Koordinatensysteme - Polarkoordinaten

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Integraluss Auf diesen Beitrag antworten »
Koordinatensysteme - Polarkoordinaten
Hallo,

es gibt neben den kartesischen Koordinaten auch sog. Polarkoordinaten. Die kartesischen Koordinaten sind rechtwinkelig und raumfest.

Die Polarkoordinaten sind auch rechtwinkelig, jedoch nicht raumfest, d.h. sie wandern "im kreis", da ja und gewählt wird.

Mit folgender Abbildung lässt sich das darstellen:

Somit kommt man auch wieder leicht auf und , wenn x und y gegeben sind.

Fragen:
1. "Eine stetig diffbare Funktion ist in einer Umgebung von P umkehrbar, falls die Funktionaldeterminante(=Jacobi-Determinante) ist."
Was hast denn die Jacobi-Matrix explizit mit der Umkehrfunktion zu tun?
In dem obigen Beispiele wäre die Jacobi-Determinante = r. Aber was sagt mir das genau?

2. und somit gilt auch
Das ist noch klar, denn das geht einfach aus der Geometrie der Polarkoordinaten hervor.

Dann gilt auch mit und folgendes Diff. Integral: und

Das kann ich jetzt oben einsetzen und nach und sortieren. Aber was bringt mir das? Was fürn Sinn hat denn hier das Differentiale Integral?
Integraluss Auf diesen Beitrag antworten »

Kann mir jemand helfen bitte?
Abakus95 Auf diesen Beitrag antworten »

Umkehrbar heißt ja, dass eine inverse Matrix (Jacobi-Matrix in diesem Fall) existiert, und diese existiert nur, wenn die Determinante dieser Matrix ungleich Null ist. Hier heißt es dann insbesondere, dass die Determinante der Jacobi-Matrix nicht Null sein darf.
Integraluss Auf diesen Beitrag antworten »

Danke, aber was bringt mir dann Punkt 2. oben?

Also wieso mache ich das, was ist der Sinn des ganzen hier?
Ehos Auf diesen Beitrag antworten »

Ich erkläre dir mal den Sinn der Jacobi-Determinante:

Bei kartesischen Koordinaten stehen die Koordinatenlinien senkrecht aufeinander. Deshalb lautet das differenzielle Flächenelement (wie beim Rechteck)



Wir betrachten nun krummlinige Koordinaten , welche mit den kartesischen Koordinaten wie folgt zusammenhängen




Diese 2 Formeln beschreiben ein krummliniges Netz von Koordinatenlinien, die sich i.A. nicht rechtwinklig schneiden. Das Flächenelement ist also nicht einfach das Produkt . Um das Flächenelement zu berechnen, bildet man die Tangentenvektoren an die Koordinatenlinien




Diese Tangentialvektoren schneiden sich also i.A. unter einem schiefen Winkel. Indem wir diese beiden Tangentialvektoren mit den beiden "kleinen" Parametern bzw. multiplizieren, erhalten wir zwei "differenziell kurze" Tangentialvektoren:




Das differenziell kleine Parallelogramm, welches durch diese diffenziell kurzen Tangentialvektoren aufgespannt wird, ist unser gesuchtes Flächenelement dA. Bekanntlich ist der Flächeninhalt eines Parallelogrammes die Determinante der Vektoren, die dasselbe aufspannen, also



Im 2.Schritt haben wir die Faktoren und aus der Determinante herausgezogen (gemäß den Determinanten-Gesetzen). Das ist das gesuchte differenzielle Flächenelement bei krummlinigen Koordinaten. Die Jacobi-Determinante ist gewissermaßen der Korrekturfaktor, welcher die Flächen-Verzerrung infolge der Krummlinigkeit der Koordinaten korrigiert.

