Theorie der partiellen Differentialgleichungen

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Friedrich2532 Auf diesen Beitrag antworten »
Theorie der partiellen Differentialgleichungen
Meine Frage:
Hallo!

In der PDGL-Vorlesung haben wir uns größtenteils auf die elliptischen DGLs und da besonders auf die Poisson-Gleichung beschränkt. Ich denke, dass ich zwar viele Definitionen und Sätze verstehe, mir fehlt jedoch irgendwie total der Zusammenhang.
Warum macht man sich in der Theorie soviel Mühe mit Sobolew-Räumen und Distributionen? Wieso formuliert man überhaupt Sobolew-Räume, wenn man doch sowieso mit den Distributionen einen noch allgemeineren Begriff einführt? Was kann ich mir unter einer schwachen Lösung vorstellen?
Im Übrigen: Ist die Motivation, mit der man von Sobolew-Räumen über Distributionen zu schwachen Lösungen kommt, einzig die Suche nach möglichst allgemeinen Lösungen?

Das ganze Thema ist irgendwie ziemlich nebulös und ungeordnet in meinem Kopf...

Meine Ideen:
In der Vorlesung sind wir folgende Schritte gegangen, die ich wie folgt verstanden habe:

- Zuerst haben wir in der Vorlesung festgestellt, dass die Poisson-Gleichung mit Dirichlet-Randbedingungen eindeutig lösbar ist. Dabei mussten Randbedingung und Inhomogenität allerdings als stetige Fkt. vorliegen. Bis hierhin ist quasi noch alles "klassisch".

- Wenn ich das richtig verstehe, möchte man nun allerdings auch die Frage nach Lösungen bei nicht mehr so tollen Randbedingungen und Inhomogenitäten beantworten können. Also führt man die Sobolew-Räume ein, Räume schwach differenzierbarer Funktionen, die man dann als mögliche Lösung nutzen will. Stimmt das so?

- Dann führt man die Distributionen ein, die den Vorteil haben, immer differenzierbar zu sein. Im Distributionssinn kann man dann für sehr schwache Bedingungen an die Inhomogenität und die Randwerte der Poisson-Gleichung Lösungen finden. Mit ihnen können wir dann angeben, dass eine allgemeine Lösung unter bestimmten Umständen (eindeutig) existiert, und ihre Lösungen können wir durch Greensche Funktionen für die jeweiligen Randwertprobleme anpassen.

- Dann führt man schwache Lösungen ein, die für die Inhomogenität nun auch Funktionale zulassen. Hier weiß ich gar nicht, was das passiert und warum man das überhaupt macht.



Viele Grüße
Friedrich
system-agent Auf diesen Beitrag antworten »

Die Idee ist einfach, dass klassische Lösungen "zu gut" sind, das heisst man verlangt sehr viele Eigenschaften von ihnen.
Um beim Beispiel zu bleiben:
Nehme auf [Poisson in 1D] und . Hier muss zweimal differenzierbar sein. Das ist ziemlich viel. Nun formulierst du das um als Variationsproblem:
Finde so, dass für alle [wobei ].

Was soll aber der passende Raum sein? Zuerst einmal muss in dieser Formulierung die Lösung nur noch einmal differenzierbar sein - in welchem Sinne auch immer - das ist schonmal gut.
Es tritt auch ein Integral auf über ein Produkt von Funktionen, also scheint schonmal der Raum eine gute Idee zu sein. Leider kann man dort nicht ableiten [punktweise Auswertung ist sinnlos]; also muss man noch eine neue Ableitung kriegen: die schwache Ableitung.

Nun ist der Unterraum von so, dass alle Funktionen darin ihre erste schwache Ableitung haben (Sobolevraum). Das heisst du hast nun das ursprüngliche Problem derart umformuliert, dass die Lösung sogar unstetig sein kann. Das heisst der Begriff der Lösung ist wesentlich allgemeiner geworden.
Und dennoch, falls die Lösung des neuen Problems genügend glatt ist, dann ist sie auch die Lösung des ursprünglichen Problems.

Willst du nun noch die Randbedingungen berücksichtigen, dann brauchst du den Spursatz der dir den Raum liefert und du suchst deine Lösung in diesem Raum.

Was du dir unter einer schwachen Lösung vorstellen kannst? Eigentlich nichts - es ist tatsächlich keine Funktion sondern eine Äquivalenzklasse von Funktionen. Und jede Funktion in dieser Äquivalenzklasse taugt als eine Lösung.
Friedrich2532 Auf diesen Beitrag antworten »

Und wie passt das Ganze mit Distributionen zusammen?
Kann ich mir das so vorstellen, dass die Funktion, die wir das betrachten zwar Sobolew-Funktionen sind, aber dass die DGLs im Distributionssinne gelten?

