Anfangsbedingungen und Randbedingungen zeitabh. Schrödingergleichung

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Markoooo Auf diesen Beitrag antworten »
Anfangsbedingungen und Randbedingungen zeitabh. Schrödingergleichung
Meine Frage:
Hallo!

Und zwar frage ich mich, ob man zur Lösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung Anfangs- und Randbedingungen braucht zur Lösung oder nur eins von beidem?

Des weiteren: Existiert die Lösung und ist eindeutig?

Und als aller letztes: Wie übersetzen sich diese Anfangs-/Rand-Bedingungen, wenn wir die Schrödingergleichung mit dem Separationsansatz in 2 gewöhnliche DGL`s umwandeln? Denn vorher musste man ja eine Anfangsbedingung für die partielle DGL angeben und nun für eine gewöhnliche DGL.

Vielen Dank im Voraus!


Meine Ideen:
keine Ideen

Zur Information für eventuell Antwortende: dies wurde parallel bei den Physikern gefragt. Steffen
Ehos Auf diesen Beitrag antworten »

Die Schrödingergleichung ist eine ganz normale parabolische Differenzialgleichung - wie z.B. die Wärmeleitungsgleichung



Man benötigt eine Anfangsbedingung für die Wellenfunktion zur Zeit t=0 sowie Randbedingungen. Zum Beispiel fordert man beim Wasserstoffatom, dass die Wellenfunktion in großen Entfernungen vom Atomkern verschwindet, also



Damit bekommt man eindeutige Lösungen. Wenn ein Separationsansatz anwendbar ist, zerfällt die Schrödingergleichung in 3 gewöhnliche Eigenwertprobleme, die jeweils nur von einer der 3 Ortsvariablen abhängen. Dafür gelten dann jeweils einzelne Randbedingungen, die sich aus der ursprünglichen, allgemeinen Randbedigung ergeben. Aus den 3 separaten Eigenfunktionen bastelt man sich dann die Gesamtlösung .

Wie gesagt - aus mathematischer Sicht ist die Rechnung ist völlig analog zur Wärmeleitungsgleichung oder Diffusionsgleichung.
Markooo Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo Ehos,

vielen Dank, das hat mir sehr weiter geholfen!
Ich hätte noch ein paar Rückfragen:

1)Du hast geschrieben:"...Damit bekommen wir eindeutige Lösungen."

>>Ist das Verfahren so, dass man erstmal die einzelnen Lösungen, welche alle die Randwerte erfüllen berechnet, dann die Superposition (unendliche Reihe) von diesen bildet und auf die Superposition wendet man die Anfangsbedingung dann an:
DAS ERGEBNIS IST DANN EINDEUTIG IM SINNE VON PICARD-LINDELÖF oder kann man das nicht sagen, da man eine partielle DGL hat und es dort andere Eindeutigkeitstheoreme gibt?

2)Außerdem wird in der Physik als zusätzliche Bedingung zur Lösung hinzugenommen, dass das Integral des Betragsquadrat der Wellenfunktion 1 ergibt. Damit hätten wir doch wenn dann erst mit dieser Bedingung eine eindeutige Lösung?

3)Außerdem hast du geschrieben:"...Wenn ein Separationsansatz anwendbar ist, zerfällt die Schrödingergleichung in 3 gewöhnliche Eigenwertprobleme, die jeweils nur von einer der 3 Ortsvariablen abhängen.

>>Aber haben wir nicht auch ein Eigenwertproblem für den zeitlichen Anteil der separierten Schrödinger-DGL? Somit haben wir insgesamt 4 Eigenwertprobleme zu lösen?

4)Du sagst:"Dafür gelten dann jeweils einzelne Randbedingungen, die sich aus der ursprünglichen, allgemeinen Randbedigung ergeben."

>>Für unser ursprüngliches Problem lauten Randbedingungen doch bspw: Psi(0,t)=0 und Psi(L,t)=0. Diese Randbedingungen würde ich dann auf unsere ursprüngliche PDE Psi(x,t) anwenden.
Meist sehe ich aber in Physikbüchern, das Randbedingungen der Form Psi(0)=0 und Psi(L)=0 auf die separierte DGL angewendet werden. Warum kann man das genauso machen oder ist das wie häufig in der Physik Pfusch?

Vielen Dank im Voraus!