Wenn man fordert, dass die Jobobi-Determinante nicht verschwinden darf, bedeutet das geometrisch, dass die beiden Tangentialvektoren niemals parallel sein dürfen. Der Schnittwinkel der Koordinatenlinien darf also nirgends verschwinden. Anderenfalls hätten man kein echtes Koordinatenkreuz (lokal betrachtet).
------------------------------------------------------------------------------------

Wie man leicht nachrechnen kann, hat die Jacobi-Determiante bei ebenen Polarkoordinaten den Wert r.
Huggy Auf diesen Beitrag antworten »

@Ehos

Zitat:
Original von Ehos
Diese 2 Formeln beschreiben ein krummliniges Netz von Koordinatenlinien, die sich i.A. nicht rechtwinklig schneiden. Das Flächenelement ist also nicht einfach das Produkt . Um das Flächenelement zu berechnen, bildet man die Tangentenvektoren an die Koordinatenlinien




Diese Tangentialvektoren schneiden sich also i.A. unter einem schiefen Winkel.

Diese Erläuterungen können sehr leicht missverstanden werden. Sie machen den Eindruck, dass bei der Umrechnung des Flächenelements auf krummlinige Koordinaten die Funktionaldeterminate (Jacobi-Determinante) deshalb ins Spiel kommt, weil sich die Kurven/Flächen im allgemeinen nicht rechtwinklig schneiden. Die gebräuchlichsten krummlinigen Koordinatensysteme sind aber orthogonale Koordinatensysteme, insbesondere die Polarkoordinaten und die Kugelkoordinaten. Da schneiden sich diese Flächen und die zugehörigen Tangentialvektoren durchaus rechtwinklig. Trotzdem ist auch hier bei der Umrechnung die Funktionaldterminate als Multiplikator erforderlich. Das liegt daran, dass die aus den partiellen Ableitungen bestimmten Tangentialvektoren auch bei orthogonalen krummlinigen Koordinatensystemen im allgemeinen keine Einheitsvektoren sind.

Mathematisch kommt die Funktionaldeterminante durch die mehrdimensionale Kettenregel/Substitutionsregel ins Spiel.

Wenn man es bei Polarkoordinaten mehr phyikalisch betrachten will, so ist kein Flächenelement, weil zwar ein Längenelement ist, aber nicht. Das ist eine dimensionslose Größe.

@Integraluss
Zitat:
Original von Integraluss
Danke, aber was bringt mir dann Punkt 2. oben?

Also wieso mache ich das, was ist der Sinn des ganzen hier?

Wenn du Umrechnungen zwischen verschiedenen Koordinatensystemen vornehmen willst, brauchst du fast immer die Umrechnungen der Ableitungen bzw. Differentiale. Was liegt also näher, als sich diese mal generell aufzuschreiben und sie dann bei Bedarf an der erforderlichen Stelle zu benutzen???
 
 
Integraluss Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Ehos
Wir betrachten nun krummlinige Koordinaten , welche mit den kartesischen Koordinaten wie folgt zusammenhängen





Wie so hängen die so denn zusammen?

Zitat:

Diese 2 Formeln beschreiben ein krummliniges Netz von Koordinatenlinien, die sich i.A. nicht rechtwinklig schneiden. Das Flächenelement ist also nicht einfach das Produkt . Um das Flächenelement zu berechnen, bildet man die Tangentenvektoren an die Koordinatenlinien

Ja es ist klar, dass sich eine krumme Fläche nicht so einfach wie ein Rechteck berechnen lässt, aber warum will man überhaupt eine Fläche berechnen?

Zitat:





Wo genau zeigen denn diese Tangentialvektoren hin? Also wo liegen die an etc.?

Zitat:

Diese Tangentialvektoren schneiden sich also i.A. unter einem schiefen Winkel. Indem wir diese beiden Tangentialvektoren mit den beiden "kleinen" Parametern bzw. multiplizieren, erhalten wir zwei "differenziell kurze" Tangentialvektoren:





Ich kann mir das nicht wirklich grafisch vorstellen, wie genau sieht das denn aus?

