Rechnen mit dem Differentialoperator

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Anahita Auf diesen Beitrag antworten »
Rechnen mit dem Differentialoperator
Hi

Weil es Glück bringt an Silvesterabend Mathe zu machen (chinesisches Sprichwort Augenzwinkern und weil es sowieso wahrscheinlich das Beste ist was man jetzt machen kann und weil ich deshalb auch eine mehr als dreizeilige Einleitung zu meiner Frage schreiben darf - eine Frage die mich schon eine Weile beschäftigt:

Warum darf man, z.B. bei der Integration mit Hilfe der Substitutionsregel, mit dem Differentialoperator rechnen wie mit einer Zahl? Wird das theoretisch wirklich sauber gestützt? Ich habe immer irgendwie ein schlechtes Gefühl dabei, wenn ich das mache, auch wenn es "aufgeht".

Weiss das Jemand?

Danke :-)
Che Netzer Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Rechnen mit dem Differentialoperator
Tut mir leid, die Einleitung hat bei mir nur zwei Zeilen.

Meinst du vielleicht die Schreibweise und (insbesondere) dann ?
Da könntest du als Funktion von auffassen und das totale Differential bilden.

In etwa .
Wenn du dich später mit Differentialformen beschäftigst, wird das auch noch etwas klarer.
Cheftheoretiker Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Rechnen mit dem Differentialoperator
Hi,

also wenn ich Differentialoperator höre denke ich an den linearen Differentialoperator. Also,

Der ist besonders praktisch bei Differentialgleichungen. Zum Beispiel: und wir nutzen nun den Differentialoperator und umschreiben es zu: bzw.

Meinst du sowas? smile
Anahita Auf diesen Beitrag antworten »

Hi :-)

Also mit Differentialoperator meine ich wirklich etwas von der Form

Das sind ja infinitesimal kleine Entitäten (?) und mit diesem Konzept kann man Differentiation etc. präzise fassen.

Ich denke, ich verstehe dein Beispiel Che, aber wenn ich richtig sehe, wird bei dir ja nicht wirklich mit dem Differentialoperator rumgerechnet.

Ich denke das Beispiel vom Cheftheoretiker kommt dem ev. näher...

Oder hier ein Wikipedia-Beispiel:



Hier wird ja mit dem Differentialoperator gerechnet wie mit einer Zahl..man rechnet zum Beispiel einfach mal dx etc.
Che Netzer Auf diesen Beitrag antworten »

Das Beispiel ist fast dasselbe wie meins, wenn man hier berücksichtigt.
Ansonsten kommt es darauf an, von welchem Standpunkt aus man die Ausdrücke betrachtet; je nachdem ist eine der Gleichungen nicht direkt definiert.
Man kann als Differentialquotienten per Grenwzert definieren. Wenn dieser Zwei ist und alles andere schön definiert ist, kann man sagen, dass das Differential das zweifache von ist.
Solange die Differentialformen nur in Quotienten oder in auftauchen, kann man damit nach Belieben herumrechnen; Summen sind auch in Ordnung, bei Produkten muss man aufpassen, die sollten aber nicht so schnell vorkommen.
Etwas wie Differentiale in Exponenten würde aber kaum Sinn ergeben.
Zumindest keinen sinnvollen Sinn Augenzwinkern
Man könnte sich vielleicht auf dem Vektorraum der Differentiale ein schönes Produkt und eine submultiplikative Norm suchen, dann könnte man die Exponentialfunktion darauf tatsächlich definieren. Aber das vergiss am besten gleich wieder smile

Fassen wir mal zusammen: Du kannst mit den Differentialen herumrechnen, solltest aber im Hinterkopf behalten, dass eigentlich noch unklar ist, wieso, und dass du keine echte Multiplikation durchführst: Deine angegebenen Gleichungen sind äquivalent, aber eigentlich multipliziert man dabei nicht mit – das ist eher die Merkregel.

Studierst du denn Mathe bzw. weißt du, ob ihr in Analysis 3 Differentialformen behandelt bzw. ob du Differentialgeometrie hören wirst?
Anahita Auf diesen Beitrag antworten »

Ok, besten dank, ich werde das im Hinterkopf behalten, auch wenn ichs noch nicht vollständig verstehe(n kann).
Jap, Mathe im ersten Semester@ETH Zürich. Sowas wie Analysis III haben wir nicht (aber ein ca. 400-seitiges Ana I & Ana II Skript das bald ausführlich hier im Forum behandelt wird ^^) bzw ist bei uns Ana III = Mass & Integral (*freu*). Aber Diffgeo I und II werd ich ganz sicher besuchen.
 
