Unterschied Regel- und Riemannintegral

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forbin Auf diesen Beitrag antworten »
Unterschied Regel- und Riemannintegral
Hallo und frohe Weihnachten an alle smile

ich verstehe leider den Unterschied zwischen Regel- und Riemannintegral nicht wirklich.

Beim Regelintegral nähere ich die gegebene Funktion durch Treppenfunktionen an. Das heißt, auf einer Zerlegung sind die Funktionswerte auf konstant.
Je feiner ich dann die Zerlegung wähle, desto genauer wird mein Integral.

Beim Riemannintegral nähere ich die Funktion durch Ober-und Untersummen an.
Auch hier lasse ich die Zerlegung immer feiner werden und schaue, dass O und U gegen den gleichen Grenzwert -das Integral - konvergieren.
Aber genau das sind doch eben auch Treppenfunktionen? Nur dass ich halt hier Einschränkung habe, dass es von oben und unten konvergiert.

Ich sehe nicht, warum das Riemannintegral "stärker" ist unglücklich
sibelius84 Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo forbin,

wir können ja als Beispiel mal die folgende (Treppen-)Funktion betrachten:



Beim Riemann-Integral kannst du dir eine vertikale Gerade vorstellen, die am Anfang bei x=-1 steht und die Ebene dann parallel zur x-Achse überstreicht. Die geht immer ein kleines Stückchen weiter (dieses kleine Stückchen heißt übrigens "dx") und schaut, welches auf diesem Stückchen der kleinste und welches der größte Wert der Funktion ist. Wenn bei Verkleinerung der Stückchen sich auch der Abstand von kleinstem und größtem Funktionswert genügend mitverkleinert, dann kommen Ober- und Untersumme zusammen und die Funktion ist Riemann-integrierbar, was in diesem einfachen Beispiel natürlich der Fall ist. Das Wichtige: Laufrichtung von links nach rechts, entlang der x-Achse.

Beim Lebesgue-Integral (oder Regelintegral) schaut man erstmal, welche Funktionswerte überhaupt so auftreten - schaut also auf die y-Achse. Hier sieht man, dass das nur 1 und 2 sind. Das Integral ergibt sich dann als

.

Man schaut also, welche y-Werte auftreten, und dann, was die Urbildmengen dieser y unter f sind und welches Maß diese haben. Die Werte werden dann mit den Maßen der Urbildmengen multipliziert. Hier ist es aber nicht so, dass erst die 2 kommt, dann die 1 und dann noch mal die 2, sondern es wird einmal der Wert 1, und einmal der Wert 2 abgearbeitet. Du könntest dir eine horizontale Gerade vorstellen, die die y-Achse überstreicht.

Ein etwas aussagekräftigeres (Standard-)Beispiel ist die auf [0,1] definierte Funktion



Wenn du dir jetzt das Riemann-Integral vorstellst, wie es von links nach rechts auf der x-Achse unterwegs ist, dann kriegt es Ober- und Untersumme nie zusammen, weil in jedem noch so kleinen Intervall immer eine 0 und eine 1 vorkommt.
Das Lebesgue-Integral ist von unten nach oben auf der y-Achse unterwegs. Bis zur 0 passiert gar nichts. Bei der 0 bemerkt es die Urbildmenge , die Maß 1 hat. Also bekommt das Integral einen Summanden 0·1. Bis zur 1 passiert wieder gar nichts. Dort bemerkt es dann die Urbildmenge , die als abzählbare Menge Maß 0 hat. Also bekommt das Integral einen Summanden 1·0 und ist insgesamt 0·1+1·0=0.

LG
sibelius84

PS / edit:
Mit meine ich hier das Lebesgue-Maß .
forbin Auf diesen Beitrag antworten »

Wow, vielen Dank für den sehr ausführlichen Text trotz (hoffentlich) gut gefülltem Weihnachtsabend-Bauch Big Laugh

Etwas verwirrt bin ich mit der Aussage:
Zitat:
Beim Lebesgue-Integral (oder Regelintegral)

Soll das meinen: Lebesgue-Integral wird auch als Regelintegral bezeichnet? Oder wird beim Regelintegral nur diese Vorgehensweise auch so durchgeführt?
Denn ich dachte, es gibt (unter anderem): Regel-, Riemann- und Lebesgue-Integral? verwirrt

Ich habe jetzt mal versucht, dass Lebesgue-Integral am Beispiel nachzuvollziehen.
Nun "schiebe" ich ja die Parallele zur x-Achse über überabzählbar viele Punkte. Das Maß deren Urbilder ist jeweils eine einelementige Menge, also käme dort null raus.
Nun, das stimmt nicht. Und ich schiebe es darauf, dass ich auch beim Lebesgue-Integral den Ansatz nur über Treppenfunktionen wählen kann? verwirrt
Wenn dem so ist, dann bin ich schon ein gehöriges Stück weiter.
sibelius84 Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:

Zitat von wikibooks.org / "Mathe für Nicht-Freaks"

Man nennt eine Funktion Regelfunktion, falls eine Folge von Treppenfunktionen existiert, sodass diese Folge gleichmäßig gegen konvergiert.

Wir wollen für solche Regelfunktionen das Regelintegral durch definieren. Dabei wird das Regelintegral einer Treppenfunktion kanonisch definiert.


