Kurvenoptimierungs-Verfahren und Kurvenfolgedefinition (Workshop)

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punktlandung3 Auf diesen Beitrag antworten »
Kurvenoptimierungs-Verfahren und Kurvenfolgedefinition (Workshop)
Meine Frage:

Hallo und willkommen zu dieser kleinen Vorstellung

Diesmal stelle ich keine Fragen an euch und ihr seid die Ahnungslosen (haha!).
Es ist mir schon lange ein dringendes Anliegen, Kurvenformen zu beschreiben, zu gestalten und zu reproduzieren, die nicht den gewohnten mathematischen Geometrien entsprechen.
Wollte jmd. z.B. eine Punkteschar einer Kurve kopieren, so lässt sich nicht mal bei einem einzigen Punkt sagen, ob er zweifelsfrei zu einer Kurve gehört oder davon abweicht, wenn die Kurve nicht als Funktion gegeben ist. Auch bei Fragen der Skalierung gäbe es wieder nur den Weg Abwärtskompatibel und es bräuchte riesige Schablonen, um Flugzeuge oder Schiffe präzise zu bemessen. Wie damit bereits angedeutet, geht es um Formen der Natur und der sichtbaren Umwelt, nicht um alle mathematisch möglichen Muster, in diesem Sinne also stetige Formen.

Vielen dürften die schnellen Werkzeuge der Bildbearbeitung vertraut sein, welche überwiegend finit sind und gewissermaßen Ganzzahligkeit mit Polynomen kombinieren, bis hin zur Spline-Interpolation und anderen Nährungsformeln (siehe dazu Threads im Forum). Diese maschinell hoch optimierten Methoden sind schnell und vektoriell, aber mathematisch sind sie für das Anwenderverständnis oft ein Buch mit sieben Siegeln.

An dieser Stelle soll ein anderes Verfahren aufgezeigt werden, dass sich historisch entwickelt hat und seinen funktionellen Platz mathematisch/geometrisch behaupten kann.
Das Ziel ist, wiederum aus wenigen Definitionspunkten oder Messpunkten eine eindeutige stetige Kurve zu generieren. Und das kann schon allein mit Kreisbögen erreicht werden.

Wir befinden uns in einem eulerschen Koordinatensystem. Es gibt einen Startpunkt und einen Endpunkt der Kurve, sowie endlich viele geordnete Definitionspunkte zwischen ihnen. Von jedem Punkt zum nächsten soll ein Kreisbogen führen in der Weise, dass alle Kreisbögen einen stetigen Übergang zueinander finden. Dafür ist es notwendig, zunächst die Umgebung jedes untersuchten Punktes zu betrachten.


Meine Ideen:


Es seien

die Definitionspunkte mit j = {0 ; P_end}

die Neigung der geraden Verbindungslinie zum nächsten Punkt, die einem der Punkte eindeutig zuzuordnen ist.

Wenn & für j = {0; P_end-2} gilt,
kann der Abschnitt als 'konvex', ansonsten als 'konkav' eingeordnet werden.

Dazu ist es wichtig, die stillschweigend angenommene Ausrichtung, d.h. Lage im Koordinatensystem auch wirklich zu überprüfen; hat die Verbindungslinie eine positive Steigung, oder nicht, einen in x und y positiv gerichteten Verlauf oder einen negativen, das ist zu prüfen. Als Grundmodell kann jedoch von einem positiven Anstieg im ersten Quadranten und von einem konvexen Kurvenabschnitt ausgegangen werden.

Die Umgebung des Definitionspunktes besteht nun aus dem Punkt selbst, seinem Folgepunkt und der Verbindungsgerade. Hinzu kommt eine Tangente, die parallel zur Verbindungsgerade des Vorgängers und des Nachfolgers anliegt

mit der Steigung für j = {1 ; P_end-1}.

Diese Art der Tangenten von Definitionspunkt und Folgepunkt schneiden sich im Schnittpunkt . Tangente und Schnittpunkt sind wiederum dem Definitionspunkt zugeordnet.
Nun gibt es eine Gerade derart, dass die Senkrechten der Tangenten in Pj und Pj+1 vom Schnittpunkt Pkj aus an jeweils einer Stelle geschnitten werden und die Kreisbögen ausgehend von diesen Schnittstellen und den Definitionspunkten sich in einem Punkt auf dieser Gerade treffen. Die Kreisbögen von Pj und Pj+1 sind immer stetig zu benachbarten Abschnitten, da sie tangential zu den Pj-Tangenten liegen. Die Punkte Pj, Pj+1 und der Schnittpunkt der Tangenten-Senkrechten von Pj und Pj+1 bilden ein allgemeines Viereck, das von der gesuchten Gerade aufgeteilt wird.

