Komplexe Geradengleichung: Sinn?

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Qun0 Auf diesen Beitrag antworten »
Komplexe Geradengleichung: Sinn?
Hallo zusammen.

Ich habe eine kleine Frage zur komplexen Geradengleichung:



Die Formel verstehe ich sehr gut und auch Umrechnungen sind überhaupt kein Problem. Ich stelle mir nur gerade die Frage nach dem Sinn der Formel. Gibt es Anwendungsfälle, die besser/einfacher/kürzer/schneller gelöst werden können, wenn die Gerade in dieser Form vorliegt?

Die gleiche Frage stellt sich mir natürlich auch mit der komplexen Kreisgleichung.

Besten Dank!
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

Punkte, Geraden, Kreise und so weiter sind Objekte der Geometrie. Wenn man klassische synthetische Geometrie betreibt, denkt man sich Geraden als unendlich lange unendlich dünne gerade Striche auf einem unendlich großen weißen Blatt Papier. Erste Versuche, die synthetische Geometrie axiomatisch zu beschreiben, stammen aus der Antike von Euklid. David Hilbert hat das dann um 1900 herum in moderner Denkweise zu einem gewissen Abschluß gebracht.

Worum es hier geht, ist analytische Geometrie. Die geometrischen Objekte werden mit algebraischen Objekten identifiziert. Grundlage dafür ist ein Koordinatensystem: Da gibt es eine Einheit, da gibt es Koordinaten, welche selbst Zahlen sind, da gibt es Variablen, da gibt es Gleichungen, Gleichungssysteme und so weiter. Man ersetzt sozusagen geometrische Gebilde durch algebraische.

Um nun diese analytische Geometrie zu betreiben, hat man verschiedene Möglichkeiten, je nachdem, welches algebraische Hintergrundsystem man zugrundelegt.

1. Man kann ein klassisches zweidimensionales kartesisches xy-Koordinatensystem als Hintergrundsystem nehmen. Eine Gerade wird dann durch eine nichtentartete lineare Gleichung in zwei reellen Variablen x,y beschrieben.

2. Man kann zu dem Koordinatensystem aus 1. noch einen zweidimensionalen euklidischen Vektorraum dazunehmen. Dann kann man Geraden mittels sogenannter Parameterdarstellungen durch Vektoren beschreiben.

3. Man kann die Gaußsche Zahlenebene als algebraisches Hintergrundsystem nehmen. Dann wird eine Gerade durch eine Gleichung, wie von dir angegeben, beschrieben.

Das sind jetzt einmal die drei wichtigsten Möglichkeiten, zweidimensionale analytische Geometrie zu betreiben. Je nach Problemstellung ist mal 1., mal 2., mal 3. vorteilhafter. Oft ist so etwas natürlich auch eine Geschmacksfrage. Ich selber wechsle zwischen den verschiedenen Systemen hin und her, je nachdem, was ich rechentechnisch für günstiger halte.

Gewisse geometrische Transformationen, sogenannte Möbius-Transformationen, lassen sich besonders gut durch komplexe gebrochen-lineare Abbildungen beschreiben. Dann ist natürlich auch die komplexe Darstellung für eine Gerade das richtige Mittel, um die Wirkung dieser Transformationen auf Geraden zu studieren.
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

Welche Vorteile die komplexe Darstellung bei der Untersuchung von Kreisen, Möbiustransformationen und nichteuklidischer Geometrie hat sieht man besonders schön an dem Büchlein von Hans Schwerdtfeger : Geometry of Complex Numbers (1962/1979). Für Schüler vermutlich nicht zu verstehen, für Studierende sehr zu empfehlen. Aus dem Vorwort der ersten Auflage: "The first two chapters should be understood by a student who possesses a working knowledge of the algebra of complex numbers and of the elements of analytical geometry and linear algebra, and in addition a willingness to acquire, in the course of reading, the basic ideas of the (non-infinitesimal) theory of groups of transformations, if necessary by occasionally consulting an introductory text of modern algebra."
Qun0 Auf diesen Beitrag antworten »

Danke vielmals für die ausführliche und interessante Antwort und für den Literaturhinweis. Das Büchlein habe ich in der Zwischenzeit besorgt und werde mich also noch etwas intensiver mit dem Thema auseinandersetzen.

Nochmals vielen Dank!
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

Das freut mich sehr, denn man kann ganz viel daraus lernen. Wenn du Übungsaufgaben bearbeitest, können wir uns gerne hier darüber unterhalten. Bei Problemen mit dem Inhalt gilt das gleiche.

(Mir ist z.Zt. nicht ganz klar, warum eine Möbiustransformation Spiegelpunkte bezüglich eines Kreises auf Spiegelpunkte bezüglich des Bildkreises abbildet. Das wird wesentlich für reelle Möbiustransformationen und für Möbiustransformationen benutzt, die den Einheitskreis fixieren. Ich habe einen Beweis, aber noch nicht gelesen, vielleicht hat ja jemand eine elementar einleuchtende Idee.)
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