Wie wichtig sind Beweise

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Greusburger Auf diesen Beitrag antworten »
Wie wichtig sind Beweise
Meine Frage:
Wie wichtig sind eigentlich Beweise im Mathematikstudium? Ich studiere zurzeit im 2. Semester und komme mit klausur-typischen Rechenaufgaben oder Mini-Beweisen ganz gut zurecht.
Aber diese z.T. sehr langen Beweise aus der LA(beliebige Beispiele: Hauptraumzerlegung, Diagonalisierbarkeitskriterium, Basiswechsel etc.) kann ich oft nicht wirklich nachvollziehen. Schritt für Schritt wird irgendwas gemacht, am Ende kommt dann anscheinend das Richtige raus (so mein Eindruck smile ) Zum Schritt für Schritt nachvollziehen ist das einfach zu viel.
In Ana sind die Beweise zwar kürzer, aber oft werden so unintuitive (für mich) Tricks angewandt, dass ich niemals selber drauf kommen würde.

Meine Ideen:
Wie wichtig ist es fürs erfolgreiche Studium, so etwas zu können? Mir scheint (bisher), dass es zumindest fürs erfolgreiche Bestehen der Klausuren nicht wichtig ist.

Wäre schön, wenn erfahrene User ihre Meinung dazu abgeben würden (aber bitte differenziert - nicht nur "Beweise sind das Wichtigste" oder "Warum studierst du überhaupt Mathematik" ohne weitere Erklärung.

Danke smile
Shalec Auf diesen Beitrag antworten »

Erfahrungsgemäß hast du recht. Viele Beweise sind für Prüfungen und co. ungeeignet. ABER

Anhand der sehr langen und manchmal an Magie-grenzenden Beweisen kannst du dir Techniken und Ideen abgucken und evtl. auf andere Bereich anwenden. Dadurch schulst du dein Verständnis für neue Aufgabengebiete und erlernst weitergehende Fähigkeiten.
Dies trifft aber auch nur bedingt zu.
Ein sehr gutes Beispiel ist z.B. beim Tensorprodukt oder den Homo-/Isomorphiesätzen was in der LA oder Algebra kommt. Ein Tensorprodukt hat eine universelle Eigenschaft, und ein Beweis hierzu läuft immer identisch ab. Hast du also einen Verstanden, kannst du den auf andere Räume ebenfalls fast 1:1 anwenden. Die Isomorphiesätze kannst du für Vektorräume, Gruppen oder Moduln ebenfalls analog nachweisen. Aber das ist nur ein ganz ganz kleiner Ausblick.

Insgesamt sind die langen Beweise eher was für dich selber und dem erlernen der Tricks alter Hasen. Augenzwinkern
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

Mathematik braucht seit über 2000 Jahren (Euklid !) Definitionen, Sätze und Beweise. In Definitionen werden Begriffe präzise festgelegt und mathematische Objekte genau beschrieben. In Sätzen werden (wahre !) mathematische Aussagen gemacht über mathematische Objekte mittels der definierten Begriffe. Dass ein mathematischer Satz wahr ist, weiß man dann und nur dann, wenn es (mindestens) einen Beweis für den Satz gibt. In den Definitionen, Sätzen und Beweisen stecken die Ideen tausender genialer Mathematiker, wir bewundern unsere Vordenker für ihre Ideen und sind ihnen grenzenlos (um nicht zu sagen unendlich) dankbar für ihren Einfallsreichtum und ihren Fleiß, den sie in ihre Arbeit gesteckt haben.

Man kann mit mehr oder weniger komplizierter Mathematik (siehe oben) auch manche mathematischen Aufgaben berechnen und lösen. Wem es darauf ankommt, der sollte Definitionen und Sätze auswendig lernen und die wichtigsten Beweisideen und Rechentechniken kennen und anwenden können. Für den Anfang eines Studiums kann das genügen, später (schon im Studium und ganz sicher danach) wird das theoretische Wissen und Verständnis immer wichtiger.

