Erwartungswert/gleichbleibende Wahrscheinlichkeit

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Ibika Auf diesen Beitrag antworten »
Erwartungswert/gleichbleibende Wahrscheinlichkeit
Meine Frage:
Ich bin auf der Suche nach einer mathematischen Erklärung für folgendes (vermutlich sehr banales) "Problem" (mein Freund ist Mathematiker, ich bin Juristin und wir streiten regelmäßig hierüber - ich bin also auf Euren mathematischen Sachverstand angewiesen Augenzwinkern ):

Angenommen jedem Menschen wird durchschnittlich 1mal in seinem Leben von einer Taube auf den Kopf gemacht. Dann muss es doch weniger wahrscheinlich sein, dass dieses Ereignis - nachdem es bereits 1mal eingetreten ist - ein zweites oder gar drittes Mal eintritt.

Meine Ideen:
Ich weiß natürlich, dass die einzelne Wahrscheinlichkeit für ein unabhängiges Ereignis immer gleich bleibt. Aber wenn es doch den meisten Menschen nur einmal in ihrem Leben geschieht (Erwartungswert = 1), dann muss sich dies doch irgendwie im einzelnen Versuchsablauf niederschlagen.

Zweifellos ist es unwahrscheinlicher, dass mir eine Taube in meinem Leben 10mal auf den Kopf macht anstatt nur 1mal.

Ich stelle mir vor, dass jeder Mensch zu Beginn seines Lebens von sämtlichen möglichen Varianten des Lebensverlaufes ein Los zieht (jedes Jahr ein Durchgang, ingesamt umfasst ein Los also z.B. 90 Durchgänge). Sagen wir, es ist am wahrscheinlichsten, dass ich ein Los mit exakt einem positiven Ereignis ziehe (000100000...). Dann leuchtet mir natürlich immer noch ein, dass sich nach Jahr 4 die Wahrscheinlichkeit für eine Taubenattacke im Jahr 5 nicht ändert, aber für mich besteht da ein Konflikt mit der allgemeinen Wahrscheinlichkeit ein Leben mit nur exakt 1 Taubenangriff "gezogen zu haben". Diese Wahrscheinlichkeit muss sich doch eigentlich auch innerhalb des Lebens verteilen. Ich habe den Eindruck, dass es wahrscheinlicher ist, einen Taubenangriff zu erleben, wenn dies nach ganz vielen Jahren noch nicht passiert ist.

Ich freue mich über plastische Gegenerklärungen oder - noch besser - mir zustimmende Erklärungen!
melianarana Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Stochastik: Erwartungswert/gleichbleibende Wahrscheinlichkeit
Ich muss dir sagen, dein Freund hat Recht:
Stell dir das Problem zahlenmäßig massiv reduziert vor: angenommen wir haben 6 Menschen (Menschen A - F) und es wird insgesamt 6 mal jemand von Taubenscheiße getroffen (Durchschnitt, bzw. Erwartungswert also 1 Mal pro Person). Die Treffer passieren nacheinander und unabhängig voneinander.
Wenn nun Person A getroffen wird, ist dessen Trefferwahrscheinlichkeit für den nächsten Klogang nicht anders als zuvor. Genau wie ein Würfel, mit dem du eine 6 wirfst: die Wahrscheinlichkeit, beim nächsten Wurf eine 6 zu erwischen ist immernoch .

Natürlich ist es sehr unwahrscheinlich, dass Person A jedes Mal getroffen wird, die Wahrscheinlichkeit dafür ist .

Die Wahrscheinlichkeit, genau ein Mal getroffen zu werden ist .
melianarana Auf diesen Beitrag antworten »

Man könnte argumentieren, dass sich die Wahrscheinlichkeit getroffen zu werden, nachdem es bereits passiert ist, verringert, da nur endlich oft geschissen wird. Vergleich mit dem Würfel: wenn ich 6 Mal würfle, ist die Wahrscheinlichkeit mindestens ein Mal eine 6 zu würfeln höher, als wenn ich nur 1 Mal werfe. Aber da ich annehme, dass ihr von "quasi-unendlich" vielen Tauben, Klogängen und Menschen redet, gilt dieses Argument nicht.
klauss Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Stochastik: Erwartungswert/gleichbleibende Wahrscheinlichkeit
Hat denn Dein Freund als Mathematiker nicht den mathematischen Sachverstand? Oder nur nicht die didaktischen Fähigkeiten, seinen Sachverstand Anderen verständlich zu machen?
Letzteres wäre jedenfalls ein Phänomen mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit als ein Taubenangriff ... Augenzwinkern

