Verständnisfrage zum impliziten Funktionensatz

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Erebos Auf diesen Beitrag antworten »
Verständnisfrage zum impliziten Funktionensatz
Meine Frage:
Ich habe eine Frage zu den Voraussetzungen des impliziten Funktionensatzes.
Der Satz besagt folgendes:
1) Sei U eine offene Menge in IR^n×IR^m, (a,b) aus U und F: U->IR^m eine C^1-Funktion;
2) F(a,b) = 0 und wir betrachten folgendes GLS: F(x,y) = 0 <=> F_1(x,y) = ... = F_m(x,y) = 0;
3) Wir setzen voraus, dass := eine invertierbare Matrix ist.

Dann existieren:
1) Eine offene Umgebung V von a;
2) Eine offene Umgebung W von b mit V×WcU;
3) eine C^1-Funktion g: V->W, so dass für alle (x,y) aus V×W gilt F(x,y) = 0 <=> g(x) = y.

Mir ist nicht ganz klar, wieso die Teilmatrix der Jacobi-Matrix invertierbar sein muss. Wann genau ist sie denn nicht invertierbar? Natürlich ist mir klar, dass dann Spalten und Zeilen linear abhängig sein müssen, aber ich habe keine geometrische und/oder algebraische Vorstellung davon, wie genau ich die fehlende Invertierbarkeit interpretieren kann.

Eine weitere Frage beschäftigt mich auch noch: Wir nenne eine Teilmenge M des IR^n ja lokal eine k-dimensionale Untermannigfaltigkeit bei a aus M genau dann, wenn eine offene Umgebung U von a und C^1-Funktionen f_1, ..., f_n-k auf U existieren mit:
1) M geschnitten U = {x aus U: f_1(x) = ... = f_n-k(x) = 0};
2) grad f_1(a), ..., grad f_n-k(a) sind linear unabhängig.
Was genau bedeutet es, dass Bedingung (2) erfüllt ist? Was passiert, wenn die Gradienten linear abhängig sind? Liegt dann an diesem Punkt eine Singularität vor? Wie kann man die lineare Abhängigkeit der Gradienten geometrisch interpretieren?

Meine Ideen:
Da es sich um eine reine Verständnisfrage handelt, habe ich leider keine Ideen.
sibelius84 Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo erebos,

die 'einfachste' und für Beispiele und Visualisierungen geeignetste Fragestellung lautet hier:

Wann induziert eine Gleichung F(x*,y*)=0 (mit ) eine implizite Funktion y=y(x) (auf einer geeigneten Umgebung von (x*,y*))?

Hier kann man y als reelle Funktion in einem Argument auffassen, und den Graphen von F als Fläche im .

Nun ist ja von vollem Rang genau dann, wenn nicht gerade beide partiellen Ableitungen verschwinden. Sprich, überall außerhalb der kritischen Punkte. Um zu verstehen, warum man bei impliziten Funktionen voraussetzen muss, dass die Jacobimatrix vollen Rang hat, muss man sich also einen kritischen Punkt einer differenzierbaren Funktion F = F(x,y) anschauen.

Um es einfach zu halten, nehmen wir doch einfach mal und ihren (einzigen) kritischen Punkt (0,0). Gibt es hier eine Umgebung,
(edit: )
wo sich eine der beiden Variablen als Funktion der anderen schreiben lässt, also y=y(x), oder x=x(y)?
(edit ende)

Antwort: Nein. Sei nämlich und derart, dass . Dann ist aus Symmetriegründen auch . Zu einem gibt es immer zwei mögliche Funktionswerte,
(edit: )
also kann es keine solche Funktion geben.
(edit ende)

(Mal dir die Kurve - sie heißt übrigens "Neill'sche Parabel" - mal auf, dann siehst du auch anschaulich, woran es liegt.)

LG
sibelius84
Erebos Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo sibelius84,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort!
Dein Beispiel ist mir schon bekannt und ich habe die Voraussetzungen (und geometrische Interpretation) des impliziten Funktionensatzes für eine Gleichung verstanden. Ein anderes Beispiel wäre ja F(x,y) = x^2 + y^2. Diese Gleichung können wir in einer Umgebung vom Punkt (1,0) ja auch nicht eindeutig nach y lösen, da x = 1 oder x = -1 sein kann. Was passiert aber, wenn wir mehrere Gleichungen lösen wollen? Mir fällt es schwer, mir vorzustellen, wie man das geometrisch interpretieren kann. Bei obigem Beispiel sieht man ja, dass der Gradient von F in (1,0) parallel zur x-Achse verläuft. Kann man sich ein ähnliches Bild auch bei mehreren Gleichungen vorstellen?

Nun hab ich noch eine etwas spezifischere Frage zu Untermannigfaltigkeiten. Ich hab ja oben bereits geschrieben, wie eine Untermannigfaltigkeit definiert ist. Ich wollte wissen, ob wir den impliziten Funktionensatz bei einem glatten Punkt nicht immer anwenden können. Zum Beispiel gilt für F(x,y) = x^2 + y^2, dass (1,0) ein glatter Punkt ist (also wir haben keine Singularität vorliegen), aber wir können den impliziten Funktionensatz nicht anwenden. Warum ist das so bzw. an welcher Stelle sind die Voraussetzungen des impliziten Funktionensatz verletzt? Entschuldigt, wenn ich mich hier ein wenig in Fragen verheddere, die vielleicht offensichtlich sind. Ich sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr Big Laugh
sibelius84 Auf diesen Beitrag antworten »

Zur ersten Frage:

Eine stetig differenzierbare Funktion besteht ja aus m Komponentenfunktionen . Jede dieser m Komponentenfunktionen hat für einen Einheitsvektor u in einem Punkt x eine Richtungsableitung . Aus all diesen skalaren Richtungsableitungen können wir einen Spaltenvektor mit m Einträgen bilden: . Wie im skalarwertigen Fall gilt dann wieder .

Nun könnte man wieder Beispiele betrachten, aber vielleicht direkt etwas allgemeiner:
Sei n=m+k (m,k natürliche Zahlen) und sei gegeben, so dass die (oBdA) aus den ersten m Spalten gebildete Teilmatrix von nicht invertierbar sei.
Das heißt, dass es einen Vektor v ungleich Null gibt mit ; diesen können wir zu einem Einheitsvektor u normieren, so dass wieder .

Zusammen ergibt dies, dass es für ein solches x immer eine Richtung gibt, in die abgeleitet f(x) als Richtungsableitung den Nullvektor hat.

Zur zweiten Frage:
Man kann die Gleichung x² + y² - 1 = 0 in einer Umgebung des Punktes (1,0) aber nach x auflösen vermöge , da bei einer hinreichend kleinen Umgebung das negative Vorzeichen ausscheidet. Dies passt damit zusammen, dass

.

Also ist die Jacobimatrix insgesamt betrachtet von maximalem Rang und der Satz vom regulären Wert, auf den du hier vermutlich hinauswillst, ist anwendbar. Bei Untermannigfaltigkeiten und regulären Werten ist es egal, wenn man nach einer (evtl. vektorwertigen) Variablen nicht auflösen kann, solange die Auflösung nach einer anderen Variablen möglich ist. Hauptsache, die Jacobimatrix der Funktion f hat an der fraglichen Stelle maximalen Rang.

LG
sibelius84
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