Nachdenken über den Zahlenstrahl

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willyengland Auf diesen Beitrag antworten »
Nachdenken über den Zahlenstrahl
Können auf dem Zahlenstrahl zwei irrationale Zahlen genau nebeneinander liegen, so dass keine andere (rationale) Zahl zwischen ihnen liegt?
Irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen.
Die beiden irrationalen Zahlen gehen ja unendlich weiter und dürfen sich erst in der "letzten" Stelle unterscheiden. Das geht ja nicht, oder?

Andererseits muss es solche Nachbarschaften geben, denn es gibt ja viel mehr irrationale Zahlen als rationale, also wo wären die sonst, wenn nicht nebeneinander.

Zwischen zwei rationalen Zahlen, die noch so nahe benachbart sind, liegen trotzdem noch unendlich viele weitere rationale Zahlen. Wenn also zwei irrationale Zahlen nicht benachbart sein können, dann liegen zwischen ihnen unendlich viele rationale Zahlen. Damit kann es dann aber nicht mehr irrationale als rationale Zahlen geben.

Wenn also irrationale Zahlen genau nebeneinander liegen können, wie kann man sich das anschaulich klarmachen? Wie geht das? Oder geht das nicht?

verwirrt verwirrt verwirrt
HAL 9000 Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von willyengland
Wenn also zwei irrationale Zahlen nicht benachbart sein können, dann liegen zwischen ihnen unendlich viele rationale Zahlen. Damit kann es dann aber nicht mehr irrationale als rationale Zahlen geben.

Das ist ein Fehlschluss. Abgesehen von dem generellen Problem, verschiedene Unendlichkeiten zu vergleichen (abzählbar, überabzählbar usw.), lässt du bei diesem Schluss die Tatsache unberücksichtigt, dass zwischen diesen zwei irrationalen Zahlen nicht nur unendlich viele rationale, sondern selbstverständlich auch unendlich viele irrationale Zahlen liegen.
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

Jede (beliebig kleine) Umgebung jeder reellen Zahl (rational oder irrational, algebraisch oder transzendet) enthält eine rationale Zahl, also unendlich viele rationale und irrationale Zahlen. Egal wie klein ein rationales oder reelles Intervall ist, es enthält genau so viele Zahlen wie die reellen Zahlen. Auch in kleine Unendlichkeiten passt ziemlich viel hinein. Siehe : https://de.wikipedia.org/wiki/Dichte_Teilmenge
willyengland Auf diesen Beitrag antworten »

Ok, ihr seid also der Meinung, dass zwei irrationale Zahlen genau nebeneinander liegen können.
Das dachte ich mir schon. Augenzwinkern

Aber wie geht das?
Sie dürfen sich ja bis ins Unendliche in keiner Ziffer unterscheiden. Erst in der "LETZTEN". Die es aber nicht gibt.
HAL 9000 Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von willyengland
Ok, ihr seid also der Meinung, dass zwei irrationale Zahlen genau nebeneinander liegen können.

Du hast es heute mit Fehlschlüssen, oder sollte ich besser sagen: Fehlunterstellungen? unglücklich

Es gibt generell kein "genau nebeneinander liegen" auf der reellen Achse.
willyengland Auf diesen Beitrag antworten »

smile

Also muss man einfach sagen, es geht nicht?
Dieses "dicht" auf dem Zahlenstrahl ist komplett unanschaulich?
 
 
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

Menge A liegt dicht in Menge B ist total anschaulich.

Anschauung 1.
In beliebiger Nähe einer rationalen Zahl liegt eine rationale und eine irrationale Zahl.
In beliebiger Nähe einer irrationalen Zahl liegt eine irrationale und eine rationale Zahl.

Anschauung 2.
Zwischen zwei rationalen Zahlen liegen abzählbar unendlich viele rationale und überabzählbar unendlich viele irrationale Zahlen.
Zwischen zwei irrrationalen Zahlen liegen überabzählbar unendlich viele irrationale und abzählbar unendlich viele rationale Zahlen.

Anschauung 3.
Egal wie nahe zwei reelle (rationale oder irrationale) Zahlen beieinander liegen, es liegen immer unendlich viele reelle (rationale und irrationale) Zahlen dazwischen.

Noch mehr Gedrängel gibt es nur auf einer Querdenkerdemonstration: in und zwischen zwei Menschen, die sich nahe genug kommen, gibt es endlich viele Coronaviren. Augenzwinkern Ist das anschaulich genug ?
willyengland Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo Elvis,

ja, das ist mir soweit klar.

Wenn etwas "dicht" liegt, sagt meine Anschauung, muss doch auch etwas genau nebeneinander liegen, ohne dass noch etwas dazwischen ist.
Das ist aber irgendwie nicht vorstellbar, wenn immer nochmal Unendlich viel dazwischen ist (Anschauung 3). Das kann man nicht in Einklang bringen.

Irgendwie ist der menschliche Verstand für diese Unendlichkeiten nicht geschaffen.
Die Mathematik beschreibt es so gut sie kann, es bleibt aber letztlich unfasslich.
Malcang Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von willyengland
Die Mathematik beschreibt es so gut sie kann, es bleibt aber letztlich unfasslich.


