Mündl. Prüfung Uni: Definitionssache?

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Mündl. Prüfung Uni: Definitionssache?
Hallo, ich studiere Chemie an einer Uni und hatte eine mündliche Prüfung in Analysis 1 abgelegt, die (zumindest aus meiner Sicht) recht überraschend und letztlich nicht erfolgreich verlaufen ist. Aufgrund des Prüfungsverlaufs sind mir einige Dinge unklar, die nichts mit dem Stoff als solches zu tun haben. Ich schildere am besten mal, was genau vorgefallen ist:

Der Prüfer stellte mir als erstes die Frage, wann eine Folge konvergent ist. Ich antwortete darauf mit der Definition aus dem Standardwerk von Forster "Analysis 1" (10.Ed.), Seite 30: "Eine Folge a_n reeller Zahlen konvergiert gegen einen Grenzwert a, wenn zu jeder Epsilon-Umgebung ein Wert n existiert, so dass ab diesem Wert alle Folgenglieder in der Epsilon-Umgebung liegen.", worauf der Prüfer sagte: "Okay, das ist eine geometrische Beschreibung, aber nicht die Definition." Ich war verwundert, da meine Aussage im Forster eindeutig als "Definition" deklariert ist und sagte "Ich denke, das ist die Definition.", worauf der Prüfer sich ein Papier nahm und dann "\all x: ..." notierte und sagte: "Die Definition muss man formal mit Quantoren beschreiben, wie geht das?"
Ich muss dazu sagen, dass ich mit Quantoren nie richtig warm geworden bin und es auch nicht für notwendig hielt, da diese in keinem der Analysis 1-Bücher die ich kenne, für Definitionen verwendete werden (z.B. Harro Heuser benutzt sie auch nicht). Ich habe dann dennoch 2-3 Sekunden nachgedacht, um die mir bekannte Definition in Quantoren-Schreibweise umzuformulieren. Ich kam jedoch nicht dazu, weil der Prüfer sogleich sagte: "Also sowas müssen sie sofort parat haben, ohne nachzudenken. Sie können nicht in eine Analysis 1 - Prüfung gehen, ohne den Grenzwert definieren zu können!" Da hat er sicher recht, aber nichts anderes hatte ich getan, nur eben nicht in Quantoren-Schreibweise.
Ab diesem Zeitpunkt kam ich mir ziemlich verarscht vor und wurde sehr nervös, weil mit der Forderung des Professors so ziemlich sämtliche Definitonen, die ich gelernt hatte, über den Jordan gingen. Dass sich Prüfer und Protokollant während der Prüfung immer wieder spöttisch zugrinsten, trug ebenfalls nicht zu meiner Konzentration bei. Der restliche Teil der Prüfung verlief ähnlich. Meine Definitionen waren ihm nicht gut genug und ich hatte den Eindruck, dass es eher darum ging, mir zu beweisen, dass ich nichts weiss und nichts verstanden habe. Dass ich die Prüfung nun wiederholen muss ist eigentlich nicht Thema. Das Problem liegt darin, dass ich nicht weiss, wie ich nun da rangehen soll und mir stellen sich 2 wesentliche Fragen:

1.) Nach meiner Auffassung muss eine Definition, die in einem Standardwerk wie dem Forster gegeben wird, so in einer Prüfung akzeptiert werden. Es geht mir gar nicht darum, dass ich mich um das Lernen einer Quantoren-Definition drücken will, sondern um die Fairness dahinter und vor allem auch um die Verfügbarkeit des Stoffes. Quantoren-Definitionen hatte ich mal in Vorlesungen gesehen, bei denen man sich aussuchen kann, ob man 6 Seiten hektisch mitschreibt, oder eben aufpasst und den Stoff versteht. Klar, Mitschriften gibts evtl. bei der Fachschaft, aber wer sagt mir dann, dass diese Mitschriften korrekt sind? Welche Bücher für Analysis 1 verwenden überhaupt Quantoren für ihre Definitionen?

2.) Der Prüfer hat an der Fakultät einen ausgezeichneten Ruf, ist als fairer Prüfer bekannt und auch das Vorgespräch mit ihm empfand ich als sehr positiv. Sein Verhalten in der Prüfung war für mich umso irritierender. Ich brauch kein Kaffeekränzchen und auch meine bisherigen mündlichen Prüfungen waren relativ straff und streng, aber ich denke ein paar Sekunden sollte man dem Prüfling schon geben, bevor man als Prüfer die Geduld verliert und sichtlich verärgert ist. Nein sorry, mit der Art kam ich überhaupt nicht zurecht. Ich hatte daher gedacht, für die Wiederholungsprüfung einen anderen Prüfer zu wählen, aber ob das die beste Lösung ist?