Dein Losmodell ist in vielen Fällen eine gute anschauliche Möglichkeit zur Abstrahierung von stochastischen Vorgängen. Hier finde ich diese aber gerade nicht geeignet, zumal mir schon die "Abzählbarkeit" von "sämtlichen möglichen Varianten des Lebensverlaufes" dubios vorkommt.

Wenn man annimmt, ein Taubenangriff finde durchschnittlich 1 mal pro Leben statt, könnte man ja ganz naiv zunächst dieses Ereignis als exponentialverteilt mit einer durchschnittlichen Wartezeit von etwa 75 Jahren betrachten. Dann kann Dir Dein Freund darlegen, wie es sich mit der Gedächtnislosigkeit der Verteilung verhält und z. B. mit der Wahrscheinlichkeit, dass man, wenn man bis zum 40. Geburtstag noch keinen Taubenangriff erlebt hat, noch mindestens weitere 40 Jahre keinen erlebt. Oder mit der Wahrscheinlichkeit, zwei solche Ereignisse in kurzem Abstand zu erleben.

Ob eine solche Verteilung in diesem Fall realistisch ist, weiß ich aber nicht. Da könnte einer der hiesigen Statistik-Experten, z. B. HAL 9000, zur Erhellung beitragen.

Grundsätzlich kann man jedoch sicher davon ausgehen, dass gemeinhin die besagte Gedächtnislosigkeit einer Ereigniskette der Intution des Laien widerspricht. So erhöht sich eben auch nicht die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Lottozahl beim nächsten Mal gezogen wird, wenn diese schon sehr lange nicht mehr gefallen ist. Falls das Taubenproblem einer entsprechenden Verteilung unterliegt, würde Dich also Dein Gefühl trügen.
Dopap Auf diesen Beitrag antworten »

Es geht doch um seltene Ereignisse. Die Poisson-Verteilung ist hier gut geeignet.

Der einzige Parameter ist hier Wenn X die Anzahl der auf meinem Kopf gelandeten Treffer pro Lebensspanne ist ,dann berechnet sich die Wahrscheinlichkeit zu

mit dem Erwartungswert 1, so liegen z.B.

kein Treffer oder genau 1 Treffer mit ca. 36.8% gleichauf.

und mit 63.2% wird man mindestens einmal getroffen smile
HAL 9000 Auf diesen Beitrag antworten »

Mir kommt gerade der Anfangsdialog der Blackadder-Folge "Captain Cook" in Erinnerung:

Captain Blackadder und Soldat Baldrick sitzen in einem britischen Schützengraben des ersten Weltkriegs.


Blackadder: Baldrick, was tust du da?

Baldrin: Ich ritze etwas in diese Kugel, Sir.

Blackadder: Und was?

Baldrin: Ich ritze "Baldrick" ein.

Blackadder: Wozu?

Baldrin: Etwas ganz Raffiniertes. Es heißt ja "auf irgendeiner Kugel steht dein Name". Wenn ICH nun die Kugel mit meinem Namen habe, trifft sie mich nie. Ich erschieße mich ja nicht selbst.

Blackadder: Schade.

Baldrin: Die Chance, dass auf zwei Kugeln mein Name steht, ist äußerst winzig.

Blackadder: Nicht nur das - dein Gehirn ist es auch.

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Soll kein direkter Vergleich sein mit der Situation hier (denn der würde mächtig hinken). Dennoch fiel mir diese Szene ein - weiß auch nicht genau, warum. Bin halt ein Freund des schwarzen britischen Humors. smile
 
 
mYthos Auf diesen Beitrag antworten »

Aus demselben Grund will ein Mathematiker auf einer Flugreise eine Bombe mit an Bord nehmen.
Ist schon die Wahrscheinlichkeit für EINE Bombe an Bord gering, die für ZWEI Bomben ist damit praktisch Null.
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