Komplexes Wegintegral

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Kegorus Auf diesen Beitrag antworten »
Komplexes Wegintegral
Meine Frage:
Hallo Forum! Ich möchte das Wegintegral



berechnen für einen geschlossenen Weg mit also Umlaufzahl (Windungszahl) 1 für den Ursprung.

Meine Ideen:
Ich habe den Weg gewählt. Ich erhalte



Beim letzten Integral sollte laut Wolfram Alpha rauskommen.
Ich erhalte als Stammfunktion .
Wenn ich hier die Grenzen und einsetze, kommt 0 raus. Der ln "springt" ja bei der negativen reellen Achse, das muss man sicher irgendwie miteinbeziehen aber wie?
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

Solche Aufgaben löst man mit komplexen Methoden wie etwa dem Residuensatz. In der Tat bereitet der komplexe Logarithmus mit seinem Sprung hier Schwierigkeiten. Vielleicht überlegen wir uns erst einmal, was die innere Funktion macht, wenn von bis läuft:

[attach]44224[/attach]

1. Wir starten mit bei auf der reellen Achse.

2. Dann geht es durch den I. Quadranten. Mit treffen wir in auf die positive imaginäre Achse.

3. Weiter geht es durch den II. Quadranten, bis wir mit in auf der negativen reellen Achse ankommen.

4. Jetzt wird der III. Quadrant überquert. Mit gelangen wir bei zur negativen imaginären Achse.

5. Und zurück geht es durch den IV. Quadranten bis zum Ausgangspunkt für .

Ein über diesem Weg definierter holomorpher komplexer Logarithmus existiert nicht. Dein ist daher zwar ein schönes, aber ziemlich unbrauchbares Zeichen.

Man kann sich behelfen, indem man das Integral aufteilt für und für . Über beiden Hälften der Kurve existiert ein holomorpher komplexer Logarithmus. Man kann aber nicht immer den Hauptzweig nehmen. Daher legen wir jetzt genau fest, welches Argument wir jeweils meinen. Die Logarithmen unterscheide ich durch einen hochgestellten geklammerten Index.

(1)
Die Kurve geht durch den I. und II. Quadranten. Die Argumente der Punkte variieren daher im Intervall . Entsprechend legen wir fest:



(2)
Die Kurve geht durch den III. und IV. Quadranten. Die Argumente der Punkte variieren daher im Intervall . Entsprechend legen wir fest:



Die Realteile der Logarithmen unterscheiden sich nicht. In beiden Fällen ist es (worin den gewöhnlichen reellen natürlichen Logarithmus bezeichnet).

Jetzt gibt es in der Rechnung



für die beiden Integranden auf der rechten Seite Stammfunktionen, nämlich





Und damit kannst du jetzt auch das Integral mit dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung (für Funktionen einer reellen Variablen mit komplexen Werten) berechnen. Bei richtiger Rechnung heben sich die Realteile gegenseitig weg.

Empfehlenswert ist der Rechenweg nicht. Wie schon gesagt, sind komplexe Methoden für solche Integrale angemessener.
Kegorus Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo Leopold, vielen Dank für deine Antwort!

Ich bekomm aber leider keine schöne Gleichungskette , und zweifle, ob das so überhaupt möglich ist. Vielleicht muss man hier besser mündlich argumentieren.

Wenn ich in stupide einsetze kommt ja wieder 0 raus.


Muss man das so betrachten, dass der linke (also obere) Teil Argumente aus hat, und der rechte (also untere) Teil Argumente aus hat?

Realteile heben sich auf, die Argumente, wo man und einsetzt verschwinden und übrig bleibt
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

Nein, da kommt nicht 0 heraus, sondern



Die gleichfarbig markierten Teile haben dieselben Realteile. Diese heben sich gegenseitig weg. Es bleiben die Imaginärteile übrig. Und dafür braucht man die Argumente: ist eine negative reelle Zahl, hat also im ersten Summanden das Argument , ebenso im letzten. ist eine positive reelle Zahl, hat also im zweiten Summanden das Argument und im dritten das Argument . Du mußt dich schon an die Festlegungen von und halten. Wir haben sie ja gerade so getroffen, daß über den jeweiligen Kurvenhälften holomorphe, speziell also stetige Logarithmen existieren.

