zum Thema angeschaut, bin aber noch nicht zufrieden. Im Folgenden Versuche ich also meine Unklarheiten zu entwicklen. Grundsätzlich hab ich zwei verschiedene Zugänge zum Dualraum

Zugang 1: Die Kenntnisse über die Körper-und Vektorraum-Axiome vorausgesetzt, ist der Dualraum V* eines K-Vektorraumes V die Menge aller Linearformen von V, die in seinen Körper K abbilden, wobei eine Abbildung u von V nach K genau dann eine Linearform ist, wenn gilt:
u(ax + by) = a*u(x) + b*u(y) für a,b aus K, x,y aus V
Damit wäre z.B. die Abbildung, welche jeden Vektor auf seine erste Komponente abbildet eine Linearform, oder die Abbildung, welche alle Komponenten addiert, oder zum Beispiel eine Abbildung die zwei Vektoren in der Art und Weise eines Skalarproduktes eine Zahl zuordnet... Tatsächlich ist mir das aber bis jetzt noch zu abstrakt um ehrlich behaupten zu können, ich hätte verstanden was einen Dualraum ausmacht oder so besonders macht. An dieser Stelle will ich meinen zweiten Zugang zum Dualraum erklären.

Zweiter Zugang: Im Zuge der Entwicklung der Quantenmechanik hat P.Dirac eine Art alternativer Notation für die Matrixnotation entwickelt, die aber im Prinzip gleich ist. (Die "Bra-Ket"-Notation, wobei ein "Bra" als Zeilenvektor und ein "Ket" als Spaltenvektor zu verstehen ist, beide mit komplexen Einträgen). Hierbei gebe es zu jedem "Ket" einen ganz speziellen "Bra", wobei dieser "Bra" das Dualelement zu dem "Ket" sei. Gebildet wird der "Bra" durch transponieren und komlex konjugieren des "Ket". Die Menge der "Kets" bildet also den Vektorraum, und die Menge der "Bras" bildet den Dualraum. (Ich benutze das "Bra-Ket"-Beispiel, weil ich hierzu schwarz auf weiss hab, dass die "Bras" den Dualraum zu den "Kets" bilden. Ich hoffe das sorgt nicht für Verwirrung)

Probleme: Mir ist klar, dass ein Zeilenvektor nach den Regeln der Matrixmultiplikation auf einen Spaltenvektor angewendet eine Zahl ergibt (dieselbe wie beim Skalarprodukt). Dementsprechend sind die "Bras" - als Abbildungen aufgefasst - Linearformen und auch nach dem ersten Zugang auf jeden Fall Elemente des Dualraumes. Jedoch muss ich hier gutgläubig annehmen, dass es zu jeder denkbaren Linearform einen Zeilenvektor gibt, der diese vermittelt (ist das so? kann man das einfach allgemein zeigen) und außerdem ist aus der Definition des Vektorraumes aus Zugang 1 die spezielle Beziehung zwischen jeweils einem Element von V und einem Element von V* nicht herauszulesen, wie sie ja für den zweiten Zugang bezeichnend ist.
Naja, ich denke also, dass ich irgendwo noch grundsätzlichere Probleme hab. Wäre echt super wenn mich jemand drauf aufmerksam machen könnte.


Meine Ideen:
Die Basis eines Dualraumes V* muss ja die Bedingung erfüllen, dass jeder Basisvektor von V* jeden Basisvektor von V auf das Nullelement des Körpers abbildet, bis auf einen. Dieser eine muss auf das Einselement abgebildet werden, wobei jeder Basisvektor von V* einen anderen Basisvektor von V auf das Einselement abbildet. (Warum ist das eigentlich so). Dazu ist jeder Vektor aus V eine Linearkombination der Basisvektoren von V. Es könnte aus dieser Linearkombination eine spezielle Linearkombination für die Basisvektoren des Dualraumes abgeleitet werden, wobei diese dann einen speziellen Dualvektor bilden, der sich zum Vektor verhält wie der "Bra" zum "Ket". Oder so... naja, ich musste ja noch eine "Idee" bringen damit ich's abschicken kann.

