Wissenschaftlichkeit

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Iridium Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Zellerli
@Iridium
Natürlich sind Jura und Medizin Wissenschaften!


Das kann man auch anders sehen.

Ich schließe nicht aus, daß es Juristen und Mediziner gibt, die wissenschaftlich arbeiten, aber die Mehrheit tut es nicht.

Zitat:
Original von Zellerli
Und genauso sind juristische Doktorarbeiten wissenschaftlich. Nur weil man da nicht mit Zahlen hantiert, gibt es darunter doch einige bemerkenswerte Arbeiten, die die Leistung von Arbeiten in der Ethik noch übertreffen und sehr präzise die Umsetzung gewisser Grundsätze in geltendes Recht herausarbeiten.


Wissenschaft hat nichts mit Zahlen zu tun. Das ist nur ein Aspekt. Wissenschaft hat etwas damit zu tun, ob man die wissenschaftliche Methode anwendet und darüber hinaus, ob man wirklich etwas Neues schafft bzw. entdeckt.

Jura ist lediglich ein menschliches Konstrukt. Ohne Frage wichtig, aber wo ist da die Wissenschaft? Vergleichen von Rechtsnormen ist jedenfalls keine. Die einen sind so willkürlich wie die anderen. Es gibt überhaupt keine Objektivität. Bloße Meinung und Behauptung. Nach einer gewissen Systematik vorgebracht, ja, aber systematisch ist auch vieles andere, ohne daß es den Rang einer Wissenschaft hat (z.B. die Homöopathie).

Bei der Medizin, zugegeben, sieht das noch ein bißchen anders aus. Da gibt es Anknüpfungspunkte zu objektivierbarem Wissen. Trotzdem ist der Dr. med. in den meisten Fällen ein Hohn gegenüber anderen Doktortiteln. Wenn man in der Medizin anspruchsvoll forschen will, dann kann man das übrigens tun. Offene Fragestellungen und Probleme gäbe es zuhauf. Das die meisten es trotzdem nicht tun liegt einfach daran, daß man es ihnen eben sehr leicht macht, den Dr. zu erwerben. Ebenfalls mehr aus historischen Gründen, weil ein Mediziner ohne Titel nicht ernstgenommen wird, jedenfalls von den meisten. Aber das ist ja genau das, was ich kritisiere. Wenn man sich die dünnen Bretter aussucht, muß man das schon aushalten.

Auch Psychologie ist in vielen Bereichen Wissenschaft. Aber Philosophie z.B., ein ewiges Wiederkäuen derselben Ideen in anderer Zusammenstellung. Und Theologie? Noch nicht mal das Objekt "Gott" ist definiert oder nachgewiesen.

Ob die statistische Auswertung so oft falsch ist, sei mal dahingestellt. Jedenfalls lernen Biologen und Soziologen viel mehr davon, während ihres Studiums. Anderenfalls sieht man auch in Nobelpreisartikeln von Physikern selten eine Fehlerfortpflanzung. Ist oft genug nämlich unnötig bis nicht praktikabel.

Zitat:
Original von Zellerli
Ich mag die Arroganz von Naturwissenschaftlern nicht, genauso wie ich die Ignoranz von Geisteswissenschaftlern nicht mag (hier muss ich allerdings die arroganten Mathematiker zu den Naturwissenschaflern zählen). Pfui!


Oh, ich bin Naturwissenschaftler, du brauchst mich also nicht zu den Mathematikern zu rechnen. Und ich mag die Arroganz der Naturwissenschaften. Früher dachte ich, es wäre höflicher, sich da zurückzuhalten und jedem seine Nische zu lassen. Aber mal ehrlich, wohin führt das? Was haben uns denn z.B. 2000 Jahre Theologie gebracht? Und was 200 Jahre Naturwissenschaft? Da du auf einem Computer Forenbeiträge im Internet schreibst, ist die Arroganz von Seiten der Naturwissenschaftler wohl nicht ganz unberechtigt, denke ich. Aber vielleicht bin ich auch gerade nur in einer arroganten Stimmung. Jedenfalls ärgert es mich extrem, wenn man sieht, wie zu Guttenberg betrogen und gelogen hat und sich bei seinem Rücktritt immer noch als der Unverstandene hinstellt, der Nachlässigkeiten begangen hat, weil er ja auch eine Familie hat und Verantwortung als Politiker tragen muß. Das sind völlig verdrehte Fakten. Genau das lernt man eben als Jurist. Und wenn Wissenschaft irgendetwas mit Wahrheit zu tun hat, dann ist Jura eben keine Wissenschaft.

Trotzdem bleibt es dir unbenommen, mich deswegen arrogant zu finden...ist schon ok...
Mystic Auf diesen Beitrag antworten »

@Iridium

Ui,ui, eine Breitseite gegen Mediziner, Juristen, Philosophen, Theologen zusammen mit einer gleichzeitigen Verteidigung der Arroganz der Naturwissenschaftler, vorgetragen mit der von dir gewohnten sprachlichen Brillianz... Du hast Glück, dass sich in diesem Forum viele Gleichgesinnte befinden, ansonsten würde das viel Staub aufwirbeln... Big Laugh

Aber ja, um jetzt auch inhaltlich etwas dazu zu sagen, die Arroganz der Naturwissenschaftler, so es sie denn gibt, ist nur zu berechtigt... Wenn ich z.B. im Fernsehen einen Bericht darüber sehe, wie man für Untersuchungen, wie weit der Homo sapiens sapiens mit dem dem Neandertaler verwandt ist, in mühevoller Kleinarbeit aus unzähligen Knochenstücken ein möglichst wenig "geeignetes" heraussucht, aus dem gewonnenen Knochenmehl die DNA in möglichst reiner Form herausfiltert und den natürlichen Mechanismus der DNA-Replikation zum Zwecke der Anreicherung benützt, mit mathematischen Methoden Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen aufspürt um dann schlußendlich herauszufinden, dass wir doch 2-4% vom Neandertaler in unserem Erbgut haben, dann ziehe ich meinen Hut vor den Naturwissenschaftlern und ich bin auch ein wenig stolz, dass auch die Mathematiker einen wichtigen Beitrag dabei geleistet haben...

Und ja, zunächst scheint es, als weiche dein Beitrag vom Thema hier ab, aber es ist schon so, dass es für einen Juristen - wenn ich jetzt insbesondere an Advokaten und Richter denke, oder eben auch als Politiker -, wichtiger ist, dass ihre Argumente überzeugend klingen als dass sie es auch sind... Das hat man auch in der ganzen Causa Guttenberg wieder sehr deutlich gesehen...
Airblader Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Iridium
Was haben uns denn z.B. 2000 Jahre Theologie gebracht? Und was 200 Jahre Naturwissenschaft?


Ohne Stellung zu beziehen - das war köstlich. Big Laugh Freude

air
Iorek Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Iridium
Was haben uns denn z.B. 2000 Jahre Theologie gebracht? Und was 200 Jahre Naturwissenschaft?


Auch wenn es langsam OT wird, das ist für mich ein Vergleich von Äpfel und Birnen. Wie würde unsere Welt denn aussehen, wenn wir auf jegliche Religion verzichtet hätten? Ich bezweifle mal, dass ein Naturwissenschaftler sich um die Aufrechterhaltung sozialer Werte bemüht. Auch wenn man der katholische Kirche diverse Sachen vorwerfen kann, so würde ich nicht in einer Welt ohne die christlichen Werte leben wollen.
Airblader Auf diesen Beitrag antworten »

@ Iorek

Das stimmt schon. Die Frage, die sich mir spontan stellt, ist die, ob man irgendeine Form der Religion überhaupt braucht, um Werte wie "Du sollst nicht töten" zu haben. Ich betone, dass ich nicht "Nein" sage, sondern die Antwort nicht weiß - ich finde, dass es wahnsinnig schwer ist, dies zu beantworten.

Abgesehen davon kann auch ein Naturwissenschaftler nicht bestreiten, dass die Religion viel getan hat - Gutes wie Schlechtes. Sie hat zu Morden etc. geführt, aber auch Menschen zusammengebracht. In diesem Aspekt unterscheidet sie sich prinzipiell nicht zu sehr von der Wissenschaft, die auch Gutes und Schlechtes hervorgebracht hat.

Klar ist, dass das Ergebnis von "2.000 Jahren Theologie" sich nicht in Computern und Technik niederschlägt - ist ja aber auch nicht ihr Ziel, insofern, da stimme ich Iorek zu, ist der Vergleich unfair.
Wieviel da nach 2.000 Jahren nun rauskam vermag ich nicht zu beurteilen. Ich unterhalte mich immer mal wieder mit einem Freund über Philosophie und manchmal auch Theologie und ich lerne jedesmal etwas Neues.

air
Zellerli Auf diesen Beitrag antworten »

Iridium:
Zitat:
Was haben uns denn z.B. 2000 Jahre Theologie gebracht? Und was 200 Jahre Naturwissenschaft?


