Russellsche Antinomie - ist sie immer eine Unmenge?

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Daniel1 Auf diesen Beitrag antworten »
Russellsche Antinomie - ist sie immer eine Unmenge?
Meine Frage:
Hallo,


ich wusste nicht wo das am Besten hinkommt, ich denke mal hier.

Also es geht um Folgende Menge:



Dies ist ja die Ausgangslage für die russelsche Antinomie.
Dabei geht man ja davon aus, dass es zu einem Widerspruch kommt wenn

wahr ist dann müsste ja gelten:

-> Widerspruch



Meine Ideen:
Das macht natürlich Sinn, wenn man aber davon ausgeht dass die Variable x auch die Menge U sein könnte. Aber dies ist ja bekanntlich nicht möglich (was mit dieser Aussageform auch bewiesen wurde).

Aber da es nicht mehr zulässig ist das eine Menge sich selbst enthält, müsste doch diese Aussageform in der heutigen Zeit zulässig sein, oder?

Ich bin kein Mathematikstudent, ich beschäftige mich nur in der Freizeit damit, also seht es mir nach wenn die Frage naiv klingt :p
pseudo-nym Auf diesen Beitrag antworten »

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich deine Argumentation verstanden habe, aber versuche einmal die Behauptung zu widerlegen, die ich glaube zu sehen.

Zu Beginn der axiomatischen Mengenlehre haben einige Mathematiker das sog. globale Komprehensionsschema angenommen. D.h. sie nahmen an, dass jedes Objekt der Form eine Menge ist ( ist hier eine beliebige Aussage wie z.B. ).

Mit dieser Annahme ist insbesondere die russelsche Antinomie eine Menge und man kann wie du schon gesagt hast einen Widerspruch herleiten. Da Theorien mit Widerspüchen nicht besonders spannend sind, hat man das globale Komprehensionsschema verworfen und sich neue Annahmen ausgedacht.

Zitat:
Aber da es nicht mehr zulässig ist das eine Menge sich selbst enthält, müsste doch diese Aussageform in der heutigen Zeit zulässig sein, oder?


Ich vermute, dass du dich hier auf die Zermelo-Fränkel-Mengenlehre (ZF) beziehst, einer der Versuche, dass oben genannte Komprehensionsschema abzulösen. In ZF gilt tatsächlich für jede Menge x : , allerdings gilt das globale Komprehensionsschema nicht in ZF. Wenn du also in ZF denkst, kannst du nicht annehmen, dass die russelsche Antinomie eine Menge ist nur weil sie die Form hat.
Daniel1 Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von pseudo-nym
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich deine Argumentation verstanden habe, aber versuche einmal die Behauptung zu widerlegen, die ich glaube zu sehen.

Zu Beginn der axiomatischen Mengenlehre haben einige Mathematiker das sog. globale Komprehensionsschema angenommen. D.h. sie nahmen an, dass jedes Objekt der Form eine Menge ist ( ist hier eine beliebige Aussage wie z.B. ).

Mit dieser Annahme ist insbesondere die russelsche Antinomie eine Menge und man kann wie du schon gesagt hast einen Widerspruch herleiten. Da Theorien mit Widerspüchen nicht besonders spannend sind, hat man das globale Komprehensionsschema verworfen und sich neue Annahmen ausgedacht.

Zitat:
Aber da es nicht mehr zulässig ist das eine Menge sich selbst enthält, müsste doch diese Aussageform in der heutigen Zeit zulässig sein, oder?


Ich vermute, dass du dich hier auf die Zermelo-Fränkel-Mengenlehre (ZF) beziehst, einer der Versuche, dass oben genannte Komprehensionsschema abzulösen. In ZF gilt tatsächlich für jede Menge x : , allerdings gilt das globale Komprehensionsschema nicht in ZF. Wenn du also in ZF denkst, kannst du nicht annehmen, dass die russelsche Antinomie eine Menge ist nur weil sie die Form hat.



Also erstmal danke für deine Antwort. Wie gesagt, ich bin kein Mathematikstudent und tue mich deshalb schwer deinen Ausführungen zu folgen. Ich versuche hier meine Idee präziser zu formulieren.



