Beweis, weshalb der Berührradius senkrecht auf der Kreistangente steht

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Gast14 Auf diesen Beitrag antworten »
Beweis, weshalb der Berührradius senkrecht auf der Kreistangente steht
Meine Frage:
Hallo zusammen,

in einem Buch hab ich gelesen, daß man die Kreistangente an einen Kreis konstruiert, indem man die Senkrechte zum Berührradius durch denjenigen Punkt auf der Kreislinie zeichnet, wo der Berührradius die Kreislinie schneidet.
Ich suche nach einer Erklärung (Beweis), warum der Berührradius und die Kreistangente senkrecht zueinander sind.
Könntet Ihr mir bitte sagen, ob meine Erklärung dazu richtig ist?
Ist meine Erklärung auch ein gültiger Beweis oder ist sie als Beweis für die Orthogonalität von Berührradius und Tangente unzureichend?

Meine Ideen:
Die kürzeste Strecke (also die Entfernung) zwischen einem Punkt und einer Geraden ist die Senkrechte von diesem Punkt auf die Gerade. Das kann man mit dem Satz von Pythagoras beweisen:
Zeichnet man von einem Punkt M aus einmal die Senkrechte auf die Gerade t und einmal eine beliebige "NICHT-Senkrechte" auf t, so erhält man ein rechtwinkliges Dreieck mit der Hypothenuse "NICHT-Senkrechte" und der Kathete Berührradius. da die Hypothenuse immer größer als die Katheten sind, ist die Senkrechte kürzer als die "NICHT-senkrechte".
Deshalb ist die kürzeste Strecke zwischen M und t die Senkrechte von M auf t.
Überträgt man das jetzt auf einen Kreis mit dem Kreismittelpunkt M und mit einer Kreistangente t, so könnte man doch sagen:
Der Berührradius ist die KÜRZESTE Strecke zwischen M und t. WIE man das formal beweisen kann, weiß ich nicht - aber man kann es sich an einer Zeichnung anschaulich machen (ich weiß, eine Zeichnung allein ist leider kein Beweis).
Und weil die kürzeste Strecke zwischen M und t die Senkrechte von M auf t ist, muß der Berührradius SENKRECHT auf der Kreistangenten stehen.
Ist das so eine richtige Schlußfolgerung?
Würde meine Begründung als Beweis gültig sein oder hab ich Fehler drin (außer der Tatsache, daß ich einmal nur mit einer Zeichnung argumentiere und das kein Beweis ist)???

Vielen Dank für Eure Hilfe!
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

Bevor wir hier weitermachen, muß erst einmal geklärt werden, was eine Kreistangente ist. Was verstehst du darunter?

Eine Tangente ist zunächst einmal eine Gerade. Da sind wir uns wohl einig.
Aber was zeichnet eine Tangente vor andern Geraden aus? In welcher Beziehung steht sie zum Kreis?

Wenn das geklärt ist, also eine präzise Definition vorliegt, kann man sich dann darüber unterhalten, welche weiteren Eigenschaften eine Tangente besitzen muß.
Gast14 Auf diesen Beitrag antworten »
Kreistangente
In dem Mathebuch wird zwischen Passante, Sekante und Tangente unterschieden.
Die Passante verläuft am Kreis vorbei (hat also keinen Punkt mit dem Kreis gemeinsam), die Sekante schneidet den Kreis in 2 Punkten und die Tangente berührt den Kreis in einem Punkt.
Wörtlich steht in dem Buch:
"Besitzt eine Gerade mit dem Kreis k EINEN gemeinsamen Punkt P, dann heißt die Gerade Tangente. Der Punkt P heißt Berührpunkt.
Die Tangente und der Radius durch den Berührpunkt,auch Berührradius genannt,bilden immer einen rechten Winkel.
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

In der Schulgeometrie kennt man keinen strengen axiomatischen Aufbau, sondern verwendet eine geschmeidige Mischung aus Offensichtlichkeiten und beweisbaren Aussagen, die aus jenen folgen. Schon die Tatsache, daß es überhaupt Geraden gibt, die mit einem Kreis genau einen Punkt gemeinsam haben, ist keine Selbstverständlichkeit. Daß die dann auch noch auf dem Radius senkrecht stehen sollen, ist es noch viel weniger. Das Schulbuch faßt dieses jedoch zusammen als offensichtliche Tatsache auf. So verstehe ich das jedenfalls.
Und nun besteht die Schwierigkeit, daß du so etwas wie einen "strengen Beweis" suchst, obwohl die Grundlagen, auf denen dieser Beweis geführt werden soll, völlig im Nebel liegen.

Ich versuche es einmal so: Wir betrachten einen Kreis k um M vom Radius r und wählen auf ihm einen Punkt B aus. Senkrecht auf der Strecke MB zeichnen wir durch B eine Gerade t.
Nach Konstruktion haben k und t den Punkt B gemeinsam. Jetzt nehmen wir an, daß sie einen weiteren von B verschiedenen Punkt A gemeinsam haben, und betrachten das in B rechtwinklige Dreieck MAB. In ihm ist der rechte Winkel der größte (folgt aus der Winkelsumme), also liegt ihm auch die größte Seite MA gegenüber. MA ist insbesondere größer als MB, also größer als r. Das widerspricht aber der Tatsache, daß A auf dem Kreis liegt, MA also auch die Länge r haben sollte.
Wir haben aus der Annahme, daß k und t auch den Punkt A gemeinsam haben, einen Widerspruch erhalten. Also können k und t nur den Punkt B gemeinsam haben.

Welche "Grundtatsachen" haben wir unter anderem verwendet?

Drei Punkte, die nicht auf einer Geraden liegen, bilden ein Dreieck.
Die drei Winkel eines Dreiecks ergeben in der Summe zwei rechte.
Von zwei Seiten eines Dreiecks liegt der größeren auch der größere Winkel gegenüber.
Punkte eines Kreises haben vom Mittelpunkt denselben Abstand.

Wenn du diese "Grundtatsachen" akzeptierst oder bereits aus anderen "Grundtatsachen" gefolgert hast, ist das Obige ein gültiger Beweis. (Daß daneben noch ganz andere Sachen mitschwingen, sei nur am Rande bemerkt. Man denke nur an die Schwierigkeit zu erklären, was überhaupt ein Winkel ist.)

Jetzt definieren wir eine Gerade, die in einem Kreispunkt auf dem zugehörigen Kreisradius senkrecht steht, als Tangente. Nach dem eben Bewiesenen hat eine Tangente mit dem Kreis nur einen Punkt gemeinsam.
Noch nicht geklärt ist jedoch, ob eine Gerade, die mit einem Kreis nur einen Punkt gemeinsam hat, auch stets eine Tangente, wie wir sie soeben definiert haben, sein muß. Du kannst dir ja einmal selbst überlegen, wie man das beweisen könnte.
Gast14 Auf diesen Beitrag antworten »
Danke schön!
Hallo Leopold,

vielen Dank für Deine sehr ausführliche Antwort!
Da hast Du mir sehr weitergeholfen !!!

Ja, das Problem hab ich öfters:
Eine Konstruktionsvorschrift oder ein Rechengesetz wird erklärt, aber WARUM das Gesetz gerade so lauten muß, verstehe ich dann noch nicht. Deshalb versuche ich dann manchmal, mir einen Beweis zu basteln und bin jedesmal sehr dankbar, daß ich ihn anschließend in Euer sehr hilfreiches!!! Forum zur Diskussion stellen kann.
Also, liebe Mathe-Asse, macht bitte weiter so Freude

Viele Grüße
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