Schöne Grüße
wisili Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Zwei Zugänge zum Dualraum, die ich nicht zusammen kriege
Zitat:
Original von scitor
Die Basis eines Dualraumes V* muss ja die Bedingung erfüllen, dass jeder Basisvektor von V* jeden Basisvektor von V auf das Nullelement des Körpers abbildet, bis auf einen. Dieser eine muss auf das Einselement abgebildet werden, wobei jeder Basisvektor von V* einen anderen Basisvektor von V auf das Einselement abbildet.


Nein, eine Basis in V* ist genau gleich definiert, wie eine solche in V; V und V* sind ja beides Vektorräume. Aber: Zu jeder Basis B von V gibt es eine «korrespondierende», zugeordnete Basis B* in V*; man nennt sie die duale Basis bezüglich B. Sie erlaubt eine besonders einfache (skalarprodukt-mässige) Berechnung der Werte der V-Linearformen (welche V* ausmachen).
scitor Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von wisili:
Nein, eine Basis in V* ist genau gleich definiert, wie eine solche in V; V und V* sind ja beides Vektorräume. Aber: Zu jeder Basis B von V gibt es eine «korrespondierende», zugeordnete Basis B* in V*; man nennt sie die duale Basis bezüglich B. Sie erlaubt eine besonders einfache (skalarprodukt-mässige) Berechnung der Werte der V-Linearformen (welche V* ausmachen).


Oh ja, da hab ich nicht mitgedacht. Aber was du in Klammern schreibst find ich interessant. Kannst du das nochmal erklären, was du mit "welche V* ausmachen" meinst. Ich überlege mir nämlich grade Folgendes: Wenn ich mir die Abbildung w: R³ -->R anschaue, die jedem Vektor v aus R³ seine erste Komponente zuordnet, dann unterscheidet sich der Wert dieser Linearform bei ein und demselben v, sofern v in derart verschiedenen Basen dargestellt ist, das sich eben die erste Komponente unterscheidet. Das heisst, ein und dieselbe Linearform würde auf verschiedene Werte abbilden, je nachdem in welcher Basis v dargestellt ist. Stimmt das? Und in dem Zusammenhang versteh ich nicht, wieso die Werte der Linearformen "V* ausmachen" sollen, bzw. was das überhaupt heissen soll.
Ehos Auf diesen Beitrag antworten »

Die Erklärung der dualen Größen mit Hilfe von Linearformen, ist aus formal mathematischer Sicht ok. Diese Erklärung ist für den Praktiker aber ziemlich unmotiviert und künstlich.

Die eigentliche Motivation für die Einführung der dualen Größen ist die Vereinfachung des Skalarproduktes. Angenommen wir wollen das Skalarpdukt folgender beiden Vektoren berechnen, die bezüglich einer gewissen Basis gegeben sind.

und

Wenn man die Basisvektoren als Zeilen einer Matrix B auffasst, kann man dafür einfacher schreiben

und

Das Skalarprodukt beider Vektoren lautet



Die Matrix "stört". Um sie zu beseitigen, stellt man den ersten Faktor des Skalarproduktes (oder den zweiten) bezüglich einer anderen Basis mit anderen Koordinaten dar, die wir mit Stern kennzeichnen. Dann lautet das Skalarprodukt



Um die störende Matrix zu beseitigen, wählt man die neue Basis derart, dass gilt , oder umgestellt . Dann vereinfacht sich das obige Skalarprodukt zu



Damit ist die störende Matrix im Skalarprodukt weg. Das ist der Sinn der Sache!!! Die neue Basis und die neuen Koordinaten , welche diese Vereinfachung verursachen, bezeichnet man als duale Größen.


Dein Beispiel aus der Diracgleichung ist sehr speziell. In der relativistischen Quantenmechanik kann man das einfache Skalarprodukt nicht anwenden. Dort gilt - wie immer in der Relativitätstheorie - ein verallgemeinertes Skalarprdokukt, wo die Beträge von Vektoren auch negativ werden können. Das zu erläutern würde hier zu weit führen. Die Sache ist aber ähnlich wie oben erklärt wurde.
wisili Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von scitor
... wieso die Werte der Linearformen "V* ausmachen" sollen ...