Platte undifferenzierte Frage, platte undifferenzierte Antwort:
200 Jahre Naturwissenschaft?
Industrialisierung, Zyklon B, Atombombe

Die Theologie (die ich noch am ehesten nicht als Wissenschaft bezeichnen würde) hat uns den Erhalt des Glaubens in einer ausgeklärten Welt gebracht.
Davon halte ich als Atheist zunächst mal sehr viel, weil der Glauben für sehr viele Menschen die individuell beste Lösung ist.
Aber vermische hier nicht Theologie mit Medizin und Jura, nur weil die Theologie wesentlich angreifbarer ist.

Außerdem musst du ja, wenn du implizierst, dass 200 Jahre Naturwissenschaft Fortschritt brachten, anerkenne, dass die Medizin in 200 Jahren enorme Fortschritte machte und auch in den Rechtswissenschaften gab es gewisse Meilensteine, zu denen auch die Menschenrechte gehören (basierend auf ethischen Überlegungen).

Das Bild, das du von einem Geisteswissenschaftler hast, setzt ihn mit einem jüngeren Sophisten gleich.
Und außerdem wird hier geradezu so getan, als sei der klassische Wissenschaftler in der Rechtswissenschaft ein Staranwalt, der eloquent einen großen Fisch der Mafia verteidigt, wohingegen es scheinbar keine Physiker, Mathematiker oder Ingenieure gibt, die ihr Geld im Wesentlichen mit dem Verkaufen eines Produkt oder sich selbst verdienen und schon längst nichtmehr wissenschaftlich arbeiten.
Es bringt uns kein Stück weiter, wenn wir uns einzelne (oder von mir aus auch häufige) Ausprägungen der Berufsgruppen ansehen und dann definieren: Das und nur das ist aus den und den Gründen Jura oder Physik.
Wenn die These ist, dass Medizin und Jura keine Wissenschaften sind, dann muss der Beweis in meinen Augen erbringen, dass die Menschen, die diese Fächer "beherrschen" (also einen Abschluss darin haben), nicht wissenschaftlich ausgebildet wurden.

Am geilsten finde ich noch den Ansatz, dass die Geisteswissenschaftler ja nur so wenig hervorbrächten, während die Naturwissenschaftler alle 10 Jahre die Welt erneuern.
Die Spitzenforschung der Quantenmechanik verstehen die wenigsten, aber jeder sieht, dass es Fortschritte gibt, wenn alles immer kleiner und effizienter wird.
Die Spitzenforschung der Ethik verstehen die wenigsten und es kennt auch keiner die Entwicklungen und wenn man sie kennt, so kann man noch nichtmal mit Sicherheit sagen, dass sie "richtig" sind oder dass sie "fortschrittlich" sind und Geld verdienen kann man damit auch nicht und mein Rechner wird davon auch nicht schneller. Aber ich dürste danach auch im Feld des "richtigen" und "falschen" Handelns möglichst viel widerspruchsfreie Erkenntnis zu erlangen.

Ich habe in jeder meiner Seminararbeiten in Phil so wissenschaftlich gearbeitet wie in Physik oder Mathe, obwohl ich weiß, dass die meisten meiner Mitstudenten das nicht tun und sogar manche Dozenten das nicht so eng nehmen (die meisten aber schon!).
Aber eine präzise Sprache, ein logisches Schließen und klar benannte Annahmen sind ganz normaler Alltag in der Erkenntnistheorie oder Metaphysik. Das gilt auch für die anderen Teilgebiete. Und das gilt auch für die Rechtswissenschaften.

Nur weil man häufig unter Annahme der Richtigkeit der Thesen von xyz die Thesen des abc widerlegt oder daraus herleitet, verhält man sich noch kein Stück unwissenschaftlich.
In der Mathematik benutze ich genauso Axiome und oft sogar ganze Sätze, die mir vorgelegt werden ohne, dass ich in dieser Situation deren Richtigkeit/Widerspruchsfreiheit überprüfe.

Den Dr. rer. nat. kann man sich übrigens auch über "unwissenschaftliche" Themen der Geschichte oder Didaktik erschleichen, ohne dabei die Spitzenforschung voranzutreiben. Dabei arbeitet man aber trotzdem wissenschaftlich, es sei denn der Prof. Dr. Physiker-Doktorvater vergibt neuerdings auch Dr.-Titel in der Physik, wenn kein wissenschaftliches Arbeiten vorliegt.
Wäre das so, dann gäbe es ja sowohl in der Medizin als auch in der Mathematik Arbeiten, die (in deinen Augen) keinen ausreichend wesentlichen Beitrag zur Forschung leisten und solche, die es tun.

Zitat:
Und Theologie? Noch nicht mal das Objekt "Gott" ist definiert

Für einen Beweis wird Gott zum Beispiel a priori oder a posteriori anhand bestimmer Eigenschaften oder als bestimmtes Konstrukt definiert.
Ich lehne Religionen (für mich) deshalb ab, weil deren Mitglieder alle individuelle, sich teils widersprechende Gottesbilder und Definitionen haben und darüber niemand spricht außer in wenigen auch nicht definierten Sätzen.
Aber in der Religionswissenschaft definieren wir vorher, was gemeint ist und oft genügt auch für wissenschaftliches Arbeiten ein kleiner Aspekt.
Zum Beispiel kommt eine Umfrage, die herausfinden will, wieviele Menschen von sich selbst behaupten einen Gottglauben zu haben, mit der Definition aus "Der Gott eines Menschen ist das, was er als Gott bezeichnet".
Und diese Umfrage wird empirisch durchgeführt und ausgewertet und man kann dann zum Beispiel genauso empirisch Unterschiede in verschiedenen Menschengruppen unterscheiden. Für das Schließen aus diesen Daten muss man messerscharf wissenschaftlich vorgehen, weil sonst der größte Unsinn herauskommen kann.


Übrigens verdienen arrogante Naturwissenschaftler nicht uneingeschränkt Respekt, nur weil die Wissenschaftler sind. Mit arroganten Naturwissenschaftlern (aber gute Kumpels Augenzwinkern ) war ich vorgestern auch auf der CeBit.
Der eine hat vom logischen Denken her auf jeden Fall eine höhere Intelligenz als ich, aber ist gläubig katholisch weil (Zitat) "Glaubst du denn, wir können uns hier aufführen, wie wir wollen, ohne dafür bestraft zu werden?". Da hört es dann halt schon bei der präkonventionellen Ebene auf.
Der andere ist gerade so sprachbegabt, aber erfasst maximal die objektiv protokollierbaren Teile der zwischenmenschlichen Kommunikation. Ich kann nur hoffen, dass er niemals Verantwortung über Menschen übernehmen muss.

Und diese Einstellung resultiert vor allem auch daraus, nicht präzise messbare und vor allen nicht eindeutige Problemstellungen garnicht erst anzugehen.


Zitat:
Früher dachte ich, es wäre höflicher, sich da zurückzuhalten und jedem seine Nische zu lassen.

Ich dachte früher, dass ich mich überhaupt nur mit dem objektiv messbaren/berechenbaren beschäftigen sollte, weil alles andere sowieso zu nichts führt. Demokratie, Pragmatismus und unser affenartiges Aussehen und Benehmen sind es aber, die mich dazu veranlassen, die wissenschaftliche Methode ruhig auch mal auf andere Dinge loszulassen. Und das klappt sehr gut.

Zitat:
Und wenn Wissenschaft irgendetwas mit Wahrheit zu tun hat, dann ist Jura eben keine Wissenschaft.

Definition: Gelbe Schwarzkittel sind Regenbogenesser.
Satz: Der flüssige Besen ist ein gelbes Schwarzkittel.
Logischer Schluss:
Der flüssige Besen ist ein Regenbogenesser.

Ist das jetzt wahr? War das jetzt wissenschaftlich?
 
 
Mystic Auf diesen Beitrag antworten »

Oh je, jetzt ist das endgültig aus dem Guttenberg-Thread rausgeflogen... unglücklich

Finde ich ein bißchen schade, denn der Beitrag von Iridium enthielt ja auch die durchaus diskussionswürdige These, dass der Fall Guttenberg oder allgemeiner die Unglaubwürdigkeit unserer Politiker auch damit zusammenhängt, dass diese sich zu einem großen Teil aus dem Umfeld der Juristik rekrutieren, der seiner Meinung nach ganz allgemein folgender Makel anhaftet:

Zitat:
Original von Iridium

Jura ist lediglich ein menschliches Konstrukt. Ohne Frage wichtig, aber wo ist da die Wissenschaft? Vergleichen von Rechtsnormen ist jedenfalls keine. Die einen sind so willkürlich wie die anderen. Es gibt überhaupt keine Objektivität. Bloße Meinung und Behauptung. Nach einer gewissen Systematik vorgebracht, ja, aber systematisch ist auch vieles andere, ohne daß es den Rang einer Wissenschaft hat (z.B. die Homöopathie).