Ich wäre für Meinungen und Vorschläge dankbar. Um Missverständnissen vorzubeugen: Mir geht es nicht darum, das Ergebnis der ersten Prüfung irgendwie anzufechten, sonden mich besser (oder in diesem Fall wohl "passender") auf die Wiederholungsprüfung vorzubereiten.

Vielen Dank im voraus!
echnaton Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Nach meiner Auffassung muss eine Definition, die in einem Standardwerk wie dem Forster gegeben wird, so in einer Prüfung akzeptiert werden.

Dem muss ich widersprechen. Es gibt nicht die Definition eines mathematischen Sachverhalts. Einfaches Beispiel ist die Eulersche Zahl . Man könnte sie als oder oder auf ein Dutzend andere Arten definieren. Wird erstere Definition eingeführt, so kannst du nicht einfach die zweite aus Sekundärliteratur hernehmen und damit deine Beweise führen, es sei denn die Äquivalenz wurde gezeigt. Kurz: Benutze die Definitionen, die ihr (und niemand anders!) eingeführt habt.

Zitat:
Ich muss dazu sagen, dass ich mit Quantoren nie richtig warm geworden bin und es auch nicht für notwendig hielt, da diese in keinem der Analysis 1-Bücher die ich kenne, für Definitionen verwendete werden

Zunächst einmal: Es ist ein Irrglaube, dass mathematische Schriften besonders viele mathematische Symbole enthalten müssen. Einzig die logische Konsistenz muss gewährleistet werden. Wenn diese eingehalten wird, kannst du deinen Beweis auch in Schriftform verfassen.

Nichts­des­to­trotz sind Quantoren elementares Handwerkzeug. Damit muss man bei Bedarf spielerisch umgehen können. Und da bin ich auf der Seite deines Professors: Die Definition der Folgenkonvergenz in Quantorenschreibweise muss wie aus der Pistole geschossen kommen, auch wenn seine Bemerkung nicht gerade förderlich für den ohnehin schon verunsicherten Prüfling war.


Auf jeden Fall kennst du jetzt die Punkte, auf die dein Prüfer besonderen Wert legt. Lass den Kopf nicht hängen. Ich wünsche dir viel Glück beim nächsten mal. Freude
Scanner Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo echnaton, vielen Dank für Deine Nachricht.

Zitat:
Es gibt nicht die Definition eines mathematischen Sachverhalts. (...) Wird erstere Definition eingeführt, so kannst du nicht einfach die zweite aus Sekundärliteratur hernehmen und damit deine Beweise führen, es sei denn die Äquivalenz wurde gezeigt. Kurz: Benutze die Definitionen, die ihr (und niemand anders!) eingeführt habt.

Okay, das war mir absolut nicht klar. Wenn das so ist, muss ich das wohl akzeptieren, aber nachvollziehen kann ich es nicht. Warum sollte die Definition, die mein Professor wählt, "besser" oder "passender" sein, als jene, die renommierte Autoren bzw. Professoren für Jahrzehnte in ihrer Literatur gewählt haben? Na egal, ich werde es nicht ändern können Augenzwinkern Also komme ich um die Vorlesungsmitschrift aus seiner Vorlesung nicht herum?

Zitat:
Nichts­des­to­trotz sind Quantoren elementares Handwerkzeug. Damit muss man bei Bedarf spielerisch umgehen können. Und da bin ich auf der Seite deines Professors: Die Definition der Folgenkonvergenz in Quantorenschreibweise muss wie aus der Pistole geschossen kommen, auch wenn seine Bemerkung nicht gerade förderlich für den ohnehin schon verunsicherten Prüfling war.

Nun gut, gibt es denn empfehlenswerte Literatur für Analysis 1, die Quantoren verwendet?

Zitat:
Ich wünsche dir viel Glück beim nächsten mal. Freude

Danke! smile
echnaton Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Also komme ich um die Vorlesungsmitschrift aus seiner Vorlesung nicht herum?

Gerade nach deinem negativem Erkenntnisgewinn rate ich dir dringend, dich an dein Vorlesungsskript zu halten und dich mit Quantoren auseinanderzusetzen.

Zitat:
Nun gut, gibt es denn empfehlenswerte Literatur für Analysis 1, die Quantoren verwendet?

Ich meine Analysis 1 und 2 von Behrends benutzt Unmengen von Quantoren. Aber ohne Garantie. Übrigens existieren bei Quantoren auch verschiedene Schreibweisen.

