Lineare Abb., Kern, Bewegung

Neue Frage »

DieBlume20 Auf diesen Beitrag antworten »
Lineare Abb., Kern, Bewegung
Hallo Forenmitglieder,

ich bin mal wieder auf Sachen in meinem Skript gestossen mit denen ich wenig anfangen kann:

1. Definition: Eine Bewegung in W, die den Nullvektor fest lässt heißt orthogonale Transformation.
Satz: Jede Bewegung f in W ist ein Produkt f= T°k einer Translation T mit einer orthogonalen Transformation k.
Einen Beweis gibt es auch noch dazu, den ich wahrscheinlich auch verstehen würde, wenn ich wüsste, was mit diesem Satz ausgedrückt werden soll! Wie soll man sich das vorstellen? Ich wäre euch für ein konkretes Beispiel dankbar. Eine Translation ist ja nichts anderes wie eine Verschiebung oder? Wenn diese orthogonal ist, dann heißt das doch das zwischen Bildvektor und dem Vektor ein 90° winkel exisitiert?!?

2. Ich habe totale Probleme mit Bild f und Kern f! Sie sind so definiert:
Bild f: \{ w\in W: w=f(v) für ein v \in v\}
Kern f: \{ v\in V: f(v)= 0 \}
Satz: Bild f ist ein linearer Unterraum von W und Kern f ist linearer Unterraum von V.
Das ganze kommt später auch noch in Zusammenhang mit Matrizen, und damit kann ich dann gar nichts mehr anfangen weil ich die Definition schon nicht verstehe.

3. Wie erstelle ich eine Darstellungsmatrix?


Vielen Dank
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

Am besten, du stellst dir das im einfachsten Fall vor. Das ist der zweidimensionale euklidische Raum mit dem Standardskalarprodukt. Da denkst du dir ein kartesisches Koordinatensystem drin - ganz so wie in der Schule. Von dort sind dir auch die sogenannten Kongruenzabbildungen bekannt. Das sind Abbildungen, die weder Form noch Größe von Figuren verändern. Und diese Abbildungen heißen jetzt Bewegungen. Und das war es eigentlich schon. Zu den Bewegungen gehören also Punkt- und Geradenspiegelungen, Drehungen und Verschiebungen.

Jetzt gibt es Bewegungen, die den Ursprung festlassen (oder etwas geometrischer ausgedrückt: bei denen der Ursprung ein Fixpunkt ist), z.B. die Spiegelungen an einer Ursprungsgeraden oder die Drehungen um den Ursprung. Solche Bewegungen heißen orthogonale Abbildungen, und zwar einfach deshalb, weil sie eine Orthonormalbasis wieder auf eine Orthonormalbasis abbilden. Identifiziert man Punkte mit ihren Ortsvektoren bezüglich des Ursprungs, so sind also bei einer orthogonalen Abbildung z.B. die Bilder und der Vektoren und wieder von der Länge 1 und senkrecht zueinander. Solche orthogonalen Abbildungen werden durch orthogonale Matrizen beschrieben. Die Spaltenvektoren (und Zeilenvektoren) von orthogonalen Matrizen bilden dann eine Orthonormalbasis.

Daneben gibt es noch die Translationen (Verschiebungen) . Diese Abbildungen sind im Sinne der Linearen Algebra nicht linear, denn sie bilden ja den Ursprung nicht auf sich selbst ab - er wird ja auch verschoben.

Stelle dir nun eine einfache Figur vor - warum nicht ein Dreieck! Das drehst du mit einem bestimmten Winkel um den Ursprung (das Dreieck liegt sozusagen auf einer Scheibe drauf, die sich um den Ursprung mit einem bestimmten Winkel dreht). Damit hast du eine spezielle orthogonale Abbildung ausgeführt, eben eine Drehung. Jetzt verschiebst du dieses gedrehte Dreieck noch um einen gewissen Vektor. Dann hast du noch eine Translation ausgeführt. Insgesamt hast du die Abbildung ausgeübt, eine spezielle Bewegung.