Liebe Grüße

Marko
Ehos Auf diesen Beitrag antworten »

Die Randbedingung bedeutet das Gleiche wie . Im letzteren Fall lässt man das Zeit-Argument aus Faulheit weg, denn diese Randbedingung soll zu allen Zeiten gelten.

Man bekommt Eigenwertprobleme nur für die 3 Ortsvariablen, nicht für die Zeit t. Die Befriedigung der Anfangsbedingung erreicht man anders.

Schreibe mir mal dein konkretes Problem, dann sage ich dir wie es geht.
Markooo Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo Ehos,

mir geht es gerade darum, dass man in Physikbüchern häufiger sieht, dass man die Randbedingung nicht für Psi(x,t) ausführt, sondern für A(x), wobei Psi(x,t):=A(x)*B(t).

Dann steht in Physikbüchern häufig die Randbedingung:
A(0)=0 und A(L)=0 und da frage ich mich, wie man das einfach so machen kann?
Wir hatten doch am Anfang eine Randbedingung für Psi(x,t).
Ehos Auf diesen Beitrag antworten »

Ich zeige dir die Lösung mal an einem einfachen Beispiel:

Wir betrachten ein räumlich 1-dimensionales Elektron, welches im x-Intervall eingesperrt ist. In diesem Fall lautet die zeitabhängige Schrödingergleichung



Dabei ist H der sogenannte Hamiltonoperator:



Die Funktion V(x) ist das elektrische Potenzial, worin sich das Elektron bewegt. Die zugehörige Randbedingung lautet



Diese Randbedingung besagt, dass das Elektrons in einem "Graben" eingesperrt ist, so dass dessen Aufenthaltswahrscheinlichkeit an den Grabenrändern x=0 und x=L verschwindet. Zusätzlich gibt es eine Anfangsbedingung, welche angibt, wie das Elektron zur Zeit t=0 im Graben verteilt ist:



Zuerst betrachte man das zugehörige (zeitfreie) Eigenwertproblem



Man erhält unendlich viele Eigenwerte und unendlich viele Eigenfunktionen . Die Motivation für die Lösung dieses Eigenwertproblems besteht darin, dass diese Eigenfunktionen im mathematischen Sinne vollständig sind. Man kann also jede beliebige Funktion im Intervall nach den Eigenfunktionen entwickeln. Deshalb macht man damit den Lösungsansatz



Die noch unbekannten Koeffizienten sind zeitabhängig, weil man zu jedem Zeitpunkt (also auf jedem "Foto") eine andere Wellenfunktion erhält. Setzt man diesen Ansatz in die obige Schrödingergleichung ein, erhält man



Koeffizientenvergleich ergibt unendlich viele gewöhnliche Differentialgleichungen für die Koeffizienten , nämlich:



Die Lösungen dieser unendlich vielen Differentialgleichungen lauten



Die sind zunächst beliebige Integrationskonstanten, wie sie bei gewönlichen Diffenetialgleichungen vorkommen. Einsetzen der Koeffizienten in den obigen Ansatz ergibt

________________________(Formel (*)

Die noch unbekannten ergeben sich aus der obigen Anfangsbedingung. Zu Zeit t=0 soll die Lösung nämlich lauten . Zu diesem Zeitpunkt ergeben die Funktionen exp(...) in der Summe den Wert 1. Die Formel (*) liefert dann also die Bedingung



Indem man diese Gleichung nacheinander mit allen Eigenfunktionen mit i=1, 2, 3... skalar multipliziert, erhält man die noch unbekannten



Setzt man diese in die obige Formel (*) ein, hat man die endgültige Lösung. Aus mathematischer Sicht ist das Schwierigste in der Regel das Finden der Eigenfunktionen, was nur bei einfachen Gebieten formelmäßig möglich ist (Kreis, Rechteck, Kugel, Quader...)
 
