Was sind Normalteiler & Faktorgruppen

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Rumpelstielzchen Auf diesen Beitrag antworten »
Was sind Normalteiler & Faktorgruppen
Meine Frage:
Ich habe hobbymäßig damit begonnen, höhere Mathematik zu studieren. Ich dachte, es wäre eine gute Idee, mit Algebra anzufangen. Das war aber keine gute Idee.

Ich habe das Algebrabuch von Siegfried Bosch gekauft. Ich glaube, ich bin nicht ganz doof, aber dieses Konzept mit den Normalteilern und Faktorgruppen verstehe ich nicht. Ich kann zwar mit mühe einzelne Beweisschritte nachvollziehen, aber ich begreife nicht den Sinn hinter dem gesamten Konzept. Warum macht man das? Warum betrachte man Normalteiler? Wofür braucht man Faktorgruppen? Welchen Erkenntnisgewinn zieht man aus einer Faktorgruppe?

Meine Ideen:
Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Ich fühle mich gerade, als ob ich mit geschlossenen Augen durch ein Labyrinth geführt werde. Kann mir jemand die Augen öffnen?
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

Die Idee von Faktorstrukturen (Faktormengen, Faktorgruppen, Faktorringen...) ist, dass bestimmte Elemente in der Ausgangsstruktur miteinander identifiziert werden. Auf diese Weise lassen sich in der Faktorstruktur bestimmte Gleichungen erzwingen, die in der Ausgangsstruktur noch nicht gelten.

Die Normalteilereigenschaft sorgt dafür, dass man auf der Faktormeng eine Gruppenstruktur erhält (die sich von der ursprünglichen Gruppe "vererbt").

Der sog. Homomorphiesatz zeigt außerdem, dass normale Untergruppen einer Gruppe genau den Kernen der Gruppenhomomorphismen mit Definitionsbereich entsprechen.
Rumpelstielzchen Auf diesen Beitrag antworten »

Was bedeutet es, Objekte miteinander zu identifizieren? Hast du mal ein konkretes Beispiel, wo man das benötigt? Warum will man irgendwelche Gleichungen erzwingen?
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Rumpelstielzchen
Was bedeutet es, Objekte miteinander zu identifizieren?

Eine Äquivalenzrelation ist die mathematische Implementierung des Konzepts der Ähnlichkeit. Eine Menge kann viele Elemente enthalten. Wir können diese Elemente aber nach gewissen Kriterien einteilen und enthalten dann eine übersichtlichere Menge, die allerdings weniger Informationen enthält, denn ähnliche Elemente sind gleich geworden. (Wir haben die Ausgangsmenge "vergröbert".)

Äquivalenzrelationen und Faktorstrukturen sind ein fundamentales Konzept in der gesamten Mathematik. Für mehr siehe: Äquivalenzrelationen

Zitat:
Original von Rumpelstielzchen
Warum will man irgendwelche Gleichungen erzwingen?


Die Arithmetik der Uhr, sagen wir mit 24 Stunden, leitet sich von der Arithmetik der ganzen Zahlen ab. Wir rechnen fast genauso wie mit gewöhnlichen ganzen Zahlen , bloß, dass alle Berechnungen modulo 24 betrachtet werden. 10 Uhr + 15 Stunden ergibt 1 Uhr.

Mathematisch findet die modulare Arithmetik in der Faktorgruppe statt. Die "reduktion modulo 24" wird implementiert durch den kanonischen Homomorphismus .

Ein etwas intrinsischeres Beispiel: Unter den Gruppen sind z.B: die abelschen Gruppen besonders interessant. In einer abelschen Gruppe gilt das Kommutativgesetz . Nicht jede Gruppe ist abelsch, aber Sie kann "abelsch gemacht" werden, indem nach einem bestimmten Normalteiler faktorisiert wird. Die entstehende Faktorgruppe heißt Abelisierung der Gruppe und ist in gewisser Weise die minimale (d.h. universelle) Konstruktion einer abelschen Gruppe aus einer vorgegebenen Gruppe , die eine abelsche Gruppe liefert. Auch hier haben wir einen kanonischen Homomorphismus , der die Elemente auf ihre Äquivalenzklassen abbildet.

Es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele von Faktorkonstruktionen.