Der Widerspruch der Russellsche Antinomie funktioniert ja so, dass man davon ausgeht, was passieren würde wenn die Variable x
Zitat:
(d.h. ein Objekt x unserer Anschauung oder unseres Denkens)
quasi die Menge U selbst ist.

Also auftritt. Weiter geht man eben davon aus, das in diesem Fall aber gelten würde, dass ja dann gelten würde. Was natürlich ein Widerspruch ist!
Diese Annahme, ist aber ja nach heutiger Axiomatik (ich vermute das ist diese Zermelo-Fränkel-Mengenlehre) nicht zulässig, oder?

Wie kann man nun also bei der Menge

einen Widerspruch herbeiführen, wenn die Variable X nicht die Menge U selbst sein kann/darf?
Natürlich ist es pathologisch davon auszugehen, das es ein Element x gibt, welches nicht Element von sich selbst ist, aber das allein ist ja noch kein Grund das es diese Menge nicht gibt.

Oder ist dieser Widerspruch auch anders herbeizuführen, bzw. verstehe ich da einen Punkt falsch?

Danke für deine/eure Hilfe!
pseudo-nym Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Daniel1
Also auftritt. Weiter geht man eben davon aus, das in diesem Fall aber gelten würde, dass ja dann gelten würde. Was natürlich ein Widerspruch ist!

Naja, wenn du gezeigt hast, dann folgt dass dein Axiomensystem und zu einem Widerspruch führen.
Um zu zeigen, dass die Axiome selber einen Widerspruch zu produzieren reicht das nicht. Man kann allerdings zeigen und daraus folgt dann das gewünschte.

Zitat:
Diese Annahme, ist aber ja nach heutiger Axiomatik (ich vermute das ist diese Zermelo-Fränkel-Mengenlehre) nicht zulässig, oder?

Was meinst du mit zulässig?
Daniel1 Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von pseudo-nym
Zitat:
Original von Daniel1
Also auftritt. Weiter geht man eben davon aus, das in diesem Fall aber gelten würde, dass ja dann gelten würde. Was natürlich ein Widerspruch ist!

Naja, wenn du gezeigt hast, dann folgt dass dein Axiomensystem und zu einem Widerspruch führen.
Um zu zeigen, dass die Axiome selber einen Widerspruch zu produzieren reicht das nicht. Man kann allerdings zeigen und daraus folgt dann das gewünschte.

Zitat:
Diese Annahme, ist aber ja nach heutiger Axiomatik (ich vermute das ist diese Zermelo-Fränkel-Mengenlehre) nicht zulässig, oder?

Was meinst du mit zulässig?


Naja ich darf doch die Annahme eigentlich gar nicht machen? Denn eine Menge darf sich doch nicht selbst enthalten. Deshalb ist dieser Widerspruch nicht möglich, oder?
pseudo-nym Auf diesen Beitrag antworten »

Doch, man darf ersteinmal annehmen was man will. Vielleicht hilft hier ein Beispiel aus der Analysis:
Auch wenn du nicht Mathematik studierst, denke ich hast du schon einmal was von den reellen Zahlen gehört. Diese kann man ähnlich wie ein Mengenuniversum axiomatisch einführen. D.h. man nimmt eine Menge von Eigenschaften X und sagt, das die Struktur(en), die diese Eigeschaften erfüllen, die reellen Zahlen sind. X nennst du die Axiome der rellen Zahlen.
Nun haben die rellen Zahlen ein Nullelement. Anders gesagt gilt der Satz
,
oder ausgesprochen:
"Es gbt eine relle Zahl x, sodass für jede relle Zahl y gilt: x+y=x",
D.h. ist folgt aus den Axiomen (in der Tat ist ).

Wenn du nun das Gegenteil dieser Aussage annimmst

also
"Für jedes relle x gibt es ein y mit x+y ungleich x.",
so kannst du einen Widerspruch herbeiführen. Damit hast du jetzt aber nicht gezeigt, dass die Axiome der reellen Zahlen (also X) widersprüchlich sind, sondern lediglich dass X und widersprüchlich sind.
Du hast sozusagen einen Widerpruchsbeweis geführt, der zeigt, dass aus X folgt.

