Körperaxiome

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MaPalui Auf diesen Beitrag antworten »
Körperaxiome
Hallo Leute,

mich treibt seit kurzem diese Frage an.
In den Körperaxiomen (nehmen wir einfach mal ) fordere ich ja unter anderem die Kommutativität der Addition und der Multiplikation.
Nun sind es ja Axiome, also nicht beweisbar bzw. unterliegen nicht der Notwendigkeit eines Beweises.

Wenn ich doch nun ganz streng (Bourbaki lässt grüßen) argumentiere, kann ich dann nicht sagen "Woher wissen wir das es kein Gegenbeispiel gibt für a+b = b+a"?

Kurz: Gibt es überhaupt einen Beweis, dass die Addition zweier Zahlen kommutativ ist?
Oder ist das Axiom eben dem reinen Verstand entsprungen?

LG
Maren
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

Man muss natürlich beweisen, dass die reellen Zahlen ein Körper sind.

Wie man den Beweis führt, hängt davon ab, welche konkrete Konstruktion ("Modell") man für betrachtet (Dedekindsche Schnitte, Cauchyfolgen modulo Nullfolgen...)
MaPalui Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von zweiundvierzig
Man muss natürlich beweisen, dass die reellen Zahlen ein Körper sind.


Aber dann führe ich das ja genau auf das zurück, was ich eben nicht weiß. Denn wenn es irgendwo doch ein Gegenbeispiel für a+b = b+a gibt, ich aber davon ausgehe, dass es das nicht gibt, dann sind meine auf ebendieses Axiom zurückgeführten Beweise ja trotzdem korrekt verwirrt
Wer garantiert mir also die Kommutativität, sodass die Gebilde eben nicht im Nachhinein einstürzen?
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Körperaxiome
Zitat:
Original von MaPalui
Nun sind es ja Axiome, also nicht beweisbar bzw. unterliegen nicht der Notwendigkeit eines Beweises.

Wenn man in einer Theorie arbeitet (Peano-Arithmetik, Theorie der reellen Zahlen...), dann sind die Axiome gegeben (und innerhalb der Theorie selbst beweisbar).

Wenn man "von außen" auf die interpretierenden Strukturen/Modelle dieser Theorien guckt (natürliche Zahlen, relle Zahlen...) muss man beweisen, dass diese die Axiome der entsprechenden Theorien erfüllen, um zu wissen, dass die Strukturen auch wirklich Modelle der Theorien sind.
MaPalui Auf diesen Beitrag antworten »

Ah, sehr gut.

Also was mich interessiert ist der erste Teil deiner Antwort.
Die Peano-Arithmetik werde ich mir ohnehin als nächstes mal zu Gemüte führen zum Thema Diskrete Mathematik.
Das trifft sich ja gut Big Laugh

Dankesehr!
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von MaPalui
Aber dann führe ich das ja genau auf das zurück, was ich eben nicht weiß.

Inwiefern? Im Falle der reellen Zahlen und des Cauchyfolgen-Modells benutzt man Eigenschaften von Cauchyfolgen rationaler Zahlen und einer Äquivalenzrelation.

Im Falle der Von-Neumann-Konstruktion der natürlichen Zahlen benutzt man Sätze aus der ZF-Mengenlehre (-Induktion, Axiom der Unendlichkeit, Eigenschaften der leeren Menge und der Vereinigung).

Natürlich ist es so, dass hier auch jeweils eine Metatheorie vorausgesetzt wird. Dass die Menge der natürlichen Zahlen überhaupt existiert, ist z.B. ein eigenes Axiom der Mengenlehre!

Dass diese ihrerseits ein Modell hat, verlässt sich darauf, dass sie konsistent ist -- was die Mengenlehre (und viele andere Theorien) wiederum nicht von sich selbst beweisen können. Es wird also eine neue Theorie benötigt, die die Konsistenz der alten Theorie, aber nicht von sich selbst beweisen kann.

Die Peano-Arithmetik (PA) kann ihre eigene Konsistenz nicht beweisen. ZFC kann beweisen, dass PA konsistent ist, aber ZFC kann seine eigene Konsistenz nicht beweisen usw.

Dies führt dazu, dass oft ein relativer statt eines absoluten Konsistenzbegriff betrachtet wird. Theoretisch ergibt sich ein unendlicher Regress für die Grundlagen der Mathematik. Praktisch wird das aber nicht zum Problem.
 
 
MaPalui Auf diesen Beitrag antworten »

Danke für die wirklich sehr ausführliche Antwort, die mir einige Rechereansätze liefert.
Was mich stutzig machte ist die Aussage

Zitat:
Theoretisch ergibt sich ein unendlicher Regress für die Grundlagen der Mathematik. Praktisch wird das aber nicht zum Problem.


Das klingt so nach dem Motto "Das müssen wir einfach hinnehmen". Ich war immer der Meinung, solche Ansätze dürften gar nicht erst zum Tragen kommen, sondern müssten "ausgemerzt" werden. Aber klar, irgendwann kommt ohnehin der philosophische Standpunkt den man ja manchmal sogar gerne außer Acht lässt Big Laugh
Aber genau da will ich einsetzen.
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von MaPalui
Also was mich interessiert ist der erste Teil deiner Antwort.