Wer selbst Mathematik betreiben will und die Schönheit und Wahrheit der Mathematik genießen möchte, muss auch möglichst viele Beweise "en gros et en detail" studieren - und auch eigene Ideen haben, Begriffe definieren, Sätze formulieren und beweisen.
Greusburger Auf diesen Beitrag antworten »

Danke schonmal für eure Antworten!

Ich kann die Argumentation von euch beiden sehr gut nachvollziehen! Und ich kann durchaus erkennen, was Elvis mit der "Schönheit und Wahrheit der Mathematik" meint.
Immerhin STUDIERT man das Fach ja auch, das sollte man ja durchaus mal im Wortsinn nehmen. Da gehören Beweise dann sicher auch dazu.
Shalec Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Greusburger
Danke schonmal für eure Antworten!

Ich kann die Argumentation von euch beiden sehr gut nachvollziehen! Und ich kann durchaus erkennen, was Elvis mit der "Schönheit und Wahrheit der Mathematik" meint.
Immerhin STUDIERT man das Fach ja auch, das sollte man ja durchaus mal im Wortsinn nehmen. Da gehören Beweise dann sicher auch dazu.


So sieht es aus. Aber der Großteil deines Studiums besteht aus dem eigenverantworlichen Studium. D.h. du musst dir deine Zeit so einteilen, dass du den Anforderungen der Uni gerecht wirst und gleichzeitig deinen Interessen nachgehen kannst. (Interesse: Mathematik Augenzwinkern )

Ein Problem, was ich am Mathematikstudium sehe, sind die (an einigen Unis) verpflichteten Abgaben der Übungszetteln. Diese entmündigen den Studenten und zwingen ihn dazu fernab von seinem Lerntempo Leistung zu zeigen. Egal was für Umstände derzeit bei ihm herrschen. Einige wäre froh, wenn sie eine Woche mal planen könnten, ohne dass der Plan durch höhere Gewalt über den Haufen geworfen wird. smile



Elvis hat aber schon recht. Im Hinblick auf die Mathematik sind die Beweise wichtig, um den Wahrheitsgehalt zu erkennen. Für dich, um Techniken zu erlernen und sie zusammen mit deiner Kreativität als fruchtbaren Boden anzureichern. Augenzwinkern
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

Als herausragende Beispiele für die Schönheit und die Wahrheit der Mathematik seien die folgenden genannt. Beide Beispiele sollen die Bedeutung von Beweisen für die Mathematik verdeutlichen.

Zu den schönsten mathematischen Theorien gehört (nicht nur für mich) die Zahlentheorie, und ich möchte auf den "großen Satz von Fermat" aufmerksam machen, der da sagt, dass die Gleichung für positive ganze Zahlen mit keine Lösung hat. Es hat mehr als 350 Jahre gedauert, diesen Satz zu beweisen, und weite Teile der Zahlentheorie verdanken ihre Existenz den Bemühungen der Zahlentheoretiker, den großen Satz von Fermat zu beweisen. Andrew Wiles (*1953) ist ein Beweis im Jahre 1995 gelungen, nachdem er sieben Jahre daran gearbeitet hat. Buchempfehlung: "Modular Forms and Fermat's Last Theorem", Cornell, Silverman, Stevens (Editors), Springer 1997. (Nicht leicht zu verstehen, gut für Experten.)

Tiefste Einsicht in die mathematische Wahrheit bieten die Unvollständigkeitssätze von Kurt Gödel (1906-1978). Die Originalarbeit "Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I" erschien 1931 im Monatsheft für Mathematik und Physik (Seite 173-198) der Akademischen Verlagsanstalt, Wien. Buchempfehlung: "Die Gödel'schen Unvollständigkeitssätze - Eine geführte Reise durch Kurt Gödels historischen Beweis", Dirk W.Hoffmann, Springer 2013. (Leicht zu verstehen, wichtig für jeden Mathematiker.)
 
 
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