Lernstrategien

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Blerim Auf diesen Beitrag antworten »
Lernstrategien
Meine Frage:
Hallo Leute, ich bin Student, wie die meisten von euch. Ich habe eine klassische Frage. Und zwar, könnt ihr mir Bücher empfehlen zur Lernstrategie, die ihr habt. Viellicht schreibt ihr alle sehr gute Noten, die ich auch schreiben möchte. Mir hat ein Freund das Buch Bestnote von Martin Krengel empfohlen. Ich wäre euch sehr verbunden, wenn ihr mir auch nur so eine Richtung gibt.

Meine Ideen:
Gruss Bolero
sibelius84 Auf diesen Beitrag antworten »

Hi,

(1) genauso, wie der Tennisspieler für seinen Erfolg in der Mitte des ersten Satzes noch nicht an den Matchball denken, sondern sich auf den nächsten Ballwechsel konzentrieren sollte, sollte man als Student nicht an gute Noten denken, sondern sich auf ein möglichst gutes Verständnis - bzw. zunächst mal Wiedergebenkönnen / Memorieren - der Inhalte der nächsten Vorlesung konzentrieren. (Ich schreibe bewusst nicht "der", sondern lediglich "der Inhalte der", vgl. unten.)

(2) Kauf dir keine Bücher, in deren Titel das Wort "Note" vorkommt. Kauf dir lieber Bücher, in denen gut und in angemessener, würdiger Sprache Mathematik erklärt wird. "Lineare Algebra" von Beutelspacher, "Analysis" von Heuser oder Walter, Maß- und Integrationstheorie von Elstrodt, Funktionentheorie von Behnke/Sommer, Algebra von Karpfinger/Meyberg.
Vorschlag für Arbeitsweise: Kapitel mit Stift und reichlich Papier am Schreibtisch durcharbeiten (idealerweise nach einem üppigen F-rühstück nach genügend Schlaf und Kaffee). Sobald eine Definition kommt, abschreiben, das Buch zuklappen und mal ein wenig rumraten, welche Objekte denn diese Definition erfüllen könnten, welche nicht, und warum. Sobald ein Satz kommt, nur die Behauptung abschreiben, das Buch zuklappen und versuchen, den Satz zu beweisen. Ausdauernd sein oder die Zeit nutzen, um eben mal die Waschmaschine anzustellen. Verbissen sein. Vielleicht fällt einem ja was ein...! Vor allem, wenn man das über längere Zeit ernsthaft betreibt. Wenn man gar nicht weiterkommt oder steckenbleibt, kann man vorsichtig leuern - sollte aber versuchen, nur die Beweisidee zu erhaschen und die Ausführung dann wieder selber weiterzumachen.
Noch etwas (vielleicht 1-2 Stündchen) weiterarbeiten, sich neue Sätze und neue Beweise anschauen, und dann noch mal versuchen, den Beweis 'alten' Satzes aus dem Gedächtnis aufzuschreiben. Kommt man jetzt vielleicht schon weiter als beim ersten Mal...?
Am nächsten Tag das selbe Kapitel von vorne anfangen. Kriegt man jetzt den Beweis flüssig und lückenlos hin...?
Kostet gerade am Anfang sehr viel Zeit, ist aber absolut nachhaltig, um tiefer in die Mathematik einzusteigen!

(3) Nimm Mathematik ernst! Wenn du sie studierst, dann hast du dich ihr verschrieben und sie macht sie einen beträchtlichen Teil deines (insbesondere geistigen) Lebens aus. Ein Ottonormalverbraucher ohne konzeptuell-mathematische Bildung kann sich auf dem Bürgersteig, auf der Fahrbahn einer Hauptverkehrsstraße (montags morgens halb acht in Deutschland Augenzwinkern ), im Wald oder am Bahnhof befinden, aber niemals in einem -Vektorraum der Dimension 4. Wir Mathematiker können das vermöge unserer Köpfe. Da dürfen und sollten wir regen Gebrauch von machen und stolz drauf sein! Respekt

