Axiomensysteme

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Pippen Auf diesen Beitrag antworten »
Axiomensysteme
Das Problem habe ich schonmal vor längerer Zeit aufgeführt. Ich hoffe, es ist ok, wenn ich's nochmal versuche, zumal etwas verändert.

1. Die sog. Kontinuumshypothese (CH) - es spielt hier keine Rolle, was das ist - wurde von Goedel und Cohen als von ZFC unabhängig bewiesen. Damit wären die Axiomensysteme ZFC + CH genauso wie ZFC + ~CH konsistent (ZFC wird sowieso als konsistent vorausgesetzt).

2. Aber feststeht andererseits aufgrund einfacher Logik, dass entweder CH oder ~CH falsch ist.

3. Daraus folgt für mich, dass entweder ZFC + CH oder ZFC + ~CH doch inkonsistent sein muss, weil in einem der beiden Axiomensysteme ein falsches Axiom drinsteckte und damit Beliebiges - auch Widersprüche - folgerbar wären; das betreffende Axiomensystem hätte kein Modell.

4. Das hieße wiederum, dass Mathematiker & Physiker Vabanque spielen, denn es stünde jetzt gerade fest, dass die Chance, mit inkonsistenter Mathematik zu operieren 50/50 wäre, denn logischerweise benutzen wir entweder ZFC + CH oder ZFC + ~CH.
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Bei 3. fühle ich mich im Recht. Richtig?

Bei 4. ist wohl ein Fehler, weil ich ZFC allein übersehe. Richtig?

Wer CH oder ~CH als Axiom zu ZFC hinzunimmt, der wäre aber ein Vabanquespieler, eben wg. 3. Richtig?

Zusatzfrage: Wg. Gödels 2. Unvollständigkeitssatz wären Mathematiker letztlich doch immer Vabanquespieler, weil ZFC entweder konsistent oder inkonsistent wäre und sie keine Ahnung hätten, was von beiden vorliegt - mit ZFC könnten sie es nicht beweisen und alle Beweise mittels stärkeren Systemen würde die Frage nur auf diese verlagern - nur die Hoffnung und eine soweit-ging's-gut-Erfahrung. (Das ginge allen anderen Wissenschaften nicht besser, weil die erst recht (implizit) ZFC benutzen, d.h. aus dem 2. Unvollständigkeitssatz von Gödel folgt ein globaler Skeptizismus für alles was stärker ist als IN, +, * und das ist praktisch alles.)
Luftikus Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Verständnisfrage zu Axiomensystemen
Zitat:
Original von Pippen

Bei 3. fühle ich mich im Recht. Richtig?

Bei 4. ist wohl ein Fehler, weil ich ZFC allein übersehe. Richtig?

Wer CH oder ~CH als Axiom zu ZFC hinzunimmt, der wäre aber ein Vabanquespieler, eben wg. 3. Richtig?

Zusatzfrage: Wg. Gödels 2. Unvollständigkeitssatz wären Mathematiker letztlich doch immer Vabanquespieler, weil ZFC entweder konsistent oder inkonsistent wäre und sie keine Ahnung hätten, was von beiden vorliegt - mit ZFC könnten sie es nicht beweisen und alle Beweise mittels stärkeren Systemen würde die Frage nur auf diese verlagern - nur die Hoffnung und eine soweit-ging's-gut-Erfahrung. (Das ginge allen anderen Wissenschaften nicht besser, weil die erst recht (implizit) ZFC benutzen, d.h. aus dem 2. Unvollständigkeitssatz von Gödel folgt ein globaler Skeptizismus für alles was stärker ist als IN, +, * und das ist praktisch alles.)


Du liegst wohl schon bei deinem Punkt 2 falsch.
Betrachte dazu zB. das Axiom
D="Es ist Tag"

Dann sind ZFC & D sowie ZFC & ~D jeweils konsistent, obwohl D & ~D inkonsistent sind.

Es ist ein (logischer) Fehler, einem Axiom einen Wahrheitswert zuzuweisen. Natürlich kann man nicht ausschliessen, aus den anderen doch einen Widerspruch dazu herzuleiten.

Gödels Beweise erfordern eine gewisse Komplexität an Aussagen, woraus dann gefolgert werden kann, dass in diesem System Aussagen existieren, die man so weder als wahr oder falsch beweisen kann, somit hier zum Axiom machen kann.
Pippen Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Verständnisfrage zu Axiomensystemen
Zitat:
Original von Luftikus
Du liegst wohl schon bei deinem Punkt 2 falsch.
Betrachte dazu zB. das Axiom
D="Es ist Tag"


Ja, D wäre weder wahr noch falsch, weil zu unbestimmt, so etwa wie die Gleichung x+1=0 weder wahr noch falsch ist.

Zitat:

Es ist ein (logischer) Fehler, einem Axiom einen Wahrheitswert zuzuweisen.