So unfasslich finde ich das gar nicht (wenn auch nicht unmittelbar verständlich).
Stell dir vor, du stehst einen Meter von einer Wand entfernt. Dein Arm ist nur ein kürzer als einen Meter. Du kannst ihn also ausstrecken, aber erreichst die Wand ganz knapp nicht.
Nun stell dir vor, du kannst du die Entfernung zur Wand halbieren, aber dein Arm halbiert sich ebenfalls. Und das ganze darfst du beliebig oft wiederholen.
Nun würde man ja auch sagen, man kommt immer dichter an die Wand heran. Trotzdem wirst du es auch nach noch so vielen Versuchen nicht schaffen, die Wand zu berühren, auch wenn du ihr immer näher kommst.
Wenn man sich nun vorstellt, zwischen dir und der Wand würden genau die reellen Zahlen verlaufen und die Wand ist eine feste irrationale Zahl und du eine andere, dann findest du ja trotzdem jedesmal(!) sowohl rationale als auch irrationale Zahlen zwischen euch beiden.
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

@willyengland
Nein, dicht meint hier genau das Gegenteil. Wenn A in B dicht liegt, dann liegt ein b nahe bei jedem a. Das ist keine Aussage über die Elemente von A sondern eine Aussage über A und B gleichzeitig.

Zur Verwirrung trägt hier vielleicht bei, dass nicht nur dicht liegt in , sondern es liegt dicht in sich, dicht in sich und überdies noch dicht in . (So ist tatsächlich die korrekte mathematische Ausdrucksweise.)

Da häuft sich ein Haufen auf sich und auf einen anderen Haufen und unter den anderen Haufen in einem wilden Durcheinander. Die einzelnen Mengen trennt nichts voneinander, sie verschmelzen inniglich ... mir fehlen die Worte ob derart unverschämter beidseitig selbstseitiger und gegenseitiger Dichtheit ... aber vielleicht immer noch besser als undicht. Big Laugh
IfindU Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Elvis
[...] und überdies noch dicht in .


Kleiner Einwand: Üblicherweise definiert man Dichtheit nur für Teilmengen (auch bei deinem Wiki-Link). D.h. kann dicht sein (und ist dicht), aber umgekehrt ist es nicht definiert.

Die kanonische Fortsetzung der Definition wäre dann wohl heißt dicht in , wenn eine dichte Teilmenge von ist (im klassischen Sinne). Ich habe es aber noch nirgendwo verwendet gesehen.

Zitat:
Original von Elvis
Das ist keine Aussage über die Elemente von A sondern eine Aussage über A und B gleichzeitig.


Auch das. Aber auch über den Begriff des Abstands. Je nach Auswahl der Metrik liegt nicht dicht in (z.B. die diskrete Metrik. Dort gilt allg. dicht .)
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

Das Kontinuum der reellen Zahlen ist eine zähe klebrige Masse. Da gibt es zwar ein Größer und ein Kleiner, aber kein "Unmittelbar-Nebeneinander-Ohne-Zwischenraum". Dennoch sind die Punkte der Zahlengerade Individuen, jeder vom andern unterschieden. Schon die antiken Gelehrten hatten Probleme, sich das vorzustellen. Wie kann ein Kontinuum, ein "Fließendes", "Zusammenhängendes", aus Individuen, aus "Körnern", bestehen? Trotzdem vereinigt die Menge in moderner Anschauung beide Vorstellungen in sich. Das ist gewissermaßen paradox. Die Menge , mit der man täglich umgeht, in der man Gleichungen löst, Verläufe diskutiert, Inhalte aller Art berechnet, ist in Wahrheit ein großes und unheimliches Rätsel. Je länger man darüber nachdenkt, desto verrückter kommt sie einem vor. Bevor man wahnsinnig wird, sollte man zwischendurch etwas anderes tun.
willyengland Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Leopold
Die Menge , mit der man täglich umgeht, in der man Gleichungen löst, Verläufe diskutiert, Inhalte aller Art berechnet, ist in Wahrheit ein großes und unheimliches Rätsel. Je länger man darüber nachdenkt, desto verrückter kommt sie einem vor. Bevor man wahnsinnig wird, sollte man zwischendurch etwas anderes tun.

Gut ausgedrückt! Freude
Echt verrückt.

Man könnte sich erst mal damit beruhigen, dass das alles nur abstrakt ist und nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. Aber ich vermute, dass auch in den Naturwissenschaften bestimmte Dinge nur mit irrationalen Zahlen funktionieren. Echten, nicht nur gerundeten Näherungen. Falls das so ist, funktionieren einige Sachen mit unendlich vielen Stellen ...

Ok, ich mach jetzt besser mal was anderes ...

smile
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

Die Naturwissenschaften wissen noch nicht, ob Raum und Zeit kontinuierlich (reelle Zahlen) oder gequantelt (natürliche Zahlen) sind. Beides ist möglich, und die Planckzeit ist so winzig, dass die diskreten Zeiteinheiten von einer reellen Zeit physikalisch nicht zu unterscheiden sind. Also kann man sich je nach Problemstellung der einen oder anderen Anschauung und der zugehörigen Mathematik bedienen.
laila49 Auf diesen Beitrag antworten »

Albert Einstein hat einmal gesagt:
Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.