Das ist an sich genau das selbe Vorgehen wie beim Lebesgue-Integral. Es könnte höchstens noch etwas strittig sein, welche Funktionen man als Treppenfunktionen zulässt. Etwa hat auch nur die endlich vielen Funktionswerte 0 und 1. Ist das Ding allein deshalb schon eine Treppenfunktion? Oder möchte man als Treppenfunktionen wirklich nur diejenigen Funktionen zulassen, die intervallweise konstant sind?

Genau, bei x^2 müsstest du erstmal eine Approximation durch Treppenfunktionen vornehmen, bzw. die Funktion als Limes von Treppenfunktionen schreiben. Ein beliebtes Vorgehen dafür ist dieses: Zu einer natürlichen Zahl n unterteile das gegebene Intervall in n gleich große Intervalle. Im vorliegenden Beispiel sollte man vielleicht besser sagen, 2n gleich große Intervalle, weil bei 0 ein Steigungswechsel stattfindet. Man definiert dann durch

,

und weil bei +/-1 ja auch noch irgendwas hinmuss, setzen wir noch .

Hier braucht man nun schon fast nichts mehr weiter zu tun: Man erkennt und nach Herausziehen des konstanten Faktors 1/n^3 und Anwendung der bekannten Gauß'schen Summenformel für die Summe der ersten n (bzw. n-1) Quadratzahlen erkennt man den angesichts des bekannten Riemann-Integrals 'richtig' erscheinenden Grenzwert 2/3.

Wenn die Funktion so beschaffen ist, dass man nicht so einfach summieren kann, tut man manchmal noch Folgendes:
Da eine isoton (~ monoton, von unten) gegen konvergente Folge von Treppenfunktionen ist, trifft dies auch für jede Teilfolge zu. Nun setze . Dies ist häufig praktischer, da sich dann in jedem Schritt die Anzahl der Intervalle verdoppelt (und deren Länge halbiert).


Zitat:

...trotz (hoffentlich) gut gefülltem Weihnachtsabend-Bauch Big Laugh


Es geht, wir hatten beim Inder bestellt, da sind die meisten Gerichte schon standardmäßig würzig bis scharf, bei einigen steht noch mal extra "scharf" dabei, die sind dann echte Herausforderungen und mithin mein bevorzugter Zielbereich. Das, was ich bekommen habe, war aber so lasch, das hätte fast meine Oma essen können. Aber nicht weiter schlimm - die nötige Schärfe liefert dann das gemütliche Mathematiktreiben am späteren Abend Augenzwinkern
forbin Auf diesen Beitrag antworten »

Ok, vielen Dank für diese wirklich gute Ausführung.
Mein Problem war bisher, dass ich beim Lebesgue-Integral nicht den Zugang über Treppenfunktionen beachtet habe.
Es ist also das Vorgehen ganz allgemein, dass man diezu integrierende Funktion erstmal durch diese annähert, wenn ich dich richtig verstanden habe?

Dazu würde ich gleich mal ein Beispiel für mich rechnen und mich hier nochmal zurückmelden smile

Kannst du mir noch die Frage beantworten: Mein Lebesgue-Integral das selbe wie Regelintegral?
sibelius84 Auf diesen Beitrag antworten »

Ob es im Endeffekt exakt dasselbe ist, weiß ich nicht 100prozentig. Deine Frage würde ich aber beantworten mit - Ja, es meint dasselbe. Freude

Ich glaube, der Begriff "Regelintegral" ist einfach nicht so besonders gebräuchlich. Auf wikipedia wird das überhaupt nicht definiert und auch nicht auf der Seite zum "Lebesgue-Integral" darauf hingewiesen, dass das das selbe sei. Daher musste ich extern googeln. Das Ergebnis zeigt sehr deutlich das Maß meiner Verzweiflung beim Versuch des Auffindens einer Definition des Begriffes "Regelintegral" auf. Denn den Slogan "Mathe für Nicht-Freaks" finde ich eigentlich ziemlich abschreckend und sogar ein wenig verantwortungslos, weil es in meinen Augen zur Mathematik einfach dazugehört, dass man sich so lange wie nötig und so tief wie nötig in Zusammenhänge und Begriffe reinarbeitet, bis man sie so nachhaltig verstanden und verinnerlicht hat, dass man sie wiedergeben und erklären kann. Sonst hat das alles keinen Sinn und man könnte genausogut an einer Waldorf-Schule Kunstgeschichte machen. Dass ich sowas hier reinstelle und zitiere, will schon was heißen. Augenzwinkern
 
 
forbin Auf diesen Beitrag antworten »

Gute Einstellung Freude
10001000Nick1 Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von sibelius84
Ob es im Endeffekt exakt dasselbe ist, weiß ich nicht 100prozentig.

Wenn man sich bei https://de.wikibooks.org/wiki/Mathe_f%C3...:_Regelintegral den Satz ganz unten anschaut, sieht man dass Treppenfunktionen wohl intervallweise konstant sein sollen (wie du oben schon gesagt hast).

Damit ist das Regelintegral nicht das gleiche wie das Lebesgue-Integral. Man findet ja auch ein Beispiel einer nicht regelintegrierbaren Funktion , die aber lebesgue-integrierbar ist.

Allerdings sind regelintegrierbare Funktionen riemann- und damit auch lebesgueintegrierbar und alle drei Integralwerte stimmen überein.


(Ich muss aber dazu sagen, dass ich auch noch nichts von Regelintegralen gehört habe, bevor ich das auf der Seite gelesen habe Augenzwinkern )
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