Vielen Dank jedenfalls schonmal smile
system-agent Auf diesen Beitrag antworten »

Was Distributionen angeht kann ich dir leider nichts weiter dazu sagen.
Friedrich2532 Auf diesen Beitrag antworten »

Okay, langsam "erwächst" der Zusammenhang in meinem Kopf...

Ich hab mir einige Texte zur schwachen Lösung beim elliptischen Differentialoperator angeguckt. Die Voraussetzung für, damit die Poisson-Gleichung löst, lautet:
für alle Testfunktionen . So ähnlich hast du das auch formuliert, oder? Nur hast du glaube ich direkt als Distribution geschrieben.
Hier bei mir steht in der Definition, dass ist, was glaube ich heißt, dass F eine Linearform ist.
Wenn man noch ein Stück weiter geht, und die Lösung des allgemeinen elliptischen Problems sucht, wo die DGL lautet:
,
dann sagt man, dass Lösung ist, falls
gilt mit der Bilinearform


Das geht jetzt schon ziemlich ins Detail, im Prinzip würde mich eigentlich auch nur interessieren, was das Ganze jetzt mit Bilinearformen zu tun hat. Das hatte ich jetzt schon öfter gelesen, z.B. in einem Online-Skript von Robert Denk von der Uni Konstanz:

"Eine Möglichkeit, auch die Lösbarkeit partieller Differentialgleichungen zu beweisen, verwendet den Begriff der schwachen Lösung. Dabei wird auf die klassische Differenzierbarkeit verzichtet und die Lösung in einem geeigneten Sobolevraum gesucht. Statt den Differentialoperator selbst zu betrachten, studiert man die zugehörige Bilinearform, die Dirichlet-Form. Dies hat den Vorteil, dass weniger Glattheitsbedingungen an die Lösung gestellt werden müssen."

Ich selbst bin kein Mathematiker und irgendwie sagt mir das überhaupt nichts, was das bedeuten soll mit der Bilinearform.
system-agent Auf diesen Beitrag antworten »

Du hast schon Recht.
Die allgemeine elliptische DGL kann man meistens so schreiben:

wobei gegeben ist, die und sind beschränkte, gegebene Funktionen [im Fall der Poisson Gleichung wäre und für und ].
Nehmen wir zusätzlich homogene Dirichlet Randbedingungen an, also auf dem Rand.

Wenn man das Ganze mit einer Testfunktion multipliziert [die am Rand auch Null ist] und danach integriert, kann man das Ganze mit Hilfe der Greenschen Formeln auf die folgende Form bringen
.
Das ist genau der Schritt der partiellen Integration die ich im 1D-Beispiel gemacht habe.
Nun ist der Richtige Raum für Lösungen und Testfunktionen abermals , genau wie im 1D-Beispiel.
Das ganze kann man nun als Variationsaufgabe schreiben:
Finde so, dass für alle gilt, wobei
gegeben ist durch

und gegeben ist durch
.

Du kannst sehr leicht überprüfen, dass bilinear und stetig ist und ist linear und stetig.
Falls nun die Gleichung wirklich elliptisch ist, dann ist die Bilinearform -elliptisch [oder manchmal auch koerziv genannt]. Da ein Hilbertraum ist impliziert nun der Satz von Lax-Milgram, dass es eine eindeutige schwache Lösung gibt.
Und wie schon zuvor erwähnt, diese Lösung ist natürlich ein Element von , was bedeutet dass sie nichteinmal stetig sein muss.
 
 
Friedrich2532 Auf diesen Beitrag antworten »

Okay, ich hab mir das jetzt alles nochmal mit deinen Tipps angeguckt. Ich glaube auch, es halbwegs durchblickt zu haben, danke smile

Eine Stelle ist mir noch grob unklar: Wenn wir die schwache Lösung z.B. bei der Poisson-Gleichung definieren, so dass wir den Satz von Lax-Milgram bzw. den verallgemeinerten Rieszschen Darstellungssatz anwenden können, um etwas über die Eindeutigkeit zu sagen, dann werden hier die Dirichlet-Randbedingungen nicht mehr über den Spuroperator verlangt, sondern über die Bedingung . Die Randbedingung soll anscheinend irgendwie von dem Funktional f in

aufgenommen werden. Wieso soll das funktionieren?
system-agent Auf diesen Beitrag antworten »

Weil das ein billiger Trick ist Augenzwinkern .

Wenn du das starke Problem
in mit auf
hast, dann kannst du ein weiteres Problem betrachten, nämlich
in mit auf ,
wobei eine Funktion ist mit auf .

Nun kannst du sehr leicht einsehen, dass eine Lösung des ersten Problems via eine Lösung des zweiten Problems produziert. Umgekehrt kriegst du via aus der Lösung des zweiten Problems eine für das erste Problem.

Nun fängst du einfach an anstatt das erste Problem in seine schwache Form zu überführen tust du das mit dem zweiten. Hast du das gelöst, liefert das also auch eine Lösung des ersten Problems [zumindest wenn ich mir kein Problem mit Vorzeichen eingehandelt habe].
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