Vorwissenslücke für abstrakte Algebra?

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l3v1 Auf diesen Beitrag antworten »
Vorwissenslücke für abstrakte Algebra?
Hallo!

Mit Abiturwissen an die Uni zum Informatikstudium bin ich nun in Vorbereitung auf das RSA-Verschlüsselungsverfahren mit der Unterscheidung zwischen Monoiden, Halb-/Gruppen abelschen Gruppen konfrontiert. Später wird es um Restklassengruppen gehen um Fermats kleinen Satz beweisen, begreifen und anwenden zu können.

Nun ist mein persönlicher, langfristiger Anspruch zwar die Arbeitsteilung zwischen Mathematikern und Informatikern, aber das Verständnis ausgewählter kryptografischer Verfahren ist nun Teil des Studiums, hoffentlich nicht nur, um auszusieben.

Beim Lesen von Krapfinger, Bosch oder Böhm dreht sich mir schnell der Magen um, ich habe das Gefühl, da wird schon viel Vorwissen vorausgesetzt da werden schon auf den ersten einleitenden Seiten einige Notationen und Begriffe benutzt, die ich noch nie gesehen habe und folglich kann ich den Ausführungen nicht folgen. Aber ein Galois soll hier schon vor seinem 20. Geburtstag bahnbrechende Erkenntnisse erarbeitet haben, während ich noch nichtmal das Problem begreife? Da muss er doch einen Einstieg gehabt haben, der mir fehlt.

Ich erwarte noch die Bücher "Algebra für Einsteiger" und "Algebra" von Michael Artin, aber mir bereitet das Thema schlaflose Nächte, weshalb ich hier auf Ratschläge von erfahrenen Mathematikern hoffe.

Wie kann ich mich dem Thema so annähren, dass ich begreifen kann, wozu im 18. Jh. Lagrange, Galois und Abel an dem Thema werkelten, welche Beiträge Hilbert oder Nöther leisteten und wie das dann in modularer Arithmetik Einzug findet?

Insbesondere Visualisierungen fände ich umwerfend.

Pardon für die Unbildung, aber herzlichen Dank vorab.
IfindU Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Vorwissenslücke für abstrakte Algebra?
Wenn ich das richtig verstehe, bist du aktuell noch nicht einmal an der Uni, sondern bereitest dich schon einmal proaktiv vor? Dann mach ich mich um dich schon eimal keine Sorgen.

Dich an Galois messen zu wollen, oder an Gauß, Euler etc. ist irgendwo zwischen bewunderswert und purer Wahnsinn. Da kannst du dich genauso ärgern, dass du nicht auf die Relativitätstheorie gekommen wärst oder, mehr IT bezogen, die Turingmaschine erfunden sowie Enigma knackst.

Nun zur Algebra und etwas zu mir: Ich habe ein Vollzeitstudium der Mathematik in Bonn absolviert. Dort hatte ich die ersten beiden Semester "Lineare Algebra", das dritte Semester "Gruppe, Ringe, Moduln" und im vierten "Einführung in die Algbra". Dort haben wir Bosch genutzt. Ich selbst habe mich selbst nicht stark vertieft und die Einführung war die letzte Vorlesung von mir in die Algebra. Die mutigen haben dann "Algebra I" und "Algebra II" weiterbesucht. So reichhaltig wie der Bosch ist, musste man vermutlich nicht einmal das Buch wechseln. Dazu gehören Professoren, die einem den Stoff näher bringen, Tutoren, welche bei weitern Unklarheiten nachhelfen UND Kommilitonen, welche sich gegenseitig unterstützen

D.h. wo du ansetzt, und welches Vorwissen man für die Bücher braucht, ist 1-2 Jahre Vollzeitmathestudium, BEVOR man sich die Bücher setzt, und das alleine. So viel zum Kontext, was du gerade versuchst zu leisten. Wenn du dich überfordert fühlst, gehörst du leider zu den 99.999999999% der Menschheit. Ich habe trotz meines Vorteil von 2 Jahre Mathestudium es nicht weiterverfolgt, weil es mir zu abstrakt war und ich nicht wirklich folgen konnte...

Wenn du dich auf das Studium vorbereiten willst, kannst du mal die Uni/Fachschaft fragen, ob man Skripte o.ä. zu den Mathevorlesungen in der Informatik hat und dir schicken kann. Wenn du den Anspruch hast, dir autodidaktisch die Algebra beizubringen, wäre mein Tipp einem Mathestudium zu folgen: Erst die lineare Algebra (Bosch, Förster), und frühstens dann in die "reine" Algebra abzusteigen.

