Korrekte Interpretation des Konfidenzintervalls

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chell Auf diesen Beitrag antworten »
Korrekte Interpretation des Konfidenzintervalls
Hallo,

ich habe eine Frage zur korrekten Interpretation von Konfidenzintervallen, da in der Vorlesung eine Interpretation gegeben wurde, der viele Lehrbücher wohl widersprechen:

Unser Dozent hat uns, z.B. bei einem Konfidenzintervall für den Erwartungswert, gesagt, dass der wahre Erwartungswert mit einer Wahrscheinlichkeit im ausgerechneten Konfidenzintervall liegt.

In vielen Büchern und auch auf Foliensätzen anderer Unis steht aber, dass diese Interpretation nicht korrekt ist, da der "wahre Erwartungswert" entweder im errechneten Intervall liegt oder nicht (er ist keine Zufallsgröße, sondern eine Konstante). Vielmehr soll die Sicherheitswahrscheinlichkeit sich auf das Verfahren beziehen, so dass man sagen kann, dass bei einem 95%-Konfidenzintervall die Wahrscheinlichkeit, dass das Verfahren ein Intervall liefert, welches den wahren Erwartungswert überdeckt, 95% beträgt.

Welche Interpretation ist jetzt richtig? Ich hatte den Dozenten diesbezüglich extra noch einmal gefragt und er meinte, die erste Interpretation (also seine) sei richtig.

Vielen Dank schon mal!
Math1986 Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Korrekte Interpretation des Konfidenzintervalls
Zitat:
Original von chell
Unser Dozent hat uns, z.B. bei einem Konfidenzintervall für den Erwartungswert, gesagt, dass der wahre Erwartungswert mit einer Wahrscheinlichkeit im ausgerechneten Konfidenzintervall liegt.

Zitat:
Original von chell
... dass man sagen kann, dass bei einem 95%-Konfidenzintervall die Wahrscheinlichkeit, dass das Verfahren ein Intervall liefert, welches den wahren Erwartungswert überdeckt, 95% beträgt.
Ich verstehe den Unterschied bzw Widerspruch zwischen den beiden Aussagen nicht. Ich würde beide als richtig ansehen.
chell Auf diesen Beitrag antworten »

Ich habe im Buch "Statistik: Der Weg zur Datenanalyse" von Fahrmeier folgendes dazu gefunden (ich hoffe, ich kann das hier posten wegen Urheberrecht etc.):

"Für das realisierte Konfidenzintervall [gu,go] mit den Realisationen gu,go läßt sich daraus nicht schließen, daß ¸ mit der Wahrscheinlich-keit 1 − ± darin enthalten ist. In einem konkreten Konfidenzintervall ist ¸ enthalten oder nicht. Es läßt sich nur aussagen, daß das Verfahren so konstruiert ist, daß in
(1 − ±) · 100 % der Fälle, in denen Konfidenzintervalle geschätzt werden, die resultierenden Intervalle den wahren Wert enthalten."

Oder lese ich das falsch?
Math1986 Auf diesen Beitrag antworten »

Jetzt sehe ich was du meinst. Streng mathematisch ist die Aussage des Professors missverständlich ausgedrückt, da es kein Wahrscheinlichkeitsmaß für den Erwartungswert gibt. Ich würde hier aber dennoch die intuitive Bedeutung von "Wahrscheinlichkeit" zugrundelegen. Hatte es beim ersten Mal auch so gelesen.

PS: Auszugsweises Zitieren ist korrekt, solange du die Quellen dazu angibst. Achte bitte nächstes Mal auf eine leserliche Darstellung.
Huggy Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Korrekte Interpretation des Konfidenzintervalls
Dein Dozent hat Unrecht, es sei denn, er ist Bayesianer.

Die korrekte Interpretation des Konfidenzintervalles ist keine mathematische Frage. Es ist eine Frage, wie man die mathematische Wahrscheinlichkeit in der realen Welt interpretiert.

Die weit überwiegende Zahl der Lehrbücher der angewandten Statistik nimmt die Häufigkeitsinterpretation. Wahrscheinlichkeit ist dabei die relative Häufigkeit, die man für den Ausgang eines Zufallsexperiments auf lange Sicht erwarten kann. In dem Sinne gibt es keine Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein unbekannter, aber fester Parameter in einem festgehaltenen Konfidenzintervall liegt. Da ist ja nichts mehr zufällig. Es wird ein festes Konfidenzintervall betrachtet und der Parameter ist auch fest. Was sich bei wiederholter Stichprobennahme ändert, ist das Konfidenzintervall selbst. Im Sinne der Häufigkeitsstatistik ist die einzig sinnvoll Aussage, dass bei wiederholter Stichprobennahme ein bestimmter Anteil der dann zufällig variierenden Konfidenzintervalle auf lange Sicht den unbekannten Parameter enthalten wird und der Rest tut es halt nicht.

Anders ist das bei der Bayesianischen Interpretation von Wahrscheinlichkeit. Die Bayesianer geben auch festen, aber unbekannten Größen eine Wahrscheinlichkeit. Sie geben noch allgemeiner Aussagen eine Wahrscheinlichkeit, richtig oder falsch zu sein. Wahrscheinlichkeit ist für die Bayesianer ein Maß für die Plausibilität einer Aussage, dass aufgrund der vorliegenden Informationen zu berechnen ist. Und eine Stichprobe liefert solche Informationen über einen unbekannten Parameter. Für einen Bayesianer ist daher eine Aussage der Form, der unbekannte Parameter liegt mit Wahrscheinlichkeit ... in einem festen Intervall, eine völlig legitime und sinnvolle Aussage.

Die Bayesianische Interpretation von Wahrscheinlichkeit hat viele attraktive Eigenschaften, ist aber höchst umstritten.
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