Bekannt sind:

Gerade zwischen Pj und Pkj der Länge
Gerade zwischen Pkj und Pj+1 der Länge
der Winkel zwischen a_j und b_j

der Winkel beta_j welcher sich in einem Viereck mit zwei rechten Winkeln ergibt:
,

außerdem die Geraden
zwischen Pj+1 und dem Senkrechten-Schnittpunkt:
zwischen Pj und dem Senkrechten-Schnittpunkt:

Der Winkel alpha wird also von der gesuchten Gerade in gamma und delta geteilt.

Für gamma_j muss nun gelten:



Ist die Gerade zwischen gamma und delta gefunden, ergeben sich




sowie der Berührungspunkt der Kreisbögen :


(was entspricht)




Damit ist der erste wichtige Standardfall gelöst.
punktlandung3 Auf diesen Beitrag antworten »

Eine zweite weitaus bequemere Form entsteht, wenn Konvex/Konkav zwei folgender Punkte sich abwechseln. Damit kommt es zu einem Schlangen-Verlauf, einer Wendestelle. Diese muss aber genau wie andere Abschnitte im eigenen Schnittpunkt und zu benachbarten Abschnitten stetig sein! Das lässt sich am besten grafisch darstellen,
denn es kommt zu dem praktischen Phänomen, dass die Abstände zwischen Pj und Pj+1 und die beiden Radien gleich, die Radien wiederum untereinander betragsgleich sind!

Über diese Bedingung lassen sich die Kreismittelpunkte finden und
der Schnittpunkt .

Bereits gegeben waren außerdem die Radien mit
.

Mit diesen zwei Ausprägungen, mit gleichbleibender Konvexität und bei wechselnder, kann mit genügend Definitionspunkten jede Kurve komplett mathematisch definiert werden.

Jetzt mag zurecht kritisiert werden, dass die einzelnen Radien doch sehr groß werden können, je kleiner die Abstände und je mehr Definitionspunkte vergeben werden. Und das Auffinden der Unbekannten ohne Rechnerleistung wäre "un-algebraisch".
Ersteres kann vorkommen (vorbehaltlich dem Ausweg einfach eine winzige Gerade zu ziehen), und linear gerade Punktfolgen würden mit dieser Methodik nur unzureichend und weniger eindeutig abgebildet. Doch dieses Vorgehen sollte man sich besser vorstellen wie eine geometrische Konstruktion mit einem Zirkel. Die Intervalle der gesuchten Parameter lassen sich durch eine genaue Zeichnung sehr gut eingrenzen.
Und in der Natur vorkommende Kurven bestehen nach dieser Systematisierung aus in weiten Teilen riesigen Kreisbögen und nur kleinen Bereichen aus Wendestellen und Feingliedrigem (exceptiones probare regulae). Der Technische Zeichner hat also die Möglichkeit, eine komplizierte, noch unbekannte Kurve beliebig genau in endlich vielen Abschnitten abzuspeichern und bedingt auch zu bearbeiten. Gegenüber dem vollständigen Abtasten von Rohdaten, ihrer irreversiblen Verarbeitung, ihrer maschinellen polynomisierung und ihrer noch heikleren Bearbeitung sind das enorme Vorteile!


Damit wäre alles gesagt hoffe ich, vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.
HAL 9000 Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von punktlandung3
Wenn & für j = {0; P_end-2} gilt,
kann der Abschnitt als 'konvex', ansonsten als 'konkav' eingeordnet werden.

Ein Beispiel: Wir betrachten die drei Punkte , dann haben wir und damit , aber die zweite Bedingung ist wegen verletzt.



Nach dieser deiner Definition repräsentiert also Kurvenzug eine konkave Kurve? Mit der Ansicht dürftest du ziemlich allein dastehen. verwirrt
Conny_1729 Auf diesen Beitrag antworten »

Hallo,

erst einmal finde ich es gut, dass du dir Gedanken gemacht hast, wie man eine geometrische Linien-Modellierung mit möglichst einfachen Mittel verstehen und sogar mit Zirkel und Lineal konstruieren kann. Und da sind die Kurvenelemente eines Kreises durchaus weniger kompliziert, als die in der Technik und im CAD oft verwendeten Splines/NURBS/Bezier-Kurven. Die einfachste Möglichkeit wäre meiner Ansicht nach, wenn in den Start- und Endpunkten auch die Tangenten als Randbedingung mitgeliefert werden. Dann kann man sich von beiden Seiten aus (also von den definierten Rändern P_Start und P_Ende beginnend) Punkt für Punkt mit einem dazwischen konstruierten Radius weiterhangeln. Irgendwo dazwischen treffen sich zwei benachbarte Punkte, die noch nicht verbunden sind, aber dann jeweils eine Tangente aufweisen. Diese Lücke wird dann einfach verrundet.
Es gilt dann überall nachzuprüfen, wann z.B. ein noch nicht verbundener Punkt direkt auf der Stütz-Tangente liegt, womit in diesem Fall eine gerade Verbindung erfolgen müsste.