 
Che Netzer Auf diesen Beitrag antworten »

Du möchtest 400 Seiten ausführlich hier im Forum behandeln? geschockt

Naja, wenn eure Aufteilung so wie unsere ist, werdet ihr Differentialformen in DiffGeo2 genauer betrachten.
Wie kannst du denn aber schon im ersten Semester entscheiden, dass du DiffGeo hören möchtest?
Anahita Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Che Netzer
Du möchtest 400 Seiten ausführlich hier im Forum behandeln? geschockt



Was denn, du beantwortest doch gerne Fragen :p
Nein, natürlich nicht ^^ war doch ein Witz, hoffe schon ab und zu etwas selber zu verstehen.

Diffgeo: Weil ich Analysis mag und ich mich deswegen auch auf Themen wie Masstheorie, Funktionalanalysis und Diffgeo freue. Ausserdem interessiert mich der Zusammenhang zwischen Mathematik und theoretischer Physik, obwohl ich sonst Physik nur so halb mag.
Ich weiss natürlich nicht sehr viel drüber, aber Interesse ist doch das A und O in Allem, oder nicht? smile

Kriegen wir keine Haue für Off-Topic Diskussionen? ^^
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

Hi,

zum Thema "sauberes Rechnen mit Differentialen" zitiere ich mal zwei Verweise aus anderen Threads. Einmal der übliche Zugang über Differentialformen:

Zitat:
Original von zweiundvierzig (Thread Äußere Algebra und Differentialformen)
Zur geometrischen Anschauung empfehle ich D. Piponi: On the VIsualisation of Differential Forms
sowie die entsprechenden Kapitel aus R. Penrose: The Road to Reality.

Mathematische Standardwerke sind M. Warner: Foundations of Differentiable Manifolds and Lie Groups und R. Bott / L. Tu: Differential Forms in Algebraic Topology


Und dann gibt es noch die Synthetische Differentialgeometrie, in der wie von Leibniz und Newton ersonnene "echte" Differentiale existieren, allerdings auf Kosten der klassischen Logik und des Tertium non datur:

Zitat:
Original von zweiundvierzig (Thread Rechnen mit Differentialen)

Am besten liest Du hier erstmal den Übersichtsartikel. Du musst Da allerdings nicht alle Abschnitte verstehen, da es gerade zum Ende hin recht weit geht. Dennoch kannst Du vielleicht einen guten Eindruck bekommen. smile
Anahita Auf diesen Beitrag antworten »

Vielen Dank für die Tipps! Mir war nicht bewusst, dass diese Frage zu solchen fortgeschrittenen Gebieten führen würde, aber ich werde es mir ganz sicher merken. Penrose finde ich im Übrigen extrem anspruchsvoll..wie das zu einem Bestseller wurde ist für mich immer noch etwas unverständlich..>_>

Ich habe noch eine andere Frage, wisst ihr eigentlich, ob man die Frage mit der Nonstandard-Analysis einfacher beantworten kann? Wie ich es verstanden habe hat man in der Nicht-Standard-Analysis eine präzisere (bzw. alternative) Definition des infinitesimal Kleinen (und "unendlich grossen"). Impliziert das nicht auch eine andere Auffassung von Differentialoperatoren?
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

Ja, die Nonstandardanalysis (hyperrelle und surreale Zahlen) ebenso wie die synthetische Differentialgeometrie ermöglichen Definitionen des "echten" Infinitesimalen, allerdings muss man dabei andere logische/mengentheoretische Modelle zugrunde legen.

In der synthetischen Differentialgeometrie hat man z.b. als Axiom, dass jede Funktion, die auf Differentialen definiert ist, eine "Taylorentwicklung" besitzt. Dies führt dazu, dass alle solche Funktionen differenzierbar sind. Man kann die ganzen grundlegenden Sätze aus der reellen Analysis (Hauptsatz, Mittelwertsatz, Zwischenwertsatz, mehrdimensionale Integralsätze) dann durch rein algebraische Umformungen gewinnen. Ebenso sieht es mit Identitäten von Differentialoperatoren und Tensoren aus der klassischen Differentialgeometrie aus.

Die Differentiale sind hier Elemente, die kleiner sind als jede reelle Zahl, aber eben nicht 0. Man kann sagen, es sind Elemente aus dem Intervall , das aber eben hier nicht die Menge ist, sondern sogar überabzählbar viele Elemente enthält. Das funktioniert aber offenbar nur, wenn man den Satz vom ausgeschlossenen Dritten aufgibt (intuitionistische Logik).

Warum sollte eine solche Mathematik interessant sein, außer aus dem historischen Gesichtspunkt, dass hier die ursprünglichen Ideen von Leibniz, Newton und auch Sophus Lie auf eine axiomatisch korrekte Grundlage gestellt werden?