Und der von dir zitierte Satz sagt nun gerade, daß jede Bewegung in eine orthogonale Abbildung und eine Translation zerlegt werden kann: .

Ein konkretes Beispiel:



Diese Matrix ist orthogonal. Weise das nach! (Spaltenvektoren bilden eine Orthonormalbasis)
beschreibt eine Drehung. Für ist



Und jetzt noch eine Translation um :



Nimm irgend drei Punkte , so daß sie ein Dreieck bilden. Jetzt berechne die Bilder und beobachte, daß diese ein Dreieck bilden, das aus dem ursprünglichen durch eine Drehung um den Ursprung entstanden ist. Es ist zu ihm kongruent. Führe das wirklich aus, mit Papier und Bleistift!

Jetzt verschiebe noch:



Zeichne auch dieses Dreieck ein. Insgesamt hast du die jetzt die Bewegung mit



ausgeführt.
DieBlume Auf diesen Beitrag antworten »

Vielen Dank Leopold für die ausführliche Erklärung, ich habe mich gerade mal hingesetzt und das step bei step ausgerechnet. Das ist gar nicht so schwer. Ich habe es glaub ich soweit auch verstanden!

Nun bleiben noch die zwei anderen Fragen übrig, kann mir jemand vielleicht noch kurz erklären was der Kern und das Bild einer linearen Abbildung genau ist? Vielen Dank
system-agent Auf diesen Beitrag antworten »

damit ich nicht einen weiteren thread mit ähnlichen fragen aufmachen muss, schreib ichs einfach mal hier dazu (hoff mal die threadstellerin hat nix dagegen smile ):

wenn man eine lineare abbildung hat und man soll berechnen, heisst dies dann einfach, man nimm sich die koordinaten vor und setzt sie null, also löst das lineare gleichungssystem?

wäre dann nicht gleich mit der funktionsvorschrift?
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

@ DieBlume20

Mein Beitrag diente nur zum ersten Verstehenmachen des Begriffs der Bewegung, einfach damit dieser abstrakte Begriff für dich einmal eine konkrete Bedeutung annimmt. Natürlich wird das Ganze erst interessant, wenn man ins Dreidimensionale oder höher geht. Dann erst sieht man die wahre Kraft des Formelkalküls der Linearen Algebra. Diese Abstraktionsleistung mußt du nun selbst erbringen. Erst dann hast du verstanden, worum es geht.

Der Kern einer linearen Abbildung besteht aus allen Vektoren, die auf den Nullvektor abgebildet werden. Bei orthogonalen Abbildungen ist der Kern natürlich 0, denn nur der Nullvektor wird auf den Nullvektor abgebildet.

Um auch hier ein anschauliches Beispiel zu nehmen, betrachten wir eine orthogonale Projektion. Nimm zum Beispiel die feste Gerade mit der Gleichung . Und jetzt betrachtest du irgendeinen Punkt mit den Koordinaten . Wir legen durch ihn eine Gerade , die auf senkrecht steht. Diese muß die Steigung haben. Nach der Punkt-Steigungs-Formel hat die Gleichung



Den Schnittpunkt von und betrachten wir nun als Bildpunkt von . Durch Gleichsetzen der Funktionsterme errechnet man für die Koordinaten des Schnittpunktes die Werte



Diesen Vorgang führen wir für jeden beliebigen Punkt durch. So bekommen wir eine Abbildung. Sie projiziert den Punkt senkrecht auf die Gerade . Die Terme für den Bildpunkt sind linear in . Es handelt sich also um eine lineare Abbildung. Da die Herleitung vorbei ist, sind wieder frei. Ich nenne daher in und in um. Dann lautet die Abbildungsvorschrift:



Der Buchstabe soll an "Projektion" erinnern. Wenn man



schreibt, dann lautet in Matrizenschreibweise die Abbildungsvorschrift:




Und jetzt überlege selbst, allein aufgrund geometrischer Anschauung:

1. Welche Punkte werden bei der Abbildung auf 0 geworfen? Sie bilden den Kern von .

2. Welche Punkte erhält man als "Ergebnispunkte", also als Projektionspunkte unter der Abbildung ? Sie bestimmen das Bild von .