Etwas allgemeiner betrachtet liefern uns Faktorgruppen konstruktionen neuer Gruppen aus gegebenen Gruppen. Daneben gibt es noch viele weitere Operationen, um aus alten Gruppen neue Gruppen zu bekommen, z.B. Produkte.
Finn_ Auf diesen Beitrag antworten »

Ich würde eher »Elementar(st)e Gruppentheorie« von Glosauer empfehlen, der liest sich recht angenehm.

Den Bosch würde ich nicht als Einstiegslektüre empfehlen, der ist extrem dünn, wenn ich das mal so sagen darf. Da kann man sich vielleicht auch gleich noch Harvard Math 55a »Honors Abstract and Linear Algebra« geben.

Im Bosch ist auf 14 Seiten Gruppentheorie erläutert und dann kommen später noch mal ein paar Seiten. In »Contemporary Abstract Algebra« von Gallian wird allein die Gruppentheorie ausführlich auf ca. 200 Seiten erklärt. Nun gut, man muss dazu sagen, dass einige Konzepte dann im Bosch in den anderen Kapiteln verwoben vorkommen, z.B. kommen Einheitengruppen dann im zweiten Kapitel »Ringe und Polynome« vor, aber das klassische Beispiel von primen Restklassen, Phi-Funktion und eventuell existenten Primitivwurzeln wird so nicht explizit ausgearbeitet. Die Phi-Funktion wird dann später noch einmal genannt, man kann es aus dem Buch herauslesen, aber alles ist über hunderte Seiten verstreut. Vielleicht erwartet der Autor ja, dass man vorher schon »Disquisitiones Arithmeticae« von Gauß konsumiert hat.

Ich meine, dann müsste der Bosch mit »Körpererweiterungen und Galois-Theorie« im Sinne des Themenschwerpunktes betitelt sein, aber es ein allgemeines Lehrbuch über abstrakte Algebra zu nennen, finde ich irreführend, dafür ist es zu dünn.
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

Siegfried Boschs Buch trägt ganz zu Recht den Titel Algebra, wenn man darunter die Galoistheorie versteht. Kann man machen, wenn man sich anschließend hauptsächlich für die Zahlentheorie interessiert. Für jeden Algebraiker gibt es eigene Strukturen, Theorien und Bücher. "Theorie der endlichen einfachen Gruppen" empfehle ich für vorgebildete Mathematiker als Einstieg in die Gruppentheorie.
 
 
Rumpelstielzchen Auf diesen Beitrag antworten »

Danke erst mal für die Beiträge.

Ich bin mittlerweile auch zum Punkt gekommen, dass es töricht war, mit dem Bosch einzusteigen. Aber wenn ich bei Algebra bleiben möchte, womit könnte ich einsteigen? Die Vorschläge, die genannt wurden, sind ja eher Bücher über Gruppentheorie. Ich möchte aber schon lieber eine Überblick über die wichtigsten Hauptthemen der Algebra haben. Könnt ihr mir da eine Empfehlung geben? Oder sollte ich mit etwas anderem anfangen?
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

Klassische Algebra in vollem Umfang und moderner Form : B. L. van der Waerden. Bd. 1+2
Und dann "Die gruppentheoretische Methode in der Quantenmechanik" vom selben Autor. Oder doch lieber seine "Hilberts Gesammelte Werke"? Algebra kann soo schön sein. smile

Über van der Waerden, siehe www.ams.org/notices/199703/199703-toc.html
(3 PDF Dokumente unter Features)

Aber irgendwann musst du dann doch Gauß "Disquisitiones Arithmeticae" und Galoistheorie studieren, und dann erleichtert Siegfried Bosch das Verständnis erheblich.
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

Wenn du darüber hinaus verstehen möchtest, woher die moderne Algebra kommt (und vieles mehr), dann empfehle ich : Mechthild Koreuber, "Emmy Noether, die Noether-Schule und die moderne Algebra" , Springer Spektrum, Mathematik im Kontext, 2015.
Risiken und Nebenwirkungen : Lesen bildet. Augenzwinkern

Dass man die moderne Algebra tatsächlich als eine Grundlage für die Zahlentheorie verstehen darf, erfährt man bei Armin Leutbecher, "Zahlentheorie - Eine Einführung in die Algebra", Springer Lehrbuch, 1996.
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