(4) Im Anschluss daran: Bemühe dich, dich viel verbal mit anderen Menschen über Mathematik auseinanderzusetzen. Viel mit Kommilitonen zusammenarbeiten (ich habe entsprechende Angebote im ersten Semester immer abgelehnt und bereue das heute teilweise), die Aufgaben durchdiskutieren; nicht nur streng das, was auf den Übungsblättern steht, sondern auch darüber hinaus Gedankenexperimente machen, "wie wäre das denn jetzt, wenn wir in einem unendlichdimensionalen -Vektorraum wären", oder "hmm, gilt die Aussage eigentlich auch, wenn man diese und jene Voraussetzung wegließe? Wie könnte man ein Gegenbeispiel finden?" oder so etwas. Sich eine interessierte, forschungsfreudige Haltung aneignen. In Lehrveranstaltungen möglichst viele Fragen stellen - "steht da ein x oder ein alpha an der Tafel?" (Matheprofs sind idR dankbar für Hinweise auf Schreibfehler), inhaltlich-weiterführende oder begriffliche Fragen (etwa "Hat Skalarprodukt irgendetwas mit Skalarmultiplikation zu tun?") und natürlich Verständnisfragen. Wenn man etwas nicht verstanden hat, dann vermutlich mindestens fünf weitere Personen im Saal auch nicht. Man kann auch Sachen nachfragen, die man selber eigentlich verstanden hat, die aber so komplex sind, dass man vermutet, dass einige andere sie nicht verstanden haben (edit: und sich evtl nicht trauen selber nachzufragen). Schaden kann's nicht!
Einfach ein bisschen Schwung und Kommunikation in die Bude bringen, damit mal ein paar andere Stimmen im Saal sind außer der der Lehrperson. Das hat für das eigene Gedächtnis eine Ordnungs- und Systematisierungsfunktion: an die konkreten Erinnerungen an die Stimmen und an die sozialen Geschehnisse kann sich das mathematische Wissen gut "andocken".

(5) In Vorlesungen hat man oft das Problem: Selbst wenn man sich entschiede nicht mitzuschreiben (was gegen die Regel "von der Hand in den Verstand" verstoßen würde und damit auch wieder nicht ratsam wäre) und nur mitzudenken, so möchte man sich doch bei einer neuen angeschriebenen Definition vielleicht ein paar Gedanken hierzu machen, Beispiele und Gegenbeispiele überlegen; der/die Dozent*in macht aber in der Zwischenzeit wieder munter weiter und so wird man leicht "abgehängt". Daher mein Tipp - Online-Vorlesungen bearbeiten! Sobald eine Definition kommt, klickt man auf Pause und nimmt sich erstmal 10-15 Minuten Zeit, um sich Beispiele und Gegenbeispiele zu überlegen.
Sobald ein Satz kommt, klickt man auf Pause und versucht ihn zu beweisen. Wenn man nicht weiterkommt oder feststeckt, hört man sich die nächsten 30-60 Sekunden an und schaut, ob einen das auf die richtige Schiene lenkt.
edit:
siehe zB http://www.online-vorlesungen.de/Videos/Mathematik/

Wenn man sich daran hält, macht das Studieren richtig Freude, weil interessierte, aufgeschlossene Studenten zusammenarbeiten - und dann kommen die guten Noten so nebenbei ganz von selber! smile

LG
sibelius84
Blerim Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo Sibelius,

erst einmal vielen vielen dank für deine ausführliche Antwort. Ich habe mir deine Antwort zu Herzen genommen und werde mir diese Worte merken. Ja, ich nehme meine Arbeit natürlich sehr ernst, versuche das Beste herauszuholen. Du hast natürlich die richtige Denkweise, wenn es um die Mathematik geht. Noten spielen keine Rolle für Dich. Meistens sind diese Leute auch die, die sehr gute Noten schreiben. Ich versuche immer alles perfekt zu machen, dies ist nicht immer der beste Weg. Manchmal gefällt mir auch nicht, wie ich auf eine Lösung komme. Aber wie gesagt, vielen Dank für deine Antwort. Ich beschäftige mich erstmal mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung, weil ich da noch ziemliche Lücken habe. Gruss und ein mathematisches Wochenende.
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