Allquantor:


Existenzquantor:



Tipp: Verwende die Schreibweise, die ihr in der Vorlesung hattet. Big Laugh Augenzwinkern
Mitlesende Auf diesen Beitrag antworten »

Nebenbei gefragt:

"Übrigens existieren bei Quantoren auch verschiedene Schreibweisen."

Warum ist man sich gerade in der Mathe, die doch so sehr auf absolute Klarheit bedacht ist, manchmal in der Notation nicht einig ?
Guppi12 Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Wenn das so ist, muss ich das wohl akzeptieren, aber nachvollziehen kann ich es nicht. Warum sollte die Definition, die mein Professor wählt, "besser" [...] sein


Dass die besser ist, sagt niemand, aber alle Beweise, die ihr über irgendwelche Objekte führt, verwenden die Definitionen dieser Objekte. Das heißt, dass man die Beweise, die ihr in der Vorlesung geführt habt, dann nicht ohne Weiteres übertragen kann, man muss sie anpassen. Gleiches gilt für bestimmte Eigenschaften der definierten Objekte. Es ist oft so, dass bei unterschiedlichen Definitionen manche Eigenschaften, die vorher offensichtlich waren, bei anderer Definition erstmal bewiesen werden müssen und umgekehrt.

Selbstverständlich kann man dann die Beweise der Vorlesung auch nicht in der Prüfung abfragen, wenn du die Definitionen der Vorlesung nicht kennst. Alles gute Gründe, deinem Professor zuzustimmen.

Kleines Beispiel in Anlehnung an Echnatons Beispiel:

Nimm mal an, ihr habt in der Vorlesung definiert. Der Prüfer fragt dich das und du nennst die andere genannte Definition. Danach würde er dich gerne fragen, wie du nur anhand der Definition und Rechenregeln für Reihen zeigen kannst, dass . Na viel Spaß, dass mal in einer mündlichen Prüfungen einfach so mit deiner Definition hinzukriegen, ohne den Beweis vorher mal gesehen zu haben Augenzwinkern

Wenn du das bei allen Definitionen so machst, kann der Prüfer dich außer Definitionen nichts fragen, wenn er dich nicht auflaufen lassen will. Ich hoffe das macht dir etwas deutlicher, warum der Professor erwartet, dass du seine Definitionen kennst.

(Das Beispiel ist bewusst überspitzt gewählt.)
 
 
magic_hero Auf diesen Beitrag antworten »

Ich habe mir mal alles durchgelesen und stimme meinen Vorrednern weitestgehend zu, möchte aber zugleich eine Lanze für dich brechen. Ich behaupte, dass viele Prüflinge die Frage nach der Definition einer konvergenten Folge nicht adäquat beantworten können, wie du das ja dennoch getan hast. Manche lernen vielleicht die Quantorendefinition auswendig und verstehen gar nicht, was die Zeichen bedeuten.

Insofern empfehle ich dir durchaus, so weiterzumachen wie bisher, aber zusätzlich die Tipps zu beachten, die hier gegeben wurden. Ich hatte nämlich als Mathematiker, gerade in späteren Prüfungen, oft die Situation, dass ich komplexere Ansätze oder Zusammenhänge erklären musste. Gerade da lohnt es sich, nicht nur stumpf irgendwelche konkreten Definitionen zu lernen, sondern das Bild für das große Ganze zu haben.
Scanner Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo Magic_Hero,

Du spiegelst in Deinen Worten ziemlich genau meine Einstellung und Herangehensweise an die Prüfung wieder. Ziel war es für mich, mir eher ein "Big Picture" des Stoffes anzueignen, als das Vorlesungsscript auswendig zu lernen. Ich hatte mir ein Buch ausgesucht, mit dem ich gut zurecht komme (Forster "Analysis 1") und dann die Definitionen von dort verinnerlicht (ich kann sie korrekt mit Worten wiedergeben). Zusammenhänge und Regeln wie z.B. ("Alle Cauchy-Folgen konvergieren in vollständigen Räumen") hatte ich mir separat rausgeschrieben und so ergab sich dann, mit ein paar Beispielen, langsam aber sicher ein zusammenhängendes Bild im Kopf.

Bei der Prüfung wurden aber Zusammenhänge zwischen den Themen gar nicht abgefragt, sondern hauptsächlich Definitionen und etwas Rechnen. Ich behaupte mal, dass man diese Prüfung als jemand, der stumpf die Definitionen der Vorlesung auswendig lernt und sich beim Rechnen nicht allzu blamiert, locker mit 2,0 hätte bestehen können. Sowas ist mir zuviel Schule, zu wenig Uni. Daher ja auch meine Überlegungen, ob ich die Prüfung nicht bei einem anderen Prüfer wiederholen sollte.
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