Ansonsten: Bei Fragen, um das autodidaktische abzudämpfen, insb. wenn du bei Übungsaufgaben im Buch nicht Hilfe brauchst, bietet sich das Forum (und natürlich weitere an). Ansonsten könnte dir der User "Elvis" vermutlich aus dem Steigreif 20 Buchalternativen nennen. Vlt taucht er hier auch auf.
URL Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Vorwissenslücke für abstrakte Algebra?
Einführung in die Kryptographie von Johannes Buchmann reduziert den algebraischen Apparat auf das Notwendige. Aber auch in diesem Buch ist abstrakte Algebra nicht ohne Schmerzen zu haben.
Das volle Programm fand ich im damals zweibändigen Buch Algebra von Meyberg noch am leichtesten verdaulich.
Im Studium ging es mir wie IfindU und erst sehr, sehr viel später habe ich mich der Algebra wieder zugewandt, übrigens wegen der Kryptographie.
Ich teile auch seine Einschätzungen in diesem Thread. Du wirst vermutlich etwas mehr Anlauf nehmen müssen und das ist beileibe keine Schande.

Um mit Algorithmen und Verfahren der Kryptographie zu spielen, kann man sich cryptool anschauen
Finn_ Auf diesen Beitrag antworten »

Tobias Glosauer: Elementar(st)e Gruppentheorie.
Joseph A. Gallian: Contemporary Abstract Algebra.
Allen Hatcher: Topology of Numbers.
Christof Paar, Jan Pelzl: Kryptografie verständlich.

Das wären Bücher, von denen man was lernt, mit denen man derweil aber auch eine gute Zeit haben kann.
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »

Algebra ist höchst abstrakte mathematische Theorie, die man nur in kleinen Häppchen verdauen kann, und die insgesamt einen riesigen Anteil an der Mathematik hat. Da muss man sehr bescheiden bleiben und zugeben können, dass man nicht hochbegabt sondern genau so unwissend ist wie jede/r andere. Evariste Galois war ein mathematisches Genie, der zu seiner Zeit von niemandem verstanden wurde, und dessen Erkenntnisse erst nach seinem Tod dazu führten, dass die gesamte Algebra um die heute so genannte Galoistheorie herum neu aufgebaut wurde. Abstraktionen zu veranschaulichen ist in geringem Umfang möglich, zum Beispiel in Hasse-Diagrammen (https://de.wikipedia.org/wiki/Hasse- Dia...asse%20benannt.), Visualisierung von Abstrakta ist nur in der abstrakten Kunst möglich, nicht aber in der Mathematik. Jede/r Informatiker/in muss ein paar algebraische Grundbegriffe verstehen und anwenden können, sonst begreift man nie, wie die Theorie der formalen Sprachen oder die Automatentheorie funktioniert.

(Um IfindU und Dir einen Gefallen zu tun, empfehle ich) "Einführung in die Algebra" von R. Kochendörffer, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1974. Das ist ein klassisches Algebra-Buch, das ganz langsam und behutsam vorgeht und viel weniger anspruchsvoll ist als van der Waerden (ab 1950) und Bosch (ab 1993), m.E. bestens geeignet zum Selbststudium und als Begleitbuch zu einer Vorlesung Algebra I.
l3v1 Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Vorwissenslücke für abstrakte Algebra?
Habt herzlichen Dank für die Antworten!

Zitat:
Original von Elvis
Jede/r Informatiker/in muss ein paar algebraische Grundbegriffe verstehen und anwenden können, sonst begreift man nie, wie die Theorie der formalen Sprachen oder die Automatentheorie funktioniert.


"Erst lineare Algebra" habe ich häufig schon als Tipp gehört und mein Studiengang beschäftigt sich tatsächlich auch im Semester davor mit Matrizenrechnung und Graphentheorie. Ich erahne da schon einen roten Faden zwischen Graphentheorie (1. Sem.), Matrizen (1. Sem.), formalen Sprachen/Automaten (2. Sem.), dann Polynomen (2. Sem.), modularer Arithmetik und sonstigem für's RSA-Verfahren nötige (2. Sem.).
Vermutlich will da keiner durchsieben, sondern jemand einen großen Bogen spannen.

Zitat:
Original von IfindU
Wenn ich das richtig verstehe, bist du aktuell noch nicht einmal an der Uni, sondern bereitest dich schon einmal proaktiv vor? Dann mach ich mich um dich schon eimal keine Sorgen.

Mnaaaja, eigentlich gehe ich vom zweiten Semester nochmal ins erste zurück um mir das mathematische Rüstzeug zu verschaffen, weil ich der Vorlesung, die sich hauptsächlich mit Restklassenarihtmetik und dem kleine fermat'schen Satz beschäftigte, nicht folgen konnte. Vielleicht hätte ich bestanden, wenn ich stur auswendig gelernt hätte und wenn ich euch so höre, ist das vielleicht doch die zielführendste Variante. Ich will schließlich kein Kryptologe werden, wohl aber für Sicherheit in der IT sorgen, aber eher mit technisch/organisatorischen Maßnahmen, vielleicht auch im Programmier-Bereich. Nur bin ich von Natur aus jemand, das kann eine Schwäche sein, der nichts so einfach durchwinkt, sondern der den Dingen auf den Grund geht. Muss ich abwägen, ob ich mir das leisten kann/will.