Das habe ich anders gelesen. Axiome werden als -wahr- gesetzt. Ansonsten wären ja auch die Folgerungen aus den Axiomen logisch (semantisch) nicht gültig, man könnte also nicht ZFC |= z schreiben. Und weil Axiome als -wahr- gesetzt werden kann es zu Widersprüchen kommen, wenn sich nämlich herausstellt, dass ein Axiom als -wahr- gesetzt wurde, aber falsch ist.

Ich sehe es mittlerweile so: so wie man in Wahrheitswerttabellen einer Variable p mal den Wert 1, mal den Wert 0, geben kann, so tut man es auch mit ZFC und CH: Mal tut man ZFC mit einem wahren CH annehmen, mal tut man ZFC mit einem falschen CH (also einem wahren ~CH) annehmen. Beide Male ist das System konsistent und hat demgemäß ein Modell. Soweit verstehe ich es.

Mich irritiert, dass selbst in einer glasklaren Struktur {leere Menge, epsilon-Relation, PL 1. Stufe}, die letztlich ZFC zugrundeliegt, offenbar CH noch nicht "fix" wahr oder falsch ist, sondern noch beide Wahrheitswerte möglich bleiben; ich hätte gedacht, in einer solchen Struktur "fliegen" die platonischen Wahrheiten herum, d.h. dort stünde bereits fest, dass CH wahr oder falsch ist und dann wäre ausgeschlossen, dass sowohl ZFC+CH als auch ZFC+~CH konsistent sein bzw. je ein Modell haben können. Das verstehe ich nicht. Ich meine: in der Struktur (IN, +, *) steht doch auch schon fest, ob die Goldbachsche Vermutung wahr oder falsch ist, oder?
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

Ja, manche Sätze sind Tautologien, manche sind unerfüllbar. Manche sind nichts davon.

Das "Axiom" wird von erfüllt, von aber nicht.

Die leere Menge ist kein Modell für ZFC. ZFC enthält mehrere Existenzaussagen.

Die Theorie einer gegebenen Struktur (d.h. die Menge aller Sätze, die in einer gegebenen Struktur wahr sind), ist immer vollständig.
Pippen Auf diesen Beitrag antworten »

@42: Sei die Struktur/Sprache, welche ZFC zugrundeliegt (also wie zB IN,+,* den PA zugrundeliegt), dann bedeutet das also: in steht noch nicht fest, ob CH wahr ist oder nicht, es stünde nur fest, dass CH keine Tautologie oder Kontradiktion ist. Ist das bis hierher richtig so?

Weiterhin: In stünde überhaupt nur fest, dass Tautologien wahr und Kontradiktionen falsch sind, der Rest - also erfüllbare Aussagen - können je nach Axiomgestaltung wahr oder falsch sein. Richtig so?
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

Konsistente Theorien haben Modelle. Nicht jeder erfüllbare Satz ist eine Tautologie. Hierbei spricht man natürlich über das Universum aller Strukturen...
 
 
Pippen Auf diesen Beitrag antworten »

@42:

1. Sei die Struktur, welche ZFC zugrundeliegt (also wie zB {IN,+,*} den PA zugrundeliegt), dann gilt: in steht noch nicht fest, ob CH wahr ist oder nicht (weil CH weder als Tautologie noch als Kontradiktion formuliert ist).

2. In stünde überhaupt nur fest, dass Tautologien wahr und Kontradiktionen falsch sind, der Rest - also erfüllbare Aussagen - können je nach Axiomgestaltung wahr oder falsch sein.

3. In der Struktur {IN, *,+} steht noch nicht fest, ob die Goldbachsche Vermutung wahr oder falsch ist. Aber sobald man zusätzlich Peanoaxiome aufstellt - dann steht es fest (aber wir können noch nicht beweisen, welcher Fall zutrifft).

Sind alle drei Aussagen wahr? Es wäre eine Katastrophe, wenn nicht, weil damit feststünde, dass ich Fundamentales immer noch nicht richtig verstehe. Hilf mir bitte!
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

Sprachen sind Syntax, Strukturen sind Semantik. Ein wesentlicher Unterschied...
Pippen Auf diesen Beitrag antworten »

Mit meine ich sowas wie {IN,*,+} also eine Struktur. Und nun? Wie sieht es mit meinen 3 Behauptungen aus?
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

In einem gewählten Modell gilt für jeden Satz, dass entweder er oder sein Gegenteil wahr ist.
Pippen Auf diesen Beitrag antworten »

Wie klingt das?

1. Es gibt eine Struktur S, worin ZFC wahr ist und ~CH wahr.
2. Es gibt eine Struktur S', worin ZFC wahr ist und CH wahr.
3. Deshalb kann ZFC auch weder CH noch ~CH beweisen, denn ein Beweis von CH würde ja bedeuten, dass ~CH falsch wäre, also im Rahmen von ZFC kein Modell hätte, was es ja aber hat, nämlich das aus 1. Und genauso umgekehrt für CH.
zweiundvierzig Auf diesen Beitrag antworten »

So ist es.
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