Der eigentliche Grund für die noch junge Entwicklung der synthetischen Differentialgeometrie war eine andere. In der Geometrie stellt man sich Tangentialvektoren an einer als kleine Kurven an einem Punkt einer Fläche vor. Klassischerweise kann man hier aber keine echten Kurven, sondern nur Äquivalenzklassen von Kurven betrachten. In der synthetischen Differentialgeometrie sind Tangentialvektoren aber wortwörtlich infinitesimale Kurven an einem Punkt. Dies führt dazu, dass man echte 1-zu-1-Beziehungen zwischen Tangentialvektoren, Flüssen, und infinitesimalen Transformationen einer gegebenen Fläche/Mannigfaltigkeit erhält. Die synthetische Differentialgeometrie bewirkt also eine zweckmäßige geometrische Korrespondenz, die so in der klassischen Theorie nicht existiert.

Edit: Gut, Penrose ist sicherlich auch nichts, dass man nebenbei mal so liest. Augenzwinkern Er geht erklärterweise schon sehr weit, in Mathematik wie auch Physik und vertrtitt dabei teils auch Ansichten, die man nicht selbst unbedingt teilen muss (gerade, was physikalische Interpretation angeht). Aber die Einführungskapitel über Flächen, Mannigfaltigkeiten und Analysis auf Mannigfaltigkeiten vermitteln doch schon gut zentrale Ideen, wie ich finde.
Anahita Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von zweiundvierzig


Warum sollte eine solche Mathematik interessant sein, außer aus dem historischen Gesichtspunkt, dass hier die ursprünglichen Ideen von Leibniz, Newton und auch Sophus Lie auf eine axiomatisch korrekte Grundlage gestellt werden?



Das klingt ja schon mal nach einem ziemlich guten Grund Big Laugh

Zitat:
Original von zweiundvierzig
Die Differentiale sind hier Elemente, die kleiner sind als jede reelle Zahl, aber eben nicht 0. Man kann sagen, es sind Elemente aus dem Intervall , das aber eben hier nicht die Menge ist, sondern sogar überabzählbar viele Elemente enthält. Das funktioniert aber offenbar nur, wenn man den Satz vom ausgeschlossenen Dritten aufgibt (intuitionistische Logik).


Ich weiss dass das Aufgeben des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten alles ziemlich verkompliziert, aber grundsätzlich ist mir die Idee sympathisch. Wenn ich es richtig verstehe, geht es ja nicht darum, zuzulassen dass es neben "wahr" und "falsch" wie etwa in der Fuzzy-Logik noch andere Wahrheitswerte gibt, sondern darum, konstruktivistische Existenzbeweise zu fordern.

Was hat das jetzt aber mit der ursprünglichen Frage zu tun? Hab ich nicht ganz verstanden smile
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Anahita
Ich weiss dass das Aufgeben des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten alles ziemlich verkompliziert, aber grundsätzlich ist mir die Idee sympathisch. Wenn ich es richtig verstehe, geht es ja nicht darum, zuzulassen dass es neben "wahr" und "falsch" wie etwa in der Fuzzy-Logik noch andere Wahrheitswerte gibt, sondern darum, konstruktivistische Existenzbeweise zu fordern.

Ja, das ist die grundsätzliche Motivation, überhaupt intuitionistische Logik zu betreiben.

Zitat:
Original von Anahita
Was hat das jetzt aber mit der ursprünglichen Frage zu tun? Hab ich nicht ganz verstanden smile


Meinst Du damit diese Frage?
Zitat:
Original von Anahita
Wie ich es verstanden habe hat man in der Nicht-Standard-Analysis eine präzisere (bzw. alternative) Definition des infinitesimal Kleinen (und "unendlich grossen"). Impliziert das nicht auch eine andere Auffassung von Differentialoperatoren?

Ja, darauf komme ich jetzt nochmal zurück. Augenzwinkern Wieder kann ich nur für die SDG sprechen, weil ich mich mit hyperrellen und surrealen Zahlen nicht auskenne. In der SDG definiert man die Differentialoperatoren algebraisch. Bezeichnet die Menge der "neuen" reellen Zahlen und die Menge der Differentiale erster Ordnung, dann besagt das zentrale Axiom, dass sich jede Funktion schreiben lässt als mit eindeutigem Koeffizenten . Umformung nach ergibt . Dies ist also eine Art Differentialquotient (Differenz geteilt durch Differential) und da hier schon infinitesimal ist, benötigt man keinen Grenzwert wie im klassischen Fall. Man setzt schlich und hat somit die Ableitung der Funktion in definiert. Durch Verschiebung des Arguments kann man die Ableitung einer Funktion auf ganz definieren. Die Ableitung ist also eine rein algebraische Konstruktion. Ebenso werden auch die Richtungsableitung etc. algebraisch definiert. Wolltest Du hierauf hinaus? smile
Anahita Auf diesen Beitrag antworten »

Hi!

Ich glaube ich konnte das doch etwas nachvollziehen und es hat mir sehr geholfen.
Herzlichen Dank @ all.
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