Wenn das stimmt - und für mich klingt das alles sehr logisch und konsistent-, dann könnte der Mangel an Wissenschaftlichkeit in der Ausbildung vieler Politiker mit eine Erklärung für den beklagenswerten Zustand unserer Politik sein, wo es nicht um langfristige Konzepte und Ziele geht ("Wer Visionen hat, braucht einen Arzt!"), sondern um kurzfristige Erfolge und vor allem hohe Beliebtheitswerte mit Unterstützung der Medien...
Rmn Auf diesen Beitrag antworten »

Eigentlich ist Mathematik, nicht Jura, beste Beispielt eines reinen menschlischen Konstrukt, sie bedarf die Natur nicht und ist ihre Stärke.

Der Philosophie verdanken wir eigentich die komplette moderne Wissenschafft, den die Logik, sowie praktisch alle wissenschaftliche Methoden wurden dort ausgearbeitet. Erst später ging diese weiter auseinader und spaltete sich in verschiedene Richtungen z.B. Physik. Man kann soweit gehen und sagen, dass Naturwissenschaftler Philosophen waren, die sich später speziallisert haben.

Für Dr.med. gibts in einigen Länder eigene Titel wie zb MD(medical doctor) im Vergleich zu PhD(philosophiae doctor). Es gibt Mediziner die durchaus sehr viel wissenschaftliche Arbeit betreiben und zusammen mit Biologen arbeiten. Andererseits gibts Leute die während ihres Studiums ihre Dr.med. hingeklatscht haben und sonst nichts mehr damit zutun haben. Es wäre wirklich nicht schlecht, wenn man da mehr differenzieren würde.

Ansonsten kann ich nur sagen, dass Naturwissenschaftler(bin auch einer) oft sehr enges Weltbild haben und Fortschritt nur in Form von neuen Geräten sehen, merken aber dabei nicht, dass jemand hart dran arbeitet, dass sie in Freiheit und Rechtssystem leben und nicht auf dem Sklavenmarkt verkauft oder irgendwo zum Forschen für Militärzweche im Bunker eingesperrt werden.

Je mehr man sich für andere Wissenschafter interessiert und dort vordringt, desto schneller verschwindet Arroganz, den man versteht, dass man mit Naturwissenschafft nur ein sehr kleines Teil der Welt abdeckt.
Iridium Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Mystic
Du hast Glück, dass sich in diesem Forum viele Gleichgesinnte befinden, ansonsten würde das viel Staub aufwirbeln... Big Laugh


Mir scheint, das tut es trotzdem. Ich habe halt manchmal den Drang zur Zuspitzung. Das ist eine berufliche Deformation. Die Natur gibt auch am meisten von sich preis, wenn man die Grenzbereiche auslotet (Mathematiker kennen das ja auch, sonst würde man wohl keine Grenzwerte bilden o.ä.).

Meine "Arroganz" rührt sicher auch daher, daß ich finde, daß es sich viele Menschen, zu viele, sehr einfach machen, mit ihrem Weltbild. Wie viele nehmen denn die Mühen auf, sich mit Mathematik oder anderen dicken Brettern auseinanderzusetzen? Wie viele andererseits, die das nicht tun, behaupten, sie hätten die Welt verstanden? Oder um es in eine Frage zu packen: Warum sitzen die weltbesten theoretischen Physiker nicht im Vatikan? Der Papst und seine Leute preisen doch ständig die Schöpfung, bemühen sich aber nicht im mindesten darum, zu verstehen, was sie preisen.

Zitat:
Original von Iorek
[...], so würde ich nicht in einer Welt ohne die christlichen Werte leben wollen.


Die Diskussion darüber würde zu weit führen, jedoch sei angemerkt, daß auch Atheisten Werte haben, daß es diese Werte mithin auch schon vor dem Christentum gab, daß sie vielleicht universell menschlich sind. Ich sehe wenig Sinn darin, daß Religionen allgemein das für sich reklamieren.

Zitat:
Original von Airblader
Abgesehen davon kann auch ein Naturwissenschaftler nicht bestreiten, dass die Religion viel getan hat - Gutes wie Schlechtes. Sie hat zu Morden etc. geführt, aber auch Menschen zusammengebracht. In diesem Aspekt unterscheidet sie sich prinzipiell nicht zu sehr von der Wissenschaft, die auch Gutes und Schlechtes hervorgebracht hat.


Religion kann sicher für den Einzelnen nützlich sein. Ist institutionalisierte Religion, z.T. als "Wissenschaft" an Hochschulen vertreten, aber für die Gesellschaft als Ganzes nützlich? Oder schafft sie mehr Unfrieden?

Historisch war es nun mal so, daß Jura, Religion und Medizin zu den ersten Fächern an Universitäten gehörten, während die Naturwissenschaften lange Zeit als etwas ehrenrühriges verstanden wurden, zumindest in den damaligen geisteswissenschaftlichen Zirkeln (zu schmutzig und zu wenig geistig quasi).

Zitat:
Original von Zellerli
[...] und auch in den Rechtswissenschaften gab es gewisse Meilensteine, zu denen auch die Menschenrechte gehören.


Waren es denn wirklich Juristen, die diese eingefordert haben? Robespierre und Saint-Just waren Juristen, aber in diesem Sinne nicht gerade vorbildlich. Die Diskussion ging ja auch nicht nur um Meilensteine. Frag mal einen Esoteriker, der wird die auch die Meilensteine seiner Fachrichtung nennen können. Der Gedanke, daß Menschen so etwas wie Bürgerrechte besitzen, stammt schon aus dem Altertum, der ist zwischendurch nur verschütt gegangen.

Zitat:
Original von Zellerli
[...], wohingegen es scheinbar keine Physiker, Mathematiker oder Ingenieure gibt, die ihr Geld im Wesentlichen mit dem Verkaufen eines Produkt oder sich selbst verdienen und schon längst nichtmehr wissenschaftlich arbeiten.


Ich bezog mich im wesentlichen nur auf die Forscher an Universitäten. Was daneben noch passiert, wäre viel zu umfangreich, um die von mir gemachte Zuspitzung zu rechtfertigen, da geb ich dir recht.

Zitat:
Original von Zellerli
Die Spitzenforschung der Ethik verstehen die wenigsten und es kennt auch keiner die Entwicklungen und wenn man sie kennt, so kann man noch nichtmal mit Sicherheit sagen, dass sie "richtig" sind oder dass sie "fortschrittlich" sind [...]


Genau! Wegen dieses Fehlens an Objektivierbarkeit spreche ich diesen Fächern zumindest in diesem einzelnen Punkt die Wissenschaftlichkeit ab. Wenn man jede nur mögliche Meinung zu einer Entwicklung haben kann, und alle mehr oder weniger berechtigt sind, worüber spricht man dann überhaupt? Meinungen, Behauptungen, die durchaus gut sein mögen, aber mehr halt nicht.

Zitat:
Original von Zellerli
Aber eine präzise Sprache, ein logisches Schließen und klar benannte Annahmen sind ganz normaler Alltag in der Erkenntnistheorie oder Metaphysik.


Hat Kant nicht die (Möglichkeit einer) Metaphysik für alle Zeiten widerlegt? Aber ich gebe zu, ich kann nicht behaupten Kant in allen Einzelheiten verstanden zu haben, vielleicht liege ich da falsch.

Zitat:
Original von Zellerli
Für das Schließen aus diesen Daten muss man messerscharf wissenschaftlich vorgehen, weil sonst der größte Unsinn herauskommen kann.


Ja und ja.

Zitat:
Original von Zellerli
Definition: Gelbe Schwarzkittel sind Regenbogenesser.
Satz: Der flüssige Besen ist ein gelbes Schwarzkittel.
Logischer Schluss:
Der flüssige Besen ist ein Regenbogenesser.

Ist das jetzt wahr? War das jetzt wissenschaftlich?


Wenn du deine eigenen Grundsätze von ein paar Zeilen vorher zugrundelegst (die empirischen Untersuchungen zum Glauben betreffend), dann war es das.

Zitat:
Original von Rmn
Der Philosophie verdanken wir eigentlich die komplette moderne Wissenschaft, den die Logik, sowie praktisch alle wissenschaftlichen Methoden wurden dort ausgearbeitet. Erst später ging diese weiter auseinander und spaltete sich in verschiedene Richtungen z.B. Physik. Man kann soweit gehen und sagen, dass Naturwissenschaftler Philosophen waren, die sich später spezialisiert haben.