In den Anfängervorlesungen werden die Zahlenbereiche nicht immer konstruiert. Insofern arbeitet man dann "axiomatisch", weil die ganzen Sätze über die Zahlen (Kommutativität der Addition/Multiplikation, etc.) nur Axiome sind, die ohne Modell natürlich nicht verifziert werden können.

Geschweige denn, dass von den Axiomen der Mengenlehre die Rede ist.

Als Bourbakist würde man zumindest (ZFC vorausgesetzt) die Zahlenbereiche konstruieren und nachrechnen, dass sie die entsprechenden Axiome erfüllen.
MaPalui Auf diesen Beitrag antworten »

Puh, das geht ja viel weiter als ich erwartet hatte. Bin gespannt was mich erwartet Augenzwinkern

Aber nicht mehr jetzt smile Gute Nacht!
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von MaPalui

Zitat:
Theoretisch ergibt sich ein unendlicher Regress für die Grundlagen der Mathematik. Praktisch wird das aber nicht zum Problem.


Das klingt so nach dem Motto "Das müssen wir einfach hinnehmen". Ich war immer der Meinung, solche Ansätze dürften gar nicht erst zum Tragen kommen, sondern müssten "ausgemerzt" werden. Aber klar, irgendwann kommt ohnehin der philosophische Standpunkt den man ja manchmal sogar gerne außer Acht lässt Big Laugh
Aber genau da will ich einsetzen.

Der Logizismus, zurückgehend auf Frege, hat das versucht. Hilbert hat sogar eine "finitistische", also nur auf endlichen Methoden, beruhende Axiomatisierung der Mathematik angestrebt.

Russell zeigte, dass Cantors naiver Mengenbegriff für eine Grundlegung der Mathematik nicht ausreicht, da die Mengen schnell "zu groß" werden, was zu Widersprüchen führt. U.a. dies führte zur Entwicklung der Mengenlehre ZFC.

Gödel zeigte, dass hinreichend starke Theorien, wie bereits die Peano-Arithmetik, unvollständig oder inkonsistent sind. Die Unvollständigkeit verhindert eine vollständige Axiomatisierung der Strukturen. Die Konsistenz der Peano-Arithmetik PA angenommen, gibt es einen Satz , sodass sowohl als auch konsistent sind. Erst recht gilt das für reichhaltigere Theorien wie ZFC etc.

Gödel benutzte einen schönen Trick, um einen bestimmten Typus solcher unabhängigen Sätze zu konstruieren, Gödelsätze genannt. Die Tatsache, dass diese Gödelsätze unabhängig sind, scheint praktisch aber kein Verlust zu sein. Es handelt sich um sehr lange, arithmetische Formeln, die für sich genommen als arithmetische Wahrheit nicht von Interesse sind.

Ein Beispiel für einen von ZFC unabhängigen Satz, der schon viel natürlicher auftaucht ist die Kontinuumshypothese (CH): Es gibt keine überabzählbare Menge, deren Mächtigkeit echt kleiner ist als die der reellen Zahlen. Gödel und Cohen zeigten, dass sowohl ZFC + CH als auch ZFC + ~CH konsistent sind -- zumindest relativ zu ZFC, wenn auch dessen Widerspruchsfreiheit angenommen wird.

Auch, wenn man es sich wünschen mag, man wird beweisbar kein System finden, was stark genug ist, Grundlage der modernen Mathematik zu sein und seine eigene Konsistenz zu beweisen.

Bis jetzt hat sich noch kein Widerspruch aufgetan, der uns die Peano-Arithmetik ablehnen ließe. Sollte sich irgendwann ein Widerspruch finden, bliebe immer noch die Möglichkeit, schwächere Teilsysteme der Peano-Arithmetik zu nutzen. Relative Konsistenzresultate zeigen zwar nicht, dass ein System konsistent ist, aber sie können helfen, Inkonsistenzen zu lokalisieren. Falls also z.B. ZFC + CH inkonsistent sein sollte, dann ist bereits ZFC inkonsistent.

Es gibt Konsistenzbeweise für PA in verschiedenen Systemen, von denen einige versuchen, so wenig kontrovers wie möglich zu sein -- jedenfalls von einem gewissen Standpunkt aus.

Es gibt viele verschiedene Systeme, nicht alle basierend auf Mengenlehre, in denen (Teile der) heutige(n) Mathematik betrieben werden. Eine Inkonsistenz hat sich nie ergeben.

Den überzeugten Platonisten oder Formalisten mag vieles verunsichern, was den Pragmatiker aber nicht daran, hindert seine Beweise zu führen. Augenzwinkern
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von MaPalui
Danke für die wirklich sehr ausführliche Antwort, die mir einige Rechereansätze liefert.

Ein guter Text ist Timothy Chow: The Consistency of Arithmetic (2018).
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