Zitat:
Original von Kegorus
Muss man das so betrachten, dass der linke (also obere) Teil Argumente aus hat, und der rechte (also untere) Teil Argumente aus hat?


Das geht auch. Deine erste Festlegung entspricht . Deine zweite Festlegung entspricht



Auch das ist ein holomorpher Logarithmus über der unteren Kurvehälfte. Also ist auch eine Stammfunktion fürs zweite Integral.



liefert dasselbe wie der erste Ansatz. Im übrigen gilt: . Die beiden Stammfunktionen unterscheiden sich also um einen konstanten Summanden.
Kegorus Auf diesen Beitrag antworten »

Ich hab noch nicht ganz verstanden, was du mit und meinst. Meinst du damit den Hauptzweig des Logarithmus einmal eingeschränkt auf die abgeschlossene obere Halbebebene und einmal eingeschränkt auf die abgeschlossene untere Halbebene? Wieso ist einmal und einmal ? Oder meinst du den ersten und zweiten Zweig? Damit kommt bei mir aber auch nicht raus..
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

Zunächst geht es um die obere Kurvenhälfte. Schau dir das Bild aus meinem ersten Beitrag an. Diese Kurvenhälfte liegt im I. und II. Quadranten. Es ist nicht nötig, einen maximalen Zweig des Logarithmus zu definieren. Es genügt, eine offene Menge zu nehmen, die die obere Kurvenhälfte enthält, und auf ihr einen Zweig des Logarithmus festzulegen. Aber selbstverständlich kann man auch einen maximalen Zweig nehmen. Warum nicht



Das ist eine eindeutig definierte holomorphe Funktion auf der längs der negativen imaginären Achse aufgeschlitzten komplexen Ebene. Sie läßt sich aber nicht mehr stetig auf die negative imaginäre Achse fortsetzen.

Beispiele:





Jetzt für die untere Kurvenhälfte im III. und IV. Quadranten:



Hier ist die längs der positiven imaginären Achse aufgeschlitzte Ebene das Definitionsgebiet.

Beispiele:







Oder dein



Das Definitionsgebiet ist wie bei .

Beispiele:







Offenbar ist
 
 
Kegorus Auf diesen Beitrag antworten »

Super danke, jetzt hab ichs verstanden!

Und wie kann ich begründen, dass für jeden anderen Weg mit Umlaufzahl 1 um die 0 auch für das Integral rauskommt? Müssten alle diese Wege nicht homotop zueinander sein? Das Integral über verschiedene zueinander homotope Wege ist ja immer dasselbe.
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

Du verwendest da so Fachbegriffe wie "homotop", die ja schon ein fortgeschrittenes Eindringen in die Topologie und Funktionentheorie andeuten. Und da kennst du den Residuensatz nicht? Mit dem ist die Fragestellung doch sofort erledigt:



ist in einer Umgebung von holomorph mit , besitzt also eine Taylorentwicklung



An



kann man jetzt das Residuum ablesen. Also ist



Das gilt für jeden Weg , der sich einmal um den Nullpunkt herumwindet und keine weiteren Pole der Cotangensfunktion umschließt.
Wie ist die Frage im Eingangsbeitrag übrigens gemeint? Darf der Weg auch weitere Pole umschließen? Dann wird die Sache ja ein bißchen komplizierter.
Kegorus Auf diesen Beitrag antworten »

Wir haben den Residuensatz leider noch nicht in der Vorlesung gehabt, deswegen werden wir ihn in der Übung nicht verwenden dürfen..

Gesucht ist das Integral für jeden beliebigen Weg mit Umlaufzahl 1 um die 0. Meinst du nicht, dass alle diese Wege zueinander homotop, also stetig ineinander überführbar sind?

Darunter sind also natürlich auch Wege die Pole vom Cotangens umschließen, aber wieso ist das relevant?
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