Zitat:

Das differenziell kleine Parallelogramm, welches durch diese diffenziell kurzen Tangentialvektoren aufgespannt wird, ist unser gesuchtes Flächenelement dA. Bekanntlich ist der Flächeninhalt eines Parallelogrammes die Determinante der Vektoren, die dasselbe aufspannen, also

Auch hier, warum sieht das aus wie ein Parallelogramm? Kann mir das leider nicht wirklich vorstellen.
Ehos Auf diesen Beitrag antworten »

@Huggy
Mir ist klar, was du meinst. Ich wollte die Erklarung so einfach wie möglich halten und nicht ins Detail gehen.

@Integralus
Ich kann dir deine Nachfragen aus Zeit- und Platzgünden hier nicht bis ins letzte Detail beantworten, sondern wiederhole nur, dass man die Funktionaldeterminante relativ einfach geometrisch motivieren kann. Leider wird das in den meisten Analysis-Büchern und in Vorlesungen nicht gemacht, was sehr schade ist. Beschaffe dir ein einfaches Analysis-Buch (z.B. für Ingenieure), wo die Sache ausführlich erklärt wird.
Huggy Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Integraluss
Zitat:
Original von Ehos
Wir betrachten nun krummlinige Koordinaten , welche mit den kartesischen Koordinaten wie folgt zusammenhängen





Wie so hängen die so denn zusammen?

Das ist doch nur die allgemeine symbolische Form einer Koordinatentransformation in 2 Dimensionen. Setze und und du hast die Situation für Polarkoordinaten, wobei natürlich noch die konkreten Trnasformationsformeln einzusetzen sind, also z. B.



Das Symbol x ist in dieser kompakten Notation "überladen". Es bezeichnet einerseits die kartesische Koordinate x und andererseits die Funktion, mit der x von den Polarkoordinaten abhängt. Manche Mathematiker haben Vorbehalte gegen diese Symbolüberladung.

Zitat:
Ja es ist klar, dass sich eine krumme Fläche nicht so einfach wie ein Rechteck berechnen lässt, aber warum will man überhaupt eine Fläche berechnen?

Manchmal möchte man halt Flächen berechnen. Und wenn man eine Fläche oder das Integral einer Funktion über eine Fläche berechnen will, braucht man eine vom Koordinatensystem abhängige Darstellung des Flächenelements. Das 2-dimensionale Riemannintegral lässt sich ja über die Unterteilung einer Fläche in Teilflächen definieren, deren Abmessungen man gegen Null gehen lässt.

Das Flächenelement lässt sich dabei anschaulich interpretieren als eine kleine Teilfläche, deren Ränder durch die Koordinatenachsen gebildet werden. In kartesischen Koordinaten ist also das Flächenelement anschaulich ein kleines Rechteck mit den Seiten und , die parallel zu den kartesischen Koordinatenachsen liegen. In Polarkoordinaten zeigt die folgende Abbildung das Flächenelement . Für "kleine" Werte von und ist es näherungsweise ein Rechteck mit den Seiten und .

[attach]42165[/attach]

Zitat:
Zitat:





Wo genau zeigen denn diese Tangentialvektoren hin? Also wo liegen die an etc.?

Siehe die folgende Abbildung. Achtung: Die Länge der Vektoren ist nicht maßstabsgerecht gezeichnet.

[attach]42166[/attach]

Die Sache mit dem Parallelogramm kannst du erst mal vergessen, wenn man mal davon absieht, dass ein Rechteck auch ein Parallelogramm ist. Die kommt erst dann zum tragen, wenn man nicht orthogonale Koordinatensysteme betrachtet.
Integraluss Auf diesen Beitrag antworten »

Also: und wobei

Danke für deine Hilfe, grafisch kann ich mir jetzt etwas darunter vorstellen!
Ich habe jetzt Schrittweise versucht zu transformieren. Ich würde mich freuen, wenn du unter jedem Punkt etwas kommentieren könntest.