Das ist ein grammatikalisches Missverständnis. Worauf bezieht sich «welche»? Bei «der Werte der V-Linearformen (welche V* ausmachen)» meinte ich «die V-Linearformen bilden den V*», nicht die Werte.
scitor Auf diesen Beitrag antworten »

@ Ehos: Also danke mal für die lange Antwort. Mein Wissen rund um den Dualraum ist mit deiner Antwort um einen dritten Zugang erweitert worden. Leider versteh ich den erstens nicht ganz und er versetzt mich bisher nicht in die Lage meine Unklarheiten/ Fragen zu beseitigen. Ich will versuchen das zu präzisieren:

Die Vektoren und bezüglich der Basis ( und ) sind bei dir gleich den Ausdrücken und also wobei als Spalten die Basisvektoren von hat. (Hab ich das soweit richtig verstanden?)
Wenn ich das aufm Blatt nachrechne, dann ist bei mir aber keineswegs gleich , entsprechend hab ich hier schon ein Verständnisproblem

Dann hatte ich noch zwei Fragen:
1. Gibt es zu jeder denkbaren Linearform einen Zeilenvektor, der diese vermittelt.
2. Bei der "Bra-Ket" Notation spricht man davon, dass man zu jedem "Ket" (Vektor) einen dazugehörigen "Bra" (Dualvektor) finden kann. Diese spezielle Zugehörigkeit einer Linearform (vermittelt durch den "Bra") zu einem Vektor kann ich bisher gar nicht interpretieren, also was das sein soll, bzw. wie sie aus der abstrakten, formalen Definition des Dualraumes herausgelesen werden kann. Ich glaube aber, dass da bei mir noch ein grundlegenderes Verständnisproblem vorliegt.

Frage zu deiner Darstellung: Zielt die Wahl einer Basis derart, dass gilt gerade auf das Auffinden der korrespondierenden Basis des Dualraumes V* ab? Schon oder
 
 
Cugu Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Zwei Zugänge zum Dualraum, die ich nicht zusammen kriege
Zitat:
Original von scitor
Jedoch muss ich hier gutgläubig annehmen, dass es zu jeder denkbaren Linearform einen Zeilenvektor gibt, der diese vermittelt (ist das so? kann man das einfach allgemein zeigen)

Riesz, Fréchet 1907: Ein Hilbertraum ist isometrisch isomorph zu seinem topologischen Dualraum.
Ehos Auf diesen Beitrag antworten »

@scitor
Du hast mich falsch verstanden. Die rechte Seite des Ausdrucks ist eine spezielle Darstellung eines "absoluten" Vektors . Die sind die Basisvektoren und die sind dessen Koordinaten. Zur Abkürzung habe ich geschrieben , wobei ich die Basisvektoren zu Zeilen einer Matrix B zusammengefast habe und die Koordinaten zu einem Koordinatenvektor . man darf also nicht den "absoluten" Vektor mit dessen Koordinatenvektor verwechseln. Diese sind nur dann zahlenmäßig identisch, wenn man die Standardbasis verwendet.
-----------------
Frage 1:
Ja. Zum Beispiel kann man die mechanische Arbeit ("Arbeit = Kraft mal Weg") als Linearform auffassen. Dabei ist die Kraft ein fester Vektor, der jedem Wegvektor einen Skalar zuordnet - nämlich die Arbeit W

Frage 2:
Die Schreibweise mit den Bra- und Ket-Vektoren stammt von Dirac und wird nur in der Quantenmechanik angewendet. Diese Schreibweise, die ich persönlich etwas umständlich finde, bringt nichts Neues gegenüber anderen Schreibweisen. Es ist z.B. auch üblich, die dualen Größen mit einem Stern zu kennzeichnen oder dadurch, dass man die dualen Basisvektoren oben indiziert usw.. Die Art der Schreibweise ist völlig unwesentlich. Ich würde das nicht so wichtig nehmen.