3. Warum ist mit Sicherheit keine Bewegung?

Du kannst schließlich auch versuchen, diese Fragen rein rechnerisch mit dem Matrizenkalkül und linearen Gleichungssystemen zu lösen. Die Abbildungsvorschrift hast du ja oben.
DieBlume20 Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo Leopold,

ich habe mir gerade deine Fragen überlegt und mir das ganz mal aufgezeichnet und hier die Antworten:

1. Es bilden alle Punkte den Kern von Pi, welche auf der Geraden h mit der Steigung -1/2 liegen und durch den Ursprung gehen, da diese alle orthogonal auf die Gerade g projeziert werden, die eben durch den Ursprung geht. Kann man in diesem Zusammenhang auch von einem orthogonalen Komplement sprechen?

2. Man erhält als Bilder unendlich viele Punkte auf der Geraden g, da ja einzelne Punkte orthogonal auf g projeziert werden. Die Gerade g bildet also das Bild, oder? Wenn man Kern und Bild schneidet, erhält man deshalb auch nur den Nullvektor. Es ist also eine direkte Zerlegung zwischen Kern und Bild gegeben oder?

3. Na weil die Abstände nicht fest sind. Augenzwinkern Zwei Punkte die vorher den Abstand a hatten, haben nach der orthogonalen Projektion nicht mehr den Abstand a!

Ich hoffe die Fragen sind alle richtig beantwortet, wenn vielleicht auch nicht 100 % mathematisch korrekt. Du hilfst mir hier gerade unwahrscheinlich. Die selbstständige Abstraktionsleistung auf R³ usw. nun selbst zu erbringen ist aber noch eine gewisse Hürde. Mehr als R³ kann man sich doch sowieso nicht vorstellen, wichtig ist doch dann nur noch zu wissen wie es funktioniert, und das funktioniert doch sicherlich immer noch genauso wie in R² oder?

Wie kann man den später mal direkt aus der Matrix das Bild und den Kern berechnen? Funktioniert das überhaupt? Ich denke mal das hängt bestimmt wieder mit homogenen LGS zusammen!

@system-agent
Stört mich nicht Big Laugh
 
 
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »



Genau! Die direkte Summe von Kern und Bild ist hier der gesamte Vektorraum. Und da die beiden Teile senkrecht aufeinander stehen, sind es orthogonale Komplemente zueinander.

Und um den Kern zu berechnen, mußt du ja nur das Gleichungssystem



lösen. Hier heißt das , also



Die Gleichungen sind identisch, also ist eine überflüssig. Es sind also alle im Kern von , für die , d.h.



gilt. Das ist die Gleichung der Geraden, die du per geometrischer Anschauung auch gefunden hast. Natürlich war das mit der geometrischen Anschauung hier nur deshalb so einfach, weil wir ja die Abbildung ursprünglich geometrisch erklärt hatten. Wenn die Formeln zuerst da gewesen wären, hätten wir den Kern auch rechnerisch bestimmen müssen.

Und noch eine Kleinigkeit zum Schluß: Es heißt tatsächlich "projizieren", auch wenn Tausende von Menschen etwas anderes sagen ...
system-agent Auf diesen Beitrag antworten »

um mich mal DieBlume20 anzuschliessen, das ist wirklich eine super erklärung !!

mir persönlich ist nur unklar wie ich vorgehe, wenn ich nur die abbildungsvorschrift gegeben habe und dann berechnen soll.
Neue Frage »
Antworten »



Verwandte Themen

Die Beliebtesten »
Die Größten »
Die Neuesten »