Da hat der kluge Mann allerdings den Zahlenstrahl vergessen...
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

Albert Einstein war sehr klug. Der Zahlenstrahl existiert nur in unserem Denken, gehört also zur unendlichen menschlichen Dummheit. Ob der Zahlenstrahl im Universum realisiert ist, wissen wir nicht, also können wir nicht sicher sein, ob das Universum unendlich ist.
Leopold Auf diesen Beitrag antworten »

Mein mathematisches Denken wechselt zwischen Platonismus und Konstruktivismus (einem nichtorthodoxen). Was die reellen Zahlen angeht, halte ich sie für ein Konstrukt des menschlichen Geistes. Sie existieren sozusagen nicht qua eigenem Recht, so daß sie von den Menschen nur hätten entdeckt werden müssen. Sie sind eine Schöpfung des menschlichen Geistes selbst, in Jahrtausenden entwickelt und im 19. und 20. Jahrhundert zur Menge geformt. Ich gehöre auch nicht zu denen, die glauben, daß Wissenschaft je zu einem Ende gelangt. Man wird schon in 100 Jahren schmunzeln, welche naiven Vorstellungen wir von diesem oder jenem mathematischen Phänomen im 20. und 21. Jahrhundert hatten, wie wenn wir heute über einen Satz wie "Ein Punkt ist, was keine Teile hat" schmunzeln und dabei doch alle Hochachtung vor Euklid bewahren.
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

Du sprichst mir aus der Seele, und sicher hast auch du Richard Dedekind studiert.
Springer Spektrum, Klassische Texte der Wissenschaft, "Richard Dedekind. Was sind und was sollen die Zahlen ? Stetigkeit und Irrationale Zahlen" Hrsg. Stefan Müller-Stach kommentiert kurz und knapp Ideen des 19. Jahrhunderts. Die Originaltexte geben tiefen Einblick in die Gedankenwelt unseres Vordenkers und lassen uns richtig mitfühlen, wie die Begriffe durch den kreativen Geist geschaffen und geformt werden.
Was ist "orthodoxer" und "nichtorthodoxer" Konstruktivismus ? Ich neige eher zum Strukturalismus, auch wenn ich nicht immer sicher bin, ob ich wirklich weiß, was das bedeutet. Für die reellen Zahlen bedeutet das für mich, dass man sich dem Begriff auf vielen verschiedenen Wegen nähern kann und genähert hat, dass man ihn aber erst dann verstanden hat, wenn man die Struktur unabhängig von ihrer gedanklichen Entstehung als bis auf Isomorphie eindeutig erkannt und bewiesen hat.
Finn_ Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von Leopold
Was die reellen Zahlen angeht, halte ich sie für ein Konstrukt des menschlichen Geistes. Sie existieren sozusagen nicht qua eigenem Recht, so daß sie von den Menschen nur hätten entdeckt werden müssen.

Und was ist, wenn jede isolierte Zivilisation bei hinreichendem Fortschritt mit der Zeit irgendwann inhaltlich die gleiche Auffassung von den reellen Zahlen entwickelt, zumindest was die Grundlagen angeht? Dann gäbe es doch metaphysische Schranken, die jeden Entwicklungsprozess zum selben Punkt treiben. Das stünde im Widerspruch dazu, dass dieser Punkt eine Schöpfung der jeweiligen Zivilisation sein soll.
Ulrich Ruhnau Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Nachdenken über den Zahlenstrahl
Zitat:
Original von willyengland
Können auf dem Zahlenstrahl zwei irrationale Zahlen genau nebeneinander liegen, so dass keine andere (rationale) Zahl zwischen ihnen liegt?
Irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen.

Mit genau nebeneinander meist Du sicherlich, daß ihre Differenz verschwindend klein ist. Das bedeutet aber, daß beide Zahlen identisch sind.
Anderenfalls wären sie endlich weit auseinander, sodaß unendlich viele Zahlen zwischen ihnen liegen. Big Laugh
IfindU Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Nachdenken über den Zahlenstrahl
Da ich hier noch nichts von hyperreellen Zahlen gelesen hab: Wiki. Die können wirklich "sehr" nahe an reellen Zahlen dranliegen, so nahe, dass keine reelle Zahlen zwischen der hyperrellen und der ausgewählten reellen Zahl liegt.

Der Raum ist aber ziemlich eklig, Auszug aus Wiki
Zitat:
Daher erfüllt die Topologie der hyperreellen Zahlen nicht die beiden Abzählbarkeitsaxiome, sie ist also insbesondere nicht metrisierbar. Aus der überabzählbaren Konfinalität folgt auch, dass sie nicht separabel sind. Aus dem Nichtvorhandensein von Suprema zahlreicher Mengen folgt, dass der Raum total unzusammenhängend und nicht lokalkompakt ist.
.
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