 
Markooo Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo Ehos,

vielen Dank für dein ausführliches Beispiel und deine Mühe!
Ich hätte eine Rückfrage zu deinem Beispiel:

1)Warum wählst du als Ansatz eine unendliche Reihe anstatt ein Integral?
Ich verstehe schon, dass eine Superposition auch immer eine Lösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung ist, aber manchmal wird auch als Ansatz ein Integral verwendet, so wie hier:

https://www.ph.tum.de/academics/bsc/brea...7_02_course.pdf
(S.4-5, Gleichung 22, freies Teilchen)

Liebe Grüße

Marko
Ehos Auf diesen Beitrag antworten »

Der Summenansatz



muss dann angewendet werden, wenn das Elektron "eingesperrt" ist durch Randbedingungen oder wenn es "gefangen" ist durch ein elektrisches Potential (z.B. das Coulombpotential beim H-Atom). Man spricht dann vom "unfreien" Elektron ist. In diesem Falle gibt es diskrete Eigenwerte und zugehörige Eigenfunktionen . Je weniger Einfluss diese Randbedingungen bzw. das Potenzial haben, um so dichter liegen die Eigenwerte zusammen.

Fehlen die Randbedingungen bzw. das Potenzial ganz, so kann sich das Elektron ungehindert im Raum bewegen. Man spricht vom "freien" Elektron. In diesem Falle sind die Eigenwerte nicht mehr diskret, sondern sie liegen unendlich dicht beisammen - also kontinuierlich. Dann geht die obige Summe mathematisch in ein Integral über. Das Integralzeichen, welches von Leibniz eingeführt wurde, symbolisiert ursprünglich den Buchstaben "S" wie "Summe".




Dabei werden die diskreten Summenindizes durch eine kontinuierlich verteilte Größe k repräsentiert und die diskreten Eigenwerte gehen über in die kontinuierlich verteilte Größe . Im Prinzip ist dieser Integralansatz eine Fourriertransformation.
-------------------------------------------------------------------------------
Das freie Elektron und der Integralansatz sind aber eher von theoretischem Interesse. In praktischen Anwendungsfällen ist das Elektron meist "unfrei", so dass man die Summe anwenden muss (z.B. Potenzialtopf, harmonischer Oszillator, Wasserstoffatom usw.)
Markooo Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo Ehos,

verstehe! Vielen Dank für deine ausführliche Antwort!
Ich hätte noch eine weitere Frage:
Um zu entscheiden, ob ein Energiewert dem diskreten oder kontinuierlichen Spektrum zugeordnet wird, kann man da als Kriterium für nehmen:

Wenn die Energie gerade so ist, dass im klassischen Sinne für diese Energie eine gebundene Bewegung des Teilchens (bei entsprechender Positionierung) möglich ist, dann wird diese Energie dem diskreten Spektrum zugeordnet?

Eine weitere Frage (siehe Anhang):
Aufgrund meiner oberen Vermutung denke ich, dass wir auch bei dem doppelten endlichen Potentialtopf bei einer Energie, welche gerade so ist, dass diese in 2 Bereichen zu gebundenen Bewegungen führt, wieder die obere Regel gilt:
Sobald schon nur in EINEM Bereich eine gebundene Bewegung möglich ist, wird diese Energie im diskreten Spektrum sein?

Liebe Grüße

Marko
Ehos Auf diesen Beitrag antworten »

Aus physikalischer Sicht ist deine Kriterium für die Zugehörigkeit des Zustandes zum diskreten oder gebundenen Spektrum richtig. Die Mathematiker finden das sicher nicht befriedigend und würden es exakter formulieren. Damit beschäftigt sich die "Spektraltheorie selbstadjungierter Operatoren". Als Physiker fehlen mir da die speziellen Kenntnisse für eine exakte Begründung.

Dein Beispiel mit dem doppelten Potenzialtopf wird als Beispiel ausführlich durchgerechnet in

- Autor: Walter Greiner
- Titel: "Theoretische Physik", Band 4 "Quantenmechanik 1"

Die Bestimmung der Eigenwerte ist übrigens (wie schon wie beim einfachen, endlich hohen Potenzialtopf) nur numerisch möglich. Die Rechnung ist nicht schwer aber sehr langwierig, wobei mehrere Fallunterscheidungen zu berücksichtigen sind. Schau' dir das vielleicht mal an.
Markooo Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo Ehos,

verstehe! Und vielen Dank für deine weiteren Denkanstöße!
Meinst du von Walter Greiner:
"Quantenmechanik: Einführung" oder "Quantenmechanik: Symmetrien"?

Liebe Grüße

'Marko
Ehos Auf diesen Beitrag antworten »

Ich meine die "Einführung".
Markooo Auf diesen Beitrag antworten »

ok, vielen Dank!
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