Deine letzte Frage:
Ja, ist die Basis des Dualraumes.
scitor Auf diesen Beitrag antworten »

Ah, ok. Jetzt check ich wie das gemeint war. Danke.
Dennoch nochmal zu meiner zweiten Frage. Dass ich hier das "Bra-Ket" Beispiel genommen hab liegt nur daran, dass ich hierbei darauf gestoßen bin, dass es sowas wie eine besondere Beziehung zwischen je einem Element aus V und einem aus V* geben muss, es muss sozusagen bestimmte Paare geben. Im Prinzip muss ich dazu nicht das BraKet-Beispiel verwenden. Ich könnte einfach fragen: Welches Dualelement ist dem Vektor v = (2), v aus R zugeordnet (oder anders, mit welchem Dualelement bildet v = (2) das besondere Paar) und was hat es mit dieser Zuordnung/ diesem Paar auf sich? Ich weis damit irgendwie nix anzufangen, aber bei den BraKets bin ich eben drauf gestoßen, dass es sowas geben muss, ganz allgemein. (Nicht nur in dieser BraKet-Variante, eben weil das nur eine andere Notation für genau das gleiche ist)
Cugu Auf diesen Beitrag antworten »

Naja, du nimmst die und bildest sie mittels in den Dualraum ab. Das ist also das Funktional, dass eine Zahl mit multipliziert.

Im nimmst du entsprechend einen Vektor und bildest ihn mittels in den Dualraum ab. Das ist einfach das Funktional, das einen Vektor mit multipliziert.

Im nimmst du eine Funktion und bildest sie mittels in den Dualraum ab. Das ist einfach das Funktional, das einer Funktion das obige Integral zuordnet.

-------

Im Komplexen muss man jeweils noch komplex konjugieren.

-------

Naja, mit Bra-Ket kannst du das alles sehr einfach schreiben:
Zunächst ist der Isomorphismus. (1)
Du gibst nun einfach dem Funktional den Namen , so dass (1) zu wird.
Die obigen Beispiele sind nur Spezialfälle davon.

-------

Wenn du dich jetzt fragst, wozu brauche ich einen Dualraum, wenn der die , dem das und dem mehr oder weniger zugeordnet wird:
Das ist genau der Witz am Hilbertraum, der isometrisch isomorph zu seinem Dualraum und damit im Grunde gleich dem Dualraum ist.
Ehos Auf diesen Beitrag antworten »

@Scitor
Ich erkläre dir das nochmals an einem Beispiel:

Gegeben seien zwei "absolute" Vektoren bezüglich einer gewissen Basis folgende Basis des 2-dim. Raumes:




Auf der rechten Seite habe ich die Basisvektoren zu Spalten einer Matrix B zusammengefasst und die Koordinaten zu Koordinatenvektoren . Nehemn wir folgendes Zahlenbeispiel




Wir stellen dieselben Vektoren wie oben nun bezüglich dieser dualen Basis mit dualen Koordinaten dar, also




Die dualen Basisvektoren sind die Spalten der Matrix , also



Also lautet die konkrete Darstelung derselben "absoluten" Vektoren bezüglich der dualen Basis mit dualen Koordinaten




Wir bilden nun das Skalarprodukt der absoluten Vektoren



Das Skalarprodukt ist eine Invariante. Es muss also bezüglich jeder Basis denselben Wert ergeben. Wie man leicht durch Einsetzen nachrechnen kann, ergibt sich für das Skalarprodukt bezüglich beider Basen und derselbe Zahlenwert 16, also



Jetzt wird der Nutzen der dualen Größen deutlich. Stellt man nämlich einen der beiden Faktoren in der dualen Darstellung dar (egal welchen Faktor), dann "kürzt" sich die Basis raus. Man muss dann zur Berechnung des Skalarprdouktes nur die Koordinaten multiplizieren (wie bezüglich der Standardbasis) .



Im letzten Schritt haben wir die Definition der Standardbasis benutzt
canbay Auf diesen Beitrag antworten »

Ehos, Danke für die super Erklärung ...
Neue Frage »
Antworten »



Verwandte Themen

Die Beliebtesten »
Die Größten »
Die Neuesten »