Ja, aber das muß noch nicht heißen, daß Philosophie "gut" ist. Zunächst beschreibt das nur einen historischen Prozeß. Man könnte es auch so interpretieren...die Naturwissenschaftler, die aus der Philosophie kamen, haben den nächsten logischen Entwicklungsschritt genommen und ihr Fach dabei transformiert, auf eine höhere Stufe gehoben, während die restlichen Philosophen auf ihrem Entwicklungsstand von vor 200 Jahren stehengeblieben sind. Welche Philosophen haben zuletzt besonderen Einfluß auf ihr Fach gehabt? Ich würde behaupten diejenigen, die immer noch naturwissenschaftlich orientiert waren...also Popper, Russell, Wittgenstein. Aber ich lerne gerne dazu. Welche anderen Philosophen gab es im 20. Jahrhundert, die das Fach weitergebracht haben?

Zitat:
Original von Rmn
Je mehr man sich für andere Wissenschaften interessiert und dort vordringt, desto schneller verschwindet Arroganz, den man versteht, dass man mit Naturwissenschafft nur einen sehr kleinen Teil der Welt abdeckt.


Mag sein. Aber ist es dann nicht umso faszinierender, daß die Naturwissenschaft/Mathematik wie kaum irgendetwas zuvor unsere alltägliche Welt transformiert? Obwohl sie nur so einen kleinen Teil der Welt abdeckt. Wo konnte/kann man vergleichbares auf anderen Gebieten beobachten? Irgendetwas muß also schon dran sein.

Und noch ein Schlußwort...nur damit kein falscher Eindruck entsteht...ja, ich bekenne, ich habe Juristen in meinem Freundeskreis...aber man mit denen, die ich kenne, auch jedesmal gut darüber diskutieren und sich quasi gedanklich duellieren. Ich finde das immer sehr anregend. Indem man zuspitzt und manchmal über das Ziel hinausschiesst, kann man sich gut verorten...insofern...ich freue mich über die Diskussion, aber niemand soll sich beleidigt fühlen, nur weil ich mal wieder zuspitze...mir war gerade danach :-).
Zellerli Auf diesen Beitrag antworten »

Es gibt hier im wesentlichen Punkt auch keine Meinungsverschiedenheit, denn ich denke deine Aussage
Zitat:
Ich schließe nicht aus, daß es Juristen und Mediziner gibt, die wissenschaftlich arbeiten, aber die Mehrheit tut es nicht.

ist hier weitestgehend Konsens, vermutlich mit dem Postulat nach dem Vorhandensein von wissenschaftlich arbeitenden Juristen und Medizinern.

Ich finde den wertelosen Atheismus hochinteressant und meine zwar auch,
Zitat:
daß auch Atheisten Werte haben

jedoch durch nichts zu legitimieren.

Ich will nicht sagen, dass Christen besser legitimierte Werte haben.
Aber durch ihre Axiome mit dem Gott und dem Mr Jesus bauen sie, teilweise sogar durchaus wissenschaftlich fundiert, ein System auf in dem wir uns bisher scheinbar recht wohl fühlen.
Wir tappen halt ewig im Leeren, während der Christ das Risiko eingeht eine falsche Annahme (und wie ein Atheist meint: eine sicher falsche Annahme) zu treffen, aber ab dann doch recht stabil handelt.
Ich bin schon recht froh um die Christenmenschen um mich herum. Die tun das, was ich von meinen Werten her auch vertrete und nennen es Gebot, Nächstenliebe oder Heiliger Geist. Somit sind sie aber eine verlässliche Konstante. Ein Atheist kann mit der gleichen Begründung (nämlich keiner) Sozialdarwinist, Humanist oder Anarchist sein.
Es gibt verschiedene Interpretationen und daher verschiedene Religionen, aber ich vertraue den beiden großen Kirchen in Deutschland mehr, dass sie von ihrem Weltbild nicht abrücken, als ich es jemals einer irgendwie gearteten Gesamtheit von Atheisten zutrauen würde.

Wenn ich eingeklemmt bin und mich einer rausschneidet von der Feierwehr und ich frage: Warum tust du das?
Und er sagt: Jesus sagt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selber und wer an ihn glaubt wird erlöst (oder eine ähnliche fanatische Phrase), dann fühle ich mich dabei wohler als wenn er sagt: Ich weiß es eigentlich selbst nicht, warum ich hier am Auto schneide...
Iridium Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Zellerli
Ich finde den wertelosen Atheismus hochinteressant und meine zwar auch,
Zitat:
daß auch Atheisten Werte haben

jedoch durch nichts zu legitimieren.

Ich will nicht sagen, dass Christen besser legitimierte Werte haben.
Aber durch ihre Axiome mit dem Gott und dem Mr Jesus bauen sie, teilweise sogar durchaus wissenschaftlich fundiert, ein System auf in dem wir uns bisher scheinbar recht wohl fühlen.
Wir tappen halt ewig im Leeren, während der Christ das Risiko eingeht eine falsche Annahme (und wie ein Atheist meint: eine sicher falsche Annahme) zu treffen, aber ab dann doch recht stabil handelt.


Sehr gute Analyse. Ich komme jedoch zu einem anderen Schluß.

Meiner Meinung nach trifft es zunächst einmal zu, daß wir als Menschen am Ende des Tages und in letzter Konsequenz absolut nichts haben, auf das wir verlässlich bauen können, über das wir letzte Gewissheit erlangen können. Und zwar aus prinzipiellen Gründen, unter anderem aufgrund der Art, wie wir unsere Welt wahrnehmen.

Deshalb haben Atheisten wirklich keine letztgültige Legitimation ihrer Werte, zumindest wenn man so pragmatische Begründungen der Art "Wir bringen uns nicht gegenseitig um, weil das unhöflich dem anderen gegenüber ist" (sinngemäß) nicht zählt, weil es sich hierbei um einfache Verabredungen handelt. Konventionen, d.h. menschliche Konstrukte, die jederzeit anders interpretiert werden können (und leider auch in der Geschichte oft genug anders interpretiert wurden).

Aber...ist es nicht besser, in vollem Bewusstsein in der Leere zu tappen, als logisch konsistente, aber trotzdem vorgetäuschte Kompromisse einzugehen? Wenn ich zu sehr auf Gott vertraue, dann rede ich mir die Dinge schön, obwohl sie nicht schön sind und verfalle schlimmstenfalls in Fatalismen, bei Dingen, die man selbst auch einfach ändern könnte. Es heißt, der Tod gibt dem Leben seine Wertigkeit. Das stimmt aber umso mehr, je weniger ich von einem möglichen Leben nach dem Tod zu erwarten habe. Wie würde eine Welt aussehen, in der die Mehrzahl der Menschen keinen sinnlosen, lebenszeitverschwendenden Tätigkeiten nachginge? Ich glaube sie wäre besser (würde dann z.B. noch irgendjemand ernsthaft in Erwägung ziehen eine Steuererklärung zu machen?). Ganze Berufszweige wären dann zwar arbeitslos (Investmentbanker, Rüstungsindustrielle, Marketingexperten, auch Priester, und noch viele mehr), aber wenn man es recht bedenkt, würde man ihnen nachtrauern?

Mein Weltbild ist vielleicht zu einfach...aber ich teile Menschen mit zunehmendem Alter tatsächlich immer mehr in zwei Klassen ein...die, die zum Fortschritt der Menschheit beitragen, wenn auch nur jeder für sich in geringem Maße, und jene, die das nicht tun, oder diesen Fortschritt behindern. Die, die dazu beitragen, Dinge klarer erscheinen zu lassen und jene, deren Werk darin besteht, Dinge im Obskuren zu lassen oder weiter zu verschleiern. In diesen Kategorien ist dann vermutlich klar, wozu ich Pseudowissenschaftler zähle und warum ich zunehmend intoleranter gegenüber diesen Menschen werde. Die Idee von der Gleichwertigkeit der philosophischen Ansätze oder wissenschaftlichen Kulturen ist schön, aber sie ist nicht wahr. Und ich halte es für erstrebenswerter das Wahre zu bewundern, selbst wenn es häßlich ist, als sich ständig selbst zu täuschen und Wunschvorstellungen hinzugeben.

Man sieht...auch das Plagiat eines Verteidigungsministers a.D. hat noch seinen Nutzen...enthüllt es doch genau die häßliche Wahrheit hinter dem schönen Schein. Kein Wunder, daß die Menschen darauf so emotional reagieren.
Gualtiero Auf diesen Beitrag antworten »

Ach Gott, man müßte ja benahe ein Buch schreiben, um auf alles zu antworten, was Du ansprichst. Augenzwinkern Ich habe schon mal angefangen, musste aber unterbrechen, weil immer was Neues kommt.

Ein, zwei Grundgedanken zur Wissenschaft: Der Mensch hat seit so langer Zeit, dass man den Anfang davon nicht mehr oder nur sehr schwer festmachen kann, das Bedürfnis, die ihn umgebende Welt zu verstehen und Erklärungsmodelle dafür zu finden. Der Gegenstand dieses Wissensdranges ist nicht nur die mit Sinnen erfassbare Umwelt - also sowohl unbelebte Natur als auch Tier- und Pflanzenwelt - sondern der Mensch selbst, mit seinem Körper und allen seinen Funktionen, seinem geistig-seelischen Innenleben, und schließlich allen Hervorbrungungen dieser seiner Geistseele und des Geschicks seiner Hände.