1. Wohin man transformiert

D.h. eigentlich definiert man sich als erstes was sein x und y sein soll. Im Fall für Polakoordinaten ist das ja: und


2. Ortsvektor r aus x und y Vektoren bilden

und somit gilt auch .
Ist das nun jenes r wie in 1. definiert? Und warum definiert man das genau aus Addition der kartesischen Vektoren x und y?


2. Totale Differentiale:

und
Wieso darf ich dx und dy so darstellen? Was genau hat das für einen Sinn?


3. Obige Totalen Differentiale kann man nun in einsetzen und man erhält:



Wobei man das auch so Abkürzt/schreibt:


4. Metrische Koeffizienten:

und

Damit muss und erfüllt sein, um die obigen Gleichung betragsmäßig zu erfüllen.


5. Dann kann man die obigen Sachen ja einsetzen und ableiten bzw. ausrechnen:

und

und


Also ich sehe jetzt, dass wir von normalen kartesischen Einheitsvektoren auf Polareinheitsvektoren gekommen sind, also es wurde "transferiert".

Aber ich verstehe die einzelnen Schritte noch nicht so recht, warum man das genau so macht.
Huggy Auf diesen Beitrag antworten »

Also: und wobei

Zitat:
1. Wohin man transformiert

D.h. eigentlich definiert man sich als erstes was sein x und y sein soll. Im Fall für Polakoordinaten ist das ja: und

Man könnte auch umgekehrt beginnen, also mit



Aber so herum ist es zumindest bei Polar- und Kugelkoordinaten einfacher.

Zitat:
und somit gilt auch .
Ist das nun jenes r wie in 1. definiert?

Natürlich. Innerhalb eines Zusammenhangs verwendet man nicht dasselbe Symbol in unterschiedlicher Bedeutung. Das ergäbe Tohuwabohu. Es ist



Zitat:
Und warum definiert man das genau aus Addition der kartesischen Vektoren x und y?

Das ist eine merkwürdige Frage. Mit irgendetwas muss man doch beginnen. Und man beginnt nun mal üblicherweise mit kartesischen Koordinaten, bevor man Transformationen auf andere Koordinatensysteme betrachtet. In kartesischen Koordinaten ist



einfach die Definition des Ortsvektors. Mit den Definitionen





erhält man dann



Zitat:
2. Totale Differentiale:

und
Wieso darf ich dx und dy so darstellen? Was genau hat das für einen Sinn?

Hier ergibt sich ein Dilemma. Zu Beginn der Analysis lernt man, dass Differentiale keine eigenständigen Größen sind, man mit ihnen also eigentlich nicht rechnen darf, das formale Rechnen mit ihnen aber meistens die richtigen Ergebnisse liefert. Differentiale als eigenständige Größen lernt man erst später in der Analysis kennen.

Man kann diese Formeln als Anleitung zum Differenzieren nach der Kettenregel interpretieren. Teile die Gleichungen formal durch , wobei irgendeine Größe ist, nach der man ableiten möchte. Man erhält



Analog für . Und so ist doch nach der Kettenregel nach abzuleiten, wenn nicht direkt als Funktion von gegeben ist, sondern als Funktion von und und diese dann von abhängen.

Zum Rest: Die Darstellung der diversen Umrechnung in allgemeiner Form mit den sogenannten metrischen Koeffizienten ist Vorlesungsstoff. Das merkt sich fast keiner im Detail. Eigentlich braucht man neben den konkreten Transformationsformeln nur 2 Dinge:

Die Umrechnung von Integralen mittels der Funktionaldeterminante und die Umrechnung von Ableitungen mittels der Kettenregel. Damit ist man in der Lage, Integrale in verschiedenen Koordinatensystem zu berechnen und komplexere Ableitungen, wie z.B. den Laplaceoperator in verschiedenen Koordinatensystemen zu bestimmen, wobei letzeres eine Menge Tinte kostet. Wenn man es nicht gerade als Übungsaufgabe hat, schlägt man so etwas in einer Formelsammlung nach. Wichtig ist, dass man prinzipiell in der Lage ist, diese Umrechnungen selbst mit den genannten beiden Mitteln herzuleiten.
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