Genauso funktioniert das Ganze in ZF. Nimmst du an, so kannst du einen Widerspruch folgern. Z.B. ist es möglich mit dem Fundierungsaxiom die Aussage zu zeigen, daraus zu schließen und mit der ursprünglichen Annahme einen Widerspruch zu erhalten.

Es kann sein, dass ich dich jetzt vollkommen verwirrt habe. Das Problem ist, dass sich die axiomatische Mengenlehre sehr stark auf der Prädikatenlogik erster Stufe verlässt. Alle mengentheoretischen Aussagen sind am Ende Abkürzungen für eine prädikatenlogische Formel. Da diese Formeln aber furchtbar unhandlich sind ( steht z.B. lediglich für ""), behilft man sich mit Abkürzungen.
Die meiste Zeit reicht das auch völlig, wenn aber einmal Unklarheiten auftreten, wie bei dir der Fall, sehe ich keinen Weg daran vorbei in die formale Ebene zu wechseln, wo sich ja eigentlich alles Wichtige abspielt.
 
 
Daniel1 Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von pseudo-nym
Doch, man darf ersteinmal annehmen was man will. Vielleicht hilft hier ein Beispiel aus der Analysis:
Auch wenn du nicht Mathematik studierst, denke ich hast du schon einmal was von den reellen Zahlen gehört. Diese kann man ähnlich wie ein Mengenuniversum axiomatisch einführen. D.h. man nimmt eine Menge von Eigenschaften X und sagt, das die Struktur(en), die diese Eigeschaften erfüllen, die reellen Zahlen sind. X nennst du die Axiome der rellen Zahlen.
Nun haben die rellen Zahlen ein Nullelement. Anders gesagt gilt der Satz
,
oder ausgesprochen:
"Es gbt eine relle Zahl x, sodass für jede relle Zahl y gilt: x+y=x",
D.h. ist folgt aus den Axiomen (in der Tat ist ).

Wenn du nun das Gegenteil dieser Aussage annimmst

also
"Für jedes relle x gibt es ein y mit x+y ungleich x.",
so kannst du einen Widerspruch herbeiführen. Damit hast du jetzt aber nicht gezeigt, dass die Axiome der reellen Zahlen (also X) widersprüchlich sind, sondern lediglich dass X und widersprüchlich sind.
Du hast sozusagen einen Widerpruchsbeweis geführt, der zeigt, dass aus X folgt.

Genauso funktioniert das Ganze in ZF. Nimmst du an, so kannst du einen Widerspruch folgern. Z.B. ist es möglich mit dem Fundierungsaxiom die Aussage zu zeigen, daraus zu schließen und mit der ursprünglichen Annahme einen Widerspruch zu erhalten.

Es kann sein, dass ich dich jetzt vollkommen verwirrt habe. Das Problem ist, dass sich die axiomatische Mengenlehre sehr stark auf der Prädikatenlogik erster Stufe verlässt. Alle mengentheoretischen Aussagen sind am Ende Abkürzungen für eine prädikatenlogische Formel. Da diese Formeln aber furchtbar unhandlich sind ( steht z.B. lediglich für ""), behilft man sich mit Abkürzungen.
Die meiste Zeit reicht das auch völlig, wenn aber einmal Unklarheiten auftreten, wie bei dir der Fall, sehe ich keinen Weg daran vorbei in die formale Ebene zu wechseln, wo sich ja eigentlich alles Wichtige abspielt.



Hi,

Danke für deine sehr ausführliche und detailreiche Antwort. Das hat mir wirklich weitergeholfen. Ich wusste nicht, dass man prinzipiell alles Annehmen kann/darf. Ich war der Auffassung das die Grundidee der Überlegung ja eigentlich eine nicht Zulässige ist. Aber wenn dies der Fall ist, ist es natürlich absolut logisch!

lg
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