Zitat:
Original von punktlandung3
...
Und in der Natur vorkommende Kurven bestehen nach dieser Systematisierung aus in weiten Teilen riesigen Kreisbögen und nur kleinen Bereichen aus Wendestellen und Feingliedrigem (exceptiones probare regulae). Der Technische Zeichner hat also die Möglichkeit, eine komplizierte, noch unbekannte Kurve beliebig genau in endlich vielen Abschnitten abzuspeichern und bedingt auch zu bearbeiten. Gegenüber dem vollständigen Abtasten von Rohdaten, ihrer irreversiblen Verarbeitung, ihrer maschinellen polynomisierung und ihrer noch heikleren Bearbeitung sind das enorme Vorteile!
...


Diesbezüglich möchte ich zumindest einen kleinen Einwand erheben und eine naturphilosophisch sehr fundamentale Aussage zitieren: „Natura non facit saltus“ !!! In der Natur gibt es sehr viele Grundformen, die man einst über biegsame Kurvenlineale, Straklatten, SiCi-Spiralkurven-Schablonen etc. relativ einfach übernehmen konnte. Doch eines ist ihnen allen gemeinsam, dass sie zumindest krümmungsstetig sind. In der Technik ist daher die Mindestanforderung einer G2-Stetigkeit weit verbreitet. Dein Verfahren würde dann nicht mehr dieser Anforderung standhalten. Bei Design-Linien/Flächen geht man oft bis zu einer G4-Stetigkeit, um harmonisch verlaufende Lichtkanten (Reflexionslinien) zu erhalten. Nichtsdestotrotz hat dein Verfahren auch einen großen Vorteil, wenn man Punkteübergänge mit ganz einfachen Befehlen programmieren möchte (z.B. an einer Fräsmaschine), sofern diese Kurvenmodellierung der späteren Funktion genügt.

Um ein Beispiel zu nennen: Würde man eine Autobahnauffahrt rein mit einer tangentialen Verrundung ausführen, dann würden wir das sofort zu spüren bekommen, da die schroffen Krümmungsübergänge (unstetig) mit Beschleunigungssprüngen einhergehen würden, dort nämlich, wo die Kreiskurve in die Tangente übergeht. Daher verwendet man dort die Klothoiden als Übergang.

Gruß Conny
punktlandung3 Auf diesen Beitrag antworten »

Zitat:
Original von HAL 9000

Nach dieser deiner Definition repräsentiert also Kurvenzug eine konkave Kurve? Mit der Ansicht dürftest du ziemlich allein dastehen. verwirrt


Sehr interessant. Aber einen Nachweis, dass dieser Kurvenzug konvex sein soll, habe ich nicht im Forum und nicht mal in der Fachliteratur gefunden. Da wird nur im positiven Bereich formuliert und für alles andere, auch Nulldurchgänge darf jeder selbst nachrechnen. Es bräuchte ja doch eine Orientierung oder gar Richtung des Funktionsverlaufes um das eindeutig zu bestimmen.

Zu der Frage: die Bedingungen beziehen sich auf Verläufe ohne Nulldurchgang. Es ist aber nicht ausgeschlossen diese zu erkennen und den Algorithmus daraufhin anzupassen. Kreisformen und Spiralen sind ebenfalls nicht als ganzes Teil der Betrachtung, sonst wäre das mit der Ordnung der Definitionspunkte auch schwierig.
punktlandung3 Auf diesen Beitrag antworten »

Nun haben wir also gelernt, dass auf einer natürlichen Kometen-Bahn nicht das geringste aus der Spur fällt, aber auf einer G2-wechselndstetigen Kreisbahn vielleicht.
Das hier ist eine typische Abbildung für das Verfahren, aber es ist oft einfacher, das Koordinatensystem so zu legen, dass keine Nulllinien überschritten werden.

Die zwei Abschnitte in blau definieren die Kurve zwischen P2 und P3, mit dem besagten Viereck in gelb und der gesuchten Schnittlinie in der Mitte.
Beide Kreisbögen werden nicht jeder für sich, sondern allein durch die Schnittlinie definiert und dann so, dass sie tangential stetig ineinander übergehen. Prost
 
 
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