Cauchy - Grundlagen und Strenge in der Mathematik

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Olympus Mons Auf diesen Beitrag antworten »
Cauchy - Grundlagen und Strenge in der Mathematik
Meine Frage:
Hallo,

ich verfasse meine W-Seminararbeit, eine wissenschaftliche Arbeit in der 12. Klasse eines Gymnasiums, über den Mathematiker Augustin-Louis Cauchy. Wenn ich mich über seine Mathematik lese kommt oft die Information, dass er die Grundlagen der Analysis verschärft (=Arithmetisierung) und eine neue Strenge eingeführt hat. Ich denke mal zwischen diesen Begriffen muss irgendein Zusammenhang liegen, nur welcher. Kann mir das bitte jemand erklären und zwar für einen Schüler der aber in Mathe gut ist.

Etwas unsicher bin ich auch ob Cauchy diese Strenge in der ganzen Mathematik oder nur in der Analysis verbessert hat und ob seine Leistung in den Grundlagen und Strenge noch heute von Bedeutung sind und inwiefern.

Meine Ideen:
Ich denke mal, dass beides mit der Präzierung von Begriffen zu tun hat und die Strenge notwendig um die Grundlagen zu präzisieren.
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

Die Analysis, wie wir sie heute kennen, entstand im 17. Jahrhundert. Nichts in der Wissenschaft beginnt bei Null. So wurde die Basis für diese Entwicklung natürlich schon in den Jahrhunderten davor gelegt, Spuren reichen bis ins Altertum zurück (Archimedes).

Leibniz und Newton gelten als Erfinder der Differentialrechnung. Um die Steigung der Parabel zu finden, ging Leibniz folgendermaßen vor. Er dachte sich im Punkt (stell ihn dir am rechten Parabelast vor) ein kleines Steigungsdreieck angeheftet: ein wenig nach rechts, genannt, ein wenig nach oben, genannt. Dann kommt man zu einem neuen benachbarten Parabelpunkt . Weil der Nachbarpunkt auf der Parabel liegt, ergibt die Punktprobe



Daraus erhält man mit der binomischen Formel und nach Vereinfachen:



Das kleine Steigungsdreieck führt also auf die Steigung



Für das letzte Gleichheitszeichen ist zu beachten, daß als unendlich klein angenommen werden kann, also kann man es auch weglassen:



Und genau daran entzündete sich der Streit. Was ist eigentlich dieses ? Erst habe ich oben von "ein wenig nach rechts" gesprochen, also müßte eine positive Größe sein. Ganz zum Schluß habe ich aber einfach weggelassen: , also müßte gleich Null sein. Ja was nun? scheint zu liegen im Nirgendwo zwischen Sein und Nichtsein (das ist hier die Frage). Einerseits darf nicht Null sein, denn sonst könnte man den Quotienten ja gar nicht bilden. Andererseits scheint es so klein zu sein, daß es doch irgendwie Null ist, sonst könnte man es in nicht einfach weglassen.
Natürlich war sich Leibniz dieser Problematik bewußt. Er hat als etwas Fließendes angenommen, das immer kleiner wird. Man kann sich als kleine positive Zahl vorstellen, die an jeder Stelle der Rechnung, wo man es braucht, als noch kleiner angenommen werden kann, so klein, daß sie doch irgendwie wie Null ist.

Vielleicht merkst du, daß in diesen unklaren Bestimmungen schon so etwas wie ein Grenzwert drinsteckt. Man muß sich allerdings klarmachen, daß der Grenzwert erst im 19. Jahrhundert eingeführt wurde. So lange wurde Analysis auf logisch schwankendem Fundament betrieben. Aber eben sehr erfolgreich. Gerade im 18. Jahrhundert hat die Analysis eine stürmische Entwicklung genommen. Hand in Hand mit der Physik war sie der Antreiber der modernen Naturwissenschaften.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war nun die Zeit gekommen, die Analysis auf solide logische Grundlagen zu stellen. Cauchy ist hier eine der ersten Adressen. Wie hat man es nun gemacht? Ich greife das Beispiel von oben auf. Statt schreibe ich und sage ausdrücklich, daß eine reelle Zahl ist, also nichts unendlich Kleines oder so (obwohl es für die Vorstellung gut ist, als klein anzunehmen). Die Rechnung geht formal wie bei Leibniz:



Aber jetzt wird nicht einfach weggelassen (es war ja ausdrücklich als vorausgesetzt), sondern man sagt:

Der Ausdruck unterscheidet sich von gerade um . Um den Unterschied zwischen und kleiner als zu machen, muß man also nur machen. Um den Unterschied kleiner als zu machen, muß man machen. Offenbar kann man, wenn man sich eine Toleranz vorgibt, den Unterschied zwischen und kleiner als machen, wenn man nur macht (so einfach wie bei der Normalparabel liegen die Verhältnisse natürlich nicht immer). Und dieses nennt man nun den Grenzwert von für . Die Rechnung auf einen Blick:



Das so unbefriedigende (und logisch wohl sogar falsche) Gleichheitszeichen in Leinbiz' Rechnung ist verschwunden und durch den Grenzwertpfeil ersetzt worden.

Ich hoffe, ich konnte dir einen Einblick in die Problematik verschaffen. Am besten fragst du deinen Lehrer nach weiterführender Literatur.
Olympus Mons Auf diesen Beitrag antworten »

Danke vielmals. Also die Grundlagen werden deshalb präzisiert da man jetzt kalre Definitionen hat und alles logisch ist. Also hat man wieder die Strenge. Richtig? Wie kommt es aber dazu, dass nun neue Begriffe enstehen und alte ignoriert werden um die Grundlagen zu präzisieren? Kommt das daher das alles nun logisch ist und manche alte Begriffe dann nicht funktioniert?
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