Als ich ChatGPT nach einer algebraischen Struktur fragte, war Teil der Antwort, dass z.B. auch ein Schachspiel oder neuronale Netze solche wären. So sehe ich im Verständnis von diesem Algebra-Zeugs doch enormes Potential, das mich als Programmierer vielleicht deutlich besser arbeiten lassen könnte.

Zitat:
Original von IfindU
Dich an Galois messen zu wollen, oder an Gauß, Euler etc. ist irgendwo zwischen bewunderswert und purer Wahnsinn. Da kannst du dich genauso ärgern, dass du nicht auf die Relativitätstheorie gekommen wärst oder, mehr IT bezogen, die Turingmaschine erfunden sowie Enigma knackst.


Zitat:
Original von IfindU
Algebra ist höchst abstrakte mathematische Theorie, die man nur in kleinen Häppchen verdauen kann, und die insgesamt einen riesigen Anteil an der Mathematik hat. Da muss man sehr bescheiden bleiben und zugeben können, dass man nicht hochbegabt sondern genau so unwissend ist wie jede/r andere. Evariste Galois war ein mathematisches Genie, der zu seiner Zeit von niemandem verstanden wurde, und dessen Erkenntnisse erst nach seinem Tod dazu führten, dass die gesamte Algebra um die heute so genannte Galoistheorie herum neu aufgebaut wurde.


Ja. Aber... :-D Er wird wohl irgendeinen Ansatzpunkt gehabt haben, glaube, er ist mit den Schriften von Lagrange betraut worden. Dachte, wenn man das Problem von seinem Ausgangspunkt aus betrachtet, könnte das Verständnis der Lösungen leichter fallen. Den Griechen und Ägyptern kann ich noch recht leicht folgen, aber so ab dem 16. Jh. habe ich erhebliche Schwierigkeiten. Als mir der Lehrer das erste mal was von "gegen Unendlich streben lassen" sagte, habe ich die versteckte Kamera gesucht, es hat gedauert, bis ich den Gedanken verstand. Ich bin von Natur aus misstrauisch, das ist auch hinderlich.

Zitat:
Original von URLIch teile auch seine Einschätzungen in diesem Thread. Du wirst vermutlich etwas mehr Anlauf nehmen müssen und das ist beileibe keine Schande.


Trotz dem oben beschrieben Studienaufbau wurde dann recht bald mit zyklischen Ringen und Restklassengruppen hantiert und mir ging das einfach zu schnell, zumal einige Kommilitonen dann immer so: "Jupp, ja, klar, kein Problem, machen wir früher Schluss?.", während ich eher panisch wurde. Da bin ich froh, dass ihr meinen Eindruck unterstützt, dass diese Dinge nicht "mal eben so zugänglich" sind.

Zitat:
Original von Finn_
Tobias Glosauer: Elementar(st)e Gruppentheorie.
Joseph A. Gallian: Contemporary Abstract Algebra.
Allen Hatcher: Topology of Numbers.
Christof Paar, Jan Pelzl: Kryptografie verständlich.


Zitat:
Original von URL
Einführung in die Kryptographie von Johannes Buchmann
Algebra von Meyberg


Zitat:
Original von Elvis
"Einführung in die Algebra" von R. Kochendörffer, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1974


Danke, schaue ich mir an, der Paar steht sogar schon im Regal.
 
 
Elvis Auf diesen Beitrag antworten »
RE: Vorwissenslücke für abstrakte Algebra?
Zitat:
Original von l3v1

Ja. Aber... :-D Er wird wohl irgendeinen Ansatzpunkt gehabt haben, glaube, er ist mit den Schriften von Lagrange betraut worden. Dachte, wenn man das Problem von seinem Ausgangspunkt aus betrachtet, könnte das Verständnis der Lösungen leichter fallen. Den Griechen und Ägyptern kann ich noch recht leicht folgen, aber so ab dem 16. Jh. habe ich erhebliche Schwierigkeiten. Als mir der Lehrer das erste mal was von "gegen Unendlich streben lassen" sagte, habe ich die versteckte Kamera gesucht, es hat gedauert, bis ich den Gedanken verstand. Ich bin von Natur aus misstrauisch, das ist auch hinderlich.



Der rote Faden der Algebra ist das Problem, Gleichungen zu lösen, indem man rechnet. Rechnen fängt in der Steinzeit an, Gleichungen zu lösen haben die ersten Mathematiker 5000 v.Chr. versucht. Lineare Gleichungen sind geschenkt, quadratische Gleichungen lernt man in der Schule. Kubische und biquadratische Gleichungen lösen die cardanischen Formeln. Dann ist Schluß, Gleichungen 5. Grades haben keine Lösungen in Wurzeln. Also braucht die Mathematik ein Genie, und das war Galois.

Algebra ist erst mal nicht unendlich. Unendlich fängt mit der Analysis an, das ist Neuzeit. Wirklich verstanden wird unendlich in der Mengenlehre. Damit dehnt sich die Unendlichkeit auf die gesamte Mathematik, also auch auf die Algebra aus - aber das ist eine andere Geschichte.
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