Diese Liste der wissenschaftlich zu untersuchenden Themen ist nicht mal vollständig, aber schon als Laie kann man mit Sicherheit sagen, dass die Methoden dieser zahlreichen Disziplinen, in die sich die ursprüngliche All-Suche (mein Begriff für das Streben der jonischen Naturphilosophen) aufgesplittert hat, sich voneinander genauso unterscheiden wie die jeweiligen Gegenstände selbst. . . . (Mache da mal einen Punkt)

Zitat:
Original von Iridium
Aber...ist es nicht besser, in vollem Bewusstsein in der Leere zu tappen, als logisch konsistente, aber trotzdem vorgetäuschte Kompromisse einzugehen?

Ein äußerst kirchenkritischer Autor, vielleicht der radikalste überhaupt, obwohl selbst einmal katholischer Priester, hat genau dazu (sinngemäß) gesagt: Wir können nach alle Richtungen ins Weltall blicken, wir werden nie einen handfesten Beweis für die Existenz Gottes finden. Im Prinzip sehen wir nur Leere, hinter allen Fenstern, die "hinausgehen" lauert nur ewige Finsternis. Alles, was wir tun können, ist, diese Fenster, die uns bei längerer Betrachtung nur mit Angst und Grauen erfüllen müssen, mit freundlichen, lebensvollen Bildern zu verhängen.

Selbstbetrug? - Nein, denn mit Bildern meint er religiöse Erfahrungen, nicht nur des Christentums, sondern aller Religionen der ganzen Menschheit. Diese Bilder zwingt uns niemand auf, sie kommen aus uns selbst (siehe auch Jungsche Archetypen), und vor allem: sie haben sich seit altersher immer wieder bewährt. Leider nicht so nachhaltig, dass wir in einer dauerhaft friedlichen Welt leben können.
Auch hier ginge es noch weiter, aber das ist vom Thema schon weit weg.

Zitat:
Original von Zellerli
Wenn ich eingeklemmt bin und mich einer rausschneidet von der Feierwehr und ich frage: . . . .

Ich würde am Ende sagen: Wer mich rausschneidet, ist mir egal, Hauptsache, ich bin am Leben.
Die Fähigkeit, moralisch zu handeln kann man Atheisten von vornherein nicht absprechen. Aber das zu erforschen wird denke ich unmöglich sein, weil es ja auch eine Frage der Menschenwürde ist. Man stelle sich vor: ein Mensch wird in Bezug auf sein moralisches Handeln im Zuge eines Forschungsprojektes um zwei Grad niedriger eingestuft als ein religiös bekennender Mensch, oder umgekehrt - unmöglich!
gonnabphd Auf diesen Beitrag antworten »

Ich finde es ja immer wieder seltsam, wie die Leute darauf kommen, dass moralisches Handeln in irgendeiner Weise von einer höheren Entität kommen müsste...

Es ist doch recht offensichtlich, dass das überleben von Tieren, welche in Gruppen jagen und leben, entscheidend davon abhängt, dass es eine gewisse "soziale Struktur" gibt.

Da unsere Spezies nun einmal in eine Richtung evolviert ist, in welcher sich die Verständigung untereinander für das Überleben als äussert effizient erwiesen hat und immer wichtiger wurde, ist es doch nur logisch, dass sich so etwas wie "moralisches Handeln" und ein Drang sich in die Gemeinschaft einzufügen entwickelt hat.

Es ist mir unverständlich, weshalb religiöse Leute da ernsthaft mehr drin sehen --- bzw. überhaupt denken, man müsste da mehr/"etwas Höheres" drin sehen, um sicherzugehen, dass es auch wirklich eine gute Art zu handeln ist (und evtl. damit sich die meisten daran halten werden?).

Im übrigen bin ich sehr skeptisch, ob es "die Moral" an sich gibt. Ich halte "die Moral" für einen ähnlichen Begriff wie "die Kunst". Was moralisch ist, wird lediglich durch soziale Konvention bestimmt - und ist ganz offensichtlich mit der Zeit veränderlich.

Edit: Im ersten Moment scheint das im Widerspruch zu obigem Evolutionsargument zu sein. Doch wenn von "moralischem Handeln" die Rede ist, dann sind das eher "Feinheiten", wie "Darf man andere Stämme versklaven?" und nicht Grundimpulse, welche die eigene Gemeinschaft betreffen.

(Zuallermindest dürfen wir uns sicher sein, dass die Moral nicht eine Ausgeburt der Bibel oder jeglichen anderen religiösen Textes ist [oder waren etwa alle früheren Zivilisationen völlig unmoralisch?! {und waren die Leute in der Bibel überhaupt moralisch? - Kaum aus heutiger Sicht.}])

Nun - um nicht völlig in die Religionsdebatte (welche eh zu nichts führt, da Religion eine höchst irrationale Angelegenheit ist) abzuschweifen: Ich glaube in der Wissenschaftsdiskussion von oben (was wissenschaftlich ist oder auch nicht) sollte man erstmal die Begriffe klären.

Je nach Definition (zumindest in der Art wie ich das sehe) ist es völlig klar, dass Juristen, Philosophen, Theologen wie auch Mathematiker keine Wissenschaftler sind.

Ich würde das in etwa so sehen:

Zitat:
Damit eine Theorie als wissenschaftlich gelten kann, muss sie durch Experimente falsifizierbar sein.


Korollar: Jede wissenschaftliche Theorie macht Aussagen über die physikalisch erfassbare Welt.
Mystic Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Iridium
Meiner Meinung nach trifft es zunächst einmal zu, daß wir als Menschen am Ende des Tages und in letzter Konsequenz absolut nichts haben, auf das wir verlässlich bauen können, über das wir letzte Gewissheit erlangen können. Und zwar aus prinzipiellen Gründen, unter anderem aufgrund der Art, wie wir unsere Welt wahrnehmen.

Ja, es gibt keine absoluten Wahrheiten außerhalb der Mathematik (Kant?)... Viele Menschen halten aber die Ungewißheit zu Fragen der menschlichen Existenz, vor allem zur Grundfrage, warum es uns überhaupt gibt, nicht aus, und versuchen Gewißheiten an ihre Stelle zu setzen bzw. glauben denen, die ihnen solche Gewißheiten versprechen...

Zitat:
Original von Iridium
Aber...ist es nicht besser, in vollem Bewusstsein in der Leere zu tappen, als logisch konsistente, aber trotzdem vorgetäuschte Kompromisse einzugehen?

Nein, aus der subjektiven Sicht eines jeden Einzelnen ist dieser "ehrlichere" Weg leider nicht auch der bessere, das ist es ja gerade, denn er verliert dadurch viel an seelischer Geborgenheit und auch Orientierung... Tatsächlich ist er oft nicht einmal objektiv besser: Wenn z.B. jemand in einer ausweglosen Situation ist, aber trotzdem auf Rettung durch "höhere Mächte" vertraut, hat er jedenfalls tatsächlich bessere Chancen gerettet zu werden, als wenn er die Hoffnung von vornherein aufgibt... Nein, tatsächlich macht man sich mit seinem Willen, da "keine Kompromisse einzugehen" selber das Leben schwer, was wohl mit ein Grund ist, dass viele diesen steingen Weg gar nicht erst in Erwägung ziehen, so ehrenwert er auch sein mag...

Zitat:
Original von Iridium
Mein Weltbild ist vielleicht zu einfach...aber ich teile Menschen mit zunehmendem Alter tatsächlich immer mehr in zwei Klassen ein...die, die zum Fortschritt der Menschheit beitragen, wenn auch nur jeder für sich in geringem Maße, und jene, die das nicht tun, oder diesen Fortschritt behindern. Die, die dazu beitragen, Dinge klarer erscheinen zu lassen und jene, deren Werk darin besteht, Dinge im Obskuren zu lassen oder weiter zu verschleiern.

Sehr schön gesagt, wenngleich man jetzt natürlich für sich selber definieren müsste, was hier als Fortschritt zählt... Ich vermute, dass viel Menschen damit zwar einverstanden wären, aber sie eben eine andere Auffassung von "Fortschritt" haben, möglicherweise sogar entgegengesetzt zur eigenen...

Zitat:
Original von Iridium
Die Idee von der Gleichwertigkeit der philosophischen Ansätze oder wissenschaftlichen Kulturen ist schön, aber sie ist nicht wahr. Und ich halte es für erstrebenswerter das Wahre zu bewundern, selbst wenn es häßlich ist, als sich ständig selbst zu täuschen und Wunschvorstellungen hinzugeben.

Ja, auch da kann ich nur voll zustimmen, selbst wenn es für so eine Haltung großer Selbstdisziplin bedarf, welche viele nicht aufbringen können/wollen...
Zellerli Auf diesen Beitrag antworten »

@Mystic:
Nein, es ist keine Selbstdisziplin, die man für die erkenntnishungrige, vernünftig-zweifelnde Grundhaltung braucht.
Wir dürfen weder von den Atheisten ausgehen, die nichtmal genau wissen was Glaube und Religion bedeutet (Modell DDR) und auch nicht von den Gläubigen, die von Anfang an ohne Fragen zu stellen in ihre Religion gewachsen sind und das alles mehr oder weniger traditionell hinnehmen.

Gehst du von dem Menschen aus, der sich bewusst für oder gegen einen Gott entscheidet, dann hast du beim Gottgläubigen nicht weniger Selbstdisziplin als beim Atheisten. Es ist ja die bewusste Entscheidung für ein Konstrukt, das blinde Vertrauen dort hinein und das "Risiko".
Ich beneide jeden, der glauben kann.

Ich finde den doch recht naturalistischen Ansatz von gonnabphd interessant, aber er ist ja auch nur ein Zirkelschluss vom Sein auf das Sollen und wieder zurück zum Sein.
Diese Präzission und Abgestimmtheit und auch der Mensch an sich sind es jedoch, die auch den zweifelnden und "am Boden gebliebenen" Denker zu widerspruchsfreien, weil transzendenten Spekulationen anregen.
Irgend eine Credo (was in vielen Fällen Synonym für Axiomensystem) findet oder baut sich dann doch jeder.
Iridium Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Gualtiero
Ach Gott, man müßte ja benahe ein Buch schreiben, um auf alles zu antworten, was Du ansprichst. Augenzwinkern Ich habe schon mal angefangen, musste aber unterbrechen, weil immer was Neues kommt.


Ja, es ist etwas zerfasert...

Es stimmt, es gibt zunächst einmal verschiedene Wege der Erkenntnis und ich möchte auch nicht alle außerhalb der Wissenschaft stehenden Wege abwerten. Ich möchte nur eine trennschärfere Bezeichnung, was man in der Öffentlichkeit als Wissenschaft versteht oder bezeichnet. Und zwar mehr im praktischen Sinne, denn theoretisch gibt es hierzu denke ich schon Einiges. Aber wenn es um das allgemeine Verständnis von Wissenschaft geht, was Wissenschaft auszeichnet, was sie leistet und weshalb sie das kann, leben wir, so empfinde ich das jedenfalls manchmal, in einem Zustand, der hinter das zurückgefallen ist, was schon einmal erreicht worden war. Ich denke hier vor allem an das 19. Jahrhundert mit einer echten Fortschrittsbegeisterung breiter Teile der Bevölkerung. Heute gibt es eine große Begeisterung für die technischen Ergebnisse der Naturwissenschaften, aber interessanterweise eine ebensogroße Ignoranz und Ablehnung auf vielen Gebieten der Grundlagenforschung.

Was den Blick ins All betrifft. Ja, die Leere ist beeindruckend. Aber auch großartig. Ich empfinde keine Angst oder Grauen vor der Leere des Alls. Eher schon vor der möglichen Nichtexistenz in demselben. Aber auch das führt wieder weg vom Thema...

Was die Falsifizierbarkeit betrifft (ich erlaube mir mal, das Zitieren abzukürzen, indem ich nur den Autor nenne: gonnabphd), ich glaube darauf allein kann man keine gute Definition von Wissenschaft im allgemeinen gründen (formal ja, aber praktisch ?). Ich halte z.B. die String-Theorie trotz der angeblich fehlenden experimentellen Nachweise zunächst schon für gute Wissenschaft, insofern sie anerkannten Regeln der Mathematik folgt und in sich konsistent und zumindest logisch überprüfbar ist. Aber es gibt Physiker, die sehen das anders. Wenn man nach der Falsifizierbarkeit geht, dann fällt zumindest sehr viel aus der Definition raus (was ist an Jura falsifizierbar?).

Von Kant stammt das Zitat: „Ich behaupte aber, daß in jeder besonderen Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen werden könne, als darin Mathematik anzutreffen ist.“ Das hat er, soweit ich weiß, als Kritik an der damaligen Chemie gesagt. Damals hatte er recht. Heute nicht mehr. Ich denke z.B. die Biologie ist gerade dabei "mathematisiert" zu werden, zumindest was große Bereiche der Genetik und Molekularbiologie betrifft und sich in solchen neuen Disziplinen wie Bioinformatik widerspiegelt. Viele andere Fächer benutzen aber Mathematik nur als Feigenblatt, um Wissenschaftlichkeit vorzutäuschen, bevorzugt anhand von statistischen Methoden (man denke aber auch an weite Teile der Wirtschaftsmathematik). Wahrscheinlich lag Kant aber auch wieder falsch...in seiner strengen Aussage...vieles an den Neurowissenschaften ist ohne Zweifel exakte Wissenschaft, aber trotzdem noch in einem Stadium des Qualitativen. Wobei man hier wenigstens Fortschritte erkennen kann, die man in anderen Fächern seit 200 Jahren nicht sieht.

Was die Selbstdisziplin betrifft (Mystic). Ist es wirklich so schwierig, sich bestimmte Dinge einzugestehen? Man muß ja nicht gleich in das Gegenteil verfallen und vom Gläubigen zum Atheisten werden. Man muß ja auch nicht ständig darüber grübeln. Aber sich wenigstens einmal einzugestehen, daß man so viel nicht weiß, daß die eigene Wahrnehmung so unzuverlässig ist, daß die eigenen Wünsche keine Bedeutung in der Realität haben müssen etc. Ich glaube, jeder Mensch sollte einmal im Leben Erfahrung mit halluzinogenen Drogen machen (nicht, daß jetzt jemand denkt, ich sei darin selbst schon besonders weit gekommen...als Chemiker eher sogar unterdurchschnittlich wenig :-) ), um wenigstens einmal die Grundfesten der eigenen Überzeugungen zu erschüttern. Die ganzen selbstverständlichen Grundannahmen über die Welt, die kaum jemand in Zweifel zieht. Ich glaube eine derart verunsicherte Gesellschaft wäre positiver (vielleicht aber auch schlechter zu regieren, vielleicht rührt daher die staatliche Ablehnung der meisten Halluzinogene, während "langweilige" Drogen, wie Alkohol und Nikotin, die die Produktivität kaum einschränken und die Leute nur langsam umbringen, erlaubt sind).

Das beschreibt glaube ich auch ganz gut die "vernünftig-zweifelnde Grundhaltung" von Zellerli.

Es ist erstaunlich, daß man bei dem Versuch, eine Definition von Wissenschaftlichkeit zu geben, offenbar sehr schnell bei ganz grundlegenden Fragen der Existenz landet. Das war gar nicht beabsichtigt. Auf einer gewissen Ebene finde ich diesen "holistischen" Ansatz auch selbst schon scharf an der Grenze zur Pseudowissenschaft. Es mag interessant sein, z.B. Analogien zwischen Mathematik, Musik, Kunst etc. herzustellen (ich denke z.B. an das Buch "Gödel, Escher, Bach"), andererseits ist das oftmals schrecklich oberflächlich und manchmal einfach auch nur falsch. Man muß lange suchen, bis man einen Autor findet, der sich traut, tief in die Materie einzudringen und der dabei nicht Wesentliches vernachlässigt oder verschweigt, z.B. die Formelsprache der exakten Wissenschaften. Es ist paradox...wenn man sich als Naturwissenschaftler "outet" (und das dürfte für Mathematiker ähnlich gelten), dann wird man oft (in den meisten Fällen unbegründet) in die "Genie-Ecke" gestellt, was jede vernünftige Auseinandersetzung mit dem Thema unmöglich macht, weil man ja per Definition etwas tut, was keiner versteht. Andererseits wird der größte Mumpitz, solange er nur als wortreicher Text gedruckt erscheint, für etwas gehalten, daß genauso genial sein kann, von dem aber auch jeder noch meint, er habe es verstanden. Und zwar je unwissenschaftlicher verfasst, desto besser.

Auch ich schreibe schon wieder viel zu viel...und unzusammenhängend...außerdem benenne ich nur, ohne echte Lösungsansätze zu haben...imgrunde alles schrecklich...

Ich habe mal einen kurzen Moment gedacht, daß eine gute Einteilung darin bestünde, daß man alle Fächer als exakte Wissenschaften anerkennt, deren Wissenschaftler auf ik enden...also Mathematiker, Informatiker, Physiker, Chemiker...im Gegensatz zu Philosophen, Juristen, Theologen...aber leider, leider...es gibt auch Esoteriker...:-)
Gualtiero Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Iridium
Ja, es ist etwas zerfasert...

Mein Einleitungssatz ist natürlich nicht als Kritik zu verstehen, eher scherzhaft bzw. gegenteilig. Wenn ein wacher Geist zu einem Ereignis der Alltagswelt neue Fragen aufwirft und den Blick auf bis dahin nicht oder zu wenig beachtete Verbindungen und weitreichende Zusammenhänge lenkt, sollte das bei geistig interessierten Menschen positiv gesehen werden.

Zitat:
Original von Iridium
Ich glaube, jeder Mensch sollte einmal im Leben Erfahrung mit halluzinogenen Drogen machen (nicht, daß jetzt jemand denkt, ich sei darin selbst schon besonders weit gekommen...als Chemiker eher sogar unterdurchschnittlich wenig :-) ), um wenigstens einmal die Grundfesten der eigenen Überzeugungen zu erschüttern. Die ganzen selbstverständlichen Grundannahmen über die Welt, die kaum jemand in Zweifel zieht.

Hat nicht K. Lorenz als eine Art geistiger Morgengymnastik empfohlen, jeden Tag seine ganze Weltanschauung mitsamt dem wissenschaftlich erarbeiteten Gedankengebäude über Bord zu schmeissen, um sie dann unter kritischer Betrachtung, Stück für Stück, wieder ins Boot zu holen?

Zitat:
Was den Blick ins All betrifft. Ja, die Leere ist beeindruckend. Aber auch großartig. Ich empfinde keine Angst oder Grauen vor der Leere des Alls. Eher schon vor der möglichen Nichtexistenz in demselben.

Ja, sehe ich ungefähr gleich; besonders der Sternenhimmel hat es mir angetan, und mein Traum wäre es, als Astronaut während eines Raumspaziergangs frei im Raum zu schweben.
Aber alles hat zwei (oder mehr) Seiten. Der Anblick des Meeres ist faszinierend, aber dem Meer auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein, etwa in einer finsteren Sturmnacht mit defektem Steuer, lässt uns so ziemlich genau das Gegenteil empfinden.
Die Leere, das Nichts - religiös gesprochen die Finsternis über dem Abgrund aus der Genesis, oder das Ungeheuer Tiamat aus einem altmesopotamischen Schöpfungsmythos - spüren wir ja nicht, wenn wir uns im geheizten Wohnzimmer, wenige Schritte vom gefüllten Kühlschrank entfernt, behaglich auf der Couch räkeln. Da braucht es schon eine Menge Konzentration, um sich unsere eigentliche Situation einmal vor Augen zu führen.

Zitat:
Original von Iridium
. . . außerdem benenne ich nur, ohne echte Lösungsansätze zu haben . . .

Dieses Problem wird nie vollständig gelöst werden, wohl aber werden Menschen immer dazu Stellung beziehen. Und Benennen und Sammeln von Daten ist ja schon ein Beitrag dazu.

Mir ist etwas eingefallen, das nicht ganz hierher passt, aber ich finde es doch interessant: Der Zoologe Rupert Riedl hat in einer Fernsehdiskussion einmal gemeint, "das ganze Boot liegt schief mit Schlagseite nach links", und zwar in Beurteilung der Tatsache, dass Naturwissenschaften in den Lehrplänen und auch bei der Lösung von Problemen in den verschiedensten Bereichen derzeit (damals) bevorzugt würden und sich diese Einseitigkeit geradezu negativ bemerkbar machen müsse. (Bekanntlich ist ja die Fähigkeit des streng logischen, abstrakten Denkens, das in den Naturwissenschaften ja in erster Linie zählt, in der linken Hirnhälfte angesiedelt.)
Mystic Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Gualtiero
Hat nicht K. Lorenz als eine Art geistiger Morgengymnastik empfohlen, jeden Tag seine ganze Weltanschauung mitsamt dem wissenschaftlich erarbeiteten Gedankengebäude über Bord zu schmeissen, um sie dann unter kritischer Betrachtung, Stück für Stück, wieder ins Boot zu holen?

Hm, zwar bin ich jetzt kein Anhänger von Konrad Lorenz, der in der NS-Zeit eine doch eher unrühmliche Rolle als Verteidiger der damaligen Rassenlehre gespielt hat und dessen wissenschaftlichen Theorien zur Erklärung menschlicher Verhaltensweisen mithilfe von Instinkten und Verhaltensmustern aus unserer tierischen Vorzeit heute als überholt gelten (R. Dawkins meinte gar, Lorenz hätte die Evolution "nie richtig verstanden"), aber wenn das von ihm stammt, so kann ich mich damit durchaus anfreunden....

Tatsächlich sollte man von Zeit zu Zeit in der dargestellten Weise "Inventur" in seinem Hirn machen und probeweise wirklich alles in Frage stellen, wenngleich jetzt nicht gerade täglich ... Ich denke, dass gerade die Frage des Abstandes zwischen solchen "geistigen Inventuren" eine doch ziemlich wichtige und grundsätzliche ist... Tatsächlich gibt es viele Menschen, die nicht ein einziges Mal in ihrem Leben sich in dieser Weise Rechenschaft ablegen bzw. erst durch einen Schicksalschlag dazu gezwungen werden müssen, die grundlegenden Prinzipien, auf denen sie bis dahin ihr Leben aufgebaut hatten, neu zu überdenken... Das sind dann auch diejenigen, die einer Idee, von der sich die meisten anderen schon längst abgewandt haben, buchstäblich bis zum letzten Atemzug die Treue halten, nur um sich selbst nicht eingestehen zu müssen, dass einem Trugbild nachgelaufen sind und eigentlich alles ganz anders ist... Naja, und dann gibt es auch die Menschen, und auch die kennt jeder, die wirklich in sehr kurzen Abständen "Inventur" bei sich machen und dabei immer wieder zu anderen Ergebnissen kommen, wobei sie sich in erster Linie an dem orientieren, was für sie persönlich im Moment opportun ist... Das sind dann die sog. "Prinzipienlosen", und nicht umsonst hat diese Bezeichnung einen negativen Beigeschmack...

Keine Frage: Das Optimum liegt irgendwo zwischen diesen beiden Extremen... Wir sollten uns da vielleicht an der Natur ein Beispiel nehmen, die z.B. im Zuge der Evolution bei der Vererbung von Eigenschaften einer Species grundsätzlich konservativ vorgeht, aber dann in Form von Mutationen auch immer wieder fast spielerisch herumexperimentiert, also gewissermaßen schon "Errreichtes" wieder in Frage stellt, was dann nicht selten zu Verbesserungen führt, welche das Überleben einer Species sichern...

Zitat:
Original von Gualtiero
Mir ist etwas eingefallen, das nicht ganz hierher passt, aber ich finde es doch interessant: Der Zoologe Rupert Riedl hat in einer Fernsehdiskussion einmal gemeint, "das ganze Boot liegt schief mit Schlagseite nach links", und zwar in Beurteilung der Tatsache, dass Naturwissenschaften in den Lehrplänen und auch bei der Lösung von Problemen in den verschiedensten Bereichen derzeit (damals) bevorzugt würden und sich diese Einseitigkeit geradezu negativ bemerkbar machen müsse. (Bekanntlich ist ja die Fähigkeit des streng logischen, abstrakten Denkens, das in den Naturwissenschaften ja in erster Linie zählt, in der linken Hirnhälfte angesiedelt.)

Wenn darin zum Ausdruck kommen soll, dass die Naturwissenschaften in unserer Ausbildung zu breiten Raum einnehmen bzw. die naturwissenschaftliche Denkweise nicht der richtige Ansatz ist bei der Bewältigung unserer Probleme - sowohl individuell als auch als Species auf diesem Planeten - so bin ich ganz der konträren Meinung... Tatsächlich ist als Folge einer jahrhundertelangen Tradition die "humanistische" Ausbildung noch immer stark überbetont im Vergleich zur"naturwissenschaftlichen" und selbst einfachste Erkenntnisse - z.B. dass dauerndes Wachsum, also dann exponentielles Wachsum, sowie auch der endlose Abbau von nicht erneuerbaren Resourcen auf die Dauer unmöglich sind - haben sich in den Hirnen der Menschen, und vor allem auch der verantwortlichen Politiker, noch nicht festgesetzt... Nein, wir brauchen nicht weniger, sonder mehr naturwissenschaftliches Denken, das ist meine tiefe Überzeugung...Ich sehe auch nicht, was an seine Stelle treten sollte...

Ich hätte noch gerne mehr geschrieben zu all den klugen Gedanken, welche hier schon geäußert wurden, aber es kostet mich einfach jeder Satz unendlich viel Zeit, vor allem, weil ich beim anschließenden Überfliegen des bisher Geschrieben sehr viel wieder lösche und neu schreibe, ohne dass es dadurch wirklich besser wird... unglücklich
Iridium Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Gualtiero
Zitat:
Original von Iridium
Ja, es ist etwas zerfasert...

Mein Einleitungssatz ist natürlich nicht als Kritik zu verstehen, eher scherzhaft bzw. gegenteilig.


Das trifft sich gut, war mein Kommentar doch auch leicht ironisch gemeint. Ich kenne mich ja gut, deshalb weiß ich auch, daß ich gerne vom Hölzchen aufs Stöckchen komme :-).

Ob ich jeden Morgen meine Weltanschauungen über Bord werfen mag? Ich weiß nicht, ob das geht oder besonders sinnvoll ist. Eher im Gegenteil...meine Weltsicht scheint sich täglich zu festigen. Was man allerdings problemlos tun kann, ist, sich in alltäglichen Situationen zu beobachten und Kleinigkeiten im Moment des Geschehens zu hinterfragen. Auf Dauer kann sich dadurch auch die Weltanschauung ändern.

Ich sehe das mit den Naturwissenschaften an sich so wie Mystic. Gemessen an ihrer Bedeutung sind sie hoffnungslos unterrepräsentiert. Jeder Journalist hält sich z.B. zugute über Politik informiert zu sein, über Kultur, Trends und Moden, Geschichte, Literatur, aber niemandem wird verübelt, wenn er frei heraus bekennt, daß er keine Ahnung von Mathematik oder Naturwissenschaften hat. Eher noch adelt ihn das in den Augen der ebenso ignoranten und unwissenden Umstehenden.

Aber man muß differenzieren. Das, was an Naturwissenschaften dem Laien vermittelt wird, ist meistens genauso schlecht.

Für die Mathematik bedeutet dies z.B. daß eine Rechenvorschrift gelehrt wird, aber nicht die Motivation dahinter, daß bloße Fakten Erwähnung finden, aber ohne, daß sie in einen Zusammenhang gestellt werden, daß Wissen wichtig ist, aber nicht Kreativität, kurz: daß das Oberflächliche, Kleingeistige im Vordergrund steht, aber nicht vermittelt wird, wieso sich jemand von Mathematik begeistern lässt, was das Faszinierende daran sein könnte. Außerdem macht man es sich überall zu einfach (eine generelle Kritik meinerseits an die Gesellschaft): FORMELN GEHÖREN ZUR MATHEMATIK! (und übrigens auch zur Chemie). Wenn man glaubt, alles ohne erklären zu können, dann verleugnet man die Essenz des Faches. Denn wie man dem Fachmann nicht besonders erklären braucht, haben Formeln ja ihren Zweck. Sie sind sozusagen durch einen Evolutionsprozeß entstanden...die bessere Notation setzt sich meistens doch durch. Man kann nicht glauben, man verstehe die Natur, wenn man zu bequem ist, sich mit einiger Mühe einzuarbeiten. Fast nichts was von Wert ist, fällt einem zu. Das soll natürlich auch nicht jenen das Wort reden, die immer noch meinen, ein gutes Geometriebuch käme ohne Abbildungen aus und wenn man nur Seite um Seite mit Integralen u.ä. füllt, wäre man schon ein guter Mathematiker. Das haben die Naturwissenschaftler sehr viel eher erkannt, daß Visualisierung zum eigenen Nutzen verwendet werden kann.

Oder, um ein Beispiel aus der Chemie zu geben. Ich verstehe alle Nebenfächler, die das Fach hassen. Bei dem, was man denen beibringt, ginge es mir ähnlich. Es mögen die Grundlagen sein, unbestritten wichtig, aber irgendein Gasgesetz, daß 200 Jahre alt ist, wie soll man damit jemanden begeistern? Oder die ganze pH-Wert Berechnungsorgien. Wem nützt es, diese ganzen Näherungen zu kennen? Man soll wissen, daß es den pH-Wert gibt, was er bedeutet und ansonsten lieber etwas anschauliches vermitteln...welchen pH-Wert Blut z.B. hat und warum das wichtig ist...so was weiß nachher keiner.

Ansonsten wünsche ich mir manchmal eine Gesellschaft, die wissenschaftlichen Errungenschaften erst einmal offen gegenübersteht, ohne gleich die nächste Katastrophe zu beschwören (Waldsterben, Atomkraft, Gentechnik, Klimawandel...überall wird das Negative angebetet). Aber dazu muß vermutlich wirklich die naturwissenschaftliche Allgemeinbildung zunehmen. Dann lassen sich "normale" Menschen auch weniger durch Lobbyisten beeinflußen, gleich welcher Art, und denken mehr selbst. (womit wir wieder bei zu Guttenberg wären...bei dem leider der äußere Schein auch mehr zählte als die mangelnde Substanz).
Gualtiero Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Mystic
Hm, zwar bin ich jetzt kein Anhänger von Konrad Lorenz, der in der NS-Zeit eine doch eher unrühmliche Rolle als Verteidiger der damaligen Rassenlehre gespielt hat und dessen wissenschaftlichen Theorien zur Erklärung menschlicher Verhaltensweisen mithilfe von Instinkten und Verhaltensmustern aus unserer tierischen Vorzeit heute als überholt gelten . . . . . . , aber wenn das von ihm stammt, so kann ich mich damit durchaus anfreunden....

Als ich über K. Lorenzens – nachgewiesene oder vermutete - Unterstützung der Rassenideologie im 3. Reich das erste Mal gelesen oder gehört habe (vielleicht in einer Radiosendung von Ö1), war ich schon sehr verwundert. Denn er galt mir als unbedingt lesenswerter Autor und sein Forschungsgebiet hat mich mächtig interessiert.
Man könnte jetzt endlos lange über seine die (Weiter-) Entwicklung von Arten einschließlich der Species Mensch betreffenden Ansichten sowie über seine Rolle zur Zeit des NS-Regimes in moralischer Hinsicht reden. Ich verurteile ihn nicht, weil ich nicht weiß, wie ich mich selbst in dieser Zeit, unter solch repressiven Umständen, verhalten hätte. Seine Theorien halte ich aber schon für wert, sachlich und völlig unabhängig von seiner Biographie besprochen zu werden.

Zitat:
Original von Mystic
. . . . (R. Dawkins meinte gar, Lorenz hätte die Evolution "nie richtig verstanden") . . .

Damit stellen sich mir vorerst mal nur die Fragen: Was versteht R. Dawkins unter „Evolution“ bzw. was ist die damals von den meisten Evolutionsforschern anerkannte Definition von „Evolution“ und worin genau ist Lorenz davon abgewichen?
Die Tatsache, dass ein Wissenschafter Gegner hat, sagt noch nichts und ich achte wenig darauf; auch der zitierte Dawkins hat welche – warum also soll Lorenz keine haben?
Aber all das meine ich gehört nicht mehr ganz hierher, und überhaupt wäre das ein Thema für einen direkten Gedankenaustausch in einem Gespräch.

Zitat:
Original von Iridium
Ich sehe das mit den Naturwissenschaften an sich so wie Mystic. Gemessen an ihrer Bedeutung sind sie hoffnungslos unterrepräsentiert. Jeder Journalist hält sich z.B. zugute über Politik informiert zu sein, über Kultur, Trends und Moden, Geschichte, Literatur, aber niemandem wird verübelt, wenn er frei heraus bekennt, daß er keine Ahnung von Mathematik oder Naturwissenschaften hat. Eher noch adelt ihn das in den Augen der ebenso ignoranten und unwissenden Umstehenden.

Dass es salonfähig ist, sich über Mathematik oder Wissenschaft ganz allgemein abschätzig zu äußern, stört mich sehr und ist in Off-Topic-Themen hier im Board schon öfters beklagt worden. Ich finde es auch schrecklich, wenn Leute mit einem Studienabschluss keine zwei Millimeter über den Horizont des eigenen Fachgebietes hinauszuschauen vermögen. Das heißt nicht, dass man von ihnen in allen Disziplinen überdurchschnittliches Wissen verlangen können soll, aber wenigstens eine offene Haltung gegenüber allem, was außerhalb des eigenen Betätigungsfeldes liegt

Zitat:
Original von Iridium
Aber man muß differenzieren. Das, was an Naturwissenschaften dem Laien vermittelt wird, ist meistens genauso schlecht.

Falls Du populärwissenschaftliche Literatur meinst, fällt mir dazu ein Autor ein, den heutzutage niemand mehr kennt - Hoimar von Ditfurth. Sein Buch "Im Anfang war der Wasserstoff" und noch einige andere habe ich verschlungen; auch seine Fernsehsendungen habe ich mit ebenso brennendem Interesse verfolgt. Klar bin ich dadurch kein Physiker, Astrophysiker, Biologe usw. geworden, aber das Interesse dafür hat er bei mir soweit geweckt, dass ich mich ungefähr zurecht finde, wenn ich mal einen entsprechenden Artikel lese. Ich denke, mehr kann man von populärwissenschaftlicher Literatur nicht erwarten.

Damit bin ich wieder bei dem, was ich vorhin gesagt habe: möglichst früh